Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Januar 2010
Aktenzeichen: 8 W (pat) 2/05

(BPatG: Beschluss v. 07.01.2010, Az.: 8 W (pat) 2/05)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 H des Deutschen Patentund Markenamts vom 13. Oktober 2004 aufgehoben und das Patent 102 12 777 wie folgt erteilt:

Bezeichnung: Kraftfahrzeug mit einem über ein shiftbywire-System geschalteten Automatikgetriebe Anmeldetag: 22. März 2002 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zu Grunde:

Patentansprüche 1 bis 7, Beschreibung, Seiten 1 bis 8, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie 1 Seite Zeichnung gemäß Offenlegungsschrift.

Gründe

I.

Die Patentanmeldung 102 12 777.8-14 mit der Bezeichnung "Kraftfahrzeug mit einem über ein shiftbywire-System geschalteten Automatikgetriebe" ist am 22. März 2002 beim Patentamt eingegangen und von dessen Prüfungsstelle für Klasse F 16 H mit Beschluss vom 13. Oktober 2004 zurückgewiesen worden, weil sich der beanspruchte Gegenstand in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach der DE 100 24 920 A1 (D1) und der DE 197 52 276 A1 (D2) ergebe und dieser somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Zum Stand der Technik waren im Prüfungsverfahren darüber hinaus noch die folgenden Druckschriften in Betracht gezogen worden:

DE 692 03 397 T2 DE 196 50 770 A1 DE 198 27 117 A1 DE 199 46 559 A1 EP 1182381A2 EP 1 158 217 A2.

Gegen den Zurückweisungsbeschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin neugefasste Patentansprüche 1 bis 7 überreicht.

Patentanspruch 1 lautet:

"Kraftfahrzeug mit einem über ein shiftbywire-System (3) geschalteten Automatikgetriebe, wobei das shiftbywire-System (3) eine Einrichtung (5) zur elektronischen Erfassung eines Fahrstufenwunsches in Form eines den Schaltvorgang in Abhängigkeit wenigstens eines zusätzlich zu erfassenden Freigabesignals erwirkenden Fahrstufensignals umfasst, wobei das Freigabesignal innerhalb eines vorbestimmten Zeitintervalls nach Erfassung des Fahrstufensignals zu geben ist und bei Fehlen des Freigabesignals eine Rücksetzung des Fahrstufenwunsches derart erfolgt, dass das in einer Speichereinrichtung (8) abgelegte Fahrstufensignal wieder gelöscht und eine optische Anzeige wieder auf die Ausgangsstellung gesetzt wird."

Wegen des Wortlauts der auf Anspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 wird auf die Akten Bezug genommen.

Die Anmelderin hat die Auffassung vertreten, dass der Gegenstand nach dem geltenden Patentanspruch 1 neu sei und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, weil weder der nächstkommende Stand der Technik nach der DE 100 24 920 A1 (D1) noch der übrige im Verfahren befindliche Stand der Technik die Lehre vorwegnehme oder nahelege, bei Fehlen des Freigabesignals eine Rücksetzung des Fahrstufenwunsches derart durchzuführen, dass das in einer Speichereinrichtung abgelegte Fahrstufensignal wieder gelöscht und eine optische Anzeige wieder auf die Ausgangsstellung gesetzt werde.

Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 H des Deutschen Patentund Markenamts vom 13. Oktober 2004 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 7, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung, Seiten 1 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung, 1 Seite Zeichnung, wie Offenlegungsschrift.

II.

Die formund fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und in der Sache auch begründet.

Der Anmeldungsgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. PatG § 1 bis § 5 dar.

1. Die Patentanmeldung betrifft ein Kraftfahrzeug mit einem über ein shiftbywire-System geschalteten Automatikgetriebe.

Unter einem derartigen shiftbywire-System zur Steuerung von Automatikgetrieben wird im Rahmen der vorliegenden Anmeldung eine elektronische Fahrerwunscherfassung verstanden, wobei dieser Wunsch als Signal an eine Steuerungseinrichtung beziehungsweise an einen Aktuator (kleiner Elektromotor, Hydraulikzylinder etc.) gegeben wird, der von der intelligenten Steuerung angesteuert wird und dann das Einlegen der Fahrstufe vornimmt. Mechanische Mittel wie Seilzüge usw. zwischen Fahrerwunscherfassung und dem automatischen Getriebe sind bei den in Rede stehenden shiftbywire-Systemen nicht mehr vorgesehen (vgl. Seite 1, 3. Absatz bis Seite 2, 1. Absatz der geltenden Beschreibung).

