Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 23. Juli 2009
Aktenzeichen: I-24 U 200/08

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 23.07.2009, Az.: I-24 U 200/08)

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 15. Oktober 2008 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld - Einzelrichterin - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Anerkenntnis-Vorbehaltsurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld - Einzelrichterin- vom 11. Juni 2008 und dessen Versäumnisurteil vom 27. Februar 2008 werden aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen mit Ausnahme der durch die Säumnis des Beklagten im Kammertermin vom 20. Februar 2008 ausgelösten Kosten, die diesem auferlegt werden.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Bezahlung von Rechtsanwaltshonorar aufgrund einer Vergütungsvereinbarung.

Der Beklagte betreibt ein Krankentransport- und Rettungsdienstunternehmen. Er wandte sich Anfang März 2005 an die Klägerin (Partnerschaftsgesellschaft), die ihn seinerzeit auch in anderen Angelegenheiten rechtsbesorgend vertrat, mit der Bitte um Beratung bezüglich der Neustrukturierung und ggf. des Verkaufs seines Unternehmens. Im Rahmen der Vergütungsverhandlungen war zunächst an eine Stundenhonorarvereinbarung gedacht. Weil der Beklagte fürchtete, die dabei entstehenden Kosten nicht bezahlen zu können, schlossen die Parteien am 9. März 2005 eine schriftliche Gebührenvereinbarung über ein Pauschalhonorar von 25.000,00 € zzgl. Auslagenpauschale von 20,00 € und 16% MWSt., insgesamt 29.023,20 €, das ab Juli 2005 in 12 monatlichen Raten fällig war. Der Beklagte bedankte sich mit Schreiben vom 27. September 2005 bei Rechtsanwalt Dr. J. "für unser Gespräch". Mit Schreiben vom 30. September 2005 und 12. Oktober 2005 übersandte er der Klägerin Unterlagen über die finanzielle Situation seines Unternehmens und erklärte, einzig Rechtsanwalt Dr. J. habe dafür gesorgt, dass sein Unternehmen noch existiere. Der Beklagte zahlte am 9. Juni 2006 5.000,00 €, am 14. September 2006 2.000,00 € und am 7. März 2007 3.000,00 €. Er kündigte den Auftrag mir Schreiben vom 14. Mai 2007 fristlos, weil die Klägerin das Mandat nicht bearbeitet habe. Diese erteilte unter dem 28. Juni 2007 Endabrechnung unter Berücksichtigung eines Mehrwertsteuersatzes von 19% und unter Anrechnung insgesamt gezahlter 10.000,00 €.

Die Klägerin hat behauptet: Sie sei in der Angelegenheit "Neustrukturierung, ggf. Verkauf des Unternehmens" umfangreich tätig geworden. Sie habe mit dem Beklagten zwischen dem 8. Februar und dem 26. September 2005 zahlreiche Besprechungstermine durchgeführt und auch vielfach telefoniert, so am 17. Januar 2006 und 9. Februar 2006. Unter Bezugnahme auf ein Schreiben an den Beklagten vom 10. Oktober 2005 hat sie weiter behauptet, sie habe diverse Gespräche mit Steuerberatern geführt, um geeignete Investoren zu finden. Als die Steuerberater keine Investoren gefunden hätten, habe Rechtsanwalt Dr. J. selbst dem Beklagten diverse Kontakte zu interessierten Investoren ermöglicht. Die Klägerin habe auch einen Besprechungstermin mit der Sparkasse K. umfassend vorbereitet.

