Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 6. April 2010
Aktenzeichen: 36 S 3/09

(LG Düsseldorf: Urteil v. 06.04.2010, Az.: 36 S 3/09)

Tenor

Die Berufungen der Parteien gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 09.07.2009 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein in Form einer Aktiengesellschaft organisiertes Verbundsystem für Versicherungsmakler. Einige Aktien der Gesellschaft hält die Klägerin selbst; alle anderen Aktien halten Versicherungsmakler, die mit der Klägerin jeweils über einen sog. Partnerschaftsvertrag verbunden sind. Die Klägerin bietet ihren Versicherungsmaklern, die sie als Partner bezeichnet, Beratung und Betreuung im Bereich der Versicherungsvermittlung und in angrenzenden Tätigkeitsbereichen an.

Am 29.05.2001 schloss die Klägerin mit der Beklagten einen Partnerschaftsvertrag mit unbestimmter Laufzeit. Nach § 7 Abs. 1 des Vertrages verpflichtete sich die Beklagte zum Erwerb von 25 vinkulierten Namensaktien zu einem Preis von je 52,00 € (insgesamt 1.300,00 Euro). Die Beklagte verpflichtete sich in § 8 des Partnerschaftsvertrages für von der Klägerin zur Verfügung gestellte Leistungen und Rechte eine Bearbeitungsgebühr von 300,00 Euro sowie monatliche Beiträge und weitere Zusatzbeiträge zu zahlen. Nach Beginn der ordentlichen Partnerschaft am 01.03.2002 erwarb die Beklagte die Aktien mit den Nummern 6021 bis 6045 für insgesamt 1.300,00 Euro, die die Klägerin vereinbarungsgemäß für die Beklagte verwahrte. In § 12 Abs. 4 des Partnerschaftsvertrages verpflichtete sich die Beklagte, diese Aktien bei Beendigung des Partnerschaftsvertrages unentgeltlich an die Klägerin zurück zu übertragen. Nach § 11 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrages kann der Vertrag mit einer Frist von drei Monaten zum Ablauf eines Kalenderjahres gekündigt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf die zu den Akten gereichte Ablichtung (Bl. 6 ff GA) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 12.09.2007 kündigte die Klägerin den Partnerschaftsvertrag zum 31.12.2007. Im Juli 2008 forderte sie die Beklagte unter Fristsetzung bis 05.08.2008 erfolglos zur Rückübertragung der o.g. Aktien auf.

Mit der Klage hat die Klägerin begehrt, die Beklagte zu verurteilen, dass sie die Aktien mit den Nummern 6021 bis 6045 an die Klägerin zurücküberträgt und sämtliche Rechte aus diesen Aktien an sie abtritt.

Die Beklagte hat in dem ersten Rechtszug die Ansicht vertreten, dass die Verpflichtung zur unentgeltlichen Rückübertragung der Aktien unwirksam sei. Hilfsweise hat sie ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht und sich insoweit auf eine angemessene Abfindung für die Aktien berufen.

Das Amtsgericht Düsseldorf hat mit dem angefochtenen Urteil die Beklagte verurteilt, zu erklären, dass sie die Aktien an der Klägerin mit den Nummern 6021 bis 6045 an die Klägerin überträgt und sämtliche Rechte aus diesen Aktien an die Klägerin abtritt, Zugum-Zug gegen Zahlung von 1.300,00 € an die Beklagte.

Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Rückübertragung der Aktien gem. § 812 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 BGB habe Zugum-Zug gegen Zahlung in Höhe des Nominalwerts der Aktien gem. §§ 273, 274 BGB.

Durch die Kündigung der Klägerin sei der Partnerschaftsvertrag als Rechtsgrund der Leistung weggefallen. Infolge dessen habe die Beklagte die Aktien samt der darin verbrieften Rechte an die Klägerin zurück zu übertragen. Ihr hilfsweise geltend gemachtes Zurückbehaltungsrecht greife jedoch durch. Die Beklagte habe aus dem selben rechtlichen Verhältnis, auf dem ihre Verpflichtung zur Rückübertragung der Aktien beruhe, einen fälligen Gegenanspruch gegen die Klägerin, der auf Zahlung des Nominalwertes der Aktien gerichtet sei aus § 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alternative BGB. Die Pflicht zur unentgeltlichen Zurückübertragung stelle eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar. Da sich die Unwirksamkeit der entsprechenden Regelung bereits aus § 307 BGB ergebe, bedürfte es keine Ausführungen zur Sittenwidrigkeit des Partnerschaftsvertrages bzw. der Regelung des § 12 Abs. 4 gem. § 138 BGB und nach dem von dem Bundesgerichtshof entwickelten Rechtsprechung zur sogenannten Hinauskündigung.

