Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen:
Urteil vom 21. Oktober 2015
Aktenzeichen: L 8 R 67/15

(LSG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 21.10.2015, Az.: L 8 R 67/15)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 8.12.2014 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 30.9.2015 wird abgewiesen. Die Kosten trägt in beiden Rechtszügen die Klägerin, außer den Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 16.020 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) darüber, ob der Beigeladene zu 1) in seiner Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer für die Klägerin im Zeitraum vom 1.5.2012 bis zum 31.10.2013 der Versicherungspflicht der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

Der 1968 geborene Beigeladene zu 1) verfügt über eine abgeschlossene Ausbildung zum Maschinenschlosser. Er meldete zum 30.9.2011 bei der Stadt C ein Gewerbe (Vertrieb von Produkten aus der Nano-Technologie) an. Antragsgemäß bewilligte die Beigeladene zu 4) ihm mit Bescheid vom 13.10.2011 für die Zeit vom 30.9.2011 bis zum 29.6.2012 einen Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Ebenfalls auf Antrag des Beigeladenen zu 1) hin stellte die Beigeladene zu 4) den Eintritt der Antragspflichtversicherung nach § 28a Abs. 1 Nr. 2 SGB III fest (Bescheid v. 3.11.2011).

Die Klägerin mit Sitz in T wurde durch Gesellschaftsvertrag (GesV) vom 1.3.2012 und Eintragung in das Handelsregister des Amtsgerichtes (AG) T unter der Registernummer HRB 000 gegründet. Unternehmensgegenstand ist der Betrieb eines Fitnessstudios und alle damit im Zusammenhang stehenden Geschäfte (§ 2 Abs. 1 GesV). Dabei ist die Klägerin Franchisenehmerin der D GmbH mit Sitz in M. Das Stammkapital der Klägerin belief sich im streitgegenständlichen Zeitraum zunächst auf 150.000,00 EUR, ursprünglich nach § 4 GesV verteilt auf die H AG mit einem Anteil am Stammkapital von 65.000,00 EUR (43,33 %), den Beigeladenen zu 1) mit einem Anteil von 65.000,00 EUR (43,33 %) und die T Consulting GmbH mit einem Anteil am Stammkapital von 20.000,00 EUR (13,33 %). Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 GesV bedurften zudem insbesondere folgende Geschäfte der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung: der Erwerb, die Veräußerung und die Belastung von Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten oder Rechten an Grundstücken, die Aufnahme von Darlehen und Durchführung von Investitionen, wenn der Wert im Einzelfall mehr als 5.000,00 EUR betrug, die Übernahme von Bürgschaften und Gewährung von Krediten, der Abschluss von Gesellschaftsverträgen, der Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen und die Errichtung von Zweigniederlassungen, die Erteilung von Prokuren, General- und Handlungsvollmachten sowie der Abschluss von Leasing- und Mietverträgen, wenn die monatlichen Raten 500,00 EUR bei 48 Monaten Laufzeit überstiegen. Nach § 5 Abs. 3 S. 3 GesV konnte diese Liste mit einfacher Mehrheit erweitert werden. Nach § 6 Abs. 7 GesV gewährten je 50,00 EUR eine Stimme in der Gesellschafterversammlung. Gesellschafterbeschlüsse wurden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Gesellschaftsvertrages Bezug genommen.

Mit Gesellschafterbeschluss vom 1.3.2012 wurde der Beigeladene zu 1) zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Klägerin bestellt. Mit Datum vom selben Tag schlossen er und die Klägerin einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag (GF-V), der unter anderem folgende Regelungen traf:

"§ 1 Aufgaben und Pflichten

(1) Der Geschäftsführer führt die Geschäfte der Gesellschaft und hat die verantwortliche Leitung und Überwachung des gesamten Geschäftsbetriebs nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrags, der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung und einer etwaigen durch Geschäftsordnung für die Geschäftsführung. ( ...)

(2) Der Geschäftsführer nimmt die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahr.

(3) Der Geschäftsführer hat die ihm obliegenden Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes unter besonderer Beachtung der Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen. Er hat für die wirtschaftlichen, finanziellen und organisatorischen Belange der Gesellschaft Sorge zu tragen. ( ...)

§ 2 Vertretung und Geschäftsführung

(1) Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich.

(2) Der Geschäftsführer führt die Geschäfte der Gesellschaft im Umfang der ihm durch Beschluss der Gesellschafterversammlung erteilten und in der Vorbemerkung genannten Vertretungsberechtigung.

(3) Der Geschäftsführer bedarf für alle Geschäfte und Maßnahme, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen, der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. ( ...)

(5) Die Gesellschafterversammlung ist unabhängig von § 1 Abs. 8 jederzeit berechtigt, die Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers zu beschränken, zu erweitern oder zu ergänzen, ohne dass dies auf die übrigen Bestimmungen dieses Vertrages einen Einfluss hat. ( ...)

