Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Mai 2003
Aktenzeichen: 7 W (pat) 321/02

(BPatG: Beschluss v. 28.05.2003, Az.: 7 W (pat) 321/02)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I Die Erteilung des Patents 195 36 908 mit der Bezeichnung "Montagestation für Abgassysteme an Kraftfahrzeugen" ist am 14. Februar 2002 veröffentlicht worden. Gegen die Erteilung haben die E... GmbH & Co. KG (Einsprechende I) und die Z... GmbH & Co. KG (Einsprechende II) Einspruch erhoben. Die Einsprüche sind mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, daß der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei. Die Einsprechende II hat ferner die Auffassung vertreten, daß der Anspruch 1 des angefochtenen Patents keine nacharbeitbare technische Lehre angebe.

Die Einsprechenden stellten den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin erklärte die Teilung des Patents.

Sie stellte den Antrag, das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten (Hauptantrag), hilfsweise beschränkt aufrechtzuerhalten mit den jeweils am 28. Mai 2003 überreichten Patentansprüchen 1 bis 11 nach Hilfsantrag 1 bis 3, Beschreibung und Zeichnungen nach Patentschrift.

Die Patentinhaberin widersprach den Auffassungen der Einsprechenden in allen Punkten und vertrat die Ansicht, daß das Streitpatent eine ausführbare Lehre offenbare und daß der Patentgegenstand durch den entgegengehaltenen Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt sei.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

"Montagestation zum Zusammenbau und Verschweißen bzw. Komplettieren von vormontierten Baugruppen für Kraftfahrzeuge aus mehreren vorgefertigten Komponenten, wobei die einzelnen Komponenten auf einem in Abhängigkeit von der jeweils geforderten Ausführungsform der Baugruppe verstellbar ausgebildeten Träger- und Fixierungssystem positioniert werden und nach einem lagerichtigen Zusammenfahren von Teileinheiten eine feste Verbindung erfolgt und daraufhin die vormontierte Baugruppe aus dem Träger- und Fixierungssystem ausgefahren wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Systemkomponenten vorgefertigte Bauteile wie Krümmer, Vorrohre, Katalysatoren, Mittel- und Nachschalldämpfer, Zwischenrohre und dergleichen einer Abgasanlage sind, die mittels eines Robotersystems von einer programmierbaren Steuerungseinheit selbständig zu unterschiedlichen Abgasanlagen kombiniert und vor der Fertigmontage einer Plausibilitätsprüfung auf Einhaltung der ausgewählten Komponentenzusammenstellung unterzogen werden."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lautet:

"Montagestation zum Zusammenbau und Verschweißen bzw. Komplettieren von vormontierten Baugruppen für Kraftfahrzeuge aus mehreren vorgefertigten Komponenten, mit einem in Abhängigkeit von der jeweils geforderten Ausführungsform der Baugruppe verstellbar ausgebildeten Träger- und Fixierungssystem zur Positionierung der einzelnen Komponenten, Mitteln, durch welche nach einem lagerichtigen Zusammenfahren von Teileinheiten eine feste Verbindung herstellbar ist, und Mitteln, durch welche daraufhin die vormontierte Baugruppe aus dem Träger- und Fixierungssystem ausfahrbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Systemkomponenten vorgefertigte Bauteile wie Krümmer, Vorrohre, Katalysatoren, Mittel- und Nachschalldämpfer, Zwischenrohre und dergleichen einer Abgasanlage sind, daß ein Robotersystem und eine programmierbaren Steuerungseinheit vorgesehen sind, durch welche die Systemkomponenten selbständig zu unterschiedlichen Abgasanlagen kombinierbar sind, sowie Mittel, durch welche die Komponenten vor der Fertigmontage einer Plausibilitätsprüfung auf Einhaltung der ausgewählten Komponentenzusammenstellung unterziehbar sind."

Beim Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist dem Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 die Wortfolge "Verfahren zum Betreiben einer" vorangestellt.

Beim Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 ist im Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 vor die Wortfolge "verstellbar ausgebildeten Träger- und Fixierungssystem..." das Wort "automatisch" eingefügt.

