Landgericht Münster:
Urteil vom 21. Januar 2008
Aktenzeichen: 16 O 1/08

(LG Münster: Urteil v. 21.01.2008, Az.: 16 O 1/08)

Tenor

Der Antrag vom 03.01.2008 sowie der Hilfsantrag vom 21.01.2008 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung werden zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteils ist vorläufig vollstreckbar.

Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien sind gemäß § 126 SGB V vor den Krankenkassenverbände für die bundesweite Versorgung zugelassene Hörgeräteakustiker-Unternehmen und versorgen gesetzlich und privat Versicherte mit Hörgeräten. Die Parteien sind unmittelbare Wettbewerber.

Die Versorgung von gesetzlich Versicherten wird wie folgt refinanziert:

Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen an den Leistungserbringer für die Versorgung mit einem Gerät, unabhängig von der Art des Geräte, sog. Festbeträge. Derzeit beträgt dieser Festbetrag 421,87 € abzüglich einer Zuzahlung in Höhe von 10,00 €, die der Leistungserbringer von gesetzlich versicherten Patienten einziehen muss. Auf Grund der vertraglichen Vereinbarungen mit den Krankenkassen müssen die Leistungserbringer mindestens ein Hörsystem anbieten, für welches neben dieser Zuzahlung in Höhe von 10,00 € keine weiteren Eigenanteile für den Versicherten anfallen. Die Leistungserbringer können jedoch die Versicherten mit höherwertigen anteilspflichtigen Hörsystemen versorgen. Beide Parteien bieten neben den eigenanteilsfreien Hörsystemen auch höherwertige Geräte an, für die in der Spitzenklasse ein Eigenanteil von über 1.000,00 € anfallen kann.

Neben dem traditionellen Versorgungsweg, bei dem der HNO-Arzt dem Patienten für das Hörgerät ein Rezept schreibt, mit dem sich der Patient an einen Hörgeräteakustiker wendet, nutzen beide Parteien den sog. verkürzten Versorgungsweg. Im Rahmen dieses verkürzten Versorgungsweges werden Teile der Leistungen, die im konventionellen Versorgungsweg der Hörgeräteakustiker erbringt, im Auftrag des Hörgeräteakustikers durch den HNO-Arzt vorgenommen. Der HNO-Arzt erbringt u.a. nachfolgendes Leistungen:

- er führt eine erweiterte Audiometrie durch;

- er nimmt den Ohrabdruck;

- er setzt das Hörsystem in das Ohr ein, kontrolliert den Sitz und nimmt Nachjustierungen vor.

Für die Übernahme dieser Leistungen gewährt die Verfügungsklägerin den HNO-Ärzten eine Vergütung in Höhe von 125,00 € für jedes versorgte Ohr unabhängig von der Preisklasse des jeweiligen Gerätes. Die Verfügungsbeklagte vergütete diese Leistung in der Vergangenheit mit 128,00 €.

Die Verfügungsklägerin behauptet, dass die Verfügungsbeklagte seit November 2007 die Vergütung der HNO-Ärzte nach dem Preis des jeweiligen Hörgerätes staffelt. Für eigenanteilsfreie günstige Hörsysteme zahle die Verfügungsbeklagte weiterhin einen Betrag in Höhe von 128,00 €. Bei Exklusivgeräten mit mittlerem Eigenanteil zahle die Verfügungsbeklagte den HNO-Ärzten Beträge in Höhe von 220,00 € bzw. 180,00 €. Bei Hörsystemen mit einem sehr hohen Eigenanteil biete die Verfügungsbeklagte den HNO-Ärzten eine Vergütung zwischen 180,00 € und 280,00 € an.

Anlässlich eines HNO-Kongresses in N Anfang November 2007 habe der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten, Herr C, dem Geschäftsführer der Verfügungsklägerin mitgeteilt, dass die Verfügungsbeklagte plane, ihren HNO-Ärzten je nach Art und Preis des verordneten Hörsystems abgestufte Bezahlungen anzubieten. Ferner habe die Verfügungsbeklagte den HNO-Ärzten Herrn Dr. X und Herrn Dr. I bereits Anfang 2007 ein Angebot mit einer vorstehend beschriebenen differenzierten Bezahlung gemacht.

