Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 30. März 2009
Aktenzeichen: 20 W 101/04

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 30.03.2009, Az.: 20 W 101/04)

Tenor

Auf die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 1) bis 3) wird unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerden eine bare Zuzahlung von 2,56 € je A-Aktie festgesetzt.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Vergütung der gemeinsamen Vertreter der nicht antragstellenden Aktionäre sowie die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführer hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 200.000 € festgesetzt; der Wert für die Berechnung der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller ist davon unberührt.

Gründe

I.

Die Antragsteller waren Aktionäre der A-Sparkasse AG (im Folgenden A). Mit Verschmelzungsvertrag vom 24.02.2000, dem die Hauptversammlung der A am 02.05.2000 zugestimmt hat, wurde die A auf die X-Sparkasse AG, die hiesige Antragsgegnerin, verschmolzen (Verschmelzung durch Aufnahme). Die Eintragung der Verschmelzung ist am 23.08.2000 im Bundesanzeiger bekannt gemacht worden.

Das Grundkapital der A belief sich auf 9,7 Mio. DM und war in 194.000 Inhaberaktien im Nennbetrag von je 50,00 DM eingeteilt. Die Antragsgegnerin hielt 91,18 % der Aktien.

Das Grundkapital der Antragsgegnerin betrug 40.560.000 € und war eingeteilt in 40.560.000 auf den Namen lautende vinkulierte Stückaktien. In einem Bewertungsgutachten ermittelte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ... den Wert der A zum 02.05.2000 mit 41,3 Mio. DM und den der Antragsgegnerin mit 738,4 Mio. DM. Auf dieser Basis sah der Verschmelzungsvertrag für die außenstehenden Aktionäre ein Umtauschverhältnis von 12 X-Aktien für eine A-Aktie bzw. ein Barabfindungsangebot von 18,21 DM je Aktie der Antragsgegnerin bzw. 218,52 DM je Aktie der A vor. Das vorgeschlagene Umtauschverhältnis bzw. die vorgesehene Barabfindung wurde von der gerichtlich bestellten Verschmelzungsprüferin, der ..., bestätigt. Auf den Prüfungsbericht der Verschmelzungsprüferin wird verwiesen.

Im vorliegenden Verfahren haben die Antragsteller eine Erhöhung der baren Zuzahlung sowie eine Erhöhung der Barabfindung beantragt. Durch Beschluss des Landgerichts vom 31.01.2001 ist der Beteiligte zu 6) zum gemeinsamen Vertreter für den Antrag auf bare Zuzahlung gem. § 15 UmwG und der Beteiligte zu 7) zum gemeinsamen Vertreter für den Antrag auf Barabfindung gem. § 34 UmwG bestellt worden.

Das Landgericht hat eine ergänzende Stellungnahme der Verschmelzungsprüferin eingeholt, die diese am 04.04.2003 abgegeben hat und auf die gleichfalls verwiesen wird.

Die Antragsteller und die gemeinsamen Vertreter haben im Ergebnis diese Stellungnahme nicht für ausreichend angesehen und die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens angeregt bzw. gefordert.

Die Antragsgegnerin hat die Einholung eines neuen Gutachtens nicht für gerechtfertigt gehalten und auf die gesetzliche Intention, eine erneute Begutachtung durch die Einschaltung des Verschmelzungsprüfers entbehrlich zu machen, hingewiesen. Die Sache sei entscheidungsreif, allenfalls könne die Verschmelzungsprüferin um eine detailliertere Darstellung der Gründe für die unterschiedliche Entwicklung der Zinsüberschüsse gebeten werden.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 21.01.2004 die Anträge auf Bestimmung der angemessenen Barabfindung und auf bare Zuzahlung abgewiesen. Auf den Beschluss (Bl. 157 ff d. A.) wird verwiesen.

Gegen diesen Beschluss haben die Antragsteller zu 1) - 3) Beschwerde eingelegt, zu 1) und 3) nur mit dem Ziel einer höheren baren Zuzahlung.

Die Antragsteller vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen und rügen die Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil der angegriffene Beschluss nur nach schriftlicher Anhörung der Verschmelzungsprüferin und ohne mündliche Verhandlung ergangen ist.

Der Senat hat durch Beschluss vom 30.06.2008 die Rügen der Antragsteller zusammengefasst und mit weiteren Vertiefungsfragen der Verschmelzungsprüferin vorgelegt (Bl. 325 - 330). Zu den angesprochenen Punkten hat die Verschmelzungsprüferin zunächst schriftlich Stellung genommen (Schreiben vom 17.10.2008, Bl. 373 - 397) und ihr Bewertungsergebnis weiter in der mündlichen Verhandlung am 27.11.2008 erläutert.

Auf Bitten des Senats in der mündlichen Verhandlung hat sie später weiter berechnet, welche Auswirkungen eine Erhöhung des Risikozuschlags bei der Antragsgegnerin für die Verschmelzungswertrelation und das Barabfindungsangebot hätte.

Zu der im Anschluss daran angedachten vergleichsweisen Beendigung des Verfahrens auf der Basis des erhöhten Risikozuschlags bei der Antragsgegnerin und der von dieser daraus errechneten baren Zuzahlung von 5,19 DM je A-Aktie, haben sich der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) innerhalb der gesetzten Frist nicht geäußert. Die Antragstellerin zu 3) hat ihr Einverständnis vom Einverständnis der Vertreter der außenstehenden Aktionäre abhängig gemacht. Der gemeinsame Vertreter für den Antrag auf bare Zuzahlung hat mitgeteilt, der Vorschlag werde akzeptiert. Der gemeinsame Vertreter für den Antrag auf Barabfindung hat zunächst erklärt, er wolle abwarten bis sich die Antragsteller insgesamt geäußert hätten, dann aber erklärt, er werde dem Vorschlag zustimmen können. Schließlich haben auch der Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) ihr grundsätzliches Einverständnis mit einem Vergleich erklärt und um einen ausformulierten Vergleichsvorschlag gebeten, wobei die Antragstellerin zu 2) zusätzlich auf noch zu klärende Punkte die Nebenentscheidungen einschließlich der Verzinsung betreffend verwiesen hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen verwiesen.

II.

Auf das Beschwerdeverfahren ist nach § 17 Abs. 2 Satz 2 SpruchG das SpruchG anzuwenden, weil die Beschwerde nach dem 01. September 2003 eingelegt worden ist. Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 17 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § § 12, 1 Abs. 1 Nr. 4 SpruchG, §§ 21, 22 FGG). Die Beschwerden der Antragsteller haben jedoch nur den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg. Der Senat hat die Vergleichslösung nicht weiter verfolgt, da die Sache entscheidungsreif ist und derzeit nicht abgeschätzt werden kann, ob und wann eine Einigung insbesondere hinsichtlich der Nebenentscheidungen möglich ist.

