Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 22. Februar 2008
Aktenzeichen: 20 B 256/08

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 22.02.2008, Az.: 20 B 256/08)

Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Der Streitwert beträgt auch im Beschwerdeverfahren 406,20 EUR.

Der Beschluss soll den Beteiligten vorab mit Fax übermittelt werden.

Gründe

Die Beschwerde mit dem Begehren,

den angefochtenen Beschluss zu ändern und im Wege der einstweiligen Anordnung die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Münster vom 5. September 2007 in Höhe von 1624,80 EUR nebst Zinsen bis zur Entscheidung über die Klage 7 K 305/08 Verwaltungsgericht Münster gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1800,- EUR einzustellen,

hat keinen Erfolg.

Die Zwangsvollstreckung gegen den Antragsteller aus dem im Verfahren 7 K 379/02 (VG Münster = 20 A 4568/04 OVG) ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. September 2007 kann nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 769 Abs. 1 Satz 1, § 767 ZPO bis zur Entscheidung über die vom Antragsteller erhobene Vollstreckungsgegenklage 7 K 305/08 eingestellt werden. Jedoch geben hierzu weder die Erfolgsaussichten der Klage noch die sonstigen in die Abwägung der widerstreitenden Interessen einzubeziehenden Gesichtspunkte genügenden Anlass.

Die Erfolgsaussichten der Klage sind derzeit nicht verlässlich einzuschätzen. Insbesondere ist ein Obsiegen des Antragstellers nicht in einem Maße wahrscheinlich, das es rechtfertigen würde, die Zwangsvollstreckung maßgeblich unter dem Blickwinkel eines sich abzeichnenden Erfolgs in der Hauptsache einzustellen.

Der Antragsteller stützt die Vollstreckungsgegenklage darauf, die von ihm nach dem Urteil des Senats vom 13. Juni 2007 im Verfahren 20 A 4568/04 der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten seien im Kostenfestsetzungsbeschluss im bezeichneten Umfang zu hoch festgesetzt worden, weil die betreffenden Kostenansätze auf die anwaltliche Vertretung der Antragsgegnerin durch die Rechtsanwälte C. zurückgingen und diese Rechtsanwälte hierbei gegen anwaltliches Berufsrecht verstoßen hätten mit der Folge der Nichtigkeit des Anwaltsvertrages. Diese Einwendung bezieht sich derart auf die Höhe der der Antragsgegnerin nach der Kostengrundentscheidung zu erstattenden Kosten, dass Umstände in Rede stehen, die vor der Kostenfestsetzung geltend gemacht werden konnten und zudem vom Antragsteller, wenn auch vergeblich, durch Anfechtung des Kostenfestsetzungsbeschlusses geltend gemacht worden sind. Dagegen geht es nicht um nachträgliche Veränderungen, die lediglich die Vollstreckbarkeit des Kostenfestsetzungsbeschlusses betreffen. Die Geltendmachung der vorgebrachten Einwendung mittels der Vollstreckungsgegenklage dürfte dennoch nicht von vornherein an § 767 Abs. 2 ZPO scheitern. Zwar sind allein die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten (§ 162 Abs. 1 VwGO) und sind diese Voraussetzungen im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen. Auch zählen im Ausgangspunkt zu den nach diesem Maßstab nicht erstattungspflichtigen Kosten diejenigen Anwaltskosten, die der Kostenerstattungsberechtigte nach seinem Rechtsverhältnis zu seinem anwaltlichen Vertreter nicht aufwenden muss bzw. musste.

Vgl. Neumann in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Auflage, § 164 Rdnr. 23.

Trotzdem dürfte es sich bei dem vom Antragsteller der Zwangsvollstreckung entgegengehaltenen Einwand um eine (materiellrechtliche) Einwendung handeln, die mit der Vollstreckungsgegenklage gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss vorgebracht werden kann, ohne dass dem die Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO entgegensteht. Denn es ist anerkannt, dass § 767 Abs. 2 ZPO bei einer Vollstreckungsgegenklage gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss bezogen auf Einwendungen nicht greift, die im Kostenfestsetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden können.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2005 - 7 C 13.04 -, NJW 2005, 1962; BGH, Urteil vom 22. Juni 1994 - XII ZR 39/93 -, NJW 1994, 3292; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Auflage, § 767 Rdnr. 50.

Letzteres dürfte auf die Einwendung, dem Kostenerstattungsberechtigten seien wegen Unwirksamkeit des von ihm mit seinem Bevollmächtigten geschlossenen Anwaltsvertrages erstattungspflichtige Anwaltskosten nicht entstanden, deshalb zutreffen, weil das Kostenfestsetzungsverfahren nach den es prägenden Grundsätzen auf die Entscheidung über die Frage des Bestehens materiell- rechtlicher Ansprüche nicht angelegt ist.

Vgl. zusätzlich zu der vom Antragsteller zitierten Entscheidung OLG Hamm, Beschluss vom 15. Januar 1999 - 23 W 534/98 - auch: OVG Hamburg, Beschluss vom 30. Mai 2006 - 3 So 38/06 -, NVwZ 2006, 1301; VGH München, Beschluss vom 14. Juli 2003 - 15 C 03.947 -, NVwZ-RR 2004, 227; KG, Beschluss vom 18. Januar 1968 - 1 W 2513/67 -, NJW 1968, 1290; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 104 Rdnrn. 11, 13 (Stichwort: Anwaltsvertrag).

