Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Mai 2007
Aktenzeichen: 21 W (pat) 3/06

(BPatG: Beschluss v. 22.05.2007, Az.: 21 W (pat) 3/06)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Prüfungsstelle für Klasse G 01 S des Deutschen Patent- und Markenamts hat die am 24. Dezember 1997 eingereichte Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Verfahren zum Verbessern der Entfernungsmessung mittels Laser" durch Beschluss vom 9. September 2005 zurückgewiesen. Der Zurückweisung lag der mit Eingabe vom 16. August 2005 eingereichte Patentanspruch 1 sowie die ursprünglichen Patentansprüche 2 bis 6 zugrunde.

Zur Begründung ist in der Entscheidung ausgeführt, dass zu dem bereits im Erstbescheid vom 27. August 2002 im Anspruch 2 gerügten unklaren Begriff einer "effektiven negativen Impulsbreite" in keiner der folgenden beiden Eingaben überhaupt Stellung genommen worden sei. Da der gerügte Mangel nicht beseitigt worden und über die Patentanmeldung nur als Ganzes zu beschließen sei, war die Anmeldung zurückzuweisen.

Gegen den vorgenannten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 9. November 2005. Mit ihrem Beschwerdeschriftsatz reicht sie einen neuen Patentanspruch 2 zu den Akten und beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle aufzuheben, der Beschwerde abzuhelfen sowie der Eingabe vom 16. August 2005 zu entsprechen.

Für den Fall, dass die Prüfungsstelle nicht abhilft, beantragt sie, das Patent auf der Basis der geltenden Unterlagen zu erteilen.

Mit Schriftsatz vom 23. April 2007 erklärt der Vertreter der Anmelderin, dass er an der für den 22. Mai 2007 anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde. Ferner werde um Entscheidung nach Aktenlage gebeten.

Der geltende, mit Eingabe vom 16. August 2005 eingereichte Patentanspruch 1 lautet:

Verfahren zum Verbessern der Entfernungsmessgenauigkeit eines Laserentfernungsmessers, aufweisend die Schritte:

A) Senden von Laserlicht in Richtung auf ein bestimmtes Ziel, B) Empfangen von rückgeführtem Laserlicht, das von dem bestimmten Ziel reflektiert wird, und Gewinnen eines Signals entsprechend der Zeitdifferenz zwischen dem Laserlicht-Sendezeitpunkt und dem Laserlicht-Empfangszeitpunkt für das reflektierte Laserlicht, C) Umsetzen des Signals in einen Spannungswert, D) Umsetzen des Spannungswerts in einen digitalen Wert, E) Korrigieren des digitalen Werts durch Berechnen der Differenz zwischen dem digitalen Wert und einem Korrekturpegel, gefolgt vom Multiplizieren der Differenz mit einem Korrekturverstärkungsfaktor; und F) Ermitteln der Distanz des bestimmten Ziels aus dem korrigierten Digitalwert, wobei der Korrekturverstärkungsfaktor und der Korrekturpegel unter Verwendung eines Selbstkalibrierungsverfahrens ermittelt werden, welches folgende Schritte aufweist:

a) Bereitstellen eines ersten Korrekturimpulses;

b) Umsetzen des ersten Korrekturimpulses in einen ersten Referenzspannungswert, gefolgt vom Umsetzen des Referenzspannungswerts in einen ersten Referenzdigitalwert d1 unter einer idealen Bedingung;

c) Bereitstellen eines zweiten Korrekturimpulses;

d) Umsetzen des zweiten Korrekturimpulses in einen zweiten Referenzspannungswert, gefolgt vom Umsetzen des zweiten Referenzspannungswertes in einen zweiten Referenzdigitalwert d2 unter einer idealen Bedingung;

e) Erzeugen des ersten Korrekturimpulses nach Initialisieren des Laserentfernungsmessers;

f) Umsetzen des ersten Korrekturimpulses in einen ersten Messspannungswert, gefolgt vom Umsetzen des ersten Messspannungswertes in einen ersten digitalen Messwert d1' unter einer realen Bedingung;

g) Erzeugen des zweiten Korrekturimpulses;

h) Umsetzen des zweiten Korrekturimpulses in einen zweiten Messspannungswert, gefolgt vom Umsetzen des zweiten Messspannungswertes in einen zweiten digitalen Messwert d2' unter einer realen Bedingung; undi) Berechnen des Korrekturverstärkungsfaktors und des Korrekturpegels aus den ersten und zweiten Referenzdigitalwerten und den ersten zweiten digitalen Messwerten.