Ferner behauptet die Verfügungsklägerin, dass höherwertige Geräte im Rahmen der Einstellung keinen Mehraufwand erfordern. Die eigentliche Einstellungsleistung werde als handwerkliche Leistung bereits vorab von Hörgeräteakustiker-Unternehmen vorgenommen.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

der Verfügungsbeklagten bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,

zu untersagen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs niedergelassenen Fachärzten für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde für die Übernahme von Teilleistungen bei der Versorgung von Patienten mit Hörsystemen, für welche die Patienten nur anteilig Anspruch auf Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen oder Kostenerstattung durch die Privatversicherer haben und insofern über die gesetzliche Zuzahlung von 10,00 € hinaus Eigenanteile entrichten müssen, höhere Entgelte anzubieten und/oder zu gewähren, als bei der Versorgung mit Hörsystemen ohne diese Eigenanteile.

Hilfsweise beantragt die Verfügungsklägerin,

der Verfügungsbeklagten bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festgesetzten Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,

zu untersagen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs niedergelassenen Fachärzten für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde für die Übernahme von Teilleistungen bei der Versorgung von Patienten mit Hörsystemen,

a) je nach Art des Hörsystems differenzierte Entgelte wie folgt:

-eigenanteilsfreie Hörgeräte (Gruppe 1) 128,00 €;

-Hörsysteme mit mittlerem Anteil (Gruppe 2) 220,00 €;

-Premium-Hörsysteme mit einem hohen Eigenanteil

(Gruppe 3) 180,00 bis 280,00 €, bzw.

-eigenanteilsfreie Hörgeräte (Gruppe 1) 125,00 €;

-Hörsysteme mit mittlerem Eigenanteil (Gruppe 2) 180,00 €;

-Premium-Hörsysteme mit einem hohen Eigenanteil 220,00 €

anzubieten und/oder zu gewähren;

b) je nachdem, ob diese Hörsysteme

-2- oder 4-Kanaldigitaltechnik und/oder

-Mehrmikrofontechnik und/oder

-dynamische Spracherkennung und/oder

-automatische Rückkopplungsunterdrückung

aufweisen, differenziert 128,00 € oder 220,00 € anzubieten und/oder zu gewähren.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag sowie den Hilfsantrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte bestreitet, eine Vergütung nach drei Gruppen zu Beträgen in Höhe von 125,00 €, 180,00 € und 220,00 € vorzunehmen. Vielmehr sei den HNO-Ärzten Dr. I und Dr. X angeboten worden, ein höheres Honorar (220,00 €) nur bei einem zeitlichen Mehraufwand der jeweiligen ärztlichen Leistung zu zahlen. Eine Differenzierung der Vergütung nach eigenanteilsfreien Hörsystemen, Hörsystemen mit einem mittleren Eigenanteil sowie Premium-Hörsystemen mit hohem Eigenanteil sei nicht erfolgt.

Ferner behauptet die Verfügungsbeklagte, dass vereinzelte hochwertige Hörsysteme auf Grund ihrer technischen Ausstattung neben den standardisierten Leistungen weitere ärztliche Leistungen und somit einen erhöhten Zeitaufwand erfordern. Dies sei u.a. im Rahmen der Erstberatung des Patienten, der Vorbereitung und Begleitung der Feinstellung via Online-Verbindung, der Einweisungsleistungen sowie der Nachbetreuungsleistungen der Fall. Die Verfügungsbeklagte behauptet, die den HNO-Ärzten angebotenen Honorare unterscheiden allein danach, wie viele Leistungen der jeweilige HNO-Arzt zu erbringen hat. Sofern ein eigenanteilspflichtiges Gerät nicht so komplex ist, dass es eine ärztliche Mehrleistung erfordert, verbleibe es auch bei diesen Geräten bei einer Vergütung in Höhe von 128,00 €.

Hinsichtlich des weiteren Sachvortrages wird auf die wechselseitigen Schriftsätze verwiesen.

Gründe

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Der Hauptantrag ist unbegründet. Die Verfügungsklägerin hat keinen Verfügungsanspruch in Form eines Unterlassungsanspruchs auf Grund der §§ 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 31 der jeweiligen Berufsordnung der Landesärztekammer glaubhaft machen können.

Das Gericht geht davon aus, dass eine Differenzierung der Vergütung ausschließlich nach eigenanteilsfreien Hörsystemen, Hörgeräten mit mittlerem Eigenanteil und Hörsystemen mit hohem Anteil gegen § 31 der jeweiligen Berufsordnung der Landesärztekammern verstößt und damit wettbewerbswidrig ist. Nach § 31 der Berufsordnung der Landesärztekammer ist es einem Arzt nicht gestattet, sich für die Zuweisung von Patienten ein Entgelt versprechen oder gewähren zu lassen. Zwar hat der Bundesgerichtshof eine Vergütung der HNO-Ärzte als zulässig angesehen, wenn damit eine zusätzliche ärztliche Tätigkeit abgegolten wird (BGH, Urteil vom 15.11.2005, I ZR 275/99). Allein aus dem Umstand, dass es sich um ein höherwertiges, eigenanteilspflichtiges Gerät handelt, lässt sich jedoch noch nicht der Schluss ziehen, dass damit zwangsläufig eine zusätzliche ärztliche Tätigkeit des HNO-Arztes erforderlich ist. Somit rechtfertigt die Versorgung mit einem höherwertigen, eigenanteilspflichtigen Gerät noch keine höhere Vergütung der Leistung des HNO-Arztes.