§ 4 Arbeitszeit

Der Geschäftsführer ist an eine bestimmte Arbeitszeit nicht gebunden. Die Arbeitszeit richtet sich vielmehr nach den betrieblichen Erfordernissen und ist vom Geschäftsführer frei und eigenverantwortlich zu gestalten. ( ...)

§ 5 Nebentätigkeit

(1) Der Geschäftsführer ist verpflichtet, seine gesamte Arbeitskraft und seine gesamten Kenntnisse und Erfahrungen der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen.

(2) Jedwede Nebentätigkeit, sei sie entgeltlich oder unentgeltlich, bedarf der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Das gleiche gilt für die Übernahme von Aufsichtsratsmandaten und Ehrenämtern, insbesondere in Vereinen und Verbänden. ( ...)

§ 8 Bezüge

(1) Der Geschäftsführer erhält im Zeitraum 1.5.2012 bis 30.4.2013 für seine Tätigkeit ein festes Monatsgehalt von 2.250,00 EUR brutto, ab dem 1.5.2013 wird das Gehalt an die Mitgliederentwicklung gekoppelt, das heißt der Geschäftsführer erhält einen fixen Gehaltsanteil von 2.250,00 EUR brutto + zusätzlich ab dem 1.200 Mitglied für jedes weitere Mehrmitglied (also für das 1.201, 1.202, 1.203, ... ) je ein Mehrbetrag von 2,80 EUR brutto, das jeweils am Monatsletzten zu zahlen ist. Berechnungsgrundlage sind die zahlaktiven Mitglieder.

(2) Ferner erhält der Geschäftsführer für seine Tätigkeit eine Tantieme. Deren Höhe und Bedingungen richten sich nach einer gesonderten "Tantieme-Vereinbarung des Geschäftsführers", die in ihrer jeweiligen Fassung Bestandteil dieses Vertrages ist.

(3) Eine Vergütung von Überstunden, Sonn-, Feiertags- oder sonstiger Mehrarbeit erfolgt nicht.

§ 9 Vergütungsfortzahlung

(1) Bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit des Geschäftsführers, die durch Krankheit oder einem von ihm nicht zu vertretenen Grund eintritt, werden ihm die Bezüge nach § 8 Abs. 1 3 Monate, längstens aber bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses, fortgezahlt. Der Geschäftsführer muss sich auf diese Zahlungen anrechnen lassen, was er von Kassen oder Versicherungen an Krankengeld, Krankentagegeld oder Rente erhält, soweit die Leistungen nicht ausschließlich auf seinen Beiträgen beruhen ( ...).

§ 10 Spesen, Aufwendungsersatz

(1) Trägt der Geschäftsführer im Rahmen seiner ordnungsgemäßen Geschäftsführertätigkeit Kosten und Aufwendungen, so werden ihm diese von der Gesellschaft erstattet, sofern der Geschäftsführer die Geschäftsführungs- und Betriebsbedingtheit belegt hat oder sie offenkundig ist.

§ 11 Urlaub

(1) Der Geschäftsführer hat Anspruch auf einen bezahlten Erholungsurlaub von 26 Arbeitstagen im Kalenderjahr ( ...).

(2) Der Geschäftsführer hat den Zeitpunkt des Urlaubs mit der Gesellschafterversammlung abzustimmen. Betriebliche Notwendigkeiten sind hierbei besonders zu berücksichtigen. ( ...)

§ 12 Vertragsdauer

(1) Dieser Vertrag wird auf unbestimmte Dauer abgeschlossen. ( ...)

§ 14 Schlussbestimmungen

(1) Mündliche Abreden oder Nebenabreden sind nicht getroffen, soweit dieser Vertrag keinen anderweitigen Hinweis enthält. ( ...)

(3) Vertragsänderungen bedürfen eines Gesellschafterbeschlusses sowie der Schriftform. Die elektronische Form ist ausgeschlossen. Mündliche Vereinbarungen über die Aufhebung der Schriftform sind nichtig."

Im Übrigen wird auf den Inhalt des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages Bezug genommen.

Im streitigen Zeitraum erhielt der Beigeladene zu 1) ein monatliches Festgehalt in Höhe von 2.250,00 EUR. Mehrbeträge gemäß § 8 Abs. 1 GF-V wurden nicht gewährt. Der Beigeladene zu 1) gewährte der Klägerin zudem unter dem 27.7.2012 und dem 22.11.2012 zwei Darlehen in Höhe von jeweils 10.000,00 EUR. Auf eines dieser Darlehen zahlte die Klägerin eine Summe von 750,00 EUR zurück, woraufhin der Beigeladene zu 1) Klage vor dem Landgericht (LG) Bonn unter dem Aktenzeichen 15 O 168/14 einreichte; das Verfahren wurde vergleichsweise beendet. Auf das zweite Darlehen sind bislang keine Zahlungen erfolgt. Darüber hinaus gewährte der Beigeladene zu 1) zur Absicherung der durch die Klägerin geschlossenen Leasingverträge für die benötigten Fitness-Geräte selbstschuldnerische Bürgschaften. Auf die Leasingverträge vom 16./23.4.2012 und 2.4.2012 wird Bezug genommen.