Die Klägerin hat in erster Instanz mit der im Urkundsprozess erhobenen Klage beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 19.023,20 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus 2.418,60 € vom 1. August 2005 bis 8. Juni 2006,

aus 4.837,20 € vom 1. September 2005 bis 8. Juni 2006,

aus 7.255,80 € vom 1. Oktober 2005 bis 8. Juni 2006,

aus 9.674,40 € vom 1. November 2005 bis 8. Juni 2006,

aus 12.093,00 € vom 1. Dezember 2005 bis 8. Juni 2006,

aus 14.511,60 € vom 1. Januar 2006 bis 8. Juni 2006,

aus 16.930,20 € vom 1. Februar 2006 bis 8. Juni 2006,

aus 19.348.80 € vom 1. März 2006 bis 8. Juni 2006,

aus 21.767,40 € vom 1. April 2006 bis 8. Juni 2006,

aus 24.186,00 € vom 1. Mai 2006 bis 8. Juni 2006,

aus 26.604,60 € vom 1. Juni 2006 bis 8. Juni 2006,

aus 21.604,60 € vom 9. Juni 2006 bis 30. Juni 2006,

aus 24.023,20 € vom 1. Juli 2006 bis 13. September 2006,

aus 22.023,20 € vom 14. September 2006 bis 6. März 2007 und

aus 19.023,20 € seit dem 7. März 2007

sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 859,80 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Dezember 2007 zu zahlen.

Das Landgericht hat den Beklagten durch Versäumnisurteil vom 27. Februar 2008 antragsgemäß verurteilt. Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch hat der Beklagte der Klageforderung widersprochen und diese nur für den Urkundsprozess anerkannt. Das Landgericht hat daraufhin mit Anerkenntnis-Vorbehalts-Urteil vom 11. Juni 2008 das Versäumnisurteil aufrechterhalten und dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte vorbehalten.

Die Klägerin hat im Nachverfahren beantragt,

das Urteil vom 11. Juni 2008 für vorbehaltlos zu erklären.

Der Beklagte hat sinngemäß beantragt,

das Anerkenntnis-Vorbehalts-Urteil und das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet: Die Klägerin habe die beauftragten Leistungen bzw. Tätigkeiten nicht erbracht. Die von der Klägerin genannten Besprechungstermine seien allein im Rahmen des Mandats zur Verteidigung des Beklagten in einem Strafverfahren durchgeführt worden. Im Rahmen des Mandats zur Neustrukturierung des Unternehmens sei nur ein einziger Besprechungstermin durchgeführt worden, in dem Rechtsanwalt Dr. J. dazu geraten habe, den aktuellen Geschäftsführer zu entlassen. Die Klägerin habe keine Gespräche mit Banken und Steuerberatern, insbesondere nicht mit dem langjährigen Steuerberater des Beklagten G., geführt und dem Beklagten auch keine Investoren genannt. Der Beklagte habe auf die Vergütungsvereinbarung insgesamt 13.500,00 € gezahlt, nämlich bereits am 6. April 2005 3.500,00 €.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht das Anerkenntnis-Vorbehalts-Urteil für vorbehaltlos erklärt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Aus dem vorgelegten Schriftwechsel ergebe sich, dass die Klägerin entsprechend ihrem Auftrag tätig geworden sei. Der Beklagte habe eventuelle Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzung nicht schlüssig vorgetragen. Auch eine Herabsetzung des Honorars komme nicht in Betracht, weil der Beklagte zu einem groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ebenfalls nicht schlüssig vorgetragen habe. Die von dem Beklagten weitergehend behauptete Zahlung von 3.500,00 € sei nicht anzurechnen, weil dieser nicht unter Beweis gestellt habe dass sie sich auf die Gebührenvereinbarung vom 9. März 2005 beziehe.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten.

Er macht geltend: Die Klägerin habe die ihr übertragene Tätigkeit nicht auftragsgemäß ausgeführt, zumal sie zu seinem Steuerberater G. keinen Kontakt aufgenommen und Banktermine weder vorbereitet noch wahrgenommen habe. Beides sei aber Voraussetzung für die Bearbeitung des Auftrags gewesen. Die Parteien seien bei der Vergütungsvereinbarung davon ausgegangen, dass etwa 100 Stunden anfallen würden und bei einem Zeithonorar der Stundensatz 250,00 € betragen würde. Tatsächlich habe die Klägerin allenfalls 10 Stunden gearbeitet.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil abzuändern, das Urkundenvorbehalts- und Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Berufung für unzulässig, weil sie nicht vollständig begründet worden sei. Darüber hinaus macht sie geltend, die vereinbarte Pauschalvergütung sei ihrer erbrachten Tätigkeit angemessen. So habe sie im Rahmen des erteilten Mandats auch die Idee entwickelt, dass der Beklagte sich mit einer eigenständigen Niederlassung in Duisburg ein "zweites Standbein" schaffen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und hat mit Ausnahme der Säumniskosten auch in der Sache vollen Erfolg.

