Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 28. Januar 2016
Aktenzeichen: I ZR 231/14

(BGH: Beschluss v. 28.01.2016, Az.: I ZR 231/14)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 28. Januar 2016 entschieden, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2005/29/EG vorzulegen. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger die Beklagte auf Unterlassung einer Anzeigenwerbung in der Zeitung "Bild am Sonntag" verklagt. Der Kläger war der Ansicht, dass die Beklagte gegen die Verpflichtung verstoßen habe, die Identität und die Anschrift der Anbieter der beworbenen Waren anzugeben. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht jedoch abgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat daraufhin entschieden, dass die Fragen, ob die Angaben zu Anschrift und Identität des Gewerbetreibenden schon in der Anzeigenwerbung gemacht werden müssen und ob es eine Rolle spielt, ob das werbende Unternehmen für den Verkauf eigener Produkte wirbt oder Produkte anderer Unternehmen auf einer Internetplattform verkauft, zur Vorabentscheidung an den Europäischen Gerichtshof vorgelegt werden müssen. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich und die Verjährung ist nicht eingetreten, da die Klage rechtzeitig erhoben wurde.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 28.01.2016, Az: I ZR 231/14


Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. EG Nr. L 149 vom 11. Juni 2005, S. 22) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Müssen die Angaben zu Anschrift und Identität des Gewerbetreibenden im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG schon in der Anzeigenwerbung für konkrete Produkte in einem Printmedium gemacht werden, auch wenn die Verbraucher die beworbenen Produkte ausschließlich über eine in der Anzeige angegebene Website des werbenden Unternehmens erwerben und die nach Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie erforderlichen Informationen auf einfache Weise auf dieser oder über diese Website erhalten können€

2. Kommt es für die Antwort auf Frage 1 darauf an, ob das in dem Printmedium werbende Unternehmen für den Verkauf eigener Produkte wirbt und für die nach Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG erforderlichen Angaben direkt auf eine eigene Website verweist, oder ob sich die Werbung auf Produkte bezieht, die von anderen Unternehmen auf einer Internetplattform des Werbenden verkauft werden, und die Verbraucher die Angaben nach Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie erst in einem oder mehreren weiteren Schritten (Klicks) über eine Verlinkung mit den Internetseiten dieser anderen Unternehmen erhalten können, die auf der in der Werbung allein angegebenen Website des Plattformbetreibers bereitgestellt wird€

Gründe

I. Der Kläger ist der Verband Sozialer Wettbewerb e.V., dem unter anderem zwei bundesweit tätige Anbieter von Elektro- und Elektronikartikeln sowie 13 Versandhändler angehören, die bundesweit Waren aller Art anbieten. Die Beklagte betreibt das Internetportal "MeinPaket.de", auf dem gewerbliche Verkäufer Waren anbieten können. Die Beklagte selbst schließt mit den Käufern keine Verträge über diese Produkte ab.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung einer Anzeigenwerbung in Anspruch, die in der Zeitung "Bild am Sonntag" am 2. Dezember 2012 veröffentlicht worden ist, und die wie folgt gestaltet war:

Die Waren konnten über die Verkaufsplattform der Beklagten erworben werden. Besuchte ein durch die Werbung angesprochener Internetnutzer die Verkaufsplattform und gab den in der Anzeige genannten Code ein, öffnete sich die jeweilige Produktseite, auf der angezeigt wurde, wer der gewerbliche Verkäufer des jeweiligen Artikels war. Unter der Rubrik "Anbieterinformationen" erhielt der Nutzer Angaben zur Firma und Anschrift des Vertragspartners.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte mit dieser Werbung gegen die Verpflichtung verstoßen habe, die Identität und die Anschrift der ihre Verkaufsplattform nutzenden Anbieter der Waren anzugeben.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung der konkret beanstandeten Werbung verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen (OLG Köln, MMR 2015, 391). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.

