Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Februar 2000
Aktenzeichen: 27 W (pat) 97/99

(BPatG: Beschluss v. 01.02.2000, Az.: 27 W (pat) 97/99)

Tenor

Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. Februar 1999 und vom 14. Mai 1998 aufgehoben.

Gründe

I Die international registrierte Marke 652 044 http://agora/bpatg2/docs/27W(pat)97-99.3.gifsoll in Deutschland Schutz für die Waren und Dienstleistungen "cuir et imitation du cuir, produits en ces matières non compris dans d'autres classes; peaux d'animaux; malles et valises; parapluies, parasols et cannes; fouets et sellerie; vêtements, chaussures, y compris bottes, chapellerie; promotion des ventes; information sur la mode, services d'un createur de mode" erhalten.

Die Markenstelle für Klasse 25 des Patentamts hat der Marke in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, den Schutz wegen fehlender Unterscheidungskraft verweigert. Zur Begründung ist ausgeführt, daß die Marke mit dem im deutschen Sprachgebrauch üblichen Wort "Jetset" als wesensgleich anzusehen sei. Letzteres sei nach lexikalischen Angaben eine Bezeichnung für eine Gesellschaftsschicht, "die über genügend Geld verfügt, um sich - unter Benutzung eines (Privat-)Jets - häufig an exklusiven Urlaubsorten oder anderen Treffpunkten, die 'in' sind, zu vergnügen" oder einfach auch für eine "sehr einflußreiche Spitze der internationalen High-Society". Ein solcher Personenkreis habe einen entsprechend exklusiven Modegeschmack. Der Ausdruck "Jetset" eigne sich daher hervorragend, um einem Warenangebot den Hauch von Exklusivität zu vermitteln, Kaufinteressenten positiv vorzubereiten usw. Er werde in der Regel als - wenn auch vielleicht übertriebene - Qualitätsaussage erkannt und als bloße Werbeaussage gewertet. Dies gelte auch hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen. Für besonders exklusive Waren komme diese Bezeichnung sogar als direkte Bestimmungsangabe in Frage. Auch die graphische Ausgestaltung mache die Marke nicht schutzfähig, da sie sich im Rahmen werbeüblicher Schrifttypen halte, worauf besonders der Erinnerungsprüfer hinweist. Da der Verkehr durch die Werbung daran gewöhnt sei, mit griffigen, teils nicht unoriginellen Schlagwörtern konfrontiert zu werden, mit denen ihm sach- oder qualitätsbezogene Informationen vermittelt würden, werde er die beanspruchten Worte in beachtlichem Umfang nicht als Marke ansehen.

Gegen den Erinnerungsbeschluß hat die Markeninhaberin Beschwerde eingelegt. Nach ihrer Meinung ist die Marke schutzfähig. In einem Begriff, der eine bestimmte, äußerst kleine Gesellschaftsschicht bezeichne, könne eine allgemeine werblich preisende Angabe nicht erkannt werden, zumal gerade die Verwendung des Begriffes "Jetset" idS absolut nicht geläufig sei. Es sei auch fraglich, ob dieser Ausdruck überhaupt uneingeschränkt positive Assoziationen hervorrufen könne, da jene angeblich einflußreiche Gesellschaftsschicht in nicht unbeachtlichem Umfang einen eher negativen Ruf genieße. Die Markenstelle habe es auch nicht vermocht, ihre Ansicht, es handle sich dabei sogar um einen Beschaffenheits- oder Qualitätshinweis, zu belegen. Zweifelhaft sei schließlich auch, ob reiche Leute tatsächlich regelmäßig einen guten Geschmack haben und immer qualitätvolle Ware kaufen. Man könne hier allenfalls durch weit hergeholte Assoziationen in die Nähe einer Angabe mit beschreibendem Gehalt kommen. Ein Freihaltebedürfnis sei sonach nicht zu erkennen. Deshalb dürfe an das Vorliegen der Unterscheidungskraft kein zu strenger Maßstab angelegt werden. Aus den genannten Gründen neige der Verkehr schon nicht dazu, in der Bezeichnung "jet set" eine beschreibende Angabe zu sehen. Erst recht wirke aber die graphische Gestaltung, die der Marke - wie schon im Verfahren vor der Markenstelle ausgeführt - eine starke Eigentümlichkeit verleihe, dem entgegen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde mußte in der Sache Erfolg haben, da der international registrierten Marke ein relevantes Eintragungshindernis (MarkenG § 107, § 8 Abs 2 Nr 1 und 2, MMA Art 5 Abs 1, PVÜ Art 6 quinquies B) nicht entgegensteht.