1.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung weiteren Anwaltshonorars.

a.

Die Parteien haben nach ihrem übereinstimmenden Vortrag Anfang März 2005 einen Anwaltsvertrag geschlossen, der die Beratung des Beklagten im Zusammenhang mit der Neustrukturierung und ggf. dem Verkauf von dessen Unternehmen zum Gegenstand hatte. Dieser Vertrag ist Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter im Sinne der §§ 611, 675 BGB. Die Höhe der Vergütung richtet sich grundsätzlich nach der schriftlichen Gebührenvereinbarung der Parteien vom 9. März 2005 über ein Pauschalhonorar von 25.000,00 € zzgl. einer Auslagenpauschale von 20,00 € und 16% Mehrwertsteuer, insgesamt 29.023,20 €. Ob und in welchem Umfang die Klägerin in Abweichung von der Vereinbarung den unter dem 28. Juni 2007 in Rechnung gestellten Mehrwertsteuersatz von 19% verlangen kann, kann dahin stehen, weil sie mit der Klage lediglich den Bruttobetrag nach einem Mehrwertsteuersatz von 16% geltend macht.

Der Klägerin steht jedoch über die vom Beklagten unstreitig bereits gezahlten 10.000,00 € hinaus kein weitergehender Zahlungsanspruch zu. Dabei hat das Landgericht zu Recht die weitere Zahlung des Beklagten von 3.500,00 € vom 6. April 2005 nicht auf die Forderung aus der oben genannten Gebührenvereinbarung angerechnet. Denn der Beklagte hat dafür, dass die Zahlung auf diese Gebührenvereinbarung erfolgt sei, keinen Beweis angetreten, nachdem die Klägerin behauptet hat, die Zahlung sei auf einen Teilzahlungsvergleich vom 18. Oktober 2004 in anderer Angelegenheit erfolgt, in dem sich der Beklagte verpflichtet habe, auf einen Gesamtbetrag von 44.829,69 € nebst Zinsen monatliche Raten von 3.500,00 € zu erbringen. Dies greift der Beklagte mit der Berufung auch nicht an.

b.

Die Unwirksamkeit der Gebührenvereinbarung vom 9. März 2005 lässt sich allerdings nicht feststellen. Diese genügt den formellen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 RVG in der gemäß § 60 Abs. 1 RVG maßgeblichen, bis 30. Juni 2008 gültigen Fassung (fortan a.F.). Die Vereinbarung eines Pauschalhonorars entspricht auch ohne weiteres den Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit von Honorarvereinbarungen (vgl. BGH NJW 2005, 2142).

