Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Mai 2003
Aktenzeichen: 29 W (pat) 133/02

(BPatG: Beschluss v. 14.05.2003, Az.: 29 W (pat) 133/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat eine Beschwerde gegen die Eintragung einer Wort-Bildmarke in Bezug auf verschiedene Waren und Dienstleistungen abgewiesen. Die Marke beinhaltet den Namen "BRUNO" und wird für verschiedene Produkte im Bereich Bürobedarf und Verpackungsmaterial verwendet. Eine andere Marke mit dem Namen "BRUNEAU" hatte Widerspruch eingelegt, da sie in einer ähnlichen Branche tätig ist. Das Gericht stellte fest, dass es eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken gibt, da sie sich sowohl in Bezug auf die Waren und Dienstleistungen als auch klanglich ähnlich sind. Die Bildgestaltung der Marken spielt in diesem Fall keine Rolle. Die Beschwerde wurde daher abgewiesen und die Widerspruchsmarke als gültig eingetragen. Es wurden keine Kosten auferlegt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 14.05.2003, Az: 29 W (pat) 133/02


Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die farbige Eintragung der Wort/Bildmarke 399 46 480 siehe Abb. 1 am Endemit dem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten, insbesondere Additionsrollen, Alben, Briefhüllen und Versandtaschen, Briefpapier-Ausstattungen (Kassetten), Einschlag- und Geschenkpapier, Endlos-Formulare, Glückwunschkarten; Kalender, Karteikarten, Kohle- und Durchschreibpapier, Mal- und Seminarblöcke, Millimeterpapier, Ordnungs- und Registraturmittel aus Papier, Ringbucheinlagen, Ringbücher, Schnellhefter, Schreibmaschinenpapier, Schreib- und Notizblöcke, Schulhefte und Kladden; Pappe und Pappwaren, soweit in Klasse 16 enthalten, insbesondere Ablegemappen, Alben, Dokumentenmappen, Ordnungs- und Registraturmittel aus Pappe, Unterschriftsmappen; Papier- und Pappwaren für den Haushalt, nämlich Dekorationskrepppapiere, Schrankpapier, Tortenspitzen; Büroutensilien, nämlich Büroklammern, Heftklammern, Reißbrettstifte, Gummiringe, Karteikästen, Kartenreiter, Stempel, Stempelkissen, Telefonregister, büromaschinenabhängiges Zubehör, nämlich Overheadfolien; Kunststofffolien zur Verwendung als Buch- und Heftschoner, Prospekthüllen, Ringbücher und Schnellhefter, Geschenkartikel, nämlich Adressbücher, Kalender, Notizbücher, Schreibmappen; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel, Photographien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Spielkarten; Drucklettern; Druckstöcke;

Klasse 21: Partygeschirr nicht aus Edelmetall;

Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensberatung; Büroarbeitenist Widerspruch erhoben worden aufgrund der Gemeinschaftsmarke 552 687 BRUNEAU, die eingetragen ist für die Waren und Dienstleistungen Klasse 16: Papier und Pappe (Karton), in unbearbeiteter Form, als Halbfabrikate oder für Papier- und Schreibwaren oder zum Drucken; Druckereierzeugnisse; Druckereierzeugnisse; Druckschriften; Handbücher; Aufzeichnungsträgerlisten; Buchbinderartikel; Photographien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen- und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Spielkarten; Drucklettern; Druckstöcke; Schreibinstrumente, Bleistifte, Stifte, Leuchtmarker.

Klasse 21: Geräte und Behälter für Haushalt und Küche, nicht elektrisch und nicht aus Edelmetall oder damit plattiert; Abfalleimer.

Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten.

Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die jüngere Marke durch Beschluß vom 12. März 2002 gelöscht. Die Vergleichsmarken könnten sich hinsichtlich der in die Warenklassen 16 und 21 einzuordnenden Erzeugnisse auf ähnlichen, vor allem aber auch auf identischen Waren begegnen. Von Identität sei auch bezüglich der Dienstleistungen der Klasse 35 auszugehen. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei normal. In ihrer Gesamtheit sei zwar wegen der bildhaften Gestaltung der jüngeren Marke nicht mit Verwechslungen zu rechnen. In klanglicher Hinsicht werde der Gesamteindruck der jüngeren Marke aber von dem Wortbestandteil "Bruno" bzw. "Brunö" geprägt. Der Bildbestandteil biete sich zur mündlichen Benennung der Marke nicht an, weil er nicht zwanglos und eindeutig zu benennen sei. Stehen sich aber die Zeichenwörter "BRUNO" und "BRUNEAU" gegenüber, so sei eine erhebliche Klangähnlichkeit gegeben. Es liege für den Verkehr nahe, bei der Begegnung mit einem Produkt eines französischen Herstellers/Dienstleisters nicht eine buchstabengetreue Wiedergabe zu favorisieren, sondern die der bekannten Fremdsprache adäquate Aussprache wie "BRÜNO" zu verwenden, so daß insgesamt der Tatbestand der Verwechslungsgefahr gem § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG erfüllt sei.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der jüngeren Marke. Die Ähnlichkeit bzw. Identität sei keineswegs hinsichtlich sämtlicher Waren und Dienstleistungen der Anmeldemarke gegeben. Die Kennzeichnungskraft sei wegen des Anklangs an das französische Wort "Bureau" bzw. das deutsche, der französischen Sprache entlehnte Wort "Büro" für Gegenstände des Bürobedarfs und zugehöriger Dienstleistungen als gering anzusehen. Die Beschwerdeführerin rügt, daß die Markenstelle angesichts der bildhaften Gestaltung der jüngeren Marke allein auf die klangliche Verwechslungsgefahr abgestellt habe. Es komme ihrer Ansicht nach nicht alleine auf klangliche Aspekte an. Die Waren der jüngeren Marke würden auf Sicht gekauft, während mündliche oder telefonische Bestellungen keine Rolle spielten. Ein erheblicher Teil werde die Widerspruchsmarke im übrigen buchstabengemäß aussprechen. Diejenigen, die die französische Aussprache wählten, würden die Widerspruchsmarke dann aber auch richtigerweise auf der letzten Silbe betonen, während das deutsche Wort "BRUNO" auf der ersten Silbe betont werde. Es bestehe daher keine Verwechslungsgefahr.