Die Ansprüche 2 bis 11 nach Haupt- und Hilfsanträgen sind auf Merkmale gerichtet, mit denen die Montagestation nach dem jeweiligen Anspruch 1 weiter ausgebildet werden soll.

In der mündlichen Verhandlung sind zum Stand der Technik ua die US-Patentschrift 5 042 125 und die deutsche Patentschrift 37 26 292 erörtert worden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II 1. Über die Einsprüche ist gemäß § 147 Abs 3 Ziff 2 PatG in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des Geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 Artikel 7 durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Die frist- und formgerecht erhobenen Einsprüche sind zulässig.

3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt keine patentfähige Erfindung iSd PatG §§ 1 bis 5 dar.

3.1 Der Patentgegenstand gemäß Anspruch 1 nach Hauptantrag ist nicht patentfähig, weil er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Als hier maßgeblicher Fachmann ist ein Fachhochschul-Ingenieur des Maschinenbaus anzusehen, der auf dem Gebiet der automatisierten Fertigung von Kraftfahrzeugkomponenten tätig ist und hierbei die Unterstützung eines Steuerungsfachmannes in Anspruch nimmt.

Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, daß Ausgangspunkt der streitpatentgemäßen Lehre die Forderung des Herstellers von Kraftfahrzeugen gewesen sei, Varianten von Abgasanlagen zu fertigen und zeitgenau an das Fertigungsband zu liefern, woraus sich die streitpatentgemäße Aufgabe hergeleitet habe, in kurzer Zeit nacheinander unterschiedlich ausgebildete Abgassysteme für Kraftfahrzeuge auf einfache Weise aus vorgefertigten Komponenten zusammenzustellen und zusammenzubauen (DE 195 36 908 C2 Sp 1 Abs 0008).

In der US-PS 5 042 125 ist bereits eine Montagestation (assembly station 14) beschrieben, in der ein Schalldämpfer (muffler 16), ein Abgasrohr (exhaust pipe 68) und ein Endrohr (tail pipe 70) sowie Montagemittel zu einer Abgasanlage zusammengebaut und ggf. miteinander verschweißt werden. Die zu montierenden Bauteile werden an der Montagestation (14) vorrätig gehalten oder ihr unmittelbar aus einer Vorfertigung (muffler assembly station 10) zugeführt (Sp 8 Z 56 bis 68) und zum Zwecke der Montage auf einem Träger- und Fixierungssystem (fixturing pallet) in rechter Weise positioniert. Die so bestückte Fixierungsspallette wird anschließend in die Schweißposition (welding position 78) verbracht (Sp 9 Z 6 bis 13). Programmgesteuerte Schweißroboter (80, 82) führen die erforderlichen Schweißverbindungen aus (Sp 9 Z 13 bis 26). Schließlich wird - sofern keine weiteren Herstellungs- oder Montageschritte erforderlich sind - die fertig montierte Abgasanlage aus der Fixierungspallette entfernt und die Pallette für den nächsten Zyklus bereit gestellt (Sp 9 Z 28 bis 30 u 48 bis 53).

Um an dieser bekannten Station aufgabengemäß mehrere Ausführungsformen von Abgasanlagen montieren zu können, ist - wie bei nur einer Ausführungsform auch - zwingend erforderlich, daß die Komponenten vor Ort verfügbar, in rechter Folge greifbar und auf einer Fixierpalette positionierbar sind. Der bauliche und logistische Mehraufwand für die Montage variabler Abgasanlagenzusammensetzungen ist für den Fachmann ohne weiteres vorhersehbar. Er besteht im Kern in der Vorhaltung hinreichender Komponentenlager und eines Robotersystems mit erweiterter Steuerung, so daß die Fixierpalette mit den der jeweiligen Ausführungsform der Abgasanlage entsprechenden Komponenten bestückt werden kann. Hierzu geeignet sind Greifroboter, wie sie auch gemäß US-PS 5 042 125 schon für die Herstellung von Schalldämpfern für Abgasanlagen beschrieben sind (s Fig iVm Sp 7 Z 36 bis 58 u Sp 8 Z 38 bis 40). Es betrifft üblichem Handeln des Automatisierungsfachmannes, bei variabel produzierenden Einrichtungen auch eine Fertigungskontrolle, zB in Gestalt einer Prüfung der richtigen Komponentenzusammenstellung, vorzusehen, um hierdurch Fehlmontagen und damit die Produktion von Ausschuß zu vermeiden. Die beanspruchte Plausibilitätsprüfung liegt daher im Griffbereich des Fachmannes.