In der Anmeldung wird als nachteilig erkannt, dass auch bei shiftbywire geschalteten Automatikgetrieben bei Einlegen der Fahrstufe eine zum langsamen Anrollen des Fahrzeugs führende kraftschlüssige Getriebestellung erreicht wird, wenn der Fahrer nicht gleichzeitig die Bremse betätigt. Die Betätigung der Bremse ist darüber hinaus derzeit generell notwendig, weil wegen der heute verwendeten shiftlock-Funktion sonst eine Fahrstufe nicht eingelegt werden kann. Allerdings wird die immer erforderliche gleichzeitige Betätigung der Bremse beim Einlegen einer Fahrstufe als nachteilig erachtet (vgl. Seite 2, Absatz 2 der geltenden Beschreibung).

Der Anmeldung wird daher die Aufgabe zugrunde gelegt, das Zuschalten einer Fahrstufe bei einem shiftbywire geschalteten Automatikgetriebe komfortabler zu gestalten (vgl. Seite 3, 1. Absatz der geltenden Beschreibung).

Der geltende Patentanspruch 1 betrifft demgemäß ein Kraftfahrzeug mit einem über ein shiftbywire-System geschalteten Automatikgetriebe mit den folgenden Merkmalen:

1. Das shiftbywire-System umfasst eine Einrichtung zur elektronischen Erfassung eines Fahrstufenwunsches in Form eines Fahrstufensignals.

1.1 Das Fahrstufensignal erwirkt den Schaltvorgang in Abhängigkeit wenigstens eines zusätzlich zu erfassenden Freigabesignals.

1.1.1 Das Freigabesignal ist innerhalb eines vorbestimmten Zeitintervalls nach Erfassung des Fahrstufensignals zu geben.

1.1.2 Bei Fehlen des Freigabesignals erfolgt eine Rücksetzung des Fahrstufenwunsches derart, dass das in einer Speichereinrichtung abgelegte Fahrstufensignal wieder gelöscht und eine optische Anzeige wieder auf die Ausgangsstellung gesetzt wird.

Die in Merkmal 1. beschriebene elektronische Erfassung eines Fahrstufenwunsches in Form eines Fahrstufensignals (vgl. hierzu auch obige einleitende Ausführung zum "shiftbywire-System", welches der Fahrstufenwunscherfassung zu Grunde liegt) kann nach Merkmal 1.1 erst dann einen tatsächlichen Schaltvorgang erwirken, wenn wenigstens ein zusätzlich zu erfassendes Freigabesignal gegeben worden ist. Dieses Freigabesignal hat den Fahrerwunsch quasi zu bestätigen, wobei ohne das Freigabesignal die Ansteuerung des Aktuators nicht erfolgt (vgl. Seite 7, 2. Absatz der geltenden Beschreibung). Auch ist das Freigabesignal innerhalb eines vorbestimmten Zeitintervalls nach Erfassung des Fahrstufensignals zu geben (Merkmal 1.1.1).

Bedeutsam wird in diesem Zusammenhang dann noch der Inhalt des Merkmals 1.1.2, welches die weiteren Abläufe bei "Fehlen" des Freigabesignals beschreibt, wobei das Freigabesignal einerseits dann fehlen kann, wenn ein solches überhaupt nicht gegeben wird (vgl. hierzu Seite 7, Absatz 2, Zeilen 1 bis 4) oder aber wenn es nicht in dem vorbestimmten Zeitintervall, also rechtzeitig, gegeben wird (vgl. hierzu Seite 7, Absatz 3 bis Seite 8, Absatz 1). Jedenfalls soll bei Fehlen des Freigabesignals eine Rücksetzung des Fahrstufenwunsches dahingehend erfolgen, dass einerseits das in einer Speichereinrichtung abgelegte Fahrstufensignal wieder gelöscht wird, so dass ein diesbezügliches Signal im System dann nicht mehr existent ist und somit auch nicht noch "versehentlich" umgesetzt werden kann. Jedenfalls geht eine derartige Maßnahme über ein einfaches "Ignorieren" oder "Überschreiben" eines nicht bestätigten Befehls hinaus. Zum Ablauf nach Merkmal 1.1.2 gehört des Weiteren auch die Rücksetzung der optischen Anzeige auf die Ausgangsstellung, wenn ein Freigabesignal nicht gegeben wurde. Es wird dann also wieder die ursprüngliche Fahrstufe angezeigt, die vor dem Anfahrwunsch des Fahrers vorgelegen hat, also z. B. die Fahrstufe "N" oder "P" (vgl. Seite 7, Absatz 3 bis Seite 8, Absatz 1), denn der im Patentanspruch genannte "Fahrstufenwunsch" bezieht sich im Kontext der Anmeldung und im Zusammenhang mit automatischen Getrieben auf den Vorgang des Anfahrens aus einem Stillstandszustand des Fahrzeugs heraus.

2. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 7 sind zulässig, denn deren Merkmale sind in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen, die aus der entsprechenden Offenlegungsschrift DE 102 12 777 A1 ersichtlich sind, als zur Erfindung gehörend offenbart.

Der geltende Patentanspruch 1 beruht hinsichtlich seiner Merkmale 1. und 1.1 (vgl. Merkmalsauflistung nach Punkt II.1.) auf dem ursprünglichen Anspruch 1, während Merkmal 1.1.1. bereits im ursprünglichen Anspruch 8 beschrieben war und Merkmal 1.1.2 auf die ursprüngliche Beschreibung gemäß Spalte 4, Zeilen 14 bis 19 der entsprechenden Offenlegungsschrift zurück geht.

Die geltenden, auf Anspruch 1 direkt oder indirekt rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 sind mit den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 7 identisch.

3. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist neu, denn keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften offenbart ein Kraftfahrzeug mit einem über ein shiftbywire-System geschalteten Automatikgetriebe mit allen Merkmalen des Anspruchs 1.

Der nächstkommende Stand der Technik wird vom Senat insoweit übereinstimmend mit der Auffassung der Anmelderin in der DE 100 24 920 A1 (sog. D1) gesehen. Der Anmeldungsgegenstand unterscheidet sich von diesem Stand der Technik bereits dadurch, dass bei seinem über ein shiftbywire-System geschalteten Automatikgetriebe eine Einrichtung zur elektronischen Erfassung eines Fahrstufenwunsches in Form eines Fahrstufensignals vorgesehen ist (Merkmal 1. gemäß Merkmalsgliederung nach Punkt II.1.). Derartiges ist aus dem Offenbarungsgehalt der D1, wo ein shiftbywire-System nicht genannt wird und lediglich durchgängig ein Wählhebel zur Erfassung eines Fahrstufenwunsches beschrieben ist, nicht ersichtlich. Der Anmeldungsgegenstand unterscheidet sich von dem entgegengehaltenen Stand der Technik nach der D1 ferner darin, dass bei Fehlen des Freigabesignals eine Rücksetzung des Fahrstufenwunsches derart erfolgt, dass das in einer Speichereinrichtung abgelegte Fahrstufensignal wieder gelöscht und eine optische Anzeige wieder auf die Ausgangsstellung gesetzt wird (Merkmal 1.1.2).

Die DE 197 52 276 (D2) offenbart eine Motorsteuerung, die keine gemeinsamen Merkmale mit dem Anmeldungsgegenstand nach Patentanspruch 1 aufweist. Ähnlich ist dies bei der den automatischen Einfluss auf die Reibungskupplung und die Motorsteuerung bei kritischen Fahrzuständen beschreibenden DE 198 27 117 A1.

Die verbleibenden im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen betreffen zwar Kraftfahrzeuge mit entweder über ein shiftbywire-System geschalteten Automatikgetrieben, die eines Freigabesignals zur Durchführung des Schaltbefehls bedürfen (DE 692 03 397 T2) bzw. derartige Systeme mit Sprachoder Stimmeingabe, die aber eines Freigabesignals nach Schaltbefehlseingabe nicht mehr bedürfen (DE 199 46 559 A1, DE 196 50 770 A1) oder befassen sich mit zumindest auf elektronischem Wege geschalteten Getrieben, bei denen es eines Freigabesignals nach Erfassung des Schaltsignals ebenfalls nicht bedarf (EP 1 182 381 A2, EP 1 158 217 A2). Auch diese Entgegenhaltungen können daher die Neuheit des Kraftfahrzeugs mit einem über ein shiftbywire-System geschalteten Automatikgetriebe nach Patentanspruch 1 nicht in Frage stellen.

