Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. März 2004
Aktenzeichen: 29 W (pat) 80/03

(BPatG: Beschluss v. 03.03.2004, Az.: 29 W (pat) 80/03)

Tenor

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 3. Februar 2003 wird aufgehoben.

Gründe

I Die Wortmarke MyVoiceist am 22. Januar 2001 für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 36, 38, 39, 41 und 42 zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft mit Beschluss einer Beamtin des höheren Dienstes vom 3. Februar 2003 teilweise zurückgewiesen für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 9:

Elektrische, elektronische, optische, Meß-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Wiedergabe und Verarbeitung von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Datenverarbeitungsgeräte und Computer;

Klasse 16:

Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate);

Klasse 38:

Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen;

Klasse 41:

Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, Zeitschriften und anderen Druckerzeugnissen sowie entsprechenden elektronischen Medien (einschließlich CD-ROM und CD-I);

Klasse 42:

Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung.

Zur Begründung wird ausgeführt, das angemeldete Zeichen sei für die angesprochenen Verkehrskreise ohne weiteres in der Bedeutung von "Meine Stimme" verständlich. Für die in Klasse 9 beanspruchten Waren beschreibe das Zeichen daher deren Verwendungszweck für das Aufnehmen und Speichern der eigenen Stimme bzw die Bedienung mittels Sprachsteuerung. Bezüglich der beanspruchten Druckereierzeugnisse, der Lehr- und Unterrichtsmittel sowie der Dienstleistungen im Bereich der Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung, Veröffentlichung und Herausgabe erschöpfe sich das Zeichen in einer reinen Inhaltsangabe. Auch hinsichtlich der Dienstleistungen der Telekommunikation beschreibe "MyVoice" lediglich den Gegenstand der Übermittlung. In Bezug auf die Dienstleistung der Softwareerstellung sei das Zeichen ohne weiteres als Hinweis auf Programmierungen im Zusammenhang mit der eigenen Stimme, wie zB Spracherkennungsprogramme verständlich. Auch hinsichtlich der "Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern" werde das Zeichen in diesem Sinne beschreibend verstanden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, der englische Begriff "voice" habe eine Vielzahl von Bedeutungen und sei für die inländischen Verkehrskreise daher nicht ohne weiteres verständlich. Dem Zeichen in seiner Gesamtheit lasse sich in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen kein beschreibender Aussagegehalt zuordnen. Für die von der Markenstelle angenommenen Bedeutungen bedürfe es jeweils ergänzender Zusätze.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der Eintragung des angemeldeten Zeichens steht weder ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 noch die fehlende Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 entgegen.

1. Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr insbesondere zur Bezeichnung der Art, der Bestimmung, der geographischen Herkunft oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Nach dieser Vorschrift ist die Eintragung auch dann zu versagen, wenn die Benutzung des angemeldeten Zeichens als Sachangabe noch nicht zu beobachten ist, eine solche Verwendung aber in Zukunft jederzeit erfolgen kann. Auch in diesem Fall ist die Voraussetzung erfüllt, dass die in dem Zeichen enthaltene Aussage als Sachangabe dienen kann (vgl EuGH MarkenR 2003, 450 - DOUBLEMINT; BGH GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE). Nach Auffassung des Senats stellt die angemeldete Marke für die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen keine in diesem Sinne beschreibende Angabe dar.

1.1. Bei der Prüfung der Schutzfähigkeit legt der Senat die im Tenor des Beschlusses der Markenstelle vom 3. Februar 2003 aufgeführten Waren und Dienstleistungen zugrunde. Zwar enthält die Begründung auch Ausführungen zur Schutzunfähigkeit des angemeldeten Zeichens hinsichtlich der nicht im Tenor genannten "Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern". Stimmen Tenor und Entscheidungsgründe nicht überein, hat aber die Beschlussformel regelmäßig Vorrang (vgl Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl 2002, § 313 Rdn 9).