Am 10.7.2012 stellte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten einen Antrag nach § 7a SGB IV auf Statusfeststellung. Nach Anhörung der Beteiligten stellte die Beklagte mit Bescheid vom 28.11.2012 fest, dass der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Klägerin im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung seit dem 1.5.2012 ausübe. Es bestehe Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Diese beginne jeweils am 1.5.2012. Zur Begründung führte sie an, dass ein gesonderter Arbeitsvertrag bestehe, der die Mitarbeit in der Gesellschaft regle. Es werde monatlich eine erfolgsunabhängige Vergütung entrichtet. Aufgrund des Anteils am Stammkapital könne der Beigeladene zu 1) keinen wesentlichen Einfluss auf die Klägerin ausüben. Im Rahmen der Abwägung überwögen diese Indizien gegenüber der Tatsache, dass der Beigeladene zu 1) einzelvertretungsberechtigt sei und über eine Tantiemen-Regelung indirekt am Erfolg der Klägerin partizipiere.

Dagegen legte die Klägerin unter dem 27.12.2012 Widerspruch ein. Der Beigeladene zu 1) sei nicht abhängig beschäftigt. Er könne jederzeit eine Gesellschafterversammlung einberufen. Er sei weisungsfrei tätig und nehme Arbeitgeberfunktionen wahr. Seine wöchentliche Arbeitszeit betrage mehr als 60 Stunden pro Woche. Er trage ein unternehmerisches Risiko, da sein Gehalt an die Mitgliederentwicklung gekoppelt sei, er der Klägerin zwei Darlehen gewährt habe und als Bürge selbstschuldnerisch für ihre Verbindlichkeiten hafte.

Mit notariell beurkundetem Gesellschaftsbeschluss vom 19.3.2013 wurden § 4 GesV geändert und das Stammkapital der Klägerin auf 205.000,00 EUR erhöht, welches sich nunmehr wie folgt verteilte: H AG 90.000,00 EUR (43,9 %), Beigeladener zu 1) 90.000,00 EUR (43,9 %) sowie T Consulting GmbH in Höhe von 25.000,00 EUR (12,2 %).

Mit Widerspruchsbescheid vom 7.8.2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 5.9.2013 vor dem Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt hat. Zur Begründung hat sie ihren bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft.

Nachdem der Beigeladene zu 1) durch Gesellschaftsbeschluss vom 17.10.2013, der unter dem 25.10.2013 in das Handelsregister eingetragen worden ist, als Geschäftsführer abberufen und der nunmehrige Geschäftsführer bestellt worden ist, hat die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 28.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.8.2013 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1) die Tätigkeit für die Klägerin im Zeitraum vom 1.5.2012 bis zum 31.10.2013 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hat und somit nicht versicherungspflichtig im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung, der gesetzlichen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung gewesen ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf ihre Bescheide verwiesen und auf ihre bisherige Argumentation Bezug genommen.

Mit notariellem Abtretungsvertrag vom 25.9.2013 hat die T Consulting GmbH ihre Anteile am Stammkapital der Klägerin auf den neuen Geschäftsführer, Herrn H, übertragen.

Mit Beschluss vom 15.11.2013 hat das SG die Beigeladenen zu 1) bis 4) am Verfahren beteiligt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das SG den Beigeladenen zu 1) angehört. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen. Das SG hat sodann mit Urteil vom 8.12.2014 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das der Klägerin am 29.12.2014 zugestellte Urteil hat diese am 22.1.2015 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend trägt sie vor, dass die tatsächlichen Verhältnisse von der Vertragslage abwichen. Der Beigeladene zu 1) habe allein über die notwendige Branchenkenntnis verfügt. Er sei die "Seele" des Geschäftes gewesen. Zudem habe er den Lizenzvertrag mit der D GmbH abgeschlossen.

Nachdem die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 9.7.2015 und zuletzt im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die vorangegangenen Bescheide dahingehend abgeändert hat, dass in der von dem Beigeladenen zu 1) vom 1.5.2012 bis zum 31.10.2013 bei der Klägerin ausgeübten Beschäftigung als Gesellschafter-Geschäftsführer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat, beantragt die Klägerin nunmehr,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 8.12.2014 zu ändern und unter Aufhebung des Bescheids vom 28.11.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 7.8.2013 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 30.9.2015 festzustellen, dass für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Klägerin vom 1.5.2012 bis zum 31.10.2013 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 30.9.2015 abzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Ergänzend verweist sie darauf, dass der Abschluss des Lizenzvertrages dem Beigeladenen zu 1) nicht mehr Einflussnahme innerhalb der Klägerin sichere.

Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

Der Senat hat einen Handelsregisterauszug der Klägerin beigezogen. Ferner sind Gehaltsabrechnungen für den Beigeladenen zu 1) sowie dessen Einkommensteuerbescheide der Jahre 2012 und 2013 vorgelegt worden. Des Weiteren hat der Senat die Verwaltungsvorgänge der Beigeladenen zu 4) hinsichtlich der Antragspflichtversicherung sowie des Gründungszuschusses beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen zu 4) Bezug genommen, die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) bis 4) verhandeln und entscheiden können, da er sie mit den ordnungsgemäßen Terminsnachrichten auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Köln vom 8.12.2014 hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig und insbesondere gemäß den §§ 143, 153 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden, §§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 2, 3 SGG. Die vollständig abgefasste Entscheidung ist der Klägerin am 29.12.2014 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist bei dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) am 22.1.2015 eingegangen.

Die Berufung ist jedoch, nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die streitigen Bescheide nochmals dahingehend abgeändert hat, dass für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Klägerin vom 1.5.2012 bis zum 31.10.2013 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat, unbegründet. In dieser Fassung sind die Bescheide rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG.

Die Beklagte kann sich als Ermächtigungsgrundlage auf § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV stützen. Danach können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Über den Antrag entscheidet abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV die Deutsche Rentenversicherung Bund (§ 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV).

Die Beklagte ist an einer Entscheidung in der Sache zunächst nicht durch die Bescheide der Beigeladenen zu 4) vom 13.10.2011 (Bewilligung eines Gründungszuschusses nach § 57 SGB III) und vom 3.11.2011 (Gewährung der Antragspflichtversicherung nach § 28a Abs. 1 Nr. 2 SGB III) gehindert. Offen bleiben kann dabei letztlich, ob es sich bei den diesen Bescheiden zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren generell um "Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung" im Sinne von § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV handelt, die gegenüber dem Statusfeststellungsverfahren durch die Beklagte Sperrwirkung entfalten könnten (bereits verneinend für den Gründungszuschuss nach § 57 SGB III: Senat, Urteil v. 22.4.2015, L 8 R 680/12, juris). Denn mit der Verwendung des Begriffs "Beschäftigung" hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass eine Sperrwirkung nur von Verfahren ausgehen kann, die auf die versicherungsrechtliche Beurteilung einer konkreten Rechtsbeziehung (zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer) zielen, also einen dem Verfahren nach § 7a SGB IV kongruenten Prüfungsgegenstand haben. Nur in Fällen des kongruenten Prüfungsgegenstandes besteht überdies die Gefahr divergierender Entscheidungen, die den Materialien (BT-Drs. 14/1855, S. 7a.a.O.) zufolge mit der Einführung des Verfahrens nach § 7a SGB IV gerade vermieden werden sollen (Senat, Urteil v. 6.5.2015, L 8 R 655/14, juris). Demnach kommt hier bereits deshalb keine Sperrwirkung in Betracht, da die Beigeladene zu 4) im Rahmen der genannten Bescheide keine Aussage zur der Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) getroffen hat, sondern von ihr nur die Frage der Selbständigkeit des Beigeladenen zu 1) im Bereich der Nano-Technologie beurteilt worden ist.

Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind [§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III].

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer solchen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil v. 30.12.2013, B 12 KR 17/11 R, juris; Urteil v. 30.4.2013, B 12 KR 19/11 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 21; Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 17; Urteil v. 25.4.2012, B 12 KR 24/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG, Urteil v. 11.3.2009, B 12 KR 21/07 R, USK 2009-25; BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; jeweils m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).

Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O., juris; ebenso Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, USK 2006-8; Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f.): Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O., juris; Senat, Urteil v. 29.6.2011, L 8 (16) R 55/08; Senat, Urteil v. 24.9.2014, L 8 R 1104/13; Senat, Urteil v. 23.4.2014, L 8 R 376/12, jeweils juris).

Dabei fällt zunächst nicht maßgeblich ins Gewicht, dass es sich bei dem Beigeladenen zu 1) um einen Gesellschafter-Geschäftsführer und damit gesellschaftsrechtlich betrachtet um ein Organ der Klägerin handelt.

Denn die vorgenannten Grundsätze sind auch bei Organen juristischer Personen anzuwenden (statt vieler: BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 20). Der Geschäftsführer einer GmbH ist weder wegen seiner Organstellung noch deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er in der Regel im Alltagsgeschäft keinen Einzelweisungen Dritter bezüglich Zeit, Art und Ort der Beschäftigung unterliegt oder gegenüber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübt. Unerheblich ist auch, dass er gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) nicht als Arbeitnehmer gilt. Denn nur in besonderen Ausnahmefällen hat der Gesetzgeber derartige Personen vom Kreis der Beschäftigten bzw. der Versicherungspflichtigen ausgenommen, nämlich z.B. Vorstände von Aktiengesellschaften nach §§ 1 Satz 4 SGB VI, § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III [zu stellvertretenden Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften und Vorstandsmitglieder großer Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit: § 94 AktG und § 34 des Gesetzes über die Beaufsichtigung von Versicherungsunternehmen (VAG); BSG, Urteil v. 27.3.1980, 12 RAr 1/79, BB 1980, 1473]. Dieser Vorschriften bedürfte es nicht, wenn leitende Angestellte oder Organe juristischer Personen bereits aufgrund ihrer Stellung im Unternehmen nicht als Beschäftigte anzusehen wären (BSG, Urteil v. 8.12.1987, 7 Rar 25/86, USK 87170, 826; BSG, Urteil v. 18.12.2001, a.a.O.).

