Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. Juni 2003
Aktenzeichen: 11 W (pat) 61/00

(BPatG: Beschluss v. 03.06.2003, Az.: 11 W (pat) 61/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der Patentabteilung 1.24 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. September 1999 aufgehoben und das Patent 19 607 183 mit den Unterlagen gemäß Patentschrift aufrechterhalten.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 01. September 1999 hat die Patentabteilung 24 des Deutschen Patent- und Markenamts nach Prüfung des Einspruchs das am 27. Februar 1996 angemeldete Patent 196 07 183, dessen Erteilung am 10. April 1997 veröffentlicht wurde, gemäß § 61 Absatz 1 Satz 1 PatG widerrufen.

Die Bezeichnung des Patents lautet:

"Gesinterter Silber-Eisen-Werkstoff für elektrische Kontakteund Verfahren zu seiner Herstellung".

In dem Widerrufsbeschluss ist unter anderem ausgeführt, dass der Einspruch zulässig und der beanspruchte Werkstoff sowie das Verfahren zu seiner Herstellung neu und gewerblich anwendbar seien, jedoch gegenüber der DE 39 11 904 A1 (1) und dem Technischen Merkblatt Carbonyleisenpulver Marken, BASF, Januar 1995 (2) nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Sie beantragt, den Widerrufsbeschluss aufzuheben und das Patent zu bestätigen.

Zur Begründung führt die Patentinhaberin hauptsächlich aus, dass der Patentgegenstand durch die Schriften (1) und (2) nicht nahegelegt sei, weil (1) keine Eisenteilchen mit mehr als 0,25 % Kohlenstoff und (2) die Eisenpulver mit erhöhtem Kohlenstoffgehalt für Metal Injection Moulding nenne sowie ein harter Werkstoff auch nicht das Ziel der patentgemäßen Aufgabe sei.

Die Einsprechende stellt sinngemäß den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie widerspricht dem Vorbringen der Patentinhaberin und bestreitet das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit. So empfehle bereits (1) eine Karburierung des eisenhaltigen Verbundpulvers zur Herstellung von Kontaktwerkstoff, so dass (2) dann die Verwendung von Carbonyleisenpulver der Marke O mit den beanspruchten Kohlenstoffmengen nahe lege, zumal dafür auch Pulvermetallurgie als Verwendung genannt sei und für die Marke OR allgemeine andere Verwendungen neben chemischen. Die DE-PS 888178 (6) lehre ausdrücklich, Silbereisenkontaktwerkstoff einen Hartwerkstoff zuzugeben. Außerdem werde für Silbernickelkontaktwerkstoffe Karbonylnickelpulver verwendet, so dass es nahe liege, für Silbereisenkontaktwerkstoffe dann Karbonyleisenpulver zu verwenden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Es gilt das Patentbegehren gemäß Patentschrift. Formale Mängel bestehen nicht und sind auch nicht geltend gemacht worden.

Der Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

1. Gesinterter Silber-Eisenwerkstoff für elektrische Kontakte, in dem die Massenanteile der Komponenten 0,5 bis 20 % Eisen, 0 bis 5 % metallische Zusätze, wie Zink, Kupfer, Mangan, Rhenium, Iridium und Ruthenium, und/oder nichtmetallische Zusätze, wie Wolframoxid, Molybdänoxid, Eisenoxide, Magnesiumoxid, Calziumoxid, Yttriumoxid, Tantaloxid, Chromoxid, Manganoxid, Zinkoxid, Aluminiumoxid, Indiumoxid, Siliziumoxid und Zirkonoxid, und Rest Silber betragen, wobei der Massenanteil des Kohlenstoffs in den Eisenteilchen mehr als 0,25 % beträgt.

Hieran schließen sich die rückbezogenen Ansprüche 2 und 3 an. Der Anspruch 4 betrifft ein Verfahren zur Herstellung des Werkstoffs nach Anspruch 1.

Wegen der Einzelheiten im übrigen und der Fassung der Ansprüche 2 bis 4 wird auf die Akte verwiesen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist offensichtlich gewerblich anwendbar, er ist aber auch neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit. Gleiches gilt für das Verfahren nach Anspruch 4.

Aus der nächstkommenden Entgegenhaltung (1) ist übereinstimmend mit dem Streitgegenstand ein Silber-Eisenwerkstoff für elektrische Kontakte sowie ein Verfahren zu seiner Herstellung bekannt, wobei der bekannte Silber-Eisenwerkstoff mit 5 bis 50 Gew.-% Eisen auch gesintert wird und der Werkstoff 0 bis 5 % metallische Zusätze wie Zink, Kupfer, Mangan und/oder Zusätze wie Wolframoxid, Molybdänoxid, Tantaloxid, Manganoxid, Zinkoxid, Zirkonoxid sowie als Rest Silber enthält. Im Anspruch 2 und im ersten Ausführungsbeispiel von (1) ist das Sintern, in Anspruch 3 das Strangpressen des Werkstoffs genannt.

