Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 1. Juni 2016
Aktenzeichen: I ZR 112/15

(BGH: Beschluss v. 01.06.2016, Az.: I ZR 112/15)

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 30. April 2015 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 14.285 € festgesetzt.

Gründe

I. Die Klägerin ist die Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main. Der Beklagte ist Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Er ist aufgrund einer Zulassung der Klägerin vom 25. Juni 1973 Rechtsbeistand und als solcher bei der Klägerin zugelassen.

Der Beklagte richtete am 6. Februar 2013 ein Schreiben an das Finanzamt Mühlhausen, in dessen Briefkopf er sich wie folgt bezeichnete:

Fachbeistand für Handels- und Gesellschaftsrecht Fachbeistand für Sozialrecht Fachbeistand für Arbeitsrecht Rechtsbeistand für Strafrecht Rechtsbeistand für Insolvenzrecht Rechtsbeistand für Versicherungsrecht Rechtsbeistand für Erbrecht Die Klägerin hält das Führen dieser Titel für irreführend und unzulässig.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten unter Androhung bestimmter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, diese Bezeichnungen einzeln oder kumulativ zu führen, wenn dies geschieht wie in dem Schreiben vom 6. Februar 2013. Außerdem hat sie den Beklagten auf Erstattung von pauschalen Abmahnkosten zuzüglich Zinsen in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgegeben (LG Darmstadt, Urteil vom 25. März 2014 - 12 O 233/13, juris). Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (OLG Frankfurt, MDR 2015, 1156) und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich der Beklagte gegen dieses Urteil, soweit es seine Verurteilung zur Unterlassung der einzelnen oder kumulativen Verwendung der Bezeichnungen Rechtsbeistand für Strafrecht, Rechtsbeistand für Insolvenzrecht, Rechtsbeistand für Versicherungsrecht, Rechtsbeistand für Erbrecht und zur Zahlung der Kostenpauschale zuzüglich Zinsen angeht. Hilfsweise begehrt er eine Einschränkung des Verbots dahingehend, dass ihm lediglich untersagt werden soll, kumuliert nicht mehr als drei dieser Bezeichnungen zu führen.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Wert der von dem Beklagten mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).

1. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich grundsätzlich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung des angefochtenen Urteils. Wendet sich die beklagte Partei mit der Revision gegen die in den Vorinstanzen zu ihren Lasten titulierte Unterlassungspflicht, so richtet sich der Wert der Beschwer nach ihrem gemäß § 3 ZPO grundsätzlich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bemessenden Interesse an der Beseitigung dieser Verpflichtung (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2013 - XI ZR 405/12, ZIP 2014, 96 Rn. 4; Beschluss vom 5. März 2015 - I ZR 161/14, juris Rn. 4; Beschluss vom 11. November 2015 - I ZR 151/14, juris Rn. 6).

Der nach dem Interesse des zur Unterlassung verurteilten Beklagten an einer Beseitigung der Verurteilung zu bemessende Wert der Beschwer entspricht zwar nicht zwangsläufig, aber doch regelmäßig dem nach dem Interesse der klagenden Partei an dieser Verurteilung zu bemessenden Streitwert. Das Interesse des Klägers an einer solchen Unterlassung ist pauschalierend und unter Berücksichtigung von Bedeutung, Größe und Umsatz des Verletzers, Art, Umfang und Richtung der Verletzungshandlung sowie subjektiven Umständen auf Seiten des Verletzers, wie etwa dem Verschuldensgrad, zu bewerten (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Februar 2011 - I ZR 220/10, AfP 2011, 261 Rn. 5 mwN; Beschluss vom 9. Februar 2012 - I ZR 142/11, juris Rn. 7; Beschluss vom 16. Mai 2013 - I ZR 172/12, juris Rn. 8; Beschluss vom 11. November 2015 - I ZR 151/14, juris Rn. 7).

Einer beklagten Partei, die weder die Streitwertfestsetzung in den Vorinstanzen beanstandet noch sonst glaubhaft gemacht hat, dass für die Festlegung des Streitwerts maßgebliche Umstände, die bereits dort vorgebracht worden sind, nicht hinreichend berücksichtigt worden sind, ist es daher regelmäßig versagt, sich im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde noch auf einen höheren, die erforderliche Rechtsmittelbeschwer erstmals erreichenden Wert zu berufen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2012 - I ZR 160/11, juris Rn. 4; Beschluss vom 9. Dezember 2014 - VIII ZR 160/14, juris Rn. 7; Beschluss vom 5. März 2015 - I ZR 161/14, juris Rn. 5; Beschluss vom 11. November 2015 - I ZR 151/14, juris Rn. 8).