Die Verfügungsklägerin konnte jedoch nicht hinreichend glaubhaft machen, dass die Verfügungsbeklagte tatsächlich den HNO-Ärzten regelmäßig höhere Entgelte für die Versorgung von Patienten mit eigenanteilspflichtigen Hörsystemen anbietet. Den von der Verfügungsklägerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Herren X2 (Geschäftsführer der Verfügungsklägerin), Dr. X und Dr. I stehen die eidesstattlichen Versicherungen der Herren C, M, V und Q entgegen. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass Herr C als Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten und die Herren Q, V und M als Mitarbeiter der Verfügungsbeklagten ein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens haben. Jedoch kooperieren die HNO-Ärzte Dr. I und Dr. X mit beiden Parteien, so dass nicht auszuschließen ist, dass auch sie ein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens haben. Zudem wird der Beweiswert der eidesstattlichen Versicherung des Herrn Dr. I dadurch gemindert, dass die eidesstattliche Versicherung auf Grund des Umstandes, dass nur noch der Name und die Anschrift des Arztes sowie der Name des Mitarbeiters der Verfügungsbeklagten und der Tag des Angebotes einzusetzen waren, vorformuliert erscheint.

Letztlich kann im Hinblick auf die widerstreitenden eidesstattlichen Versicherungen nicht von einer Glaubhaftmachung durch die Verfügungsklägerin ausgegangen werden, so dass das Gericht das Beweisergebnis als "non liquet" würdigt.

II.

Auch der Hilfsantrag der Verfügungsklägerin ist unbegründet.

Der Hilfsantrag zu a) stellt lediglich eine Konkretisierung des Hauptantrages dar. Da jedoch die Verfügungsklägerin - wie vorstehend bereits ausgeführt - nicht ausreichend glaubhaft machen konnte, dass die Verfügungsbeklagte tatsächlich ihre Vergütung ausschließlich nach eigenanteilsfreien Hörsystemen (Gruppe 1), Hörsysteme mit mittlerem Eigenanteil (Gruppe 2) und Exklusivgeräten mit hohem Eigenanteil (Gruppe 3) differenziert, hat auch der Hilfsantrag zu a) keinen Erfolg.

Mit dem Hilfsantrag zu b) trägt die Verfügungsklägerin ihrer Behauptung Rechnung, dass die Versorgung mit höherwertigen Geräten, die im Gegensatz zu eigenanteilsfreien Systemen verschiedene Extrafunktionen aufweisen, keinen zu vergütenden Mehraufwand erfordern. Auch mit diesem Hilfsantrag kann die Verfügungsklägerin nicht durchdringen. Die Verfügungsklägerin hat auch diese Behauptung nicht glaubhaft machen können. Das Gericht vermag sich sehr gut vorzustellen, dass die Versorgung mit einem Exklusivgerät, das eine Vielzahl von Sonderfunktionen aufweist, einen nicht unerheblichen Mehraufwand erfordert. Allein die von der Verfügungsklägerseite vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Dipl.-Ingenieur für technische Akustik und Hörgerätemeister F, der sich hinsichtlich des Mehraufwandes nur auf Nachjustierungen und Einstellungsänderungen konzentriert, vermag das Gericht nicht hinreichend zu überzeugen. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass insbesondere die Einweisungsleistungen einen gewissen Mehraufwand erfordern.

Eine zusätzliche Vergütung eines Mehraufwandes stellt jedoch noch keinen berufsrechtlichen Verstoß dar; auch die Staffelung der Honorierung für verschiedene Leistungen ist berufsrechtlich zulässig (vgl. OLG Köln, Urteil vom 04.11.2005 -6 U 46/05-). Ob der Mehraufwand im Rahmen der Versorgung mit einem Exklusivgerät so hoch ist, dass eine Mehrvergütung von 76 % gerechtfertigt ist, vermag das Gericht nicht ohne Einholung eines Sachverständigenrates, die einem evtl. späteren Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss, zu beurteilen, so dass ein wettbewerbswidriges Verhalten der Verfügungsbeklagten nicht festgestellt werden kann.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 6, 711, 709 ZPO.






LG Münster:
Urteil v. 21.01.2008
Az: 16 O 1/08


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