Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. Dezember 2001
Aktenzeichen: 30 W (pat) 104/01

(BPatG: Beschluss v. 03.12.2001, Az.: 30 W (pat) 104/01)

Tenor

Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Marke POWERWHEEL ist unter der Nr 398 21 386 am 2. Juli 1998 für folgende Waren in das Markenregister eingetragen worden:

"Geräte der Unterhaltungselektronik sowie deren Teile, soweit in Klasse 9 enthalten, insbesondere Radios, Autoradios, Schallplattenspieler, Kassettenrecorder, Videokameras undrekorder, CD-Player, Tonbandgeräte, Ton- und Bildaufzeichnuns-, Übertragungs-, Verstärkungs- und Wiedergabegeräte, Lautsprecher, Fernsehgeräte, Videospiele (zum Anschluß an ein Fernsehgerät), Videokassetten (bespielte und unbespielte), Schallplatten, Audiokassetten (bespielte und unbespielte), Antennen, Radiorekorder, Projektoren, Equalizer, Mikrofone; Bildschnittgeräte; elektronische Datenverarbeitungsgeräte, Computer, Computer-Peripheriegeräte sowie deren Teile, soweit in Klasse 9 enthalten, einschließlich Spielcomputer, Heimcomputer, Festplatten, Monitore, Dateneingabe- und -ausgabegeräte (einschließlich Tastatur, Joystick und Maus), Drucker, Druckerschnittstellenumwandler, Terminals, Schnittstellenkarten, Disketten, CD-Roms, Laufwerke aller Art (extern und intern), Speichermodule und -systeme (extern und intern), Hauptplatinen, Computereinsteckteile, auf Datenträgern gespeicherte Programme, Modems, Computerspiele sowie Kabel, Kabelklemmen, Steckverbinder, Stecker, Batterien, Akkumulatoren und Netz- sowie Ladegeräte für vorgenannte Waren; elektrische Haushaltsgeräte, soweit in Klasse 9 enthalten, insbesondere Bügeleisen, Folienschweißgeräte, Personen- und Küchenwagen; Staubsauger".

Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 6. August 1998.

Widerspruch erhoben hat ua die Inhaberin der älteren, am 1. April 1996 angemeldeten und am 28. November 1998 eingetragenen Gemeinschaftsmarke 169 102 POWER WHEELS, die für Waren der Klassen 9, 12, 25 und 28 geschützt ist, ua für:

"Spiele, Spielzeug; Spielsachen; Spielzeug, Spiele und Spielsachen zur Unterhaltung, Erziehung oder Entwicklung von Babys und Kindern; Teile und Bestandteile für alle vorstehend genannten Waren".

Für diese Anmeldung ist ua die Seniorität (seniority) der nationalen Marke DE 1 167 997 vom 28. November 1989, eingetragen für "Spielzeug, nämlich Kleinfahrzeuge", in Anspruch genommen.

Der Widerspruch ist auf alle identischen und ähnlichen Waren und Dienstleistungen gestützt. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung sind nicht vorgelegt worden.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke die Eintragung der angegriffenen Marke teilweise gelöscht; hiervon ausgenommen sind nur die Waren "Bildschnittgeräte, elektrische Haushaltsgeräte, soweit in Klasse 9 enthalten, insbesondere Bügeleisen, Folienschweißgeräte, Personen- und Küchenwaagen; Staubsauger". Nur insoweit ist dieser Widerspruch zurückgewiesen worden. Begründend ist ausgeführt, daß im Umfang der teilweisen Löschung Warenähnlichkeit zu bejahen sei. Die geringe Abweichung der Marken am Wortende reiche nicht aus, um Verwechslungsgefahr verneinen zu können.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat Beschwerde eingelegt. Sie ist der Meinung, daß im Hinblick auf die Inanspruchnahme der Seniorität der Marke DE 1 176 997 die Nichtbenutzungseinrede zulässig erhoben sei. Im übrigen hält sie vor allem wegen unterschiedlicher Vertriebswege die Warenähnlichkeit im Umfang der Löschung nicht für gegeben, zumal die Widerspruchsmarke für Waren der Klasse 9 nur mit Fahrradhelmen eingetragen sei.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, den Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Februar 2001 insoweit aufzuheben, als wegen des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke 169 102 die Eintragung der angegriffenen Marke 398 21 386 teilweise gelöscht worden ist.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält mit näheren Ausführungen den angegriffenen Beschluß für zutreffend. Weiter meint sie, daß im Hinblick der Eintragung der Gemeinschaftsmarke am 26. November 1998 die Nichtbenutzungseinrede unzulässig erhoben sei.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Wege der Hilfsanträge I und II das Warenverzeichnis eingeschränkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Hilfsanträge der Inhaberin der angegriffenen Marke gemäß Anlage zum Protokoll Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist in der Sache ohne Erfolg. Es besteht auch nach Auffassung des Senats Verwechslungsgefahr.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinanderstehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnunskraft der Widerspruchsmarke (ständige Rechtsprechung zB EuGH MarkenR 1999, 22 - CANON; BGH MarkenR 1999; 297 - HONKA; BGH MarkenR 2000, 359 - BAYER/BeiChem).

Bei seiner Entscheidung unterstellt der Senat eine noch durchschnittliche Kennzeichnungskraft und damit einen im wesentlichen normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke, da die Bedeutung des Zeichens sich nicht unmittelbar zur Beschreibung der Waren aufdrängt.