Gegenüber einer insoweit erweiterten Montagestation nach der US-Patentschrift unterscheidet sich die nach Anspruch 1 des Hauptantrags noch dadurch, daß vor Herstellung der festen Verbindung Teileinheiten der Abgasanlage am Träger- und Fixierungssystem lagerichtig zusammengefahren werden können. In der Streitpatentschrift ist unter Bezug auf die deutsche Patentschrift 37 26 292 ausgeführt, daß ein verstellbares Träger- und Fixierungssystem bereits bekannt sei, hier für die Montage einer Fahrzeugtür (Sp 1 Z 26 bis 28). Das bekannte Fixierungssystem (Montagevorrichtung 23 in Fig 5) umfaßt wegveränderliche Auflageelemente (A-F), die von einer nicht näher beschriebenen Ansteuereinrichtung verstellbar sind und dadurch eine exakte Zuordnung zwischen einem Türkörper und einem in den Türkörper eingeschobenen Aggregateträger ermöglichen (DE-PS 37 26 292 Sp 5 Z 59 bis Sp 6 Z 2). Der Fachmann, der in diesem Fixierungssystem ein von der Art des zu montierenden Gegenstandes unabhängig verwendbares Montagehilfsmittel erkennt, sieht in der möglichen Verbesserung der Positionierungsgenauigkeit einen Anhaltspunkt, dieses Fixierungssystem auch bei der Montagestation für Abgasanlagen gemäß der US-PS 5 042 125 einzusetzen, wobei dessen vorteilhafte Nutzung unabhängig davon ist, ob ein oder mehrere Ausführungsformen in kurzen Zeitabständen gefertigt werden müssen. Somit bedarf auch dieses Unterschiedsmerkmal keiner erfinderischen Tätigkeit.

3.2 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich inhaltlich nicht vom hauptantragsgemäßen. Es wurden lediglich Umformulierungen dahingehend vorgenommen, daß die Ausführung der Arbeitsschritte ermöglichende (herstellbar, ausfahrbar, etc) "Mittel" unterstellt werden. Das liest der Fachmann bereits bei dem Anspruch 1 nach Hauptantrag mit. Insoweit gelten die Ausführungen zur Patentfähigkeit des Anspruchs 1 nach Hauptantrag in gleicher Weise für den Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1. Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist nicht gewährbar.

3.3 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist auf ein Verfahren zum Betreiben einer Montagestation gemäß Anspruch 1 nach Hauptantrag gerichtet. Da sich die Montagestation als solche für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, gilt das zwangsläufig auch für das mit dieser Montagestation durchführbare Betriebsverfahren bzw. deren Betriebsweise. Die Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag beruht ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3.4 Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3 beschränkt den Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag dadurch, daß das Träger- und Fixierungssystem automatisch verstellbar ausgebildet ist. Ein derartiges Fixierungssystem ist - wie oben schon ausgeführt - in der deutschen Patentschrift 37 26 292 beschrieben. Auch die Lehre des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 ist dem Fachmann durch den aufgezeigten Stand der Technik nahegelegt.

3.5 Die jeweiligen Unteransprüche 2 bis 11 fallen mit dem übergeordneten Patentanspruch 1. Daß sie Merkmale von selbständiger erfinderischer Bedeutung enthalten hat die Patentinhaberin nicht geltend gemacht und ist für den Senat auch nicht ersichtlich.

4. Bei dieser Sachlage konnte die Frage, ob der Patentanspruch 1 nach Haupt- oder Hilfsanträgen eine nacharbeitbare technische Lehre angibt oder nicht, dahingestellt bleiben.

Köhn Eberhard Dr. Pösentrup Frühauf Hu






BPatG:
Beschluss v. 28.05.2003
Az: 7 W (pat) 321/02


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