Nicht festgelegt sind in (1) die im Patent beanspruchten Massenanteile des Kohlenstoffs in den Eisenteilchen von mehr als 0,25 %. Zwar ist in (1) zum Beispiel am Ende von Absatz 2 der Spalte 4 eine zusätzliche Karburierung für das Erzeugen eines karbidhaltigen Verbundpulvers alternativ zu einer inneren Oxidation für oxidische Pulver genannt, jedoch nach Spalte 3 Zeilen 62 bis 65 beispielsweise für Molybdän und Wolfram, nach Anspruch 1 außerdem auch für Titan, Zirkon, Niob, Tantal, Mangan, Kupfer und Zink. So gibt (1) weder eine Empfehlung zum gezielten Karburieren der Eisenteilchen noch zur Einstellung deren Kohlenstoffgehaltes im beanspruchten Bereich. Die Nennung der zahlreichen Nichteisen-Oxide und -Karbide lehrt gerade nicht die Karburierung von Eisen zu höheren Kohlenstoffgehalten, sondern spricht eher dagegen. Die Lehre von (1) ist deshalb weder neuheitsschädlich, noch legt sie dem Fachmann speziell das Karburieren des Eisenpulvers in den beanspruchten Kohlenstoffbereich von mehr als 0, 25 % nahe.

Dies gilt auch für die weiteren im Einspruchsverfahren genannten Entgegenhaltungen, von denen außer den BASF Firmenschriften zum Carbonyleisenpulver wie (2) keine karburiertes bzw. unreduziertes Eisenpulver und den beanspruchten Kohlenstoffgehalt nennt.

Die BASF Firmenschriften wie (2) betreffen Carbonyleisenpulver verschiedener Marken mit unterschiedlichen Kohlenstoffgehalten für verschiedenste Anwendungsbereiche, auch die Pulvermetallurgie, nach Seite 3 für reduzierte und nicht reduzierte Standardpulver. Auf Seite 4 in Tabelle 1 wird dann aber hinsichtlich der Anwendungen präzisiert für die Pulvermetallurgie die reduzierten Standardpulver Marke C und die unreduzierten, harten Pulver Marke O für die Anwendung beim Metal Injection Moulding, reaktionsfreudige Pulver OR für chemische und andere Anwendungen.

Ein Hinweis auf Verwendungen von Pulvern für elektrische Kontakte fehlt den BASF Firmenschriften wie (2). Somit lehren diese keine Verwendung unreduzierten Eisenpulvers für die patentgemäße Verwendung. Wegen des Hinweises für das Metal Injection Moulding unreduzierter harter Eisenpulver wird der Fachmann für die Herstellung von Elektrokontakten durch Sinter- und Strangpress-Verarbeitung von den unreduzierten harten Eisenpulvern eher abgehalten.

Der Fachmann hatte somit weder Veranlassung noch Anregung, für bessere Abbrandfestigkeit, geringe Verschweißneigung und geringen Kontaktwiderstand bisher unübliches hartes Eisenpulver mit hohem Kohlenstoffgehalt zu verwenden.

Es hat für den Fachmann nicht nahegelegen, neben den bekannten Zusätzen von Nichteisen-Oxiden und -Karbiden zusätzlich speziell auch noch unreduziertes hartes Eisenpulver mit dem beanspruchten Kohlenstoffgehalt für seine Sinter- und Strangpress - Kontaktherstellung zu verwenden.

Mithin beruht der Gegenstand nach Anspruch 1 auf erfinderischer Tätigkeit. Der Anspruch 1 hat daher Bestand.

Die Ansprüche 2 und 3 gehen über platte Selbstverständlichkeiten hinaus und haben als rückbezogene Unteransprüche Bestand.

Die Gründe für die Patentfähigkeit des gesinterten Silber-Eisenwerkstoffs nach Anspruch 1 gelten sinngemäß auch für das Verfahren zu seiner Herstellung nach Anspruch 4. Entgegenstehendes ist im Beschwerdeverfahren nicht mehr vorgetragen worden und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Somit hat der Patentanspruch 4 ebenfalls Bestand.

Bei dieser Sachlage war der angefochtene Beschluss aufzuheben und das Patent aufrechtzuerhalten.

Dellinger Dr. Henkelv. Zglinitzki Schmitz Bb






BPatG:
Beschluss v. 03.06.2003
Az: 11 W (pat) 61/00


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