Dass die Honorarvereinbarung wegen Sittenwidrigkeit im Sinne von § 138 BGB nichtig wäre, kann nicht festgestellt werden. Die Vorschrift des § 138 BGB ist im Falle einer unangemessen hohen Anwaltsvergütung allerdings grundsätzlich neben dem Herabsetzungsverfahren des § 4 Abs. 4 RVG a.F. anwendbar, weil beide Vorschriften unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen haben (vgl. zum insoweit gleichlautenden § 3 Abs. 3 BRAGO BGH NJW 2005, 2142; NJW 2003, 3486; NJW 2003, 2386; NJW 2002, 2774; NJW 2000, 2669; Senat OLGR Düsseldorf 1996, 211; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 18. Aufl., § 3 a Rdnr. 42). Der Bundesgerichtshof hat bei hohen Streitwerten und demzufolge hohen gesetzlichen Gebühren angenommen, dass die anwaltliche Tätigkeit hierdurch angemessen abgegolten ist, so dass ein vereinbartes Honorar von mehr als dem Fünffachen der gesetzlichen Gebühren in einem die Sittenwidrigkeit begründenden, offensichtlich krassem Missverhältnis zur anwaltlichen Leistung stehen kann (vgl. BGH NJW 2005, 2142; NJW 2000, 2669; einschränkend jetzt BGH NSW BRAGO § 3 (BGH-intern); AGS 2009, 262). Der Beklagte hat indes nicht vorgetragen, und es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das vereinbarte Honorar das gesetzliche um ein derart Vielfaches übersteigt, dass ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung anzunehmen ist. Soweit der Beklagte behauptet, die Parteien seien bei Abschluss der Gebührenvereinbarung von einem erforderlichen Zeitaufwand von etwa 100 Stunden und einem Stundensatz von 250,00 € ausgegangen, spricht dies vielmehr gegen ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Denn ein Stundensatz von 250,00 € ist in der Regel angemessen (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 3 a Rdnr. 26).

c.

Die Klägerin kann aber gemäß § 628 Abs. 1 BGB nur einen ihren bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. Sie hat einen über die bereits erhaltenen Beträge hinausgehenden Teilvergütungsanspruch nicht schlüssig vorgetragen.

aa.

Die vereinbarte Vergütung steht der Klägerin nicht in vollem Umfang zu, weil nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien der Auftrag des Beklagten noch nicht erledigt war, als dieser den Anwaltsvertrag mit Schreiben vom 14. Mai 2007 kündigte. Dies ergibt sich bereits aus dem Vortrag der Klägerin in der Klageschrift, der Beklagte habe das Mandat beendet, und sie habe aus diesem Grund die Endabrechnung vom 28. Juni 2007 erstellt. Die Kündigung des Beklagten war gemäß § 627 BGB wirksam. Zwischen den Parteien bestand ein Dienstvertrag über Dienste höherer Art, den der Beklagte deshalb jederzeit kündigen konnte (vgl. BGH NJW 1987, 315; NJW 1978, 2304; Senat AGS 2009, 6).

Hat der Mandant den Auftrag wirksam vorzeitig gekündigt, so kann der Anwalt grundsätzlich gemäß § 628 Abs. 1 BGB nur den Teil der Vergütung verlangen, der seiner bis zur Kündigung ausgeführten Tätigkeit entspricht (vgl. BGH NJW 1997, 188; NJW 1995, 1954; NJW 1987, 315; NJW 1978, 2304; Senat AGS 2009, 6; OLG Düsseldorf ( 22. ZS) NJW 1999, 3129; (8. ZS) MDR 1985, 845; AnwBl. 1985, 201; AnwBl. 1985, 259; OLG Zweibrücken AGS 1999, 26; Gerold/Schmidt/Madert, a.a.O., § 15 Rdnr. 67; Staudinger/Preis, BGB, 2002, § 628 Rdnr. 20). Die Vorschrift des § 628 Abs. 1 BGB ist zwar abdingbar (vgl. BGH NJW 1987, 315; NJW 1978, 2304), jedoch haben die Parteien in der Vergütungsvereinbarung für den Fall der vorzeitigen Mandatsbeendigung keine Regelung getroffen.

bb.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 15 Abs. 4 RVG. Danach ist es zwar auf bereits entstandene Gebühren grundsätzlich ohne Einfluss, wenn der Auftrag endet, bevor die Angelegenheit erledigt ist. Die Regelung ist aber bei der Vereinbarung einer Pauschalvergütung nicht anwendbar. In diesem Fall bleibt es bei der Anwendbarkeit von § 628 Abs. 1 BGB, wenn das Mandat vorzeitig endet und die Parteien keine ausdrückliche Regelung getroffen haben (vgl. zum insoweit gleichlautenden § 13 Abs. 4 BRAGO BGH NJW 1987, 315; NJW 1978, 2304; Gerold/Schmidt/Madert, a.a.O., § 15 Rdnr. 77 a).