16Ein Anspruch auf eine bare Zuzahlung besteht, wenn das im Verschmelzungsvertrag festgesetzte Umtauschverhältnis der Anteile im Verhältnis der beiderseitigen Unternehmenswerte zu niedrig bemessen ist ( §§ 15 Abs. 1 Satz 1 und 2, 34 UmwG). Das ist dann der Fall, wenn sich über die Beteiligungsquote aller Anteilseigner am vereinigten Unternehmen die bisherige Investition nach der Verschmelzung nicht im Wesentlichen fortsetzt. Zu berücksichtigen sind dabei die Interessen aller Anteilseigner und zwar sowohl des übertragenden als auch des aufnehmenden Rechtsträgers. Der Wert der Anteile am untergegangenen, übertragenden Rechtsträger muss also dem Wert der neuen Anteile am übernehmenden Rechtsträger entsprechen, der Aktionär darf nach der Übertragung mit seiner Mitgliedschaft im aufnehmenden Unternehmen wirtschaftlich nicht schlechter gestellt sein. Die Festsetzung einer angemessenen Zuzahlung im Spruchverfahren, auf die die gerichtliche Ausgleichsmaßnahmen beschränkt sind (vgl. Semler/Stengel, Umwandlungsgesetz (2007), § 15 Rn 25), setzt somit die Feststellung voraus, dass das im Verschmelzungsvertrag vereinbarte Umtauschverhältnis unangemessen ist (OLG Stuttgart, AG 2006, 420 ff m.w.N.). Entsprechendes gilt für die Barabfindung. Auch bei den fakultativ ausscheidenden Anteilsinhabern muss das Abfindungsangebot dem Verkehrswert der Beteiligung entsprechen, es muss angemessen sein (§§ 29, 30, 34 UmwG).

Keinen Einfluss hat es auf das vorliegende Verfahren, dass anderweitig inzwischen der Squeeze-out durchgeführt ist, denn Abfindungsansprüche aus einem Unternehmensvertrag überdauern grundsätzlich dessen Aufhebung während eines laufenden Spruchverfahrens, da anders ein effektiver Rechtsschutz für die berechtigten Aktionäre nicht gewährleistet werden könnte (vgl. BGH NZG 2008, 391 ff; BGHZ 135 ff, 374).

Durchgreifende Bedenken gegen die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses bzw. der Barabfindung ergeben sich nach der Überzeugung des Senats vorliegend nur unter dem Aspekt, dass sich die Antragsgegnerin vor dem Verschmelzungsbeschluss auf fragwürdige und damit riskante Geschäftsmethoden eingelassen hatte, worauf noch einzugehen sein wird.

19Die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses ist letztlich eine Wertungsentscheidung. Sie ist wegen der Abhängigkeit von Prognosen und Einschätzungen letztlich auch nur innerhalb einer Bandbreite zu ermitteln. Die für die Ermittlung maßgeblichen rechtlichen Faktoren hat das Gericht zu bestimmen und auf ihrer Grundlage die maßgeblichen Unternehmenswerte festzustellen (BayObLG AG 2002, 390). Das bedeutet jedoch weder, dass das Gericht in jedem Fall eine völlige und eigenständige Neubewertung durchführen oder zwingend einen Sachverständigen hinzuziehen muss (ebenso z.B. BayObLGZ 2002, 400, 404). Es braucht nicht ohne weiteres eine Beweisaufnahme durchzuführen, die sich auf sämtliche tatsächlichen Detailfragen der Unternehmensbewertung erstreckt (BayObLG AG 2006, 41; OLG Stuttgart, AG 2006, 420 ff). Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestimmt das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen sowohl den Umfang der Beweisaufnahme als auch die Auswahl der Beweismittel (Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 12 Rn. 195). Dieser Grundsatz gilt auch für die Tatsachenfeststellung zur Unternehmensbewertung im Spruchverfahren. Zu der freien Beweiswürdigung kommt der Grundsatz der freien Schadensschätzung des § 287 II ZPO hinzu, welcher für die Unternehmensbewertung entsprechend anwendbar ist, und dem der allgemeine Gedanke zugrunde liegt, dass zwischen den Beweisaufnahmekosten und dem zu beweisenden Anspruch ein sinnvolles wirtschaftliches Verhältnis bestehen sollte (vgl. OLG Stuttgart, AG 2004, 43 ff m.w.N.; BayObLG AG 2001, 138 ff; BayObL AG 1999, 43 ff, 44; vgl. auch Schneider, Die neuere Beweisrechtsjudikatur in Haftpflichtprozessen, VersR 1977, 593 ff, 603; MünchKommZPO/Prütting § 287 Rn 36, der allerdings eine gesetzliche Neuregelung fordert). In die gerichtlichen Überlegungen mit einbezogen werden kann, dass der Gesetzgeber im Falle der Verschmelzung die Aktionärsinteressen bereits durch die gerichtliche Bestellung des Verschmelzungsprüfers absichern wollte. Auf diese Erkenntnismöglichkeit kann das Gericht im Spruchverfahren in jedem Fall zurückgreifen. Die Prüfberichte können im Spruchverfahren berücksichtigt werden. Die Gerichte sind nicht gehalten, von vornherein einen weiteren gerichtlichen Gutachter einzusetzen (OLG Düsseldorf, BB 2000,1108 ff; OLG Düsseldorf, AG 2002, 398 ff mit krit. Anm. Knoll, EWiR 2002, 543 ff).

Der Senat hält den Prüfbericht der Verschmelzungsprüferin nebst den schriftlichen gutachtlichen Ergänzungen und der Erläuterung durch die Verschmelzungsprüferin in der mündlichen Verhandlung für eine taugliche und ausreichende Basis für die Ermittlung der angemessenen Zuzahlung bzw. Barabfindung. Soweit das Landgericht seine Amtsermittlungspflicht und den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, indem es keine mündliche Verhandlung anberaumt und den Antragstellern keine Gelegenheit gegeben hat, die als Sachverständige herangezogene Verschmelzungsprüferin zu befragen (§§ 12, 15 FGG; BVerfG ZIP 1998, 1047 ff), hat der Senat dies mit ergänzenden Fragestellungen nachgeholt.