II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern vom 11. Mai 2005 ab. Vor einer Entscheidung ist das Verfahren deshalb auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu, weil die Beklagte in der streitgegenständlichen Werbeanzeige nicht verpflichtet gewesen sei, Impressumsangaben zu den Verkäufern der beworbenen Waren zu machen. Dazu hat es ausgeführt:

Die beanstandete Anzeige stelle ein Angebot im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG dar, weil sich der Verbraucher aufgrund der Angaben in der Werbung zum Erwerb einer bestimmten Ware entschließen könne. Die Vorschrift erfasse auch die Werbung für konkrete Waren Dritter. Die Beklagte habe daher die Identität und Anschrift derjenigen Unternehmer anzugeben, deren Waren sie anbiete. Diese Informationen müsse der Verbraucher vor der frühestmöglichen geschäftlichen Entscheidung über den Kauf erhalten. Auch bei der gebotenen weiten Auslegung des Begriffs der geschäftlichen Entscheidung sei die beanstandete Werbeanzeige jedoch nicht unlauter, weil ihr die Impressumsangaben zu den dritten Unternehmen fehlten. Die beworbenen Produkte könnten ausschließlich über das Internetportal "MeinPaket.de" bestellt werden. Dort finde der am Erwerb der beworbenen Produkte interessierte Verbraucher im Zusammenhang mit der Warenpräsentation unter der Rubrik "Anbieterinformationen" sowie über den mit einem Link hinterlegten Namen des Verkäufers die erforderlichen Angaben zu dessen Identität und Anschrift. Derartige Links seien für den Verbraucher ohne weiteres als Hinweise auf Kontaktdaten des Anbieters erkennbar. Zudem befinde sich der Verbraucher, der eine Ware in Ruhe und unbeobachtet von Verkaufspersonal am heimischen Computer bestelle, nicht in einer vergleichbaren Drucksituation wie in einem Geschäftslokal. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände sei deshalb nicht davon auszugehen, dass die fehlende Impressumsangabe in der Anzeige geeignet sei, den Verbraucher zu einer Kaufentscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte. Die Impressumsangaben im Onlineshop erfüllten im konkreten Fall den Gesetzeszweck.

2. Im Streitfall kommt es auf die Frage an, ob die Angaben zu Anschrift und Identität des Gewerbetreibenden im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG schon in der Anzeigenwerbung für konkrete Produkte in einem Printmedium gemacht werden müssen, auch wenn die Verbraucher die beworbenen Produkte ausschließlich über eine in der Anzeige angegebene Website des werbenden Unternehmens erwerben und die nach Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie erforderlichen Informationen auf einfache Weise auf dieser oder über diese Website erhalten können (Vorlagefrage 1).

a) Dem Kläger steht der begehrte Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 UWG nur zu, wenn die Beklagte gegen § 5a Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 2 UWG in der Fassung vom 3. März 2010 verstoßen hat. Da der Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, muss das beanstandete Verhalten der Beklagten zudem nach dem zur Zeit der Entscheidung geltenden Recht wettbewerbswidrig sein (BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 226/13, GRUR 2016, 86 Rn. 20 = WRP 2016, 35 - Deltamethrin). § 5a Abs. 2 UWG ist durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 2. Dezember 2015 neu gefasst worden, während § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG unverändert geblieben ist. Die Änderung des § 5a Abs. 2 UWG hat auf die sich im Streitfall stellenden Vorlagefragen keinen Einfluss.

aa) Gemäß § 5a Abs. 2 UWG aF handelt unlauter, wer die Entscheidungsfähigkeit von Verbrauchern im Sinne des § 3 Abs. 2 UWG dadurch beeinflusst, dass er eine Information vorenthält, die im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände einschließlich der Beschränkungen des Kommunikationsmittels wesentlich ist. Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG nF handelt unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Nach § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG gilt die Information über die Identität und Anschrift des Unternehmers als wesentlich, für den der in Anspruch genommene Unternehmer handelt, sofern Waren oder Dienstleistungen unter Hinweis auf deren Merkmale und Preis in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise so angeboten werden, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann, es sei denn, diese Informationen ergeben sich unmittelbar aus den Umständen.

