Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Oktober 2002
Aktenzeichen: 14 W (pat) 80/01

(BPatG: Beschluss v. 22.10.2002, Az.: 14 W (pat) 80/01)

Tenor

1. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

2. Das Patent 44 41 359 wird widerrufen.

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Beschluß vom 31. August 2001 hat die Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamtes das Patent 44 41 359 mit der Bezeichnung

"Flüssiges Tönungsshampoo"

in vollem Umfang aufrechterhalten.

Dem Beschluß liegen die erteilten Patentansprüche 1 bis 10 zugrunde, von denen der Anspruche 1 lautet:

"Flüssiges Tönungsshampoo, enthaltend, berechnet auf die Gesamtzusammensetzung, a) 0,01 bis 2,5 Gew.-% mindestens eines direktziehenden kationischen Haarfarbstoffs;

b) 0,25 bis 10 Gew.-% mindestens eines kationischen Tensids;

c) 0,5 bis 20 Gew.-% mindestens eines anionischen Tensids;

undd) Wasser."

Zur Begründung des Beschlusses ist ausgeführt, dem beanspruchten flüssigen Tönungsshampoo sei gegenüber dem im Einspruchsverfahren und im Prüfungsverfahren entgegengehaltenen Stand der Technik Neuheit und erfinderische Tätigkeit zuzuerkennen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden. Sie vertritt die Auffassung, daß das beanspruchte Tönungsshampoo aufgrund der von ihr geltend gemachten Vorbenutzung nicht mehr neu sei und jedenfalls gegenüber den im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe. Bezugnehmend auf das Löschungsverfahren des konkordanten Gebrauchsmusters verweist sie ferner auf die dort genannte

(1) EP 137 178 A2 und schließt sich im übrigen der von der Gebrauchsmusterabteilung im Zwischenbescheid vom 9. August 2000 vertretenen Auffassung an, gegenüber (1) fehle es dem beanspruchten Tönungsshampoo an der Neuheit.

Die Einsprechende beantragt, die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und das Patent vollständig zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat sich zu den Ausführungen der Einsprechenden in deren Beschwerdebegründung nicht mehr geäußert.

Mit Zwischenverfügung vom 26. September 2002 wurden der Patentinhaberin von Seiten des Senates unter Hinweis auf die Entgegenhaltung (1) iVm den Dokumenten

(2) Römpps Chemie Lexikon, 8. Auflage, Bd. 1, 1979, S 373 iVm Bd. 3, 1983, S 2061 sowie der gutachtlich zu wertenden

(3) DE 195 27 978 A1 Zweifel an der Neuheit des beanspruchten flüssigen Tönungsshampoos dargelegt.

Zu weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Einsprechenden ist zulässig (§ 73 PatG); sie ist auch begründet.

Das flüssige Tönungsshampoo gemäß Anspruch 1 ist durch die Entgegenhaltung (1) neuheitsschädlich vorweggenommen. (1) nennt nämlich Färbeshampoos, die neben einem direktziehenden Farbstoff, anionischen Tensiden und Wasser auch kationische Tenside enthalten. Als direktziehende Farbstoffe können zur Herstellung dieses Färbeshampoos ua basische Farbstoffe eingesetzt werden (vgl Ansprüche 1 bis 3 und 8 iVm Beschreibung S 1 Abs 4, S 2 Abs 1 und 3 sowie S 4 Abs 7). Während der Anteil der direktziehenden Farbstoffe nach (1) in einem Mengenbereich von 0,01 bis 5 Gew.-% liegt, beträgt der Anteil an den anionischen sowie den kationischen Tensiden jeweils 0,1 bis 50 Gew.-% (vgl Anspruch 4 und 9 iVm Beschreibung S 3 Abs 5 und 6, S 4 Abs 3 und 5). Nun können gemäß (2) kationische Farbstoffe als basische Farbstoffe oder Farbbasen bezeichnet werden. Die im Anspruch 1 nach Streitpatent genannten kationischen Farbstoffe sind daher unter die in (1) angegebenen basischen Farbstoffe zu subsumieren (vgl S 2061 re Sp Abs 4). Bestätigung findet diese Auffassung durch die Angaben in der nachveröffentlichten, hier gutachtlich genannten (3) der Patentinhaberin. Dieses Dokument, das Mittel zum Färben und Tönen von menschlichen Haaren betrifft, zählt nämlich als besonders geeignete "basische (kationische) Farbstoffe" ua jene auf, die auch gemäß Streitpatent als geeignete Vertreter der direktziehenden kationischen Farbstoffe in Betracht gezogenen werden (vgl S 2 Z 35 bis 59 sowie Streitpatentschrift S 3 Z 67 bis S 4 Z 2). Nachdem das mit dem Anspruch 1 gemäß Streitpatent beanspruchte Tönungsshampoo die Bestandteile direktziehende kationische Farbstoffe, anionische und kationische Tenside ferner mit 0,01 bis 2,5 Gew.-%, 0,5 bis 20 Gew.-% und 0,25 bis 10 Gew.-% enthält, wird das gemäß Streitpatent beanspruchte flüssige Tönungsshampoo vollständig von dem in (1) angegebenen Färbeshampoo vorbeschrieben.

Der Anspruch 1 ist somit mangels Neuheit nicht gewährbar. Sein Schicksal teilen die sich ihm anschließenden Ansprüche 2 bis 10.

Von der Patentinhaberin ist nicht vorgetragen worden, in welchem stofflichen Merkmal sie einen Unterschied zu den aus (1) bekannten flüssigen Färbeshampoos sieht und worauf sie demzufolge ihr Patentbegehren noch abstellen könnte.

Die Mitteilung der Patentinhaberin, an der von ihr beantragten mündlichen Verhandlung nicht teilzunehmen, ist als Rücknahme des Antrages zu werten (siehe Busse PatG 5. Aufl. § 78 Rdn 11). Da die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung bei der gegebenen Sachlage vom Senat auch nicht für sachdienlich erachtet worden ist, war die Aufhebung des Beschlusses und der Widerruf des Patentes daher im schriftlichen Verfahren zu beschließen.

Moser Harrer Proksch-Ledig Gerster Ko






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Az: 14 W (pat) 80/01


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