Die grundsätzlichen Bedenken der Antragsteller und auch der gemeinsamen Vertreter gegen die Beauftragung der Verschmelzungsprüferin mit jeweils einer ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme sowohl durch das Landgericht als auch durch den Senat teilt der Senat nicht. Die Beauftragung der Verschmelzungsprüferin mit einer ergänzenden Begutachtung ist möglich. Dies ist in der Rechtsprechung auch nicht streitig (für die Bestellung des Verschmelzungsprüfers zum Sachverständigen: OLG Düsseldorf, BB 2000, 1108 ff; ebenso für die Bestellung des Abschlussprüfers zum Sachverständigen: OLG Düsseldorf, AG 2006, 754 ff; vgl. zum Meinungsstand: Wittgens, Der gerichtliche Sachverständige im Spruchverfahren, AG 2007, 106 ff, 107).

Der gerichtlich bestellte Verschmelzungsprüfer ist vom Gesetz eingeführt worden, um u. a. die Verfahren zu beschleunigen. Die Einschaltung eines vom Gericht bestellten Verschmelzungsprüfers dient dem präventiven Schutz der Anteilseigner, indem der Verschmelzungsbericht einer sachkundigen Plausibilitätskontrolle unterworfen wird. Das Gesetz weist dem Verschmelzungsprüfer eine neutrale Stellung zu. Seine Verhaltenspflichten ergeben sich aus § 323 Abs. 1 S.1 und 2 HGB (§ 11 Abs. 2 UmwG). Der Prüfer ist zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung und zur Verschwiegenheit verpflichtet (Kallmeyer/Müller, Umwandlungsgesetz (2006), § 11 Rn 15). Er ist sowohl den an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträgern als auch den Anteilseignern gegenüber verantwortlich (§ 11 Abs. 2 S. 2 UmwG), was im Verletzungsfall Schadensersatzansprüche gegenüber dem Verschmelzungsprüfer nach sich ziehen kann. Dadurch wird die Neutralitätspflicht untermauert.

Weder die Stellung der Verschmelzungsprüferin im Allgemeinen noch die Art und Weise des Zustandekommens des Prüfberichts rechtfertigen den von der Antragstellerseite und den gemeinsamen Vertretern geäußerten Generalverdacht mangelnder Neutralität der Verschmelzungsprüferin.

Die Verschmelzungsprüferin war sich vorliegend ihrer Neutralitätspflicht bewusst. Sie hat in ihrem Prüfungsbericht auch auf ihre Verantwortlichkeit sowohl gegenüber den an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften und ihrer Aktionäre auch hingewiesen.

Die Verschmelzungsprüferin hat außerdem in ihren ergänzenden Stellungnahmen den Nachweis erbracht, dass sie sich beim Prüfbericht ausschließlich von betriebswirtschaftlichen Überlegungen hat leiten lassen. Sie hat auch die angelegten Bewertungsparameter nachvollziehbar und überzeugend erläutert, insbesondere hat sie sich in den ergänzenden gutachtlichen Stellungnahmen mit den Beanstandungen der Antragsteller auseinandergesetzt und nachvollziehbar erläutert, warum die von ihr bestätigten Annahmen zutreffend bzw. die Prognosen plausibel sind.

Der Einwand, es sei unwahrscheinlich, dass die Verschmelzungsprüferin ihr eigenes Bewertungsergebnis in Frage stellen und Fehleinschätzungen korrigieren werde, verfängt nicht. In einer vergleichbaren Ausgangslage befinden sich auch gerichtliche Gutachter, die erst im Verfahren bestellt worden sind, mit deren Gutachten eine Partei nicht einverstanden ist, wenn im Zuge weiterer Klärung eine ergänzende Stellungnahme erforderlich wird. Es ist auch hier Aufgabe des Gerichts das Gutachten zu prüfen und zu würdigen und darüber zu befinden, ob es sich dem Gutachten anschließt, ob das Gutachten vollständig und in sich konsistent ist, ob weitere Ergänzungen erforderlich werden oder ob die Voraussetzungen für die Einholung eines neuen Gutachtens vorliegen (§ 412 ZPO).

Auch im Übrigen haben sich keine Anhaltspunkte für die geäußerten Befürchtungen ergeben, die Verschmelzungsprüferin sei nicht neutral. Nicht zu beanstanden ist insbesondere, dass die Verschmelzungsprüferin ihre Prüfungen im Januar und Februar 2000 zeitlich parallel zu den die Verschmelzung vorbereitenden Arbeiten der beiden an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften, insbesondere der ... als Gutachterin für die Unternehmenswerte durchgeführt hat. Der Bundesgerichtshof hat eine Parallelprüfung ausdrücklich gebilligt, da dies eine probate Möglichkeit ist, in vertretbarer Zeit zu angemessenen Ergebnissen zu kommen (BGH NZG 2006, 905 ff; vgl. auch Bungert, Der BGH und der Squeeze Out, BB 2006, 2761 ff; Leuering, Die parallele Angemessenheitsprüfung durch den gerichtlich bestellten Prüfer, NZG 2004, 606 ff).

Der Senat hat bei seiner Prüfung zusätzlich mit einbezogen, dass vorliegend - anders als bei Verschmelzung von zuvor voneinander unabhängigen Unternehmen - die Interessen der Kleinaktionäre nicht mit denen der Hauptaktionärin übereinstimmten, die Kleinaktionäre also keinen irgendwie gearteten Verhandlungsschutz durch die Großaktionärin hatten, wie es sonst häufiger bei Verschmelzungen der Fall ist. Bei der Verschmelzung zuvor voneinander unabhängigen Unternehmen sind die Interessen von Klein- und Großaktionären des untergegangenen Rechtsträgers nämlich regelmäßig gleichgerichtet, denn im Falle eines unangemessenen Umtauschverhältnisses sind beide gleichermaßen von dem daraus folgenden Wertverlust betroffen. Die Interessen von Groß- und Kleinaktionären sind im Regelfall darauf gerichtet, ein möglichst günstiges Umtauschverhältnis zu erzielen, während die Aktionäre des übernehmenden Rechtsträgers an einem möglichst geringen Umtauschwert der hinzukommenden Anteile interessiert sind, um in Folge den Wertbestand ihrer eigenen Beteiligungsquote am vereinigten Rechtsträger zu sichern, weswegen das Umtauschverhältnis dann als angemessen bezeichnet werden kann, wenn es den Interessen sämtlicher Anteilsinhaber gerecht wird. Bei der Verschmelzung zuvor unabhängiger Unternehmen führt das vom UmwG vorgesehene Verfahren einer Vertragsverhandlung durch die jeweiligen Vertretungsorgane, deren Ergebnis nicht nur einer zusätzlichen Prüfung durch den gerichtlich bestellten Verschmelzungsprüfer unterliegt, sondern auch von den jeweiligen Anteilseignern der zu verschmelzenden Gesellschaftern mit qualifizierter Mehrheit gebilligt werden muss, zu einer erhöhten Gewähr für ein €richtiges€ und damit angemessenes Ergebnis. Mit anderen Worten: Decken sich die Interessen von Kleinaktionären, die an den Verhandlungen über Strukturänderungen nicht direkt beteiligt sein können, mit denen der Großaktionäre, so wird bereits durch diese Interessenhomogenität ein hinreichender Schutz der eigentumsrechtlichen Position aller Anteilseigner bewirkt (vgl. BVerfG NJW 2001, 279, 280).