2. Danach kann der Beklagte im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht geltend machen, seine Beschwer durch die Verurteilung zur Unterlassung im angegriffenen Umfang liege über 20.000 €.

a) Die Klägerin hat bei Klageerhebung den Streitwert für den auf Unterlassung der Verwendung von sieben Bezeichnungen gestützten Klageantrag mit 25.000 € angegeben. Das Landgericht hat den Streitwert für die erste Instanz auf diesen Betrag festgesetzt. Das Berufungsgericht ist dem gefolgt und hat den Streitwert zunächst vorläufig auf 25.000 € festgesetzt. Gegen die vorläufige Streitwertfestsetzung durch das Berufungsgericht hat sich der Beklagte mit einer - unzulässigen (vgl. § 67 Satz 2 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG) - Streitwertbeschwerde gewandt und eine Herabsetzung des Streitwerts auf 5.000 € beantragt. Das Berufungsgericht hat den Streitwert für das Berufungsverfahren endgültig auf 25.000 € festgesetzt.

b) Der Beklagte kann mit seinem Begehren, den Wert der Beschwer abweichend von der Wertfestsetzung des Berufungsgerichts zu bemessen, schon deshalb nicht durchdringen, weil er damit erstmals im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde hervorgetreten ist. Die Gesamtbeschwer des Beklagten durch das Berufungsurteil bemisst sich nach der zugrunde zu legenden Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts und beträgt 25.000 €. Der Beklagte hat die Nichtzulassungsbeschwerde auf einen Teil seiner Verurteilung beschränkt und ausdrücklich erklärt, er wende sich nicht gegen das ausgesprochene Verbot, die Bezeichnung "Fachbeistand" für drei Rechtsgebiete zu verwenden. Der Wert der im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren streitgegenständlichen Verurteilung zur Unterlassung der Verwendung von vier Bezeichnungen und die dadurch verursachte Beschwer des Beklagten berechnet sich anteilig aus dem von den Vorinstanzen für das Führen von sieben Bezeichnungen festgesetzten Streitwert von 25.000 € und beträgt danach 14.285 €.

III. Die Nichtzulassungsbeschwerde hätte auch in der Sache keinen Erfolg, weil es an einer den Anforderungen der § 543 Abs. 2 Satz 1, § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO entsprechenden Beschwerdebegründung fehlt.

1. Eine ordnungsgemäße Darlegung eines Zulassungsgrundes setzt voraus, dass der Beschwerdeführer die Zulassungsgründe, auf die er seine Beschwerde stützt, benennt und zu diesen so substantiiert vorträgt, dass das Revisionsgericht allein anhand der Beschwerdebegründung und des Berufungsurteils die Voraussetzungen der Zulassung prüfen kann (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182, 185).

2. Die Beschwerde macht geltend, das Berufungsgericht habe die Senatsentscheidung vom 24. Juli 2014 (I ZR 53/13, GRUR 2015, 286 = WRP 2015, 340 - Spezialist für Familienrecht) nicht berücksichtigt. Die vom Beklagten geführte Berufsbezeichnung "Rechtsbeistand für ..." mache - ebenso wie die Bezeichnung "Spezialist für ..." - lediglich darauf aufmerksam, dass der Rechtsbeistand in der genannten Materie über besondere Kenntnisse verfüge.

Der Beklagte habe durch Vorlage von Teilnahmezertifikaten an Fachanwaltslehrgängen und Klausuren seine besonderen, einen Fachanwalt auszeichnenden Kenntnisse auf den maßgebenden Rechtsgebieten nachgewiesen. Die Beschränkung auf drei Rechtsmaterien gebiete eine analoge Anwendung des § 43c BRAO nicht. Zuzulassen sei die Revision zudem deshalb, weil das Berufungsurteil in die Berufsausübungsfreiheit des Beklagten eingreife. Diese Darlegungen genügen nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Beschwerdegründung.

