Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. März 2001
Aktenzeichen: 26 W (pat) 206/00

(BPatG: Beschluss v. 07.03.2001, Az.: 26 W (pat) 206/00)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren und Dienstleistung

"Fahrzeuge; Transportwesen"

eingetragene Marke Nr 398 34 856 siehe Abb. 1 am Endeist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren EU-Marke 221 531 siehe Abb. 2 am Endedie ua für die Dienstleistungen

"Beförderung von Reisenden und von Gütern; Reservierung von Sitzplätzen in diesen Transportmitteln; Dienstleistungen von Reisebüros, Veranstaltung von Reisen, Veranstaltung von Ausflugsfahrten"

geschützt ist.

Die Markenstelle für Klasse 39 hat mit Beschluß vom 9. Mai 2000 die angegriffene Marke wegen des Widerspruchs teilweise bezüglich der Dienstleistungen "Transportwesen" gelöscht; bezüglich der Waren "Fahrzeuge" hat sie den Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke zurückgewiesen. Die Entscheidung ist im wesentlichen damit begründet, daß die Widerspruchsmarke ua die "Beförderung von Reisenden und Gütern" umfasse. Diese Dienstleistung liege im engsten Ähnlichkeitsbereich zum "Transportwesen" der angegriffenen Kennzeichnung. Etwas anderes gelte hinsichtlich der Waren "Fahrzeuge". Deren Herstellungsbetriebe wiesen keine Übereinstimmungen mit den Dienstleistungen der Widerspruchsmarke auf. Zum einen bestünden zwischen dem Vertrieb von Waren und der Erbringung von Dienstleistungen grundlegende Unterschiede, zum anderen wichen die betrieblichen Ausrichtungen eindeutig voneinander ab. Die Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeiter seien gänzlich anders und auch die organisatorischen Abläufe seien grundverschieden. Dies sei auch den angesprochenen Verkehrskreisen bewußt, weshalb insoweit eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bereits an der fehlenden Ähnlichkeit der Waren bzw Dienstleistungen scheitere. Im übrigen wiesen die Vergleichsmarken weitgehende klangliche Übereinstimmungen auf. In beiden Wort-/Bildmarken würden die jeweiligen Wortbestandteile als einfachste Bezeichnungsformen überwiegen. Zudem müsse davon ausgegangen werden, daß ein erheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs bei der Benennung der angegriffenen Marke den Artikel weglassen werde und daß das nach dem Apostroph angefügte "Plurals" ohne prägnante klangliche Auswirkung bleibe. Mithin stünden sich hochgradig ähnliche Marken gegenüber, was angesichts der Ähnlichkeit der beiderseitigen Dienstleistungen die Gefahr von Verwechslungen befürchten lasse.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Ihrer Ansicht nach ist von einer Ähnlichkeit der Waren "Fahrzeuge" einerseits und der Dienstleistungen "Beförderung von Reisenden und von Gütern" andererseits auszugehen. Maßgeblich sei insoweit, ob bei den beteiligten Verkehrskreisen der Eindruck aufkommen könne, die Waren und Dienstleistungen würden der Kontrolle desselben Unternehmens unterliegen. Bei der dabei gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise unter Beachtung der objektiven Branchenverhältnisse sei im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs die Hersteller und Vertreiber der Waren und die Dienstleistungsunternehmen sich jeweils auch auf dem anderen Gebiet eigenständig gewerblich betätigten. So könnte zB der Verkehr den Eindruck haben, daß der Inhaber der angegriffenen Marke als Speditionsunternehmer sowohl "Beförderungsdienstleistungen" anbiete als auch selbständig "Fahrzeuge" vertreibe. Insbesondere könne man "Fahrzeuge" nicht als bloße Hilfswaren für die "Beförderung von Reisenden und von Gütern" ansehen. Diesen Standpunkt habe auch das französische INPI in einer Entscheidung über den gleichen Sachverhalt eingenommen. Die klangliche Verwechslungsgefahr ergebe sich aus den nicht ins Gewicht fallenden Unterschieden der jeweiligen Wortbestandteile der sich gegenüberstehenden Marken.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, soweit dem Widerspruch nicht stattgegeben wurde.

Sie regt die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

Der Markeninhaber hat sich zur Beschwerde nicht geäußert.

II.

Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als unbegründet, denn auch nach Auffassung des Senats ist es nicht gerechtfertigt, die eingetragene Marke wegen des Widerspruchs aus der EU-Marke für die Waren "Fahrzeuge" gemäß § 9 Absatz 1 Nr 2 MarkenG zu löschen.