Diese Gewähr der richtigen Verhandlungslösung scheidet hier aus. Zwischen der A als Tochtergesellschaft und der Antragsgegnerin ist insoweit von einem Ungleichgewicht auszugehen. Die Antragsgegnerin befand sich vor der Verschmelzung in den Händen einiger weniger Großaktionäre und hat zum Stichtag bereits 91,18% der A gehalten. Dementsprechend sollte der Antragsgegnerin auch gewissermaßen die gesamte A zuwachsen. Nur für die Anteile der Minderheitsaktionäre wurde das Umtauschverhältnis bestimmt. Bei dieser Ausgangslage verschiebt die Personenidentität der Großaktionäre mit der Hauptaktionärin die Interessenlage dahin, dass es im Interesse der Hauptaktionärin ist, wenn der Wert der A möglichst gering festgelegt wird, damit der Anteil des Streubesitzes am verbundenen Unternehmen möglichst gering bleibt und keine höheren Abfindungen anfallen.

Das Interesse der Hauptaktionärin ist hier vergleichbar mit dem Interesse eines Hauptaktionärs an der (möglichst niedrigen) Bemessung des Unternehmenswerts beim Squeeze out.

Bei der gerichtlichen Prüfung des Umtauschverhältnisses selbst ist zu unterscheiden, ob es sich bei den einzelnen Faktoren der jeweiligen Unternehmensbewertung um tatsächliche Grundlagen oder um Prognosen hinsichtlich der Unternehmensentwicklung handelt. Die tatsächlichen Grundlagen der Unternehmensbewertung, also die Daten der Vergangenheit und Gegenwart wie beispielsweise Umsätze oder Jahresergebnisse, Zinssätze und -strukturen oder Börsenkurse müssen richtig sein, sie dürfen einer unternehmerischen Entscheidung nicht abweichend von den tatsächlichen Werten und Daten zugrunde gelegt werden. Dagegen sind die in die Zukunft gerichteten Planungen der Unternehmen und die darauf aufbauenden Prognosen über die künftige Entwicklung der Unternehmen und ihrer Erträge in erster Linie ein Ergebnis der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen. Diese Entscheidungen haben - wie erwähnt - auf zutreffenden Informationen aufzubauen, die Annahmen müssen zudem realistisch und in sich widerspruchsfrei sein. Entspricht die Planung diesen Kriterien, darf die Planung im gerichtlichen Verfahren nicht durch andere - ebenfalls nur vertretbare - Annahmen ersetzt werden (OLG Stuttgart, AG 2006, 420 ff).

32Wenn für Prognosen die Anwendung betriebswirtschaftlicher Verfahren erforderlich ist und in Bewertungstheorie und -praxis zum Zeitpunkt der Bewertung und Verhandlung unterschiedliche Verfahren oder Verfahrensvarianten vertreten werden, kann der Unternehmensführer außerdem entscheiden, welche für den konkreten Zweck geeignete Methode er wählen will. Verschmelzungsprüfer und Gericht haben sodann lediglich die grundsätzliche Geeignetheit und Vertretbarkeit der gewählten Methode zu prüfen. Das gilt auch für die Festlegung auf eine Methode der Unternehmensbewertung (OLG Stuttgart, AG 2006, 420 ff).

In diesem Rahmen bewegt sich der Prüfbericht der Verschmelzungsprüferin, die ihren Aufgabenbereich zutreffend u. a. so umschrieben hat, dass sie zu untersuchen habe, ob die zur Ermittlung des Umtauschverhältnisses und der Barabfindung durchgeführten Unternehmensbewertungen den allgemein anerkannten Grundsätzen zur Durchführung von Unternehmensbewertungen entsprechen, ob die zugrunde gelegten Daten fachgerecht abgeleitet sind und die Zukunftseinschätzungen plausibel erscheinen. In den beiden ergänzenden im Spruchverfahren abgegebenen gutachtlichen Stellungnahmen hat sich die Verschmelzungsprüferin zudem mit den Einwendungen der Antragsteller nachvollziehbar auseinandergesetzt. Der Senat hat hiernach keinen Anlass für die Annahme gesehen, die Unternehmensbewertungen könnten unzutreffend sein und insbesondere zu einem unzutreffenden Umtauschwert führen. Eine Neubewertung durch einen anderen Gutachter erübrigt sich daher.

Die Bewertung der beiden an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften ist nach der Ertragswertmethode erfolgt. Diese ist allgemein als Grundlage für die Berechnung der hier maßgeblichen Unternehmenswerte akzeptiert (ausführlich OLG Stuttgart AG 2004, 43-48; BayObLGZ 2002, 400, 403 f, je m.w.N.) und ihre Anwendung ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich ( BVerfGE 100, 289, 307). Echte Synergieeffekte sind bei den Planansätzen nicht berücksichtigt worden. Die Planung nach dem €stand alone Prinzip€, ist vorliegend nicht zu beanstanden.

Ein Börsenkurs kommt nicht als Untergrenze in Betracht, denn weder die Aktien der A noch die der Antragsgegnerin waren frei handelbar bzw. sind frei gehandelt worden.

Es ist nicht zu beanstanden, dass die beiden Gesellschaften, die im gleichen Geschäftsfeld operierten, in ihrer betriebswirtschaftlichen Situation unterschiedlich bewertet wurden. Der gewichtigste Punkt bei der Differenzierung ist, dass die A im Jahr 1999 einen Verlust von ca. 3. Mio. DM erwirtschaftet hatte, die Antragsgegnerin demgegenüber einen Gewinn von rund 62 Mio. DM. Hinzukommt der Größenunterschied, der sich auch auf die Kostensituation ausgewirkt hat. Die Verschmelzungsprüferin hat in ihrer ersten ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme und auch in ihrer zweiten zutreffend auch auf die ungünstigere Kostenstruktur der A als der kleineren Gesellschaft mit den höheren Fixkosten im Verhältnis zur Antragsgegnerin verwiesen. Sie hat nachvollziehbar die Unterschiede zwischen beiden Gesellschaften beim Ergebnis vor Steuern und beim Verwaltungsaufwand aufgezeigt und die angegriffenen Bewertungsgrundlagen und Bewertungsparameter einschließlich des Kapitalisierungszinssatzes schriftlich erläutert, ebenso zusätzliche bzw. ergänzende Fragen in erschöpfender Weise mündlich.