Hinsichtlich der geltenden Patentansprüche 2 bis 6 sowie hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 73 Abs. 1, Abs. 2 PatG. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg und ist deshalb zurückzuweisen, § 79 PatG Abs. 1, da die Erfindung nicht ausführbar ist, § 34 Abs. 4 PatG.

§ 34 Abs. 4 PatG bestimmt, dass die Erfindung in der Anmeldung so deutlich und vollständig zu offenbaren ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Danach ist eine Erfindung ausführbar, wenn ein Fachmann anhand der Offenbarung unter Einsatz seines Fachwissens in der Lage ist, die Erfindung praktisch zu verwirklichen, wobei die Erfindung nicht buchstabengetreu realisierbar sein muss, sondern es ausreicht, dass der Fachmann anhand der Offenbarung das erfindungsgemäße Ziel zuverlässig in praktisch ausreichendem Maße erreichen kann (vgl. Busse PatG, 6. Aufl., § 34 Rdn. 273; Schulte PatG, 7. Aufl., § 34 Rdn. 364 - jeweils m. w. N.).

Nach ständiger Rechtsprechung müssen die insoweit erforderlichen Angaben nicht im Patentanspruch selbst enthalten sein, sondern es ist ausreichend, dass sich diese aus der Anmeldung insgesamt ergeben. Auch ist es nicht erforderlich, dass alle denkbaren unter den Wortlaut des Patentanspruchs fallenden Ausgestaltungen ausgeführt werden können (vgl. BGH GRUR 2003, 223 LS, 225 I.4.; Kupplungsvorrichtung II; BGH GRUR 2004, 47, 48, III. - blasenfreie Gummibahn I).

Dennoch genügen vorliegend die Unterlagen diesen Anforderungen nicht.

Bei dem anmeldungsgemäßen Verfahren wird zur Entfernungsmessung (in an sich bekannter Art und Weise) die Zeitdifferenz zwischen dem Sendezeitpunkt und dem Empfangszeitpunkt des von einem Messobjekt reflektierten Laserlichts erfasst und in einen digitalisierten Spannungswert umgesetzt. Dies erfolgt für die Dauer der Zeitdifferenz durch Laden eines Ladekondensators C11 mit einem konstanten Ladestrom in einem Präzisionsabschnitt 40, wie er anhand der Figur 4 in den Anmeldungsunterlagen im Einzelnen beschrieben ist. Bekanntlich besteht ein linearer Zusammenhang zwischen der Spannung an einem Kondensator und der Zeitdauer eines konstantem Ladestroms. Somit ist der gemessene, am Kondensator abgegriffene Spannungswert ein Maß für die Entfernung.

Da die Genauigkeit des Präzisionsabschnitts 40 durch Wärmeeinwirkung beeinträchtigt ist (vgl. OS Sp. 5 ab Z. 10), sieht das Laserentfernungsmessgerät gemäß Figur 1 zum Verbessern der Messgenauigkeit einen Selbstkalibrierungsabschnitt 50 vor. Die Beeinträchtigung hat sowohl eine Verschiebung der Spannungs/Zeit-Geraden (Offset) als auch eine Veränderung von deren Steigung zur Folge.

Um beiden Auswirkungen entgegenzuwirken, werden ein "Korrekturpegel" und ein "Korrekturverstärkungsfaktor" ermittelt, um damit einen gemäß den Merkmalen [A] bis [D] des Anspruchs 1 aufbereiteten digitalen Spannungswert zu korrigieren [E] und daraus die Distanz - bereinigt von Messfehlern - eines bestimmten Zieles zu ermitteln [F].