Dagegen richten sich die Berufungen der Parteien.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin das Ziel weiter, dass ihr die Aktien ohne Entgelt zurückübertragen werden. Mit der Berufung rügt sie unter anderem, dass das Amtsgericht Beweisangebote übergangen habe. So habe das Amtsgericht nicht dazu Beweis erhoben, dass das Entgelt für den Aktienerwerb den Charakter eines Aufnahmebeitrages habe (Bl. 197, 81 GA). Außerdem sei mit der Bearbeitungsgebühr in § 8 Abs. 1 des Partnerschaftsvertrages lediglich eine bloße Kostendeckung für den Verwaltungsaufwand beabsichtigt gewesen.

Ein Verstoß gegen § 307 BGB liegt nicht vor.

Die Klägerin beantragt,

das am 09.07.2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf (54 C 14868/08) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, zu erklären, dass sie die Aktien an der Klägerin mit den Nummern 6021 bis 6045 an die Klägerin überträgt und sämtliche Rechte aus diesen Aktien an die Klägerin abtritt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen,

sowie das am 09.07.2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte meint, dass die Kündigung des Partnerschaftsvertrages als solche schon wegen Verstoß gegen § 53 a AktG rechtswidrig sei. Selbst wenn die Kündigung wirksam gewesen wäre, würde dies jedoch keine Verpflichtung zur Rückübertragung der Aktien nach sich ziehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.02.2010 Bezug genommen.

Gründe

Die Berufungen der Parteien sind form- und fristgerecht eingelegt, sie sind statthaft. In der Sache haben sie keinen Erfolg.

I.

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die Klägerin hat gemäß den zutreffenden Gründen des amtsgerichtlichen Urteils Anspruch auf Rückübertragung der Aktien gem. § 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alternative BGB. Erhebliche Ausführungen mit der Berufung liegen hierzu nicht vor. Ob sich dieser Anspruch auch oder sogar vorrangig aus § 12 Abs. 4 des Partnerschaftsvertrages ergibt - die Wirksamkeit dieser Bestimmung unterstellt - kann an dieser Stelle dahinstehen.

Die Kündigung des Vertrages gem. § 11 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrages ist wirksam und nicht gem. § 53 a AktG unwirksam. Zwar enthält § 53 a AktG ein allgemein gehaltenes Gleichbehandlungsgebot und ein Verbot vor Willkür (BGH Z 120, 141, 150). Tatsächlich liegt jedoch keine Ungleichbehandlung des Beklagten vor. Die Klägerin hat von ihrem Recht der ordentlichen Kündigung gem. § 11 Abs. 2 des Partnerschaftsvertrages Gebrauch gemacht. Insoweit fehlt schon jeder Ansatz einer Ungleichbehandlung. Die Beklagte ist anderen gleich behandelt worden, denen ebenfalls ordentlich gekündigt wurde.

Welche Motivlage bei der Klägerin zugrunde lag, kann dahinstehen. Jedenfalls bei einer ordentlichen Kündigung spielen die Erwägungen der Klägerin, die eine solche Maßnahme begründen, überhaupt keine Rolle.

Die Rechtsfolge der Rückübertragungspflicht der Aktien ergibt sich aus § 12 Abs. 4 des Partnerschaftsvertrages, der sinngemäß dahin zu verstehen ist, dass die Aktien an die Klägerin zurück zu übergeben sind, damit sie später auf einen neuen Partner übertragen werden können und im Falle dessen Unwirksamkeit aus § 812 Abs. 1, S. 2,1. Altern. BGB.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist diese Kündigungsbestimmung des § 11 Abs. 2 Partnerschaftsvertrag auch nicht unwirksam. Die Kammer folgt dem Bundesgerichtshof (NJW 2005, 3641), die sich zu einer vergleichbaren sogenannten Hinauskündigungsklausel verhält. Darin heißt es u. a:

Ob die vereinbarte Abfindung des Geschäftsführers angemessen ist, hat für die Wirksamkeit der Hinauskündigungsregelung keine Bedeutung. Denn auch die Vereinbarung einer unangemessenen niedrigen Abfindung ließe das Kündigungsrecht unberührt. Anstelle der vereinbarten Abfindung trift vielmehr lediglich eine Abfindung nach dem Verkehrswert (BGHZ 112, 103, 111; BGH, aaO, Seite 3643). Dem hat die Kammer nichts hinzuzufügen.