Die Vorschrift des § 15 Abs. 4 RVG beruht auf den Besonderheiten des anwaltlichen Gebührenrechts. Sie ist Ausfluss des Systems der gesetzlichen Verfahrenspauschgebühren, nach dem der Rechtsanwalt für eine Gruppe gleichartiger Tätigkeiten jeweils eine Gebühr erhält, ohne dass es darauf ankommt, wie oft er die betreffende Tätigkeit ausgeführt hat. Der Rechtsanwalt hat diese Gebühr bereits mit der ersten Tätigkeit, die die gesetzlichen Voraussetzungen ihres Entstehungstatbestands erfüllt, in voller Höhe verdient. Auf dieser Grundlage stellt § 15 Abs. 4 RVG klar, dass dem Rechtsanwalt auch bei einer vorzeitigen Beendigung seines Auftrags die bereits verdienten Gebühren in voller Höhe verbleiben. Die Vorschrift ist, da sie nur die bereits entstandenen Gebühren sichert, also nicht geeignet, dem Rechtsanwalt einen vertraglichen Vergütungsanspruch in voller Höhe dessen zu erhalten, was ihm bei umfassender Durchführung des Auftrags zugestanden hätte. Da der Vergütungsanspruch erst mit der Leistung der vertraglichen Dienste entsteht und somit die Höhe des Entgelts davon abhängt, welche Tätigkeiten der Rechtsanwalt tatsächlich ausgeführt hat, kann der Anwalt keine Gebühr verlangen, die er nicht schon durch irgendeine Tätigkeit verdient hat. Die Regelung des § 15 Abs. 4 RVG verhindert nicht, dass die Vergütung des Anwalts bei vorzeitiger Beendigung des Auftrags geringer ausfällt, als dies bei vollständiger Durchführung der Fall gewesen wäre.

Ein vereinbartes Pauschalhonorar, das nicht schrittweise mit der Ausführung bestimmter Tätigkeiten anwächst, sondern von vornherein die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts abgilt, lässt sich deshalb nicht mit den gesetzlichen Gebühren vergleichen. Eine Gleichsetzung des Gesamthonorars mit einer Gebühr, die bereits bei der ersten noch so geringfügigen Tätigkeit des Anwalts entstanden ist und nach § 15 Abs. 4 RVG erhalten bleibt, hätte die unbillige Folge, dass der Anwalt die gesamte, für eine umfassende Tätigkeit vereinbarte Vergütung fordern könnte, auch wenn er nur einen geringen Teil der vereinbarten Leistung erbracht hat. Dies wäre jedoch mit der gesetzlichen Ausgestaltung des Vergütungsanspruchs des Rechtsanwalts, wie er sich aus der Regelung des § 628 BGB und den Vorschriften des RVG ergibt, nicht vereinbar (vgl. BGH NJW 1987, 315, zu § 13 Abs. 4 BRAGO).

cc.

Die Regelung des § 628 Abs. 1 BGB wird auch nicht durch diejenige des § 4 Abs. 4 RVG a.F. verdrängt. Danach kann eine vereinbarte Vergütung, die unangemessen hoch ist, auf den angemessenen Betrag bis zu Höhe der gesetzlichen Vergütung herabgesetzt werden. Eine Herabsetzung nach § 4 Abs. 4 RVG a.F. kommt aber erst dann in Betracht, wenn auch das nach § 628 Abs. 1 BGB geschuldete Teilhonorar unangemessen hoch ist (vgl. zum insoweit gleichlautenden § 3 Abs. 3 BRAGO BGH NJW 2005, 2142; NJW 1987, 315; OLG Düsseldorf MDR 1985, 845; AnwBl. 1985, 201; OLG Zweibrücken AGS 1999, 26; Staudinger/Preis, a.a.O., § 628 Rdnr. 20). Denn das RVG enthält grundsätzlich nur für die Bemessung der Höhe des Vergütungsanspruchs Sonderbestimmungen, die den Vorschriften des BGB vorgehen. Fragen, die zum Rechtsgrund des Vergütungsanspruchs gehören, finden ihre Regelung in den Vorschriften des BGB. Zum Grund des Anspruchs in diesem Sinne gehört auch die Regelung der Frage, ob und in welchem Umfang dem Rechtsanwalt bei einer vorzeitigen Beendigung des Anwaltsvertrages durch Kündigung gegenüber dem Mandanten eine Vergütung zusteht. Als Bestimmung, die nach Beendigung des Vertragsverhältnisses die Anspruchsgrundlage für die Vergütung normiert, geht § 628 Abs. 1 BGB der nur die Höhe der Vergütung betreffenden Vorschrift des § 4 Abs. 4 RVG a.F. vor (vgl. BGH NJW 1987, 315 zu § 3 Abs. 3 BRAGO).