Die sich gegenüberstehenden Marken sind nahezu identisch. Unter diesen Umständen bedarf es im Bereich der Waren eines ganz erheblichen Abstandes, um der Verwechslungsgefahr zu begegnen. Ein solcher Abstand liegt nicht vor.

Bei den sich gegenüberstehenden Waren ist von der Registerlage auszugehen. Die von der Inhaberin der angegriffenen Marke erhobene Nichtbenutzungseinrede ist derzeit unzulässig, § 125 b Nr 4, § 43 Absatz 1 MarkenG iVm Art 15 GMV. Zwar hat die Widersprechende bei der Gemeinschaftsmarkenanmeldung den Zeitrang (seniority; Seniorität) der nationalen Marke DE 1 167 997 vom 28. November 1989 in Anspruch genommen (Art 34 GMV); gemäß Art 34 Abs 2 GMV hat der Zeitrang die alleinige Wirkung, daß dem Inhaber der Gemeinschaftsmarke, falls er auf die ältere Marke verzichtet oder sie erlöschen läßt, weiter dieselben Rechte zugestanden werden, die er gehabt hätte, wenn die ältere Marke weiterhin eingetragen gewesen wäre. Art 15 GMV kann angesichts dieses klaren Gesetzeswortlauts ("alleinige Wirkung") nicht erweiternd dahin ausgedehnt werden, daß es bei Inanspruchnahme der Seniorität nicht allein auf die Daten der Widerspruchsmarke, sondern auf die der älteren nationalen Marke ankäme. Für die Frage, ab wann die Erhebung der Nichtbenutzungseinrede zulässig ist, ist die Inanspruchnahme der Seniorität damit ohne Bedeutung.

Bei den sich danach gegenüberstehenden, verfahrensgegenständlichen Waren ist angesichts der Verflechtungen zwischen Spielwarenindustrie einerseits und Unterhaltungselektronik- und Computerindustrie andererseits und damit gegebenen Berührungspunkten auf der Herstellerebene von Warenähnlichkeit auszugehen (vgl etwa BPatGE 38, 254 - HIRO/Miro). So bietet beispielsweise der Spielzeughersteller Ravensburger für Kinder ab vier Jahren Mini-Laptops und Multi-Keyboards an, ebenso Computerspiele (zB Moorhuhn (ab 6 Jahre)). Ebenso bieten Hersteller von Computerprogrammen auch Computerspiele an. Unterstrichen wird dies auch mit dem Warenverzeichnis der angegriffenen Marke, das neben typischen Elektronikartikeln wie Computern ausdrücklich auch Spielcomputer und Videospiele anführt. Der Ansicht der Markeninhaberin, die unterschiedliche Klassifikation der beiderseitigen Waren führe bereits als solche zu einer deutlichen Divergenz bei den Waren, kann nicht beigetreten werden. Die Einordnung der Spiele in Klasse 28 beschränkt diese Spiele nicht auf nicht elektronische. Vielmehr werden nach der vom DPMA herausgegebenen Vorschlagsliste elektronische Spiele (ausgenommen als Zusatzgeräte für Fernsehapparate) sogar nur in Klasse 28 eingeordnet. Unter diesen Umständen kann jedenfalls angesichts nahezu identischer Marken ein zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr ausreichender Warenabstand, nicht festgestellt werden. Zu bewerten hat der Senat dabei nur die eingetragenen Oberbegriffe und nicht die unter insbesondere, bzw einschließlich angeführten Einzelwaren, da diese nur beispielhaft aufgezählt sind und somit keine selbständige Funktion im Warenverzeichnis haben.

An diesem Ergebnis ändern auch die hilfsweise erfolgten Einschränkungen des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke nichts. Nach dem Hilfsantrag I, mit dem nach wie vor Computer und Programme beansprucht werden, erfolgt ua zwar eine Beschränkung des Vertriebswegs ("...sämtliche Waren nicht zum Vertrieb über Spielzeuggeschäfte..."); diese berührt aber den Ähnlichkeitsumfang nicht; denn die Abweichung im Vertriebsweg betrifft nicht gegenständlich die Ware und grenzt die insoweit in Betracht kommenden Abnehmerkreise nicht nachhaltig voneinander ab. Auch jedes "normale" Hard- und Software führende Geschäft hat in großem Umfang Computerspiele etc vorrätig. Auch nach dem Hilfsantrag II kommt es nicht zum Erfolg der Beschwerde. Dieser enthält zwar im Warenverzeichnis ua die weitere Einschränkung, daß die beanspruchten Waren nicht zur zielgerichteten Unterhaltung, Erziehung oder Entwicklung von Babies und Kindern bestimmt seien; diese Beschränkung in der Zweckbestimmung ist indessen nicht ausreichend, um Warenähnlichkeit verneinen zu können; auch sie betrifft nach der Fassung des Warenverzeichnisses nicht deutlich gegenständlich die Ware, sondern ist eher nur eine Programmsatz. Sie gibt also zwar den Schwerpunkt der Produktion wieder, grenzt jedoch die Warengebiete nur entsprechend vage voneinander ab und schließt somit zumindest im Grenzbereich (zB Kinder-/Jugendliche/Heranwachsende) Überschneidungen nicht aus.

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist damit ohne Erfolg.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Absatz 1 MarkenG.

Dr. Buchetmann Winter Schramm Hu






BPatG:
Beschluss v. 03.12.2001
Az: 30 W (pat) 104/01


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