1.2. Das angemeldete Zeichen besteht aus den englischsprachigen Begriffen "My" und "Voice". Wie von der Markenstelle zutreffend ausgeführt entspricht das Wort "My" dem deutschen Possessivpronomen "mein" und ist den inländischen Verkehrskreisen in dieser Bedeutung ohne weiteres verständlich. Das Wort "Voice" hat im Deutschen verschiedene lexikalische Bedeutungen, nämlich "Stimme, Meinung, Gesang, Stimmrecht, Stimmlage" (vgl Pons Großwörterbuch Englisch-Deutsch, 1. Aufl 2002, S 1018). Im hier maßgeblichen Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie ist "Voice" im Sinne von "Sprache" Bestandteil zahlreicher gängiger Fachbegriffe wie zB "Voice Dialing - sprachgesteuerte Telefonwahl, Voice Input - Spracheingabe, Voicemail - Sprachpost, Voice Modus-Sprachmodus, Voice Recognition - Spracherkennung, Voice Server - Sprachserver" (vgl zB Brockhaus, Computer und Informationstechnologie 2003, S 958). Der Begriff "Voicemail" ist darüber hinaus auch für den allgemeinen Sprachgebrauch lexikalisch belegt (vgl Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 4. Aufl 2001 - "in eine Telefonanlage eingebaute elektronische Einrichtung mit der um einige zusätzliche Möglichkeiten der Telekommunikation erweiterten Funktion eines Anrufbeantworters"). In der Gesamtheit bedeutet die angemeldete Marke daher soviel wie "meine Stimme, meine Sprache".

1.3. Allerdings lässt sich nach Auffassung des Senats nicht feststellen, dass die Angabe "MyVoice" zur Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen kann.

In Bezug auf die Waren und Dienstleistungen "Elektrische, elektronische, optische, Meß-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Wiedergabe und Verarbeitung von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" kann zwar die menschliche Stimme eine Rolle spielen, beispielsweise im Rahmen einer Sprachsteuerung oder bei der Aufzeichnung, Übertragung, Wiedergabe und Verarbeitung der eigenen Stimme. So hat die vom Senat durchgeführte Internetrecherche die Bezeichnungen "My Voice Email" für ein sprachgesteuertes E-Mail-Programm (www.flashpeak.com/mve/) und "My Voice Diary 1.6" für ein "personal voice diary program" (www.tucows.com) ergeben. In diesen Verwendungen wird der Begriff "My Voice" aber durch präzisierende Zusätze ergänzt. Ungeachtet der Frage, ob es dabei um eine beschreibende Verwendung oder eine markenmäßige Benutzung handelt, lässt sich diesen Beispielen daher nicht entnehmen, dass der Begriff "MyVoice" in Alleinstellung zur Beschreibung konkreter Eigenschaften von Waren und Dienstleistungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie geeignet ist.

Aus demselben Grund stellt die angemeldete Marke auch in Verbindung mit den Waren und Dienstleistungen "Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten, aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, Zeitschriften und anderen Druckerzeugnissen sowie entsprechenden elektronischen Medien (einschließlich CD-ROM und CD-I)" keinen eindeutigen thematischen Hinweis dar. Zwar ist die Wortfolge "My Voice" neben den genannten Verwendungen im technischen Bereich auch Bestandteil zahlreicher englischsprachiger Buchtitel, wie zB Adrienne Kertzer, My Mother's Voice: Children, Literature and the Holocaust; Christa Ludwig, In My Own Voice: Memoirs; Diane Rehm, Finding My Voice; Sidney Rosen, My Voice Will Go With You (vgl www.amazon.de). Auch insoweit ergibt sich die Bedeutung des Ausdrucks "My Voice" aber stets aus den erläuternden Zusätzen. Versteht man "My Voice" als Hinweis auf die menschliche Stimme im Sinne der Stimm- und Sprachbildung, ergibt sich ebenfalls kein klarer Aussagegehalt. Denn die eigene Stimme ist grundsätzlich eine Selbstverständlichkeit und daher in dieser Allgemeinheit als Themenangabe nicht hinreichend bestimmt (vgl BGH GRUR 2000, 882 - Bücher für eine bessere Welt).

2. In Verbindung mit den beanspruchten Dienstleistungen weist die Marke "Meo" auch die gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft auf. Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen aufgefasst zu werden. Sie fehlt einer Wortmarke nur dann, wenn ihr für die fraglichen Waren und Dienstleistungen ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann oder wenn es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches verstanden würde (vgl BGH WRP 2003, 1429, 1430 - Cityservice). Dies ist hier nicht der Fall, weil es sich bei der angemeldeten Kennzeichnung für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen aus den oben angeführten Gründen nicht um eine hinreichend konkrete Sachangabe handelt.

Grabrucker Baumgärtner Fink Cl






BPatG:
Beschluss v. 03.03.2004
Az: 29 W (pat) 80/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/ac328511a120/BPatG_Beschluss_vom_3-Maerz-2004_Az_29-W-pat-80-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share