dd.

Der Vergütungsanspruch gemäß § 628 Abs. 1 BGB bestimmt sich durch eine Gegenüberstellung der von der Klägerin tatsächlich erbrachten Leistungen und der vereinbarten Leistungen. Dabei trägt die Klägerin als Dienstverpflichtete die Darlegungs- und Beweislast dafür, welche Leistungen vereinbart waren, welche sie erbracht hat und welchen Anteil an den vereinbarten Leistungen diese ausmachen (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 68. Aufl., § 628 Rdnr. 3).

(1)

Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien sollte sich die Klägerin mit der Umwandlung des einzelkaufmännischen Unternehmens des Beklagten in eine juristische Person und ggf. mit dem anteiligen oder vollständigen Unternehmensverkauf befassen, weil der Beklagte einerseits fürchtete, wegen einer strafrechtlichen Verurteilung die Genehmigung zum Betrieb seines Unternehmens zu verlieren und andererseits sein persönlicher Einsatz auch wegen einer schweren Erkrankung in Frage stand. Welche Tätigkeiten die Klägerin hierzu im einzelnen erbringen sollte, hat diese nicht vorgetragen. Immerhin lässt sich ihrem Vorbringen, insbesondere ihrem Schreiben vom 10. Oktober 2005 an den Beklagten entnehmen, dass dessen Unternehmen in eine GmbH umgewandelt werden und die Klägerin Investoren suchen sollte, die bereit waren, sich an der GmbH zu beteiligen. Dazu sollte die Klägerin auf Weisung des Beklagten dessen betriebswirtschaftliche Situation anhand der von diesem übersandten Bilanzunterlagen ermitteln und die Finanzierung der Umstrukturierung mit der Sparkasse K. besprechen. Hierzu sollte die Klägerin, wie sich aus ihrem Schreiben vom 10. Oktober 2005 und aus dem Schreiben des Beklagten vom 12. Oktober 2005 ergibt, auch mit dem Steuerberater des Beklagten G. Kontakt aufnehmen. Für den Fall, dass die Umwandlung in eine GmbH nicht in Betracht kam, sollte die Klägerin nach Kaufinteressenten suchen, wie auch das Schreiben des Steuerberaters Dr. P. vom 4. September 2008 belegt.

Dabei ist mit dem Beklagten davon auszugehen, dass die Parteien als Berechnungsgrundlage der Vergütungsvereinbarung einen Gesamtaufwand von 100 Stunden ins Auge gefasst haben. Der Beklagte hat substantiiert dargetan, dass die Pauschalvereinbarung auf der Annahme eines solchen Zeitaufwands und eines Stundensatzes von 250,00 € basierte. Die Klägerin, die den Umfang ihres Auftrags darzulegen und zu beweisen hat, durfte sich daher nicht darauf beschränken, diesen Vortrag einfach zu bestreiten. Sie hätte vielmehr ihrerseits darlegen müssen, welcher andere Auftragsumfang vereinbart worden sei bzw. welche anderen Grundlagen für die Vergütungsvereinbarung maßgeblich gewesen seien. Dies gilt insbesondere deshalb, weil sie selbst vorgetragen hat, dass die Parteien an eine Stundenhonorarvereinbarung gedacht hätten, der Beklagte aber befürchtet habe, die dabei entstehenden Kosten nicht bezahlen zu können. Da sie dem Vortrag des Beklagten nicht substantiiert widersprochen hat, ist dieser als unstreitig anzusehen. Damit ist er auch nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen (vgl. BGHZ 161, 138).