4. Das zweifellos gewerblich anwendbare Kraftfahrzeug mit einem über ein shiftbywire-System geschalteten Automatikgetriebe nach dem geltenden Patentanspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der nächstkommende Stand der Technik nach der DE 100 24 920 A1(D1) beschreibt zwar zweifelsfrei ein Kraftfahrzeug mit einem elektronisch gesteuerten selbständig schaltenden Getriebe (vgl. Absatz 0005 der D1), also mit einem von einer Elektronik geschalteten Automatikgetriebe. Dieser Umstand allein lässt jedoch noch nicht zwingend den Rückschluss zu, dass es sich hier ebenfalls um ein über ein shiftbywire-System geschaltetes Automatikgetriebe handelt. Zum einen wird der Terminus "shiftbywire" an keiner Stelle der Entgegenhaltung erwähnt. Zum anderen finden sich in der entgegengehaltenen D1 auch keinerlei eindeutige Hinweise auf ein über ein shiftbywire-System gesteuertes Automatikgetriebe im Sinne der vorliegenden Patentanmeldung (vgl. Beschreibung Seite 1, 3. Absatz bis Seite 2, 1. Absatz) nämlich dahin gehend, dass bereits die Fahrerwunscherfassung elektronisch erfolgt und nicht erst die spätere, daraus abgeleitete Schaltung des Getriebes. Vielmehr lässt die durchgängige Erwähnung ausschließlich eines Wählhebels (vgl. z. B. Absätze 0008, 0010, 0014, 0015, 0017 und 0019) zur Fahrerwunscherfassung in der D1 darauf schließen, dass die Fahrerwunscherfassung jedenfalls auf anderem als auf elektronischem Wege erfolgt. Diese Auffassung findet noch eine zusätzliche Stütze in der Tatsache, dass der genannte Wählhebel nach einem versehentlichen Verstellen in eine Fahrposition von Hand wieder in die Ausgangsposition verbracht werden muss, bevor eine erneute Fahrerwunscherfassung stattfinden kann (vgl. Absatz 0019). Dieser Hinweis lässt auch den Schluss zu, dass ein durch Federkraft jeweils in die Ausgangslage "N" zurückspringender Wählhebel nach Art einer "Tiptronic"-Schaltung nicht zum Offenbarungsumfang der D1 zu rechnen ist. Nach alledem kann aus der Beschreibung der D1 ein shiftbywire-System mit einer Einrichtung zur elektronischen Erfassung eines Fahrstufenwunsches in Form eines Fahrstufensignals, wie in Merkmal 1. des Patentanspruchs 1 (vgl. Merkmalsgliederung nach Punkt II.1.) gefordert, nicht hergeleitet werden.

Allerdings wird auch bei dem entgegengehaltenen Stand der Technik ein Fahrstufensignal erzeugt. Auch erwirkt das Fahrstufensignal bei diesem Stand der Technik den Schaltvorgang in Abhängigkeit wenigstens eines zusätzlichen zu erfassenden Freigabesignals (hier: Betätigung des Fahrpedals über einen bestimmten Schwellenwert hinaus), wobei dieses Freigabesignal innerhalb eines vorbestimmten Zeitintervalls nach Erfassung des Fahrstufensignals zu geben ist (Absatz 0010 und Absatz 0015 i. V. m. 0017), so dass die Merkmale 1.1 und 1.1.1 durch die D1 vorbeschrieben werden und zwar auch im Sinne der Gesamtoffenbarung der in Rede stehenden Patentanmeldung dahingehend, dass die Freigabe des Anfahrsignals nicht durch die Betätigung des Bremspedals, sondern durch ein von der Bremsbetätigung unabhängiges Freigabesignal (hier: Fahrpedalbetätigung) erfolgt.

Wenn indes das Freigabesignal beim Stand der Technik nach der D1 fehlt und nicht innerhalb des vorgegebenen Zeitintervalls gegeben wird, bleibt der gewählte Fahrgang ungeschaltet (Absatz 0012 und 0015), so dass der Wählhebel bei einem nunmehr tatsächlich bestehenden Fahrwunsch und anwesendem Fahrer zuerst von der in der Entgegenhaltung allgemein mit "A" bezeichneten Fahrstufe wieder auf "N" zurückgestellt werden muss, um einen Anfahrvorgang erneut einleiten zu können (Absatz 0016 und 0019). Diese Vorgehensweise der Getriebeschaltung lässt daher den Inhalt des Merkmals 1.1.2 des geltenden Anspruchs 1 nicht erkennen, denn es erfolgt keine Rücksetzung des Fahrstufenwunsches -dieser wird lediglich ignoriert und nicht ausgeführt -und es erfolgt auch keine Rücksetzung einer optischen Anzeige auf die Ausgangsstellung. All dies erfolgt bei dem entgegengehaltenen Stand der Technik nicht automatisch, sondern dadurch, dass der Wählhebel durch bewusstes Agieren des Fahrers von Hand wieder auf die Ausgangsposition (z. B. Stellung "N") zurück versetzt werden muss (vgl. Absatz 0019).