bb) Die Vorschrift des § 5a Abs. 3 UWG dient der Umsetzung von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG. Der deutsche Gesetzgeber hat dabei statt des in der Richtlinie verwendeten Begriffs "Aufforderung zum Kauf" die Umschreibung gewählt, dass Waren oder Dienstleistungen so angeboten werden, dass ein Durchschnittsverbraucher in die Lage versetzt wird, das Geschäft abzuschließen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des Ersten Gesetzes zur Änderung des UWG, BT-Drucks. 16/10145, S. 25). Nach der danach erforderlichen richtlinienkonformen Auslegung des § 5a Abs. 3 UWG reicht es für ein qualifiziertes Angebot im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG aus, dass eine Aufforderung zum Kauf im Sinne von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG vorliegt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist das der Fall, wenn der Verbraucher hinreichend über das beworbene Produkt und dessen Preis informiert ist, um eine geschäftliche Entscheidung treffen zu können, ohne dass die kommerzielle Kommunikation auch eine tatsächliche Möglichkeit bieten muss, das Produkt zu kaufen, oder dass sie im Zusammenhang mit einer solchen Möglichkeit steht (EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - C-122/10, Slg. 2011, I-3903 = GRUR 2011, 930 Rn. 33 - Ving Sverige).

Dafür ist nicht erforderlich, dass das der Absatzförderung dienende Verhalten bereits ein Angebot im Sinne von § 145 BGB oder eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (sogenannte invitatio ad offerendum) darstellt. Vielmehr reicht es nach der Senatsrechtsprechung aus, wenn der Verbraucher so viel über das Produkt und dessen Preis erfährt, dass er sich für den Kauf entscheiden kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. September 2013 - I ZR 123/12, GRUR 2014, 403 Rn. 8 = WRP 2014, 435 - "DER NEUE"; Urteil vom 9. Oktober 2013 - I ZR 24/12, GRUR 2014, 580 Rn. 12 = WRP 2014, 545 - Alpenpanorama im Heißluftballon). Dabei genügt als für die Annahme einer Aufforderung zum Kauf erforderliche geschäftliche Entscheidung nach Art. 2 Buchst. k der Richtlinie 2005/29/EG insbesondere jede Entscheidung eines Verbrauchers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen will. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union umfasst der Begriff "geschäftliche Entscheidung" nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten des Geschäfts (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-281/12, GRUR 2014, 196 = WRP 2014, 161 Rn. 36 - Trento Sviluppo).

Nach Erwägungsgrund 14 Satz 3 und 4 der Richtlinie 2005/29/EG müssen die von der Richtlinie festgelegten Basisinformationen, die der Verbraucher für eine informierte geschäftliche Entscheidung benötigt, zwar nicht notwendigerweise in jeder Werbung enthalten sein. Dies ist jedoch erforderlich, wenn der Gewerbetreibende zum Kauf auffordert.

cc) Danach könnte die Printwerbung der Beklagten eine Aufforderung zum Kauf im Sinne von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG darstellen, in der die nach Buchst. b dieser Vorschrift erforderlichen Impressumsangaben unmittelbar zu machen sind.

In der Werbeanzeige werden fünf konkrete Produkte abgebildet und jeweils unter Angabe des Preises beschrieben. Dadurch erhält der Verbraucher die wesentlichen Angaben, um sich zum Erwerb dieser Waren zu entschließen. Es handelt sich damit um Absatzwerbung und nicht um eine bloße Aufmerksamkeits- oder Imagewerbung. Die in der Werbung gegebenen Informationen können und sollen die Verbraucher dazu veranlassen, zunächst das Verkaufsportal der Beklagten im Internet aufzurufen und dann dort die beworbenen Produkte bei den jeweiligen Anbietern zu bestellen. Das Aufrufen eines Verkaufsportals im Internet könnte mit dem Betreten eines Geschäfts im Sinne der Entscheidung "Trento Sviluppo" gleichgestellt werden (in diesem Sinne OLG Düsseldorf, WRP 2014, 1340, 1341 f.; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 2 Rn. 48a). Dafür könnte die aus Verbrauchersicht inzwischen vielfach bestehende grundsätzliche Austauschbarkeit von Internethandel und stationärem Handel sprechen.

Nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29/EG steht das nicht rechtzeitige Bereitstellen dem Vorenthalten einer Information im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie gleich. Im Fall des Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie erreicht den Verbraucher eine wesentliche Information nur rechtzeitig, wenn er sie erhält, bevor er aufgrund der Aufforderung zum Kauf eine geschäftliche Entscheidung treffen kann. Diese geschäftliche Entscheidung ist bei der Werbeanzeige der Beklagten das Aufsuchen ihres Verkaufsportals im Internet, um ein in der Anzeige beworbenes Produkt zu erwerben oder sich damit näher zu befassen. Diese Umstände sprechen dafür, dass die Informationen zu Identität und Anschrift der Anbieter der beworbenen Produkte bereits in dieser Werbeanzeige selbst erfolgen müssen.

dd) Allerdings ist der Rechtsprechung des Gerichtshofs nach Ansicht des erkennenden Senats nicht mit ausreichender Sicherheit zu entnehmen, ob im Fall einer auf das Aufsuchen eines Verkaufsportals im Internet gerichteten Printwerbung die nach Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG und § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG erforderlichen Angaben schon in der Printwerbung selbst zu machen sind.

Der Gerichtshof hat in der Entscheidung Ving Sverige (Slg. 2011, I-3903 Rn. 56) im Zusammenhang mit einer Werbung in einer Tageszeitung ausgeführt, Art. 7 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2005/29/EG untersage nicht, in einer Aufforderung zum Kauf nur bestimmte der ein Produkt kennzeichnenden Merkmale anzugeben, wenn der Gewerbetreibende im Übrigen auf seine Website verweise, sofern sich dort wesentliche Informationen über die maßgeblichen Merkmale des Produkts, dessen Preis und die übrigen Erfordernisse gemäß Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie fänden.

Diese Ausführungen des Gerichtshofs in dem Urteil "Ving Sverige" vom 12. Mai 2011 erscheinen nicht als durch das nur kurze Zeit später, nämlich am 19. Dezember 2013 ergangene Urteil "Trento Sviluppo" überholt. In dem Urteil "Trento Sviluppo" ging es um eine irreführende Prospektwerbung für einen Supermarkt, ohne dass eine Verweisung auf eine Website erwähnt wird. Dementsprechend fand in dieser Sache das frühere Urteil "Ving Sverige" auch keine Erwähnung. Selbst wenn das durch eine Printwerbung bewirkte Aufsuchen einer Internetseite eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers darstellt, erscheint es unter diesen Umständen möglich, dass die Informationen gemäß Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie nicht schon in der Printwerbung selbst gemacht werden müssen. Vielmehr könnte es den Anforderungen dieser Vorschrift genügen, dass Verbraucher, die das Verkaufsportal der Beklagten im Internet aufrufen, dort bei der Präsentation der einzelnen Waren die Informationen zur Identität und Anschrift der Anbieter auf einfache Weise über die Rubrik "Anbieterinformationen" oder den mit einem Link hinterlegten Namen des Verkäufers finden können.

b) Nach Ansicht des Senats spricht einiges dafür, die Vorlagefrage 1 zu bejahen.

aa) Wie der Besuch eines stationären Geschäfts hängt auch das Aufsuchen eines Internetportals unmittelbar mit dem Erwerb der dort jeweils angebotenen Produkte zusammen.