In den Merkmalen [a] bis [i] sind sodann Vorgaben aufgeführt, anhand derer offenbar der im Merkmal [E] angegebene "Korrekturpegel" und der "Korrekturverstärkungsfaktor" aufbereitet werden sollen. Die aufgezeigte Vorgehensweise beruht auf der (hinlänglich bekannten) Tatsache, dass eine Gerade durch (mindestens) zwei Punkte festgelegt ist. Demgemäß sollen jeweils ein 1. und ein 2. Korrekturimpuls (unterschiedlicher Dauer) bereitgestellt und einmal "unter einer idealen Bedingung" und ferner "nach Initialisieren" des Laserentfernungsmessgerätes "unter einer realen Bedingung" in die Digitalwerte umgesetzt werden.

Welche physikalischen Parameter für die genannte "ideale Bedingung" im Merkmal [b] und für die "reale Bedingung" im Merkmal [f] maßgeblich sind, ist nicht angegeben. Mangels dieser fehlenden, aber notwendigen Angaben ist der Fachmann, der hier als ein mit der Entwicklung von Entfernungsmessgeräten befasster Diplom-Physiker oder Diplom-Ingenieur mit einschlägiger Berufserfahrung zu definieren ist, nicht in der Lage, die offenbarte technische Lehre praktisch zu verwirklichen und im Hinblick auf die im Anmeldungsgegenstand zugrundeliegende Aufgabe - ein Verfahren zum Optimieren der Empfindlichkeit eines Laserentfernungsmessgeräts derart bereitzustellen, dass die Anforderung an eine hohe Genauigkeit erzielt wird, indem lediglich die Schwellenspannung der Empfangsschaltung in dem Gerät geringfügig eingestellt bzw. justiert wird - das gewünschte Ergebnis zu erlangen.

Diese insoweit erforderlichen Angaben ergeben sich auch nicht aus den Anmeldungsunterlagen insgesamt.

Zwar finden sich in den Figuren 6A, 6B über die Zeitdauer t1, t2 der jeweiligen Impulse die Angaben d1 bzw. d2, die in der Beschreibung Spalte 5, Zeile 42 als "Standardwerte" bezeichnet sind; ob mit diesen Standardwerten möglicherweise lediglich eine digitalisierte Zeitdauer oder irgendwelche in Referenzspannungswerte umgesetzte Korrekturimpulse [b, d] gemeint sein sollen, ist nicht klar. Die "nach Initialisierung des Laserentfernungsmessgerätes" erzeugten und aufbereiteten Korrekturimpulse wären zwar als solche noch vorstellbar, wobei jedoch das besagte Initialisieren vollkommen offen lässt, ob damit ein eingeschwungener Betrieb des Entfernungsmessers bei konstanter Wärmeeinwirkung (auf die Bauteile) - "reale Bedingung" - zu verstehen sein soll.

Die mangelnde Ausführbarkeit der Erfindung ist - was das Bereitstellen und Erzeugen von Korrekturimpulsen unter einer "idealen" bzw. "realen" Bedingung betrifft - zwar mit der Anmelderin bisher nicht erörtert worden. Dies war aber auch nicht unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs geboten. Denn wer - wie im vorliegenden Fall - zu einer mündlichen Verhandlung freiwillig nicht erscheint, muss damit rechnen, dass mündlich auch Sachverhalte erörtert werden, die bisher schriftlich nicht dargelegt wurden, und verzichtet damit auf die Wahrnehmung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör in mündlicher Form (siehe Schulte, PatG, 7. Aufl., Einleitung, Rdn. 233/234 und BPatGE 46, 86 - Zahnrad-Getriebe). Er muss somit auch mit einer Änderung der Entscheidungsgrundlage rechnen.

Dr. Winterfeldt Hartlieb Dr. Häußler Bernhart Pü






BPatG:
Beschluss v. 22.05.2007
Az: 21 W (pat) 3/06


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