Maßgebend ist vor allem die Bindung des Geschäftsführers an das willensbildende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter (BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 1 m.w.N.; Senat. Urteil v. 2.4.2014, L 8 R 530/13; Senat, Urteil v. 24.9.2014, L 8 R 1104/13, jeweils juris). Insoweit ist von besonderer Bedeutung, ob ein Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter ist und aufgrund seiner Gesellschafterstellung maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH hat und damit Beschlüsse und Einzelweisungen an sich jederzeit verhindern kann (BSG, Urteil v. 8.8.1990, 11 Rar 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr. 4). Ist dies der Fall, ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen, weil der Geschäftsführer mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte, die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (BSG, Urteil v. 6.2.1992, 7 RAr 134/90, SozR 3-4100 § 104 Nr. 8).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats und unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles sowohl in vertraglicher als auch in tatsächlicher Hinsicht fest, dass der Beigeladene zu 1) im streitigen Zeitraum bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig geworden ist, da die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände in der Gesamtabwägung überwiegen.

Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Geschäftsführertätigkeit des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit ausgeführt wurde, ist der Geschäftsführervertrag. Dieser hat nach seinem Inhalt maßgeblich arbeitsvertragstypische Elemente zum Gegenstand und ist Ausdruck der der Gesellschafterversammlung der Klägerin allein obliegenden abstrakten Rechtsmacht.

Neben dem Wortlaut des Vertrages (Anstellungsvertrag) sprechen für eine abhängige Beschäftigung und damit für eine Eingliederung in den Betrieb der Klägerin und eine Weisungsabhängigkeit von ihr, dass der Geschäftsführer die Geschäfte nach Maßgabe u.a. der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung und zwar nur im Umfang der ihm durch Beschluss der Gesellschafterversammlung erteilten und in der Vorbemerkung genannten Vertretungsberechtigung führt (§§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 GF-V). Zudem existierten weitreichende Zustimmungserfordernisse der Gesellschafterversammlung für alle Maßnahmen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen (§ 2 Abs. 3 GF-V i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2 GesV), nämlich Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten oder Rechten an Grundstücken, Aufnahme von Darlehn und Durchführung von Investitionen, wenn der Wert im Einzelfall mehr als 5.000,- EUR beträgt, Übernahme von Bürgschaften und Gewährung von Krediten, Abschluss von Gesellschaftsverträgen, Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen und Errichtung von Zweigniederlassungen, Erteilung von Prokura, General- und Handlungsvollmacht, Abschluss von Leasing- und Mietverträgen, wenn die monatlichen Raten 500,- EUR bei 48 Monaten Laufzeit übersteigen. Nach § 5 Abs. 3 Satz 3 GesV konnte diese Liste mit einfacher Mehrheit erweitert werden. Die Gesellschafterversammlung war zudem jederzeit berechtigt, die Vertretungsbefugnis des GF zu beschränken, zu erweitern oder zu ergänzen (§ 2 Abs. 5 GF-V). Der Beigeladene zu 1) erhielt eine erfolgsunabhängige Vergütung in Form eines Monatsbruttogehalt i.H.v. 2.250,- EUR für den Zeitraum 1.5.2012 bis 30.4.2013. Erst ab dem 1.5.2013 erfolgte eine zusätzliche Koppelung an die Mitgliederentwicklung (§ 8 GF-V). Auch wenn der Beigeladene zu 1) nicht an eine bestimmte Arbeitszeit gebunden gewesen ist, richtete sich diese gerade nach den betrieblichen Erfordernissen (§ 4 GF-V). Ferner erhielt er Spesen-/Aufwendungsersatz (§ 10 GF-V). Es wurden Regelungen zum Verhalten bei Arbeitsverhinderung und Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall (§ 9 GF-V) getroffen. Es bestand ein Urlaubsanspruch auf jährlich 26 Arbeitstage, dessen Zeitpunkt mit der Gesellschafterversammlung abzustimmen war (§ 11 GF-V).

Soweit die Klägerin vorträgt, dass dieser Vertrag nicht maßgeblich sei, da die Vertragsparteien davon abgewichen seien, ist dieser Vortrag vor dem Hintergrund der in § 14 Abs. 3 GF-V vereinbarten qualifizierten Schriftformklausel unerheblich. Dass diese schriftlich abbedungen wurde, ist nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden. Eine formlose Abbedingung war damit nicht möglich (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R, juris, Rdnr. 25).