bb) Zudem erscheint die Information über den Vertragspartner gemäß Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG und § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG nicht nur erforderlich, damit der Verbraucher ohne Schwierigkeiten Kontakt mit dem anbietenden Unternehmen aufnehmen kann. Vielmehr ist sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers auch deshalb wesentlich, weil dieser dadurch in die Lage versetzt wird, den Ruf des Unternehmers im Hinblick auf Qualität und Zuverlässigkeit der von ihm angebotenen Waren oder Dienstleistungen, aber auch dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Bonität und Haftung einzuschätzen (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2013 - I ZR 180/12, GRUR 2013, 1169 Rn. 13 = WRP 2013, 1459 - Brandneu von der IFA). Die fehlenden Impressumsangaben in der beanstandeten Werbeanzeige können einen Verbraucher dazu veranlassen, das Internetportal der Beklagten aufzusuchen, obwohl er bei Kenntnis von der Identität des anbietenden Unternehmers möglicherweise davon abgesehen hätte, sich näher mit dem beworbenen Angebot zu befassen. Das kommt etwa in Betracht, wenn der Verkäufer in Bewertungsportalen negativ bewertet wird oder der Kunde mit ihm konkrete negative Erfahrungen gemacht hat.

cc) Unerheblich erscheint in diesem Zusammenhang, ob der Kunde die beworbenen Produkte ausschließlich über das Internetportal des Werbenden erwerben kann. Die erst dort gegebenen Informationen erreichen den Verbraucher zwar noch vor dem Kaufabschluss oder sind vor diesem Zeitpunkt abrufbar. Sie erfolgen jedoch zu spät, um ihm eine informationsgeleitete Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob er sich überhaupt näher mit einem der angebotenen Produkte befassen und dafür dieses Internetportal aufsuchen will. Auch der Umstand, dass ein Verbraucher am Computer eine Ware in Ruhe und unbeobachtet von Verkaufspersonal bestellen kann, ändert nichts daran, dass ihm die wesentlichen Informationen über Anschrift und Identität der Anbieter der beworbenen Produkte fehlen, bevor er die Internetseite des Werbenden aufsucht. Der mit Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG verfolgte Zweck spricht daher nach Ansicht des Senats dafür, dass die Beklagte Identität und Anschrift der Verkäufer der Produkte bereits in der Werbeanzeige angibt.

dd) Nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2005/29/EG sind räumliche oder zeitliche Beschränkungen, die durch die Geschäftspraxis auferlegt werden, bei der Entscheidung darüber, ob Informationen vorenthalten werden, zu berücksichtigen. Solche Beschränkungen sind indes im Streitfall nicht ersichtlich. Im Übrigen wären nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie gegebenenfalls auch Maßnahmen zu berücksichtigen, die die Beklagte getroffen hat, um den Verbrauchern die Informationen anderweitig zur Verfügung zu stellen. Zu solchen Maßnahmen hat die Beklagte nichts vorgetragen.

3. Außerdem stellt sich im Streitfall die Frage, ob es für die Antwort auf Frage 1 von Bedeutung ist, ob das in dem Printmedium werbende Unternehmen für den Verkauf eigener Produkte wirbt und für die nach Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG erforderlichen Angaben direkt auf eine eigene Website verweist, oder ob sich die Werbung auf Produkte bezieht, die von anderen Unternehmen auf einer Internetplattform des Werbenden verkauft werden, und die Verbraucher die Angaben nach Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie erst in einem oder mehreren weiteren Schritten (Klicks) über eine Verlinkung mit den Websiten dieser anderen Unternehmen erhalten können, die auf der in der Werbung allein angegebenen Website des Plattformbetreibers bereitgestellt wird (Vorlagefrage 2).

Der Sachverhalt im vorliegenden Fall ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass sich die beanstandete Anzeigenwerbung auf eine Internetverkaufsplattform bezieht, auf der Produkte dritter Unternehmen zum Verkauf angeboten werden. Für den Senat erscheint nicht ausgeschlossen, dass es von Bedeutung sein könnte, ob ein in Printmedien für eigene Produktangebote werbendes Unternehmen für die nach Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG erforderlichen Angaben unmittelbar auf eine eigene Website verweist, oder ob die Verbraucher diese Angaben erst in einem oder mehreren weiteren Schritten über eine auf der Website eines werbenden Plattformbetreibers bereitgestellte Verlinkung mit den Websiten der Unternehmen erhalten können, die ihre Produkte auf der Plattform des Werbenden verkaufen.