Die Gefahr markenrechtlich erheblicher Verwechslungen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke (vgl EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl Puma; BGH GRUR 1995, 216, 219 - Oxygenol II).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Dienstleistung "Beförderung von Reisenden und von Gütern" und der Waren "Fahrzeuge" sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die auch das Verhältnis zwischen Waren kennzeichnen. Zwar sind Dienstleistungen generell weder den zu ihrer Erbringung verwendeten Waren und Hilfsmitteln ähnlich, gleichwohl können besondere Umstände die Feststellung der Ähnlichkeit nahelegen. Maßgeblich ist, ob bei den beteiligten Verkehrskreisen der Eindruck aufkommen kann, Ware und Dienstleistung würden der Kontrolle desselben Unternehmens unterliegen, sei es, daß das Dienstleistungsunternehmen sich selbständig auch mit der Herstellung bzw mit dem Vertrieb der Ware befaßt, sei es, daß der Warenhersteller oder -vertreiber sich auch auf dem entsprechenden Dienstleistungsbereich selbständig gewerblich betätigt. Nur wenn der Verkehr zu der Auffassung gelangt, die miteinander in Berührung kommenden Waren und Dienstleistungen könnten auf einer selbständigen gewerblichen Tätigkeit desselben oder eines wirtschaftlich verbundenen Unternehmens beruhen, kann er einer unzutreffenden Vorstellung über deren betriebliche Zuordnung unterliegen. Es kommt mithin darauf an, ob bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise unter Beachtung der objektiven Branchenverhältnisse unterstellt werden kann, daß die beteiligten Verkehrskreise in entscheidungserheblichem Umfang davon ausgehen, daß Warenhersteller bzw -vertreiber und Dienstleistungsunternehmen sich jeweils auch auf dem anderen Gebiet eigenständig gewerblich betätigen (vgl dazu BGH GRUR 1999, 731, 733 - Canon II; Althammer/Ströbele Markengesetz 6. Aufl § 9 Rdn 67 f mwNachw).

Hiervon ausgehend liegen dem Senat nach seinen Ermittlungen keine Anhaltspunkte dafür vor, die eindeutig für eine Ähnlichkeit der angemeldeten Waren "Fahrzeuge" mit den Dienstleistungen "Beförderung von Reisenden und von Gütern" der Widerspruchsmarke sprechen. Der Senat hat keine Feststellungen dahingehend zu treffen vermocht, daß bereits im Anmeldezeitpunkt namhafte Hersteller oder Händler von "Fahrzeugen" unter ihrer Marke auch "Beförderungsleistungen" organisiert oder angeboten haben. Ebensowenig liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, daß die Anbieter von Beförderungsleistungen - seien es Reiseunternehmen oder Speditionen - unter ihrer Marke eigenständig Fahrzeuge herstellen oder vertreiben. Allein der Umstand, daß zur Erbringung der Beförderungsleistungen ua auch "Fahrzeuge" verwendet werden, rechtfertigt angesichts der feststellbaren Branchenverhältnisse kaum die Annahme, die beteiligten Verkehrskreise würden hierdurch in entscheidungserheblichen Umfang zu dem irrtümlichen Schluß verleitet, Warenhersteller und Dienstleistungsunternehmen würden sich auch auf dem anderen Gebiet eigenständig gewerblich betätigen.

Selbst wenn zugunsten der Widersprechenden dennoch von einer entfernten Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren bzw Dienstleistungen ausgegangen wird, wahren die beiderseitigen Kennzeichnungen auch unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke den erforderlichen Abstand, um eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Absatz 1 Nr 2 MarkenG zu verneinen. Bei der Prüfung der Markenähnlichkeit ist grundsätzlich auf den Gesamteindruck der Marken abzustellen (vgl EuGH aaO - Sabèl/Puma; BGH GRUR 1996, 774 - Sali Toft). Da sich jeweils Wort-/Bildmarken mit deutlich unterschiedlichen Bildbestandteilen (Elefantenkopf und Flugdrachen) gegenüberstehen, sind die Vergleichszeichen in ihrer Gesamtheit nicht ähnlich. Soweit die weiteren Wortbestandteile "Die Jumbo's" und "jumbo" jeweils eigenständige kennzeichnende Funktionen aufweisen (vgl BGH GRUR 1996, 198 - Springende Raubkatze), wären angesichts der äußerst geringen Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren bzw Dienstleistungen klangliche oder begriffliche Verwechslungen nur dann zu befürchten, wenn sich Bezeichnungen gegenüberstünden, die klanglich oder ihrem Sinn nach nahezu übereinstimmten. Da es sich bei der jüngeren Marke offensichtlich um die Pluralform der Widerspruchsmarke handelt, ist eine derartige Übereinstimmung nicht gegeben. Da auch sonst keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr vorliegen, mußte der Beschwerde der Erfolg versagt werden.

Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen (§ 71 Abs 1 MarkenG) bestand kein Anlaß.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Absatz 2 MarkenG lagen nicht vor. Es war weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden, noch erforderte die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Die vorliegende Entscheidung wirft keine neuen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, die nicht bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung als geklärt anzusehen sind.

Vorsitzender Richter Schülke ist infolge Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert.

Kraft Eder Kraftbr/prö

Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/26W(pat)206-00.1.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/26W(pat)206-00.2.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 07.03.2001
Az: 26 W (pat) 206/00


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