Auf der beschriebenen vertraglichen Grundlage ist der Beigeladene zu 1) auch in einem fremden Betrieb, nämlich dem der Klägerin, tatsächlich tätig geworden. Während dieser Tätigkeit war er vollständig in den Betrieb und folglich in eine ihm einseitig vorgegebene Organisation eingegliedert (vgl. BSG, Urteil v. 4.6.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 17 m.w.N.). Er ist ausschließlich ausgehend von den Betriebsräumen der Klägerin und mit den dortigen Betriebsmitteln tätig geworden.

Hierbei unterlag der Beigeladene zu 1) auch einem Weisungsrecht der Klägerin bzgl. Ort, Zeit sowie Art und Weise der Tätigkeit, da allein letzterer die insoweit maßgebliche abstrakte Rechtsmacht zustand.

Gemäß § 47 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG) erfolgen die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen, zu denen die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern sowie die Überprüfung der Geschäftsführung gehören (§ 46 Nr. 5 und 6 GmbHG), durch Beschlussfassung, vorliegend mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen (vgl. § 6 Abs. 7 GesV).

Der Beigeladene zu 1) hatte keine Möglichkeit, ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu verhindern. Ihm fehlte in rechtlicher Hinsicht der notwendige maßgebliche Einfluss auf die Klägerin. Ein solcher maßgeblicher Einfluss liegt regelmäßig dann vor, wenn der Geschäftsführer einen Anteil von mindestens 50 v. H. des Stammkapitals innehat und damit Einzelweisungen an sich als Geschäftsführer im Bedarfsfall jederzeit verhindern kann (vgl. BSG, Urteil v. 8.8.1990, 11 RAr 77/89, m.w.N., juris). Der Beigeladene zu 1) hatte im fraglichen Zeitraum nur einen Anteil von 43,3% bzw. ab dem 19.3.2013 von 43,9% an der Klägerin.

Unerheblich ist, dass er mittels dieses Anteils am Gesellschaftsvermögen die Gesellschafterversammlung einberufen konnte. Die dort getroffenen Entscheidungen konnte er jedenfalls nicht maßgeblich beeinflussen. Selbst eine partielle Sperrminorität, z.B. bzgl. der Unternehmenspolitik und der Auflösung der Gesellschaft, die im Übrigen Weisungen an den Geschäftsführer aber nicht ausschließt, steht der Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegen, denn die höchstrichterliche Rechtsprechung fordert hinsichtlich einer relevanten Rechtsmachtverschiebung, dass der Betroffene ihm nicht genehme Weisungen "jederzeit" abwenden kann (BSG, Urteil v. 24.9.1992, 7 RAr 12/92; BSG SozR 3-4100 § 168 Nr. 8 S. 16; BSG, Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 30/04 R, ZIP 2006, 678; BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R; BSG, Beschluss v. 31.3.2014, B 12 R 53/13 B; Senat, Urteil v. 2.7.2014, L 8 R 777/12; Senat, Urteil v. 3.9.2014, L 8 R 55/13; Senat, Urteil v. 27.8.2014, L 8 R 337/13, jeweils juris ).

Schließlich sind auch keine besonderen einzelfallbezogenen Umstände gegeben, die abweichend vom Regelfall die Bindung des Beigeladenen zu 1) an das willensbildende Organ der Klägerin ausschließen würden. Bei Geschäftsführern, die - wie der Beigeladene zu 1) - weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine Sperrminorität verfügen, ist im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine hiervon abweichende Beurteilung kam nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang nur in Betracht, wenn besondere Umstände des Einzelfalles den Schluss zuließen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor (BSG, Urteil v. 4.7.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 8). Solche besonderen Umstände wurden dann angenommen, wenn die übrigen Gesellschafter tatsächlich ihre Gesellschafterrechte nicht wahrgenommen und in keiner Weise in die Betriebsführung eingegriffen haben und der Geschäftsführer wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken geführt hat, d.h. schalten und walten konnte, wie er wollte.

Ein derart beherrschender Einfluss ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung teilweise bei Geschäftsführern in Familiengesellschaften erwogen worden, wenn der Geschäftsführer mit den Gesellschaftern familiär verbunden war, die Geschäftsführertätigkeit durch familienhafte Rücksichtnahme geprägt und es an der Ausübung der Gesellschafterrechte durch die Gesellschafter mangelte (BSG, Urteil v. 14.12.1999, B 2 U 48/98 R; BSG, Urteil v. 29.10.1986, 7 RAr 43/85; zurückhaltend hingegen bereits BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 R 14/10 R, USK 2012-182).