Der Senat konnte insgesamt keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine einseitige Sichtweise der Verschmelzungsprüferin zum Nachteil der A und der Minderheitsaktionäre im Bewertungsverfahren finden. Die vorgebrachten Einwendungen der Antragsteller tragen weder den Rückschluss auf eine Unterbewertung der A noch auf eine Überbewertung der Antragsgegnerin. Die Verschmelzungsprüferin hat die Annahmen bei der Ertragsplanung, insbesondere die unterschiedliche Entwicklung des Zinsüberschusses im Zeitablauf nachvollziehbar begründet und die günstigeren Entwicklungsmöglichkeiten der Antragsgegnerin in Bezug auf die Vorausdarlehen hervorgehoben. Der Senat stimmt dabei nicht mit der Antragstellerin zu 3) überein, die Verschmelzungsprüferin habe sich zu Gunsten der Antragsgegnerin ein neues Geschäftsmodell einfallen lassen. Der Gang des Verfahrens und der Akteninhalt trägt diese Einschätzung nicht.

Mit der Verschmelzungsprüferin ist weiter davon auszugehen, dass der Vergleich von einzelnen historischen und aus dem Gesamtzusammenhang heraus gelösten Verhältniskennzahlen mit einem aus zukünftig erzielbaren Ergebnissen abgeleiteten Unternehmenswert nicht sachgerecht ist, denn der Unternehmenswert bestimmt sich durch den Barwert der mit dem Eigentum an dem Unternehmen verbundenen Nettozuflüsse an die Unternehmenseigner.

Die Verschmelzungsprüferin hat auch nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass sich die beiden Gesellschaften in der Phase der ewigen Rente im Vergleich zu den Ergebnissen der ersten Planjahre deutlich annähern und die angenommenen Ertragssteigerungen für die A im Zeitraum der ewigen Rente günstiger ausfallen als für die Antragsgegnerin, weil die A erst aus ihrer Verlustzone heraustreten musste. Auch die Bewertung der A ... GmbH mit Null und die unterschiedlichen Zuführungen zum FbtA hat die Verschmelzungsprüferin überzeugend erklärt, ebenso die Zuordnung bestimmter Beteiligungen zum betriebsnotwendigen bzw. nicht betriebsnotwendigen Vermögen und die Unterschiede beim Personalaufwand. Schließlich ist auch der vorgenommenen Bestimmung der Verschmelzungswertrelation nach dem Stand-alone-Prinzip zuzustimmen.

Soweit die Antragsteller auf das Geschäftsgebahren der Antragsgegnerin abstellen und meinen, diese habe das Geschäftsvolumen durch Schrottimmobilien in betrügerischer Weise aufgebläht, hat die Verschmelzungsprüferin diese Sichtweise in ihren ergänzenden gutachtlichen Stellungnahmen zwar nicht übernommen und darauf keine abweichende Unternehmensbewertung der Antragsgegnerin gestützt. Dies beruhte aber nicht auf mangelnder Neutralität oder Voreingenommenheit, sondern darauf, dass die Risiken dieser Geschäfte für die Antragsgegnerin zum fraglichen Stichtag noch im Dunklen lagen und sich nicht herauskristallisiert hatten und die Verschmelzungsprüferin bei der Erstellung des Prüfberichts keinerlei Hinweise gefunden hatte, die die Nachhaltigkeit der Ergebnisse der Antragsgegnerin in Frage gestellt hätten. Hierzu hat die Verschmelzungsprüferin den rechtlichen Standpunkt vertreten, dass diese Umstände nicht von ihr im Nachhinein in die Bewertung einbezogen werden könnten.

Lediglich Letzteres wird vom Senat nicht in dieser Weise geteilt.

42Bei der Ertragswertberechnung dürfen nach der h.M,, der auch der Senat folgt, regelmäßig nur diejenigen Informationen berücksichtigt werden, die zum maßgeblichen Stichtag auch tatsächlich verfügbar waren. Das bedeutet, dass bei der Prognose der künftigen Erträge nur solche positiven wie negativen Entwicklungen berücksichtigt werden können, die zum fraglichen Zeitpunkt bereits mindestens im Kern angelegt, €verwurzelt€ und mit einiger Wahrscheinlichkeit absehbar waren. Spätere Entwicklungen, die noch nicht absehbar waren, sind nicht zu berücksichtigen (BGH NJW 1998, 1866; BGH NJW 1973, 509 ff; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht (2008) § 304 Rn 40 u. 41, § 305 Rn 56, 56a). Eine aufgrund der regelmäßig langen Dauer von Spruchverfahren häufig mögliche ex-post-Betrachtung der tatsächlichen Ergebnisse ist nicht zulässig (OLG Düsseldorf, AG 2003, 332 ff, 332; OLG Stuttgart, AG 2004, 43 ff, 45), d.h. vergangene unternehmerische Entscheidungen sind nicht im Licht der Erkenntnisse der Gegenwart neu zu bewerten.

Diese sog. Wurzeltheorie versucht, das Stichtagsprinzip und das Prinzip der Zukunftsbezogenheit zusammenzuführen (vgl. Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 59). Insoweit haftet ihr eine gewisse Unschärfe an (vgl. Koppensteiner in KK-AktG (2004), § 305 Rn 61; MünchKommAktG/Bilda (2000) § 305 Rn 69; vgl. auch Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 3. Aufl. 2005, 4. Kap. Rn 1950; Hüffer, AktG, 8.aufl. (2008), § 305 Rn 23 m.w.N.).

