Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. April 2000
Aktenzeichen: 17 W (pat) 72/98

(BPatG: Beschluss v. 06.04.2000, Az.: 17 W (pat) 72/98)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G07B des Deutschen Patentamtes vom 29. Juli 1998 aufgehoben und das nachgesuchte Patent 36 44 245 mit der Bezeichnung

"Portoverrechnungssystem"

unter Zugrundelegung folgender Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 4 und 6 bis 12, eingeg. am 9. März 1999, und Patentanspruch 5, eingeg. am 17. März 2000;

Beschreibung Seiten 5, 9, 10, 12, 13, 14, 16, 17, 19, 20, 24 bis 29, eingeg. am 17. März 2000 und Seiten 6, 7, 8, 11, 15, 18, 21, 22, 23, 30, 31 und 32, eingeg. am 9. März 1999 sowie 5 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 7, jeweils eingegangen am 9. März 1999.

Gründe

I.

Die vorliegende Patentanmeldung ist am 23. Dezember 1986 beim Deutschen Patentamt mit der Bezeichnung

"Postