Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Juli 2006
Aktenzeichen: 26 W (pat) 332/03

(BPatG: Beschluss v. 12.07.2006, Az.: 26 W (pat) 332/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Markenstelle für Klasse 28 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss vom 7. Oktober 2003 die Anmeldung der Wortmarke Pisafür die Waren der Klassen 16 und 28

"Spiele, Spielzeug, pädagogisches Spielzeug; Lehr - und Unterrichtsmittel in Form von Druckereierzeugnissen und Spielen"

gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei der Bezeichnung "Pisa", die eine durch den sog. "Schiefen Turm" weltweit bekannte italienische Stadt in der Toskana benenne, handle es sich um einen Hinweis auf den Inhalt eines so bezeichneten Spiel(zeug)s. Da der Verkehr an eine Übung gewöhnt sei, wonach auf der das Spiel(zeug) enthaltenden Verpackung neben der betrieblichen Herkunft auch auf deren Art bzw. Inhalt durch einen Spieltitel hingewiesen werde, sehe er in dem vorliegenden Wort nichts anderes als einen Sachhinweis auf das so bezeichnete Spiel. Die inländischen Verkehrskreise würden deshalb die Angabe ohne weiteres und selbsterklärend dahingehend verstehen, dass es sich bei den betreffenden Waren um Spiele handelt, die die italienische Stadt Pisa zum Inhalt/Thema haben. Ebenso sei "Pisa" direkt beschreibend im Hinblick auf das Thema der angemeldeten Ware "Druckereierzeugnisse". Das angesprochene Publikum werde ohne weiteres annehmen, es handle sich um Bücher, Magazine, Kataloge etc., welche die Stadt "Pisa" zum Thema haben.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde und beantragt sinngemäß, den versagenden Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

Sie ist der Ansicht, "Pisa" beschreibe keine konkrete Eigenschaft einer Ware aus dem Warenverzeichnis der angemeldeten Marke. Eine Zweckbestimmung liege ebenfalls nicht vor. Die bloße Möglichkeit, mit dem Wort "Pisa" den Gedanken an irgendein (völlig unbestimmtes) Thema in Bezug auf die italienische Stadt Pisa zu verbinden, entspreche nicht dem gesetzlichen Kriterium des Eintragungshindernisses einer ausschließlich beschreibenden Angabe. Ein Freihaltebedürfnis an dem Begriff "Pisa" bestehe ebenfalls nicht, da weder Wesen, noch Eigenschaft oder Bestimmung einer Ware aus dem der Anmeldung zugrunde liegenden Verzeichnis bezeichnet würden. Überdies sei aufgrund § 23 MarkenG der Hinweis auf Thema oder Inhalt eines Spiels bzw. Druckerzeugnisses den Mitbewerbern nicht verwehrt.

Der Senat hat dem Anmelder mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung Ergebnisse einer Internetrecherche zur Verwendung der Bezeichnung "PISA" übersandt.

II Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der angemeldeten Marke fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Eine Marke weist Unterscheidungskraft i. S. d. vorstehend genannten Bestimmung auf, wenn sie geeignet ist, die Waren/Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von denjenigen Waren/Dienstleistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH MarkenR 2005, 22, 25, Rdnr. 33 - Das Prinzip der Bequemlichkeit; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; BlPMZ 2004, 30 - Cityservice). Dieses Eintragungshindernis ist im Interesse der Allgemeinheit auszulegen, das darin besteht, den freien Warenverkehr zu gewährleisten (st. Rspr. des EuGH vgl. GRUR 2002, 804, 809, Nr. 77 - Philips; GRUR 2004, 674, 677, Nr. 68 - Postkantoor). Für kennzeichnungsrechtliche Monopole ist damit nur Raum, soweit diese geeignet sind, dem Verbraucher die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren/Dienstleistungen zu garantieren und damit die Herkunftsfunktion zu erfüllen (vgl. EuGH GRUR 2001, 1148, 1149, Nr. 22-24 - BRAVO; GRUR 2003, 604, 608, Nr. 62 - Libertel). Keine Unterscheidungskraft weist eine Marke vor allem auf, wenn ihr die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt zuordnen (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 8 Rdnr. 134 m. w. N.; BGH GRUR 2004, 778 - URLAUB DIREKT).

Dies ist vorliegend der Fall. Neben einer möglichen inhaltlichen Beschaffenheitsangabe in Bezug auf Spiele bzw. Spielzeug oder Lehr- und Unterrichtsmittel in Form von Druckereierzeugnissen und Spielen, die die toskanische Stadt "Pisa", bekannt durch den "Schiefen Turm", zum Gegenstand haben (z. B. www.kinderonlineshop.ch/... : Clementoni Puzzle Pisa), stellt die angemeldete Marke hinsichtlich sämtlicher Waren auch einen eindeutig beschreibenden Sachhinweis auf die allgemein bekannte "PISA-Studie" dar.