44Vorliegend geht der Senat davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit von Schadensersatzforderungen, insbesondere die Frage des institutionalisierten Zusammenwirkens mit dem später insolventen Immobilienvertrieb ..., erst in deutlichem Abstand zum Stichtag relevant wurde. Diese Problematik ist auch erst in der Beschwerdeinstanz, also mehrere Jahre nach dem Stichtag, von der Antragstellerin zu 3) in das Spruchverfahren eingeführt worden. Einer Aufarbeitung dieses bisher nur grob umrissenen Komplexes und seine späteren negativen Auswirkungen einschließlich des möglichen Kenntnisgrades des früheren Vorstands der Antragsgegnerin von den Vertriebsmethoden des Geschäftspartners bedarf es für die Feststellung des Ertragswerts im Rahmen dieses Verfahrens nicht. Es kommt im Wirtschaftleben immer wieder vor, dass Fehler und Fehleinschätzungen weiter zurück liegen und sich im Nachhinein zeigt, dass riskante Geschäfte zu riskant waren. Bei einer Negativentwicklung in riskanten Geschäftsbereichen dürfte es kaum einen Fall geben, wo nicht bei nüchterner Betrachtungsweise vorher deutliche Warnlampen hätten angehen müssen, wie auch die jetzige Finanzmarktkrise zeigt. Die Wurzeltheorie kann in diesem weiten Umfang nicht im Spruchverfahren für einen Einstieg zu Neubewertungen herangezogen werden. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin bereits zum Stichtag Rückstellungen für etwaige Schadensersatzforderungen hätte machen können und müssen, konnte der Senat nicht feststellen. Rückstellungen für streitige Verbindlichkeiten sind zu bilden, wenn ein Prozess droht oder bereits anhängig ist (vgl. Stengel, Rückstellungen für Risiken aus Rechtsstreitigkeiten, BB 1993, 1403 ff). Es ist aber nicht ersichtlich, dass sich zum Stichtag Geschäftsrisiken aus der Zusammenarbeit mit dem Immobilienvertrieb in dieser Weise abgezeichnet hätten, zumal hier in erster Linie dieser Geschäftspartner im Haftungsrisiko stand. Auch die Frage der Haftung wegen institutionalisierten Zusammenwirkens mit dem später insolventen Immobilienvertrieb wurde zeitlich erst deutlich nach dem Stichtag relevant. Gleichwohl verbleiben hier Bewertungsunsicherheiten. Es ist jedoch nicht erforderlich, das Schrottimmobiliengeschäft, das Ausmaß der Verantwortlichkeit der Antragsgegnerin, bzw. ihres damaligen Vorstands in allen Einzelheiten auszuleuchten. Festzuhalten ist lediglich, dass die Zusammenarbeit der Antragsgegnerin mit der später insolvent gewordenen Immobilienvertriebsgesellschaft über die Darlehensgewährungen zur Steigerung des Umsatzes und des Gewinns beigetragen hat und zwar sowohl in der Detailplanungsphase als auch davor. Auch ist die Antragsgegnerin später wegen des Vertriebs von Schrottimmobilien, wodurch zahlreiche Kleinanleger geschädigt worden sind, in die Schlagzeilen gekommen und verklagt worden. Allerdings hat die Antragsgegnerin dargelegt, dass sie zum Stand 31.12.2008 von 425 rechtskräftig entschiedenen Verfahren lediglich in 9 Verfahren verurteilt worden ist. Das Wesentliche ist jedoch der Imageschaden, den die Antragsgegnerin durch ihre Involvierung in den Immobilienskandal erlitten hat. In dieses Fahrwasser ist die Antragsgegnerin bereits vor dem Stichtag hineingeraten. Hier unterscheidet sie sich in der Risikostruktur von der A, was auch in der Bewertung der Unternehmen seinen Niederschlag finden muss und eine Korrektur der Risikobewertung erforderlich macht. Zur Erzielung eines angemessenen Ergebnisses reicht es jedoch aus, die erwartbaren Auswirkungen beim Risikozins abzufedern, worauf unten noch eingegangen werden wird. Die abweichende Auffassung des Senats zu den Ausführungen der Verschmelzungsprüferin als zum Verfahren zugezogener sachverständiger Gutachterin beschränkt sich auf diesen einen Punkt. Sie beeinträchtigt die bisherige Prüfungs- und Bewertungsarbeit aber nicht. Der Senat sieht deshalb für eine Neubewertung der beiden an der Verschmelzung beteiligten Unternehmen keinen Anlass.

Beim Kapitalisierungszins hält der Senat einen Zinssatz von 5,5% für die Phase I und von 5,4% für die Phase der ewigen Rente für zutreffend. Er bleibt damit bei den Ansätzen des Verschmelzungsvertrages mit Ausnahme des Risikozuschlags.

Soweit der angesetzte Basiszins von 6 % gerügt wurde, vermag sich der Senat der Kritik nicht anzuschließen. Maßgeblich ist der aus der Sicht des Stichtags von kurzfristigen Einflüssen bereinigte, künftig auf Dauer zu erzielende Nominalzinssatz (Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 119). Die Verschmelzungsprüferin hat in ihrem Prüfbericht ausgeführt, dass im deutschen Kapitalmarkt die durchschnittliche Rendite langfristiger Staatsanleihen in der Zeit von 1983 bis 1998 bei rund 6,6 % gelegen habe. Dieser langfristige Durchschnittswert weiche von der aktuellen niedrigeren Rendite von ca. 5,5 % ab. Beim derzeitigen Zinsniveau handele es sich aber um eine Niedrigzinsphase, die nicht repräsentativ für eine langfristig zu erwartende Zinsstruktur angesehen werden könne. Deswegen habe die Gutachterin einen einheitlichen Basiszinssatz von 6% verwendet.

Bei der Ermittlung des anzusetzenden Basiszinssatzes ist auf einen längeren Zeitraum abzustellen, weswegen die Niedrigzinsphase ab Mitte der 90er-Jahre nicht übergewichtet werden darf, denn die Umlaufrenditen lagen davor deutlich über 6,0% (vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank; Übersicht bei Ballwieser, Festschrift für Drukarczyk, 2003, S. 19 ff, 26). Der angenommene Basiszins entspricht auch akzeptierten Basiszinssätzen in anderen Gerichtsentscheidungen zu nahe liegenden Stichtagen. So hat das OLG Düsseldorf (NJW-RR 2006, 541 ff) einen Basiszins von 6% nicht beanstandet und zwar vor dem Hintergrund einer Umlaufrendite börsennotierter Bundeswertpapiere mit einer Restlaufzeit von über neun bis zehn Jahren im Zeitraum von 1980 bis August 2000 zwischen 10,8 % und 3,9 %, einem Durchschnitt zwischen 7,0 % und 7,5 % und einem aktuellen Zins für den Stichtag im August 2000 von 5,6 %. Das OLG München (AG 2007, 287 ff; Stichtag 09.04.2001) hat ebenfalls darauf abgestellt und zusätzlich darauf hingewiesen, dass ein Basiszins von 6% auch den Empfehlungen des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) und der Bestimmung anhand von Zinsstrukturkurven entspräche.