Diese Grundsätze kommen, was Entscheidungen zu Anwaltskosten anbelangt, darin zum Ausdruck, dass bei der Vergütungsfestsetzung nach § 11 RVG die Festsetzung abzulehnen ist, soweit Einwendungen oder Einreden erhoben werden, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Bei der Festsetzung der dem Kostenerstattungsberechtigten zu erstattenden Anwaltskosten über diesen Rahmen mit Blick auf eine sonst zu erhebende Vollstreckungsgegenklage hinauszugehen, ist schon deshalb nicht geboten, weil § 767 ZPO auf die Zwangsvollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss lediglich entsprechende Anwendung findet (§ 795 Satz 1 ZPO).

Vgl. hierzu BGH, Urteil vom 15. November 1951 - IV ZR 72/51 -, BGHZ 3, 381.

Ausgehend davon, dass § 767 Abs. 2 ZPO einem Erfolg der vom Antragsteller erhobenen Vollstreckungsgegenklage nicht entgegensteht, ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht fraglich, ob die beanstandete Tätigkeit der Rechtsanwälte C. gegen berufsrechtliche Anforderungen verstößt und der eventuelle Verstoß die Unwirksamkeit des Anwaltsvertrages mit der Antragsgegnerin mit der Konsequenz nach sich zieht, dass der Antragsgegnerin erstattungspflichtige Anwaltskosten insoweit nicht entstanden sind. Die Rechtsanwälte C. sind dem Standpunkt des Antragstellers, es liege ein Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 BORA vor, im Verfahren nach §§ 165, 151 VwGO entgegengetreten. Ihre Argumentation ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen; für eine vertiefte oder gar abschließende Prüfung ist im vorliegenden Verfahren kein Raum. Festzuhalten ist jedenfalls, dass der im Verfahren 20 A 4568/04 als Sachbearbeiter tätig gewordene Rechtsanwalt - soweit ersichtlich - mit der Wahrung der Interessen der vom Antragsteller angesprochenen früheren Mandantin der Sozietät persönlich nicht befasst war und dass die Sozietät das Mandat der Antragsgegnerin Ende 2004, also vor der Neufassung von § 3 BORA, übernommen hat. Das wirft angesichts der vom Bundesverfassungsgericht -

Beschluss vom 3. Juli 2003 - 1 BvR 238/01 -, NJW 2003, 2520 -

für verfassungswidrig erachteten Regelung des § 3 Abs. 2 BORA a.F. die Frage der Auswirkungen der Neufassung des § 3 BORA auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens schon bestehende Mandate auf. Auch steht nicht etwa die Verwendung von aus dem Wissen der früheren Mandantin herrührenden Informationen gegen den Antragsteller oder ein sonstiger Missbrauch konkret entgegengebrachten Vertrauens in Rede. Ungewiss ist ferner, ob ein Verstoß gegen die anwaltlichen Berufspflichten sich dahingehend auswirkt, dass der Antragsteller die Anwaltskosten nicht zu tragen hat, obwohl das Berufungsverfahren 20 A 4568/04 für die Antragsgegnerin ein Anwaltsprozess war, Anwaltskosten also ohnehin angefallen wären, und die Interessen der Antragsgegnerin von den Rechtsanwälten C. gerade vertreten worden sind.

Die Abwägung der von den Erfolgsaussichten der Vollstreckungsgegenklage losgelösten Interessen ergibt einen Vorrang des Interesses der Antragsgegnerin am Fortgang der Zwangsvollstreckung. Der Antragsteller beruft sich auf die Gefahr, einen etwaigen Erstattungsanspruch gegen die Antragsgegnerin nicht realisieren zu können. Sonstige Nachteile oder Risiken der Zwangsvollstreckung macht der Antragsteller nicht geltend und sind auch nicht ersichtlich. Dem steht auf Seiten der Antragsgegnerin gegenüber, dass sie über eine titulierte Forderung verfügt und die Zwangsvollstreckung keiner weiteren Rechtfertigung bedarf. Konkrete Anhaltspunkte für ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten der Antragsgegnerin, aufgrund deren sich die Realisierung der vom Antragsteller vorgebrachten Gefahr, letztlich auf eine wirtschaftlich sinnlose Erstattungsforderung verwiesen zu werden, als naheliegend oder doch absehbar erweisen könnte, sind nicht dargetan worden und auch vor dem Hintergrund des im Verfahren 20 A 4568/04 streitigen Vorhabens nicht zu erkennen. Zudem ist die infrage stehende Forderung aus angeblichen Anwaltskosten, gemessen an der wirtschaftlichen Tragweite des im Verfahren 20 A 4568/04 streitigen Vorhabens und der dort geltend gemachten Interessenlagen, verhältnismäßig niedrig. Des weiteren beruht die Forderung auf einem Prozess, den der Antragsteller eingeleitet hat und in dem die Antragsgegnerin sich im Berufungsverfahren zwingend nach Maßgabe von § 67 Abs. 1 VwGO vertreten lassen musste, sodass insofern der Antragsgegnerin ein Kostenrisiko aufgezwungen worden ist, das mit demjenigen vergleichbar ist, welches der Antragsteller von sich abzuwenden sucht. Insgesamt ist es eher dem Antragsteller zuzumuten, der Erstattungsforderung - vorläufig - nachzukommen, als der Antragsgegnerin, ihre Forderung - vorläufig - nicht oder allenfalls gegen Sicherheitsleistung durchsetzen zu können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 GKG.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 22.02.2008
Az: 20 B 256/08


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