Unbeschadet der Überlegung, dass diese Rechtsprechung insbesondere auf dem Boden leistungsrechtlicher Streitigkeiten ergangen ist und auf die - im vorliegenden Verfahren aufgeworfene - versicherungsrechtliche Beurteilung nicht übertragen werden kann (BSG, Urteile v. 29.7.2015, B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R [Terminsmitteilung des BSG Nr. 31/15]; fortführend zu mitarbeitenden Minderheitsgesellschafter: BSG, Urteil v. 19.8.2015, B 12 KR 9/14 R, [Terminsmitteilung des BSG Nr. 36/15]; zurückhaltend bereits BSG, Urteil v. 29.8.2012, a.a.O.), scheidet eine faktische Weisungsfreiheit des Beigeladenen zu 1) unter dem Gesichtspunkt der Familiengesellschaft schon deshalb aus, weil eine familiäre Verbundenheit zwischen den Gesellschaftern weder ersichtlich ist, noch behauptet wird.

Des Weiteren ist auch faktische Weisungsfreiheit des Beigeladenen zu 1) aufgrund besonderer individueller fachlicher Qualifikation und Branchenkenntnis bereits im Ansatz nicht erkennbar, denn die Klägerin wurde auch nach der Abberufung des Beigeladenen zu 1), der im Übrigen gelernter Maschinenschlosser ist, fortgeführt. Zudem wäre die skizzierte Gesellschaftsstruktur der Klägerin keine besondere. Es ist - im Gegenteil - bei einer GmbH als juristische Person des Privatrechts in Form einer Kapitalgesellschaft geradezu typisch, dass deren Gesellschafter zwar Gesellschaftsanteile bereitstellen, die Führung der Gesellschaft jedoch solchen Personen überlassen, die - etwa als Geschäftsführer - die notwendige Branchenkenntnis in das Unternehmen einbringen (Senat, Urteil v. 27.8.2014, L 8 R 728/13, juris).

Es kann letztlich offen bleiben, ob die Gesellschafter und damit die Gesellschafterversammlung ihr Weisungsrecht gegenüber dem Beigeladenen zu 1) tatsächlich ausgeübt haben und er beispielsweise im Alltagsgeschäft völlig freie Hand hatte (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R, SozR 3.2400 § 7 Nr. 20). Denn selbst wenn dem so wäre, geht dieser Einwand fehl (Senat, Urteil v. 12.2.2014, L 8 R 1108/12). Allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem gemilderten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbständigen (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, jeweils juris).

Wesentliche Merkmale, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen und letztlich im Rahmen der Gesamtabwägung dermaßen überwiegen, dass nicht von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist, sind für den Senat nicht festzustellen.

Zunächst verfügte der Beigeladene zu 1) nicht über eine eigene, unabhängig von dem Betrieb der Klägerin bestehende Betriebsstätte.

Soweit dem Beigeladenen zu 1) eine Einzelvertretungsbefugnis erteilt worden ist, ist das auch für einen abhängig beschäftigten Geschäftsführer nicht untypisch und deutet deshalb nicht zwingend auf eine selbständige Tätigkeit (vgl. BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 11 AL 25/02 R; BSG, Urteil v. 4.7.2007, B 11a AL 5/06 R, a.a.O.; Senat, Urteil v. 17.10.2012, L 8 R 545/11, a.a.O.; Senat, Urteil v. 18.6.2014, L 8 R 5/13, juris, Senat, Urteil v. 24.6.2015, L 8 R 1054/14, juris). Von den Beschränkungen des § 181 BGB war er zudem nicht befreit.

Der Beigeladene zu 1) trug im streitigen Zeitraum kein in der Gesamtabwägung ausschlaggebendes Unternehmerrisiko. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. BSG, Urteil v. 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45) ist maßgebliches Kriterium hierfür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist. Erforderlich ist ein Risiko, das über das Risiko hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein Entgelt zu erzielen (Segebrecht in: jurisPK-SGB IV, 2. Auflage, § 7 Rdnr. 117). Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (vgl. BSG, Urteil v. 28.5.2008, a.a.O., BSG, Urteil v. 28.9.2011, a.a.O.; Senat, Urteil v. 30.4.2014, L 8 R 376/12, juris).

Ein solches Unternehmensrisiko bestand zunächst nicht bezüglich der Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft. Dies schließen bereits die Regelungen des GF-V aus. Danach konnte der Beigeladene zu 1) zwar - wie bei Diensten höherer Art häufig anzutreffen - über Zeit und Dauer der Tätigkeit grundsätzlich selbst bestimmen, allerdings musste er der Gesellschaft jederzeit zur Verfügung stehen, soweit es deren Wohl erforderte. Das nahm ihn nach eigenen Angaben zwischen 16 bis 18 Stunden täglich an sieben Tagen in der Woche in Anspruch, womit ein gewinnbringender anderweitiger Einsatz der Arbeitskraft auszuschließen ist.

Der Beigeladene zu 1) setzte weder eigenes Kapital ein, indem er selbst Betriebsmittel anschaffte. Das tat er nur im Namen und auf Rechnung der Klägerin. Zudem er erhielt eine erfolgsunabhängige monatliche Vergütung i.H.v. 2.225,00 EUR. Er setzte seine Arbeitskraft insofern nicht mit der Gefahr des Verlustes ein.