Der Risikozuschlag ist für die Phase 1 mit 2% und für die Phase 2 mit 2,5 % angesetzt worden. Die Zinszuschlagsmethode ist nicht unumstritten, aber üblich und kann als angemessen angesehen werden (Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 124 ff). Ein Risikozuschlag kann angesetzt werden, wenn nicht schon ein entsprechender Abschlag bei den prognostizierten Erträgen gemacht worden ist (vgl. Ballwieser, Unternehmensbewertung, 2. Aufl. 2007, 4.6.6.1). Für Deutschland werden aufgrund unterschiedlicher Erhebungen Marktrisikoprämien zwischen 5% und 6% vorgeschlagen. Die Rechtsprechung ist hier eher zurückhaltend (Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 3. Aufl. 2005, Kap. 3 Rn 130). Wie die Verschmelzungsprüferin in ihren ergänzenden gutachtlichen Stellungnahmen zur Plausibilisierung ausgeführt hat, entsprechen die verwendeten Prozentsätze Betafaktoren zwischen 0,4 für den Detailplanungszeitraum und von 0,5 für die Phase der ewigen Rente. Die Verschmelzungsprüferin hat den Risikozuschlag i. H. v. 2 % bzw. 2,5 % als am unteren Rand des Vertretbaren bezeichnet und dazu ausgeführt, sie habe signifikante Betafaktoren deutscher Finanzdienstleister zum Bewertungsstichtag 2. Mai 2000 ermittelt. Diese hätten sämtlich oberhalb von 0,5 gelegen.

Bei dem gewählten Ansatz kann es auch nach Ansicht des Senats hinsichtlich der A verbleiben. Für die Antragsgegnerin erscheint es dem Senat aber für die Erzielung eines angemessenen Gesamtergebnisses angebracht, die beiden Gesellschaften mit unterschiedlichen Risikozuschlägen zu versehen. Aufgrund des den Ertrag der Antragsgegnerin treibenden Geschäftsmodells der Antragsgegnerin mit ihrem später in die Insolvenz gegangenen Vertriebspartner ist die Risikostruktur der Antragsgegnerin trotz des im Übrigen vergleichbaren Geschäftsfelds anders zu bewerten als die der A. Nach den Ausführungen der Verschmelzungsprüferin in ihrer zweiten ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme wurde zwischen unternehmensspeziellen und allgemeinen Risiken nicht unterschieden und stattdessen das gesamte Unternehmensrisiko im Zinssatz berücksichtigt. Dabei ist aber speziell die Erweiterung des risikoreichen Geschäftsbereichs bei der Antragsgegnerin zu Lasten der Antragsteller nicht ausreichend berücksichtigt worden. Dies ist aus der Stichtagssicht der Verschmelzungsprüferin verständlich. Die Verschmelzungsprüferin hatte keine Veranlassung, für den Prüfungsbericht zu durchleuchten, welcher Art und Güte die Vertriebsmethoden von Vertragspartnern der Hauptaktionärin waren. Es kommt vorliegend auch nicht auf die geringfügige gerichtliche Unterliegensquote der Antragsgegnerin an, sondern darauf, dass durch diese Geschäfte und Geschäftbeziehungen ein Imageschaden verursacht worden ist, der die angenommenen Renditeerwartungen zu beeinträchtigen geeignet ist, weshalb die Antragsgegnerin sich in den Klagefällen auch bemüht, mittels Vergleichen diesem Umstand die Spitze zu nehmen. Der Senat hält es deshalb zum Ausgleich für angezeigt und zur Bemessung eines angemessenen Ausgleichs aber auch für ausreichend, den Risikozuschlag bei der Antragsgegnerin auf 2,5% im Detailplanungszeitraum und auf 3% in der ewigen Rente zu erhöhen. Ein höherer Ansatz beim Risikozins bei der Antragsgegnerin und damit ein weiteres Auseinanderdriften der Risikobewertung zwischen beiden Unternehmen würde eine zu starke Fokussierung in der Risikobetrachtung auf die Schrottimmobilien darstellen und dabei die Gesamtschau der Risiken der ansonsten im gleichen Geschäftsfeld operierenden Unternehmen vernachlässigen, zumal es die A und nicht die Antragsgegnerin war, die in die roten Zahlen gekommen ist.

Der Wachstumsabschlag von 0,5 % ist nicht zu beanstanden. Der Wachstumsabschlag soll in der Phase II die zu erwartenden Veränderungen der Überschüsse abbilden, die bei der nominalen Betrachtung im Ausgangspunkt unverändert aus dem letzten Planjahr abgeleitet werden. Dadurch wird berücksichtigt, dass im Allgemeinen die Geldentwertung in einem Unternehmen besser aufgefangen werden kann als bei der Kapitalanlage in festverzinslichen Wertpapieren. Der Wachstumsabschlag bezweckt aber nicht einen unbedingten Inflationsausgleich in voller Höhe. Maßgebend sind vielmehr neben dem Umfang, in dem zu erwartende Preissteigerungen der Einsatzfaktoren an Kunden weitergegeben werden können auch sonstige prognostizierte Mengen- u. Strukturänderungen (OLG Stuttgart, AG 2007 596 ff). Im Durchschnitt betrug das in einem Konjunkturzyklus realisierte Gewinnwachstum lediglich 45% bis 50% der Inflationsrate. Nach Widmann/Schieszl/Jeromin (Der Kapitalisierungszinssatz in der praktischen Unternehmensbewertung, FB 2003, 800 ff, 810) seien danach in der Vergangenheit bei durchschnittlichen Inflationsraten von 3% bis zu 4% Wachstumsabschläge von bis zu 1,5% empirisch belegbar gewesen. Allerdings müsse diese Zahl noch um die aufgrund der Vollausschüttungsprämisse wegfallenden zukünftigen Ergebniszuwächse korrigiert werden, so dass bei einem durchschnittlichen deutschen Unternehmen und dem gegenwärtigen Basiszins von 5,5% und einer zukünftig zu erwartenden Inflation von 1% bis 2% von einem Wachstumsabschlag von durchschnittlich 0,5% bis höchsten 1% auszugehen sei. Zwischen 0,5 % bis zu 1% sind auch beispielsweise bei der Bewertung von Versicherungsunternehmen angesetzt worden (Graßl/Beck in Drukarczyk/Ernst, Branchenorientierte Unternehmensbewertung, 2. Aufl. 2007, S. 180). Vor diesem Hintergrund sieht der Senat hier keinen Anlass zur Beanstandung, zumal insgesamt zur Frage der richtigen Wahl der einzelnen Faktoren des Kapitalisierungszinssatzes für das Umtauschverhältnis allgemein zu bemerken ist, dass bei Verschmelzungen höhere oder niedrigere Zu- und Abschläge zwar geeignet sind, zu höheren Unternehmenswerten zu führen. Dies wird letztlich aber wiederum dadurch relativiert, dass es auf die Verschmelzungswertrelation ankommt (vgl. OLG Stuttgart, AG 2006, 420 ff 426 mit Hinweis auf Wenger in FS für Drukarczyk, 2003, 475, 491). In vergleichbarer Weise relativiert sich hier auch die Frage der Bewertung von Synergieeffekten.