So hält es der Senat etwa im Zusammenhang mit einer Werbung für Heilmittel in Google-Adwords-Anzeigen für ausreichend aber auch erforderlich, dass die heilmittelrechtlichen Pflichtangaben nach § 4 HWG über einen klar erkennbaren Link abrufbar sind, der zu einer Internetseite führt, auf der die Pflichtangaben unmittelbar, also ohne weitere Zwischenschritte leicht lesbar wahrgenommen werden können (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2012 - I ZR 2/12, GRUR 2014, 94 Rn. 18 und Leitsatz = WRP 2014, 65 - Pflichtangaben im Internet). Ähnliche Grundsätze könnten auch für die Auslegung von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG gelten. Soweit ersichtlich, hat sich der Gerichtshof aber bisher mit dieser Fragestellung insbesondere im Zusammenhang mit Betreibern von Internetplattformen noch nicht befasst.

4. Die Vorlagefragen sind entscheidungserheblich.

a) Die Informationspflicht nach Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG trifft die Beklagte als für das Angebot Verantwortliche. Indem diese Vorschrift die Informationspflicht auf die Identität und Anschrift desjenigen Unternehmers erweitert, für den der anbietende Unternehmer handelt, wird sichergestellt, dass dem Verbraucher auch dann die Identität und die Anschrift seines Vertragspartners offenbart werden, wenn dieser beim Abschluss des Geschäfts nicht selbst in Erscheinung tritt, sondern ein Dritter dem Verbraucher das Geschäft anbietet. In diesem Fall bedarf es daher der Offenlegung von Informationen über den Vertragspartner des im Sinne von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG und § 5a Abs. 3 Halbsatz 1 UWG qualifiziert angebotenen Geschäfts (vgl. BGH, GRUR 2014, 580 Rn. 20 - Alpenpanorama im Heißluftballon).

b) Der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage steht nicht die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen.

aa) Die Beklagte hat geltend gemacht, das Begehren des Klägers im vorliegenden Verfahren unterscheide sich von demjenigen im vorausgegangenen Verfahren der einstweiligen Verfügung. Im Verfügungsverfahren habe der Kläger den Antrag dahingehend konkretisiert, dass er in der angegriffenen Werbung Informationen nur zum eigenen Unternehmen der Beklagten vermisse. Das unterscheide sich vom Streitgegenstand des vorliegenden Hauptverfahrens, in dem der Kläger geklärt wissen wolle, ob Identität und Anschriften der Vertragspartner der Beklagten anzugeben seien, deren Angebot in der Anzeige der Beklagten beworben werde. Infolgedessen habe der Antrag auf einstweilige Verfügung vom 17. Dezember 2012 die Verjährung des im vorliegenden Verfahren verfolgten Unterlassungsanspruchs nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB hemmen können.

bb) Ansprüche aus § 8 UWG verjähren nach § 11 Abs. 1 UWG in sechs Monaten. Die Verjährungsfrist begann spätestens am 6. Dezember 2012, dem Datum, an dem der Kläger die Beklagte in Kenntnis der beanstandeten Werbung deswegen abgemahnt hat (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 UWG). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Verjährung aber zunächst durch den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 17. Dezember 2012 (§ 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB) und sodann durch die Klage in der vorliegenden Hauptsache (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) gehemmt worden.

(1) Für die Reichweite der Hemmung durch den Verfügungsantrag kommt es auf den Streitgegenstand des Verfügungsverfahrens an (vgl. Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 14. Aufl., § 204 Rn. 9; MünchKomm.BGB/Grothe, 7. Aufl., § 204 Rn. 51). Allerdings wird die Verjährung bei einer Teilklage nur für die damit verfolgten Ansprüche gehemmt (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 1976 - VII ZR 35/75, BGHZ 66, 142, 148; Urteil vom 11. März 2009 - IV ZR 224/07, NJW 2009, 386 Rn. 12).