Der Senat vermag für die beanspruchte Marke weder ein Freihaltungsbedürfnis zu erkennen noch ihr eine hinreichende Unterscheidungskraft abzusprechen.

Der Begriff "Jetset" wird lexikalisch (vgl zB Duden, Deutsches Universalwörterbuch) dahingehend erläutert, es handle sich dabei um eine "wohlhabende internationale Gesellschaftsschicht, die sich in snobistischer Weise des (Privat-)Jets bedient, um bei Vergnügungen der Prominenz in aller Welt dabeizusein" oder um eine "Schicht der internationalen Gesellschaft, die über genügend Geld verfügt, um sich - unter Benutzung eines (Privat-)Jets - häufig an exklusiven Urlaubsorten oder anderen Treffpunkten, die 'in' sind, zu vergnügen". Der Rechtschreib-Duden verzeichnet hierfür eine "Gruppe reicher, den Tagesmoden folgender Menschen, die, um immer 'dabei zu sein', ständig (mit dem Jet) reisen".

Es mag wohl durchaus so sein, daß die meisten Verkehrsbeteiligten eine solche oder ähnliche Vorstellung mit dem Begriff "Jetset" verbinden, der Wortfolge also einen entsprechenden Sinngehalt entnehmen. Das ändert aber nichts daran, daß es sich bei diesem Ausdruck ganz offensichtlich nicht um eine unmittelbar beschreibende Angabe hinsichtlich irgendwelcher Eigenschaften der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen handelt. Er wäre allenfalls als Bestimmungsangabe denkbar, ist aber doch auch als solche in der einschlägigen Werbung völlig unüblich, so daß eine entsprechende Erwartungshaltung (oder gar Gewöhnung) des Verkehrs kaum unterstellt werden kann. Ein relevantes Freihaltungsbedürfnis, das auch die Markenstelle (trotz einiger Bedenken des Erinnerungsprüfers) wohl nicht ernsthaft annimmt, ist deshalb nicht zu erkennen.

Von daher gesehen sind bei der Prüfung der Unterscheidungskraft keine allzu strengen Maßstäbe anzulegen (vgl zB Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 8 Rdn 18). Sicherlich kann man sich vorstellen, daß jemand vielleicht sagt, eine Mode sei nach "Jetset"-Geschmack gestaltet; aber eine solche Aussage ist viel zu unscharf, um (dazu noch in Alleinstellung!) ernsthaft als beschreibende Angabe oder Qualitätshinweis verstanden zu werden. Selbst wenn man aber unterstellen will, daß eine noch beachtliche Anzahl von Verkehrsbeteiligten mit der schlichten Wortfolge "Jetset" (vor allem wenn sie zusammen mit anderen beschreibenden Aussagen gebraucht wird), eine solche Vorstellung in bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen verbinden könnte, so kann man dennoch nicht davon ausgehen, daß sie dies auch bei einer Begegnung mit dem hier konkret beanspruchten Schriftzug tut. Denn dieser macht wegen seiner graphischen Gestaltung, die schon erkennbar über eine einfache Schreibschrift hinausgeht, einen geschlossenen, markenmäßigen Eindruck und sieht weder für einen flüchtigen noch für einen interessierten Betrachter aus wie eine übliche beschreibende Angabe. Selbst wenn man also der schlichten Wortfolge "jet set" eine noch hinreichende Unterscheidungskraft absprechen will, kann dies nicht für die Marke in ihrer registrierten Form gelten, deren graphische Gestaltung den Schutzbereich gleichermaßen bestimmt und beschränkt (vgl zB BGH BlPMZ 1991, 26 "NEW MAN").

Unter Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse war sonach der Beschwerde stattzugeben.

Hellebrand Friehe-Wich Albert Mr/Fa






BPatG:
Beschluss v. 01.02.2000
Az: 27 W (pat) 97/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/adb0f87c4b26/BPatG_Beschluss_vom_1-Februar-2000_Az_27-W-pat-97-99




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share