Nach alledem vermag die entgegengehaltene D1 einen Fachmann, einen Ingenieur des allgemeinen Maschinenbaus mit Fachhochschulausbildung und mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von Antriebssteuerungen für Kraftfahrzeuge schon nicht dazu anzuregen, zum Zwecke der Bestätigung des Fahrstufensignals mittels Freigabesignals die entsprechende Getriebesteuerung insgesamt, d. h. einschließlich der Fahrerwunscherfassung, als shiftbywire-System, also über alle Bereiche hinweg elektronisch wirkend, auszulegen. Vielmehr vermittelt die D1 an dieser Stelle den Eindruck, dass auch eine herkömmliche Fahrerwunscherfassung hierzu ausreicht.

Hinweise auf eine automatische Rücksetzung des Fahrstufenwunsches werden durch die D1 ebenfalls nicht gegeben. Vielmehr beschreibt die Entgegenhaltung hier ein manuelles, bewusst durchzuführendes Handeln, nämlich die Rückstellung der Fahrstufenwähleinrichtung auf die Ausgangsposition. Diese Maßnahme lässt daher eine andere als die anmeldungsgemäße "Bedienungs-Philosophie" erkennen und vermag den Fachmann daher nicht zu einem technischen Handeln nach Merkmal 1.1.2 des Patentanspruchs 1 anzuregen.

Auch die von der Prüfungsstelle noch herangezogene DE 197 52 276 A1 (D2) vermag einem Fachmann hierzu keinerlei Anregungen zu vermitteln, denn diese Entgegenhaltung ist nicht auf eine elektronische Steuerung eines Automatikgetriebes, sondern auf eine elektronische Motorsteuerung zur Drehzahlbegrenzung beim Anfahrvorgang gerichtet.

Auch der verbleibende im Verfahren befindliche Stand der Technik kann hierzu keinerlei Anregungen vermitteln. Zwar werden dort u. a. auch automatische Getriebe beschrieben, die im Einzelfall im Wege eines shiftbywire-Systems, zumindest aber elektronisch geschaltet werden, wobei entweder unlogische Schaltbefehle bzw. für den Motor schädliche Betriebszustände verhindert werden sollen (EP 1 158 217 A2, EP 1 182 381 A2, DE 692 03 397 T2) oder die Schaltbefehle durch Spracheingabe nach entsprechenden Identifikationsverfahren erfolgen (DE 196 50 770 A1, DE 199 46 559 A1) oder kritische Fahrzustände nach einer Querbeschleunigungserkennung durch automatischen Einfluss auf den Eingriff der Reibungskupplung und der Motorsteuerung abgewendet werden sollen (DE 198 27 117 A1). Diese Entgegenhaltungen liegen aber vom Anmeldungsgegenstand weiter ab, wie bereits im Neuheitsvergleich gezeigt worden war, denn diesem Stand der Technik ist zumindest ein Zeitintervall für ein Freigabesignal sowie eine Rücksetzung des Fahrstufenwunsches bei Fehlen des Freigabesignals (Merkmale 1.1.1 und 1.1.2) nicht zu entnehmen.

Nach alledem waren für den maßgeblichen Fachmann mehrere Schritte mit über das fachübliche Maß hinausgehenden Überlegungen erforderlich, um auf der Grundlage des entgegengehaltenen Standes der Technik, insbesondere der nächstkommenden DE 100 24 920 A1, zu einer Getriebesteuerung zu gelangen, wie sie im Patentanspruch 1 beschrieben ist. Zunächst musste die gesamte Getriebesteuerung beginnend von der Fahrerwunscherfassung bis hin zur Schaltungssteuerung des Getriebes ausschließlich elektronisch im Wege eines sog. shiftbywire-Systems ausgestaltet werden. Weiterhin war dann ein Zwischenspeicher für die Speicherung des Fahrerwunsches zu wählen, bei dem die Löschung eines gespeicherten Fahrerwunsches möglich war und nicht lediglich dessen Beibehaltung und eventuelle Überschreibung, wie dies die DE 100 24 920 A1 erkennen lässt, durchgeführt werden konnte. Des Weiteren war die Löschfunktion dann an die Bedingung des Fehlens eines Freigabesignals zu koppeln.

Der geltende Patentanspruch 1 hat daher Bestand.

Mit diesem haben auch die auf Anspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 geltender Fassung Bestand, da deren Merkmale über selbstverständliche technische Maßnahmen hinausgehen.

Dehne Dr. Huber Pagenberg Dr. Prasch Cl






BPatG:
Beschluss v. 07.01.2010
Az: 8 W (pat) 2/05


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