Angesichts der Vereinbarung eines solchen zeitlichen Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit liegt es nahe, dass die Klägerin über die oben dargestellten Tätigkeiten hinaus Vertragsverhandlungen mit den von ihr gefundenen Investoren führen und Vertragsentwürfe für die Gründung einer GmbH sowie Entwürfe für Geschäftsführerverträge fertigen sollte, alternativ nach entsprechenden von ihr zu führenden Vertragsverhandlungen mit Kaufinteressenten Vertragsentwürfe für den Verkauf des Unternehmens.

(2)

Diese Leistungen hat die Klägerin bis zum Zeitpunkt der Kündigung durch den Beklagten nur in geringem Umfang erbracht.

Von den acht Besprechungsterminen, die die Klägerin zwischen dem 8. Februar 2005 und dem 26. September 2005 in dieser Sache durchgeführt haben will, entfallen jedenfalls die ersten vier auf andere Mandate, die für den Beklagten zur damaligen Zeit ebenfalls bearbeitet wurden, weil sie vor März 2005 und damit vor Erteilung des hier betroffenen Auftrags stattfanden. Hinsichtlich der Besprechungstermine vom 3. und 31. März 2005 hat der Beklagte ebenfalls bestritten, dass diese im Rahmen des hier in Rede stehenden Mandats durchgeführt worden seien. Er hat hierzu darauf hingewiesen, dass die Termine im Terminkalender der Klägerin für "Rechtsanwalt 4" eingetragen seien, und behauptet, dies sei der damals bei der Klägerin tätige Rechtsanwalt S. gewesen, der ihn im Strafverfahren vertreten habe. Alle Besprechungstermine zwischen dem 8. Februar und dem 31. März 2005 hätten bei Rechtsanwalt S. stattgefunden und das Strafverfahren betroffen. Die Klägerin hat daraufhin ihren Vortrag, dass die sechs Besprechungstermine bis einschließlich März 2005 im Rahmen des hier in Rede stehenden Mandats bei Rechtsanwalt Dr. J. stattgefunden hätten, nicht weiter aufrechterhalten. Es bleiben daher lediglich zwei Besprechungstermine vom 2. August 2005 und 26. September 2005, die Rechtsanwalt Dr. J. mit dem Beklagten betreffend das Mandat über die Neustrukturierung von dessen Unternehmens wahrgenommen haben kann. Hinzu kommen zwei Telefonate mit dem Beklagten vom 17. Januar und 9. Februar 2006, über die Rechtsanwalt J. Aktenvermerke gefertigt hat. Inhaltlich ging es hierbei darum, dass Rechtsanwalt Dr. J. dem Beklagten geraten hat, seinen "Geschäftsführer" zu entlassen und die Geschicke seines Unternehmens wieder selbst in die Hand zu nehmen. Dies ergibt sich aus dem Schreiben des Beklagten vom 27. September 2005, mit dem er sich für diesen Rat bedankt, und dem weiteren Schreiben des Beklagten vom 30. September 2005, mit dem der Beklagte erklärt, dass allein Rechtsanwalt Dr. J. dafür gesorgt habe, dass sein Unternehmen noch existiere. Ferner hat Rechtsanwalt Dr. J. nach seinem unwidersprochenen Vortrag in einem dieser Gespräche die Idee entwickelt, dass der Beklagte eine weitere Niederlassung in Duisburg schaffen solle. Weitere Gespräche oder Gesprächsinhalte hat die Klägerin nicht vorgetragen.