3. Der Beklagte hat die Voraussetzungen des von ihm geltend gemachten Zulassungsgrunds der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) nicht ordnungsgemäß vorgetragen.

a) Zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich, wenn in der angefochtenen Entscheidung ein abstrakter Rechtssatz aufgestellt wird, der von einem in anderen Entscheidungen eines höheren oder eines gleichgeordneten Gerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz abweicht (BGHZ 152, 182, 186; BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 292 f.). Um eine Divergenz ordnungsgemäß darzulegen, ist es erforderlich, die Vorentscheidung, zu der die Divergenz geltend gemacht wird, konkret zu benennen und zu zitieren, die angeblich divergierenden entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssätze aus dieser Vorentscheidung und aus der angefochtenen Entscheidung herauszustellen sowie vorzutragen, inwiefern diese nicht übereinstimmen (BGHZ 152, 182, 186).

b) Diesen Erfordernissen wird die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gerecht. Die Rüge der Nichtzulassungsbeschwerde, das Berufungsgericht habe das Senatsurteil "Spezialist für Familienrecht" nicht berücksichtigt, reicht hierfür nicht aus. Die Nichtzulassungsbeschwerde benennt weder die abstrakten Rechtssätze, die der Senatsentscheidung "Spezialist für Familienrecht" zugrunde liegen, noch diejenigen Rechtssätze, die das Berufungsgericht für seine Entscheidung herangezogen hat, noch eine insoweit bestehende Divergenz. Sie legt im Übrigen nicht dar, aus welchem Grund das Berufungsgericht in zulassungsrelevanter Weise fehlerhaft davon ausgegangen ist, dass die Senatsentscheidung "Spezialist für Familienrecht" für den Streitfall keine Bedeutung habe.

4. Der Beklagte hat schließlich nicht hinreichend dargelegt, dass er durch das Berufungsurteil in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt wird.

a) Bereits nach dem Wortlaut des § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO genügt das bloße Behaupten eines Zulassungsgrundes für eine ordnungsgemäße Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht. Vielmehr hat der Beschwerdeführer die Zulassungsgründe, auf die er die Beschwerde stützt, zu benennen und zu deren Voraussetzungen substantiiert vorzutragen (BGHZ 152, 182, 185). Das Revisionsgericht soll davon entlastet werden, die Voraussetzungen der Zulassung anhand der Akten ermitteln zu müssen (BGHZ 152, 182, 185).

Wird im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren geltend gemacht, die Rechtsanwendung des Berufungsgerichts verletze in einer die Zulassung der Revision rechtfertigenden Weise Grundrechte des Beschwerdeführers, gelten vergleichbare Begründungsanforderungen wie diejenigen, die an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde gestellt werden. Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde setzt eine hinreichende Begründung voraus (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Das Begründungserfordernis verlangt neben der Bezeichnung des angeblich verletzten Grundrechts auch die substantiierte Darlegung des die Verletzung enthaltenden Vorgangs (vgl. BVerfGE 81, 208, 214; vgl. hierzu Hömig in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 47. Ergänzungslieferung August 2015, § 92 Rn. 2).

b) Danach ist die nicht näher ausgeführte Rüge der Nichtzulassungsbeschwerde unzureichend, das Berufungsurteil greife durch das gegenüber dem Beklagten erlassene Verbot, die im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren noch streitgegenständlichen Bezeichnungen zu führen, ohne gesetzliche Grundlage in die durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Berufsausübungsfreiheit des Beklagten ein.

5. Den mit der Nichtzulassungsbeschwerde hilfsweise verfolgten Antrag, dem Beklagten das Führen von kumuliert nicht mehr als drei der noch streitgegenständlichen Bezeichnungen zu untersagen, hat der Beklagte gleichfalls nicht näher begründet.

6. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat des Weiteren die Entscheidungserheblichkeit der nur unzureichend vorgetragenen Zulassungsgründe nicht dargelegt. Sie behauptet, der Beklagte habe seine besonderen, einen Fachanwalt auszeichnenden Kenntnisse auf den maßgeblichen Rechtsgebieten nachgewiesen. Dabei bezieht sie sich ohne nähere Erläuterung auf umfangreiche, in den Vorinstanzen vorgelegte Anlagen, aus denen sich die Richtigkeit dieser Behauptung ergeben soll. Dies ist für eine ordnungsgemäße Beschwerdebegründung nicht ausreichend.

7. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Büscher Schaffert Löffler Schwonke Feddersen Vorinstanzen:

LG Darmstadt, Entscheidung vom 25.03.2014 - 12 O 233/13 -

OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 30.04.2015 - 6 U 86/14 -






BGH:
Beschluss v. 01.06.2016
Az: I ZR 112/15


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