Die Steuerlastquote bei der persönlichen Einkommenssteuer ist mit 35 % zutreffend berücksichtigt worden. Die Berücksichtigung gesetzlicher Änderungen nach dem Stichtag war nicht erforderlich, was die Verschmelzungsprüferin in ihrem ersten Ergänzungsgutachten auch überzeugend begründet hat.

Dem Verlangen nach Vorlage des Gutachtens von ... war nicht nachzugehen. Es ist in einem anderen Zusammenhang und später im Auftrag der BaFin erstellt worden. Die Akten der Staatsanwaltschaft Mannheim sind ebenfalls nicht beizuziehen, da es in dem Spruchverfahren auf den Unternehmenswert, nicht aber auf die Herausarbeitung des Ausmaßes etwaiger Verfehlungen des damaligen Vorstandes der Antragsgegnerin ankommt.

Ebenfalls war die Vorlage der Arbeitspapiere der Wirtschaftprüfer nicht anzuordnen. Auf die Vorlage der Arbeitspapiere besteht im Allgemeinen kein Anspruch. Nach den berufsrechtlichen Regelungen werden Arbeitspapiere vom Wirtschaftsprüfer nur für dessen interne Zwecke angefertigt (§ 51 b Abs. 4 WPO). Allgemeine Herausgabepflichten bestehen nicht (Ebke, Arbeitspapiere des Wirtschaftsprüfers und Steuerprüfers im Zivilprozess (2003), S. 23 ff). Soweit dies im Enforcementverfahren gegenüber der BaFin eine Durchbrechung gefunden hat (OLG Frankfurt, AG 2008, 125 ff = DB 2008, 629 ff = Der Konzern 2008, 178 ff = ZIP 2008, 312-317), sind diese Grundsätze hier nicht übertragbar, da es bei der Prüfung der Verschmelzungswertrelation nicht wie im Enforcementverfahren um eine aufsichtsrechtliche Überprüfung mit gesetzlich geregelten Auskunftsrechten geht.

Nach alledem ergibt sich ein Unternehmenswert der Antragsgegnerin von 702 Mio. DM statt wie ursprünglich angenommen von 738,4 Mio. DM. Dies führt entsprechend der Berechnung der Verschmelzungsprüferin zu einer Veränderung der Verschmelzungswertrelation von 1: 12 zu 1: 12,30 bzw. entsprechend der zusätzlichen Berechnung der Antragsgegnerin zu einer Nachbesserung bei der baren Zuzahlung von 5,19 DM je A-Aktie. Das sind umgerechnet 2,65 € (gerundet).

Die bare Zuzahlung ist gem. § 15 Abs. 2 UmwG nach Ablauf des Tages, an dem die Eintragung der Verschmelzung in das Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers bekannt gemacht worden ist, mit jährlich 2% über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank zu verzinsen (Semler/Stengel/Schwanna, Umwandlungsgesetz, 2. Aufl. 2007, § 15 Rn 28). Einer ausdrücklichen Festsetzung des Zinsanspruchs bedarf es nicht, da sich dessen genauer Umfang aus dem Gesetz ergibt (vgl. OLG Frankfurt am Main, AG 2007, 403 ff; OLG Hamburg, AG 2002, 89). Eine Verzinsung bereits ab dem Bewertungsstichtag, wie die Antragstellerin zu 2) meint, sieht § 15 Abs. 2 UmwG nicht vor. Ein etwaiger weiterer Zinsschaden wäre mit der Leistungsklage zu verfolgen (OLG München, NJW-RR 2006, 541 ff).

Die Barabfindung selbst ist angemessen und nicht anzuheben. Die Bewertung der A ist nach den obigen Ausführungen nicht zu beanstanden. Der höhere Risikozuschlag bei der Ertragswertberechnung der Antragsgegnerin ist auf die angebotene Barabfindung für die A-Aktie ohne Einfluss. Die für jede A-Aktie angebotene Barabfindung von 18,21 DM unterschreitet den unter Zugrundelegung des höheren Risikozuschlags ermittelten anteiligen Verkehrswert (17,31 DM) nicht und stellt damit eine volle wertmäßige Entschädigung dar. Dies gilt infolge des Spielraums zwischen beiden Beträgen auch dann, wenn man berücksichtigen wollte, dass hier der bei der baren Zuzahlung angesprochene nivellierende Einfluss der Verschmelzungswertrelation nicht eingreift.

Die Geschäftswertfestsetzung entspricht dem gesetzlichen Mindestwert ( § 15 Abs. 1 Satz 2 und Satz 4 SpruchG). Schuldnerin der Gerichtskosten ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 SpruchG, der auch im Beschwerdeverfahren gilt (vgl. BayObLGZ 2004, 200), nur die Antragsgegnerin, was in der Kostenentscheidung klargestellt ist. Gründe für eine abweichende Billigkeitsentscheidung nach Satz 2 dieser Regelung liegen nicht vor.

Bezüglich der außergerichtlichen Kosten erster Instanz hat es bei der Entscheidung des Landgerichts auf der Grundlage des hier noch anwendbaren § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG zu verbleiben. Für das Beschwerdeverfahren gilt der aus § 15 Abs. 4 SpruchG folgende Grundsatz, dass außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden. Im Hinblick auf den Ausgang des Beschwerdeverfahrens und die besondere Lage der Kleinaktionäre bei dieser Verschmelzung ist eine abweichende Entscheidung zugunsten der Antragsteller jedoch veranlasst.

Die gemeinsamen Vertreter können jeweils gem. § 6 Abs. 2 SpruchG von der Antragsgegnerin eine Vergütung in entsprechender Anwendung der Vergütungsregeln für Rechtsanwälte verlangen. Der Geschäftswert für die Gerichtsgebühren gilt nach § 6 Abs. 2 Satz 3 SpruchG auch für die Bemessung der Vergütung der gemeinsamen Vertreter.

Die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren ist dagegen für die Antragsteller nicht maßgeblich, weil sich der Gegenstand der gerichtlichen Tätigkeit nicht mit dem der anwaltlichen Tätigkeit deckt. In diesem Fall setzt das Gericht des jeweiligen Rechtszuges den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbständig fest (§§ 10 I und 2 BRAGO, 60 RVG; BayObLG, AG 2004, 389). Ein solcher Antrag liegt bislang nicht vor.






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 30.03.2009
Az: 20 W 101/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/b008987450e0/OLG-Frankfurt-am-Main_Beschluss_vom_30-Maerz-2009_Az_20-W-101-04




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