Darüber hinaus ist lediglich belegt, dass Rechtsanwalt Dr. J. den Steuerberater Dr. P. der P.-T. GmbH gebeten hat, eigene Mandanten auf ein Investment im Unternehmen des Beklagten nach Umwandlung in eine GmbH anzusprechen bzw. diesen gefragt hat, ob sich unter dessen Mandanten potentielle Kaufinteressenten befänden. Nachdem Dr. P. mitgeteilt habe, dass er keine Interessenten benennen könne, habe Rechtsanwalt Dr. J. in seinem Hause "entsprechende Kontakte angestoßen".

Weitergehende Tätigkeiten hat die Klägerin nicht vorgetragen oder unter Beweis gestellt. Dass sie das Finanzierungsgespräch bei der Sparkasse K. selbst geführt oder den Steuerberater des Beklagten aufgesucht habe, hat sie bereits nicht behauptet. Für ihre Behauptung, sie habe das Gespräch umfassend vorbereitet, indem sie etwa die ihr vom Beklagten überlassenen Bilanzunterlagen durchgearbeitet habe, hat sie keinerlei Beweis angetreten. Über das oben Dargestellte hinaus hat sie dem Beklagten auch keinerlei Tätigkeitsnachweise, Tätigkeitsberichte oder sonstige Informationen über ihre Bemühungen zukommen zu lassen. Nach den Erklärungen des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2009 existieren solche auch nicht.

(3)

Diese von der Klägerin tatsächlich erbrachten Leistungen sind jedenfalls mit dem von dem Beklagten insgesamt gezahlten Betrag von 10.000,00 € ausreichend abgegolten. Dieser Betrag entspricht ca. einem Drittel der vereinbarten Bruttovergütung. Dass der von der Klägerin erbrachte Arbeitsaufwand einen Anteil von einem Drittel der vereinbarten Leistungen überschritten hätte, hat diese nicht konkret vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil der mit der Informationsbeschaffung verbundene Aufwand deswegen relativ gering war, weil der Klägerin aufgrund der vorangegangenen Mandate wesentliche für die Bearbeitung dieses Auftrags erforderliche Informationen bereits bekannt waren (vgl. hierzu auch Senat OLGR Düsseldorf 2009, 299). Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin, auf diese Umstände hingewiesen, weiteren konkreten Vortrag nicht gehalten. Dementsprechend hat die Klägerin einen Anspruch auf eine über einen Betrag von 10.000,00 € hinausgehende Teilvergütung nicht schlüssig dargetan. Ob die Klägerin in die Bearbeitung des Mandats tatsächlich nur eine Arbeitszeit von 10 Stunden investiert hat, wie der Beklagte behauptet, bedarf keiner Entscheidung, weil der Beklagte Rückzahlungsansprüche nicht geltend macht.

Für eine Herabsetzung des Honorars gemäß § 4 Abs. 4 RVG a.F. besteht kein Bedürfnis. Hat die Klägerin die vertraglich geschuldeten Leistungen tatsächlich zu einem Anteil von ca. einem Drittel erbracht, so ist ein entsprechender Honoraranspruch auch angemessen. War der Anteil der tatsächlich erbrachten Leistungen geringer, worauf es indes nicht ankommt, wäre auch der sich aus § 628 Abs. 1 BGB ergebende Vergütungsanspruch geringer, so dass das Herabsetzungsverfahren nach § 4 Abs. 4 RVG a.F. ebenfalls nicht zur Anwendung käme.

2.

Soweit die Klägerin gemäß §§ 288 Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB Verzugszinsen auf die vereinbarten Zahlungsraten verlangen konnte, sind diese mit dem gezahlten Betrag von insgesamt 10.000,00 € ebenfalls beglichen, § 366 Abs. 2 BGB. Dasselbe gilt bezüglich der für die Mahnung vom 28. Februar 2007 entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 344 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Streitwert der Berufung: 19.023,20 €.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 23.07.2009
Az: I-24 U 200/08


Link zum Urteil:
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