Der Beigeladene zu 1) erhielt im streitgegenständlichen Zeitraum auch weder Tantiemenzahlungen noch zusätzliche Zahlungen aufgrund der Mitgliederzahl und hat auch insofern weder ein maßgebliches Unternehmerrisiko getragen noch gesteigerte unternehmerische Chancen gehabt. Tantiemenzahlungen kommt zudem grundsätzlich nur Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2012, B 12 KR 25/10 R, mwN, juris, Senat, Urteil v. 17.10.2012, a.a.O. juris). Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist, ist deren Gewicht für die Abgrenzung der Beschäftigung gegenüber einer selbständigen Tätigkeit nicht wesentlich.

Der Beigeladene zu 1) gewährte der Klägerin zwei Darlehn i.H.v. insgesamt 20.000,- EUR sowie selbstschuldnerische Bürgschaften zur Absicherung der Leasingverträge. Auch diese können jedoch kein ausschlaggebendes Unternehmensrisiko begründen. Darlehn wie Bürgschaften begründen typischerweise keine unternehmerische Position im eigentlichen Sinne, denn durch sie erhöhen sich nicht die rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die Gesellschaft. Wirtschaftlich betrachtet hat der Beigeladene zu 1) aufgrund der Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung sowie der Darlehnsvergabe ein erhebliches Interesse an dem Fortbestand und dem wirtschaftlichen Erfolg der Klägerin. Ein solches Interesse besteht jedoch auch bei einem "normalen" Arbeitnehmer, weil davon der Fortbestand seines Arbeitsplatzes abhängig ist. Es geht zudem nicht über das Interesse eines jeden dritten Darlehensgebers oder Bürgen hinaus, der keine Gesellschaftsanteile hält. In beiden Fällen sind durch die Bereitstellung der Darlehen und Bürgschaften die unternehmerischen Chancen des Beigeladenen zu 1) auch nur insoweit indirekt erweitert worden, als er aufgrund der aus ihr folgenden Liquiditätssteigerung der Gesellschaft auf die Ausweitung ökonomischer Spielräume mit gestiegenen Möglichkeiten zur Umsetzung geschäftlicher Konzepte letztlich auf eine Gewinnerhöhung hoffen konnte (hierzu auch Senat, Urteil v. 4.7.2012, L 8 R 670/12 unter Hinweis auf LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 24.2.2010, L 5 KR 3/09; Senat, Urteil v. 27.8.2014, L 8 R 728/13, Senat, Urteil v. 2.7.2014, L 8 R 777/12, jeweils juris).

Auch der in der unterlassenen Anmeldung zur Sozialversicherung verdeutlichte Wille der Klägerin zur Selbständigkeit des Beigeladenen zu 1) ist grundsätzlich nicht geeignet, Selbständigkeit zu begründen. Entscheidend sind allein die maßgeblichen Grundlagen. Nur wenn der Abwägungsprozess kein Überwiegen von Gesichtspunkten für einen Status ergibt, gibt der Wille der Beteiligten den Ausschlag. Ansonsten unterliegt der sozialversicherungsrechtliche Status keiner uneingeschränkten Dispositionsfreiheit der Beteiligten (BVerfG, Beschluss v. 20.5.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Sozialversicherungsrecht ist öffentliches Recht und steht auch nicht mittelbar dadurch zur Disposition der am Geschäftsleben Beteiligten, dass diese durch die Bezeichnung ihrer vertraglichen Beziehungen über den Eintritt oder Nichteintritt sozialrechtlicher Rechtsfolgen verfügen können (Segebrecht in: jurisPK, SGB IV, 2.Auflage, § 7 Rn. 116). Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung und ihre Natur als eine Einrichtung des öffentlichen Rechts schließen es grundsätzlich aus, über die rechtliche Einordnung allein nach dem Willen der Vertragsparteien, ihren Vereinbarungen oder ihren Vorstellungen hierüber zu entscheiden (BSG, Urteil v. 3.4.2014, B 5 RE 9/14 R, juris).

Weitere in die Gesamtabwägung einzustellende Gesichtspunkte sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Gleiches gilt für Tatbestände, die zu einer Versicherungsfreiheit in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung führen könnten. Die Beklagte hat zu Recht die Versicherungspflicht ab dem 1.5.2012 festgestellt, da die Voraussetzungen für einen späteren Beginn gemäß § 7a Abs. 6 SGB VI nicht vorliegen. Die Antragstellung gemäß § 7a Abs. 1 SGB IV ist bereits nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit erfolgt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 SGB die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 197a SGG i. V. m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG).






LSG Nordrhein-Westfalen:
Urteil v. 21.10.2015
Az: L 8 R 67/15


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/acd94e4f638a/LSG-Nordrhein-Westfalen_Urteil_vom_21-Oktober-2015_Az_L-8-R-67-15




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