Sie beantragt, den Beschluß der Markenstelle für Klasse 16 vom 12. März 2002 aufzuheben und den Widerspruch mangels Verwechslungsgefahr zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich in erster Linie auf die Ausführungen der Markenstelle sowie auf ihr Vorbringen vor dem Deutschen Patent- und Markenamt. Sie hebt hervor, daß bereits eine Form der Markenähnlichkeit ausreiche, um die Verwechslungsgefahr zu begründen. Die angegriffene Marke werde vom Verkehr mit "BRUNO" benannt und nicht als "BRUNO-Bär" bezeichnet. Bei französischer Aussprache seien die Marken vollkommen identisch, bei deutscher Aussprache hochgradig ähnlich.

II Die gemäß § 165 Abs 4 MarkenG statthafte und auch im übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Auch nach Auffassung des Senats besteht die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen der Vergleichsmarken in klanglicher Hinsicht gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so daß ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (stRspr BGH GRUR 2002, 342, 343 - ASTRA/ESTRA-PUREN, GRUR 2002, 809, 811 - FRÜHSTÜCKS-DRINK I; GRUR 2002, 1067, 1068 - DKV/OKV mwN zur Rechtsprechung des EuGH).

1. Aufgrund der hier maßgeblichen Registerlage besteht Identität der einander gegenüberstehenden Dienstleistungen und Waren sowie im übrigen Warenähnlichkeit. Das gilt nicht nur für die Oberbegriffe, sondern auch hinsichtlich der mit der Formulierung "insbesondere" beispielhaft angeführten, unter "Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten" fallenden Einzelwaren der jüngeren Marke. Soweit diese beansprucht werden "nämlich Dekorationskrepppapiere, Schrankpapier und Tortenspitzen" handelt es sich um Papierwaren, für die die Widerspruchsmarke ebenfalls Schutz genießt. Entsprechendes gilt für die einzelnen "Büroutensilien, nämlich Büroklammern ...." und das "büromaschinenabhängige Zubehör, nämlich Overheadfolien ..... bis Schreibmappen", die sämtlich zu den "Papier- und Schreibwaren" sowie den "Schreibmaschinen- und Büroartikeln (ausgenommen Möbel)" der Widerspruchsmarke zählen. Im übrigen ist die Ähnlichkeit von "Papier" mit "Notizbüchern, Schreibmappen" sowie sämtlichen "Kunststofffolien" und mit "Papierwaren" anerkannt (vgl Stoppel Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen 12. Aufl, 254). Außerdem sind die beanspruchten "Adressbücher, Kalender" der jüngeren Marke ohnehin als typische Schreibwaren anzusehen, für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist. Das "Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten" ist mit "Papierwaren" ähnlich (vgl Stoppel aaO, 256, 347). Ähnlichkeit besteht - wenn auch zu einem geringeren Grad - hinsichtlich des "Partygeschirrs nicht aus Edelmetall (Klasse 21)" einerseits und der "Behälter für Haushalt und Küche, nicht elektrisch und nicht aus Edelmetall oder damit plattiert", die üblicherweise auch für Partyzwecke eingesetzt werden können.

2. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als normal anzusehen, da es sich um einen von Haus aus kennzeichnungskräftigen Eigennamen der juristischen Person der Widersprechenden handelt, der keinen beschreibenden Sinngehalt hat. Daß in der Widerspruchsmarke "BRUNEAU" das französische Wort "Bureau" bzw. das eingedeutschte Wort "Büro" anklingt, vermag die Kennzeichnungskraft nicht zu beeinträchtigen. Denn es fehlt an konkreten Anhaltspunkten für eine derartige inhaltliche Analyse durch das angesprochene Publikum, die es veranlassen könnte, infolge der reinen Klangassoziation am jeweiligen Wortende die Widerspruchsmarke in erster Linie als Sachhinweis für Bürobedarf und nicht als Kennzeichen zu verstehen. Aber selbst wenn ein Teil des Verkehrs beim Lesen oder Hören der Widerspruchsmarke an "Bureau" bzw. "Büro" denkt, so wird damit nur die Verwechslungsgefahr insgesamt verstärkt. Denn es zeigt, daß französische Namen oder Wörter, die mit "eau" enden, vom inländischen Verkehr wie vergleichbare französische Fremdwörter im deutschen Sprachgebrauch neben dem geläufigen Wort "Bureau" z.B. "Plateau, Tableau, Plumeau, Panneau ua" (DUDEN Band 5, 5. Aufl. 1990) mit "o" am Ende ausgesprochen werden.

3. Der Senat geht davon aus, daß die Widerspruchsmarke von einem entscheidungserheblichen Teil des Verkehrs nicht buchstabengemäß, sondern wie "Bruno" oder auch "Brüno" wiedergegeben wird. Hierzu trägt bei, daß einem Teil des Verkehrs die Aussprache der Buchstabenfolge "eau" als französisches Grundwort oder aus Begriffen wie "Eau de Toilette", "Eau de Cologne" und den Namen französischer Persönlichkeiten wie Cousteau, Cocteau oder Watteau bekannt ist.

Damit besteht klangliche Ähnlichkeit mit der jüngeren Marke, da deren Gesamteindruck jedenfalls in klanglicher Hinsicht von dem bildhaften Wortbestandteil "BRUNÖ" geprägt wird. Die Markenstelle ist zu Recht von dem bei der klanglichen Verwechslungsgefahr zu berücksichtigenden Erfahrungssatz ausgegangen, daß der Verkehr beim Zusammentreffen von Wort- und Bildbestandteilen in der Regel dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform eine prägende Bedeutung zumißt (stRspr, GRUR 1996, 198, 200 - Springende Raubkatze). Bei der jüngeren Marke besteht für den Verkehr hierzu umso mehr Veranlassung, als sie mit dem geläufigen Vornamen "BRUNO" dem angesprochenen Publikum die ohnehin geeignetste und naheliegendste Benennungsform für die personifizierte Bärenfigurmarke vorgibt. Aus diesem Grunde kann auch die größere Darstellung des Bären hier nichts an der prägenden Bedeutung des Namensbestandteils innerhalb der Wort-Bild-Marke ändern, zumal eine Bezeichnung mit "Bärenfigur" zu nichtssagend und jede diese näher beschreibende Fassung zur Bennenung der Marke im Verkehr ungeeignet wäre.

Ebenso wenig steht der Umstand, daß Waren häufig "auf Sicht" gekauft werden, der Annahme klanglicher Verwechslungsgefahr entgegen (vgl BGH GRUR 1999, 241, 244 Lions). Die Gefahr klanglicher Verwechslungen ist nicht auf den Kaufvorgang zu beschränken, sondern sie erstreckt sich auch auf mündliche Nachfragen, Empfehlungen, telefonische Bestellungen, Gespräche unter Verbrauchern sowie auf die akustische Werbung.

Entgegen der Auffassung der Inhaberin der jüngeren Marke kann nicht davon ausgegangen werden, daß eine unterschiedliche Betonung der Vergleichswörter der Gefahr klanglicher Verwechslungen ausreichend entgegen zu wirken vermag. Denn zum einen steht nicht fest, daß der Wortbestandteil "BRUNO" stets auf der ersten, die Widerspruchsmarke bei Aussprache wie "BRUNO" dagegen stets auf der letzten Silbe betont wird. Wer die Widerspruchsmarke als "BRUNO" hört und als Vorname auffaßt, wird diesen bei der jüngeren Marke in gleicher Weise aussprechen. Vor allem aber legt die bildliche Gestaltung des Wortbestandteils eine Aussprache auch wie "BRUNÖ" und damit eine Betonung auf der Endsilbe wie bei der Widerspruchsmarke nahe. Verwechslungsfördernd ist zudem, daß ein Teil des Verkehrs die Widerspruchsmarke mit einem leichten Ü-Laut wie "Brüno" aussprechen wird, was der Wiedergabe des Vornamens "BRUNO" im Französischen entspricht.

Angesichts der Identität bzw. Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und der klanglichen Ähnlichkeit der den jeweiligen Gesamteindruck prägenden Markenwörter ist die Verwechslungsgefahr bei der Benennung der Marken im Verkehr zu bejahen. Darauf, daß sich die Marken in ihrem bildlichen Gesamteindruck deutlich unterscheiden, kommt es nicht mehr an, da es für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ausreicht, wenn diese in einer relevanten klanglichen, bildlichen, begrifflichen oder assoziativen Hinsicht festgestellt wird.

Für die Auferlegung von Kosten nach § 71 Abs 1 MarkenG bestand keine Veranlassung.

Grabrucker Pagenberg Richter Voit ist abgeordnet und kann daher nicht unterzeichnen.

Grabrucker Hu Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/D18194.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 14.05.2003
Az: 29 W (pat) 133/02


Link zum Urteil:
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