Bei der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage bildet die konkrete Verletzungsform den Streitgegenstand, wenn mit der Klage ein entsprechendes Unterlassungsbegehren verfolgt wird. Der Streitgegenstand umfasst in diesem Fall - unabhängig davon, ob der Kläger sich auf diese Rechtsverletzung gestützt und den zu dieser Rechtsverletzung gehörenden Tatsachenvortrag gehalten hat - alle Rechtsverletzungen, die in der konkreten Verletzungsform verwirklicht sind, auch wenn die verschiedenen Verletzungen jeweils einen unterschiedlichen Tatsachenvortrag erfordern (BGH, Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 Rn. 19, 24 - Biomineralwasser).

(2) Danach umfasst der Streitgegenstand des Verfügungsverfahrens im Streitfall das Rechtsschutzbegehren, das der Kläger mit dem Unterlassungsantrag im vorliegenden Hauptverfahren verfolgt.

Der Kläger hatte im Verfahren der einstweiligen Verfügung beantragt, der Beklagten zu untersagen, gegenüber dem Letztverbraucher zu werben, ohne gleichzeitig die Identität (vollständige Firmierung inklusive Rechtsformzusatz) ... und Anschrift (Sitz des Unternehmens) des Unternehmens ... anzugeben, wenn dies geschieht wie in der beanstandeten Anzeige.

Der Kläger hat damit die Anzeige als konkrete Verletzungsform zwar eingeschränkt allein auf fehlende Angaben zu Identität und Anschrift des Unternehmens angegriffen. Er hat insoweit aber keine weitere Beschränkung vorgenommen und insbesondere auch keine Teilklage erhoben. Der Verfügungsantrag umfasst damit sowohl fehlende Impressumsangaben für die Beklagte selbst als auch das Fehlen entsprechender Angaben für die Unternehmen, deren Waren in der Anzeige von der Beklagten beworben worden sind. Gegenstand des Rechtsschutzbegehrens des Klägers war die Werbung ohne Impressumsangaben, obwohl diese Angaben für die Beklagte selbst oder für die Unternehmen, deren Waren sie bewarb, zu machen waren.

Aus der Antragsbegründung des Klägers ist keine Beschränkung dieses Streitgegenstands auf Angaben für die Beklagte selbst zu entnehmen. Der Kläger hatte dort beanstandet, die Identität und Anschrift des Unternehmers, gegebenenfalls die Identität und Anschrift des Unternehmers, für den sie handelte, gebe die Beklagte nicht an. Soweit der Kläger im Anschluss daran ausgeführt hat, nach § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG sei die Antragsgegnerin verpflichtet, ihre Identität und Anschrift anzugeben, handelte es sich nur um eine erkennbar unvollständige Wiedergabe des Gesetzeswortlauts, der keine Absicht zur Einschränkung des Streitgegenstands entnommen werden konnte (vgl. BGHZ 194, 314 Rn. 27 - Biomineralwasser).

(3) Die Parteien haben das einstweilige Verfügungsverfahren in der Berufungsverhandlung am 16. August 2013 übereinstimmend für erledigt erklärt. Bevor daraufhin nach § 204 Abs. 2 BGB die aufgrund des Verfügungsantrags eingetretene Hemmung der Verjährung am 16. Februar 2014 endete, hat der Kläger am 27. September 2013 Klage in der Hauptsache erhoben. Dadurch ist in unverjährter Zeit eine weitere Hemmung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 ZPO eingetreten (vgl. Erman/Schmidt-Räntsch aaO § 204 Rn. 47).

Büscher Schaffert Kirchhoff Löffler Schwonke Vorinstanzen:

LG Bonn, Entscheidung vom 06.03.2014 - 14 O 75/13 -

OLG Köln, Entscheidung vom 26.09.2014 - 6 U 56/14 -






BGH:
Beschluss v. 28.01.2016
Az: I ZR 231/14


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/af1e3aaf647f/BGH_Beschluss_vom_28-Januar-2016_Az_I-ZR-231-14




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share