Der Begriff "PISA" ist die Abkürzung für das "Program for International Student Assessment" der OECD und bezeichnet eine Vergleichsstudie auf internationaler Ebene mit dem Ziel, alltagsrelevante Kenntnisse und Fähigkeiten 15-jähriger Schülerinnen und Schüler zu messen (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/ PISA-Studie). Die deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben bisher im internationalen Ländervergleich eher schlecht abgeschnitten, wodurch eine breite Diskussion über Lernziele und -inhalte an deutschen Schulen aufgekommen ist.

Im Zuge dieser Entwicklung erfreut sich Lernspielzeug einer immer größeren Beliebtheit. Ausweislich einer Internet-Recherche des Senats (bei "Google" finden sich unter dem Suchbegriff "Pisa Spielzeug" mehr als 200.000 Treffer) wird eine Vielzahl von sog. "Lernspielen", bei denen Spielspaß und Lernerfolg miteinander verknüpft sind, angeboten. In Zusammenhang mit diesem Lernspielzeug wird auch immer wieder auf die "PISA-Studie" hingewiesen (vgl. z. B. unter www.stern.de.: "Spielzeug für Pisa-Kinder ... Nach dem Pisa-Schock greifen verunsicherte Eltern gern zu "intelligentem" Spielzeug für ihre Kinder. Die darbende Branche schöpft Hoffnung - denn Lernspiele sind der neue Trend der Nürnberger Spielwarenmesse. ..."; Westdeutsche Zeitung Online vom 21. Mai 2006: "Vor allem seit den gesammelten Pisa-Studien suchen immer mehr Eltern sinnvolles Spielzeug, mit dem das Kind für das Leben oder die Schule lernt. ..."; www.leapfrog.de: "Angesichts der Bildungsmisere setzen immer mehr Eltern auf intelligentes Lernspielzeug. ... Pisa ist in aller Munde. Doch deutsche Eltern denken dabei nicht mehr an den schiefen Turm, sondern an die Schieflage des deutschen Bildungssystems"; www.einzelhandel.de/...: "Der Megatrend Nummer 2 heißt Spielen und Lernen: PISA hat auch bei den Spielzeugherstellern zum Umdenken geführt. Spielzeug macht jetzt nicht nur Spaß, sondern Kinder und Jugendliche auch klüger: Unter den TOP 10-Preisträgern sind ein modernes Lernspiel-System zum Beispiel im Game Boy-Format ..."). Sehr häufig finden sich aufgrund dieses Trends Spiele und Spielzeug, die elementare Fähigkeiten wie Lesen und Rechnen vermitteln bzw. verbessern sollen (vgl. z. B. unter www.amazon.de: "Mein erstes Rechen-Spiel-Lernprogramm PISA mit 9 großen Bildtafeln und Spielanleitung mit pädagogischem Kommentar"; unter www.childsland.com/...: "...1 x «"Pisa-Rechentrainer" bestellen ...").

Ein enger und konkreter inhaltlichthematischer Zusammenhang zwischen der angemeldeten Wortmarke "Pisa" und den beantragten Waren, die allesamt dem pädagogischen Bereich zuzurechnen sind, ist demnach gegeben. Der beschreibende Bezug erschließt sich den angesprochenen Verkehrskreisen auch unmittelbar, weshalb ein betriebskennzeichnender Hinweis zu verneinen ist. Dass der Begriff "Pisa" in Bezug auf die Lernstudie der OECD häufig in Großbuchstaben wiedergegeben wird; hindert die Erkennbarkeit des Bedeutungsgehalts bei Wiedergabe in "normaler" Schreibweise der angemeldeten Marke nicht, da in den entsprechenden Fundstellen bei "Google" jedenfalls beide Schreibweisen Gebrauch finden. Zudem tritt der Begriff "Pisa" als Hinweis auf die PISA-Studie - wie sich auch aus den oben zitierten Nachweisen ergibt - häufig in Alleinstellung und nicht notwendigerweise in der Zusammensetzung auf.

Soweit der Anmelder die Auffassung vertritt, § 23 Nr. 2 MarkenG ermögliche bei einer Eintragung des Begriffs weiterhin eine beschreibende Verwendung von "Pisa" durch die Mitbewerber, ist festzuhalten, dass die genannte Vorschrift nur ein Hilfsmittel in Verletzungsprozessen gegen die negativen Folgen möglicher Fehleintragungen von Marken darstellt, diese aber keinesfalls rechtfertigt und daher nicht die Eintragung einer für sich gesehen beschreibenden Angabe - so wie sie "Pisa" unzweifelhaft darstellt - ermöglichen kann (vgl. auch EuGH GRUR 2003, 604, 607; EuGH GRUR 2004, 674, 680 Postkantoor).

Da der Eintragung der angemeldeten Marke bereits das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft entgegensteht, kann die Frage, ob sie darüber hinaus auch als zur Beschreibung der Waren geeignete Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vom Schutz auszuschließen wäre, dahingestellt bleiben.






BPatG:
Beschluss v. 12.07.2006
Az: 26 W (pat) 332/03


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