In diesem Zusammenhang ist es insbesondere unerheblich, welchen Wert die Aktien zum Zeitpunkt der Rückübertragung haben. Denn in dem Vertrag ist die Rückgabe der Aktien geregelt, von der Bewertung der Aktien oder einem Wertausgleich ist nicht die Rede.

Dies ist auch nicht unbillig. Denn jedenfalls nach dem Partnerschaftsvertrag sollten die Aktien die Funktion haben, den Partner stärker an die Klägerin zu binden.

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang behauptet, dass Amtsgerichts habe die Beweisantritte zur Motivationslage und den Charakter des Aktienerwerbs übergangen, kann dem die Kammer nicht folgen. Die Motivationslage und der Charakter des Aufnahmebetrages spielen nur insoweit eine Rolle, als sie in dem Vertrag zum Ausdruck gekommen und erkennbar sind, §§ 133, 157 BGB. In dem Vertrag ist aber von einem Aufnahmebeitrag nicht die Rede. Unerheblich ist auch, dass die Klägerin die Beiträge nach § 8 des Partnerschaftsvertrages entsprechend hätte erhöhen müssen, wenn sie gewusst hätte, dass die Aktien bei Ausscheiden eines Partners zum Nominalwert zurückerworben werden mussten.

Wenn die Klägerin eine derartige Regelung in ihren Verträgen versäumt, kann sie sich später nicht darauf berufen, was sie wirtschaftlich besser mit ihren Partner hätte vereinbaren können. Im Gegenteil hat die Klägerin im gleichen Schriftsatz vom 25.03.2009 selber dargelegt, dass der Aktienerwerb der Partner die Intension hatte, diese formalrechtlich in die Lage zu versetzen, auf das Management und die Geschäftspolitik von der Klägerin Einfluss zu nehmen. Von dem Charakter des Aktienerwerbs als Aufnahmebeitrag ist im Vertrag überhaupt nicht die Rede.

Dass die Unentgeltlichkeit in § 12 Abs. 4 des Partnerschaftsvertrages gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB verstößt, hat das Amtsgericht zutreffend festgestellt. Die Kammer teilt die Auffassung des Amtsgerichts auch, soweit es eine Beweisaufnahme gem. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB absieht. Danach liegt kein Vertrag auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts vor, sondern eben ein Partnerschaftsvertrag mit schuldrechtlichen Elementen, die gerade bei der Verpflichtung zur Rückübertragung der Aktien den Schwerpunkt bilden.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zunächst zulässig. Die Beklagte hat eine Beschwer von über 600,00 € dargelegt im Sinne des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Denn sie verfolgt das Ziel, die Aktien nicht zurückgeben zu müssen aufgrund Unwirksamkeit des Partnerschaftsvertrages gem. § 12 Abs. 4 des Partnerschaftsvertrages. Dies stellt eine Beschwer von 1.300,00 € dar, eine höhere Beschwer hat die Beklagte - etwa durch Vorlage eines angekündigten Gutachtens - nicht dargelegt.

Dazu steht nicht im Gegensatz, dass das Amtsgericht und auch die Kammer den Wert des Streitgegenstandes mit 1.300,00 € festgesetzt haben. Denn die Beschwer ist mit dem Gebührenstreitwert nicht identisch. Es kann kein Zweifel sein, dass wirtschaftlich es einen Unterschied macht, ob die Beklagte unbeschränkt oder nur Zugum-Zug gegen Herausgabe der Aktien verurteilt wird, deren Wert die Klägerin selbst mit 1.300,00 € bemisst.

Im Übrigen hat die Berufung der Beklagten keinen Erfolg. Auf die Ausführungen unter I. wird Bezug genommen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711. Der Anordnung einer Sicherheitsleistung bedurfte es nicht, da keine Partei gegen die andere auch nur wegen der Kosten vollstrecken kann.

Die Zulassung der Beschwerde erfolgt, weil die aufgeworfenen Fragen der Wirksamkeit der Kündigungsregelung und Verpflichtung der unentgeltlichen Rückübertragung der Aktien grundsätzliche Bedeutung haben, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Wie in der mündlichen Verhandlung erörtert schweben bei verschiedenen Gerichten mehrere Rechtsstreitigkeiten mit der gleichen Thematik.

Streitwert: 1.300,00 € (Beschwer für jede Partei: 1.300,00 €)

Siepe






LG Düsseldorf:
Urteil v. 06.04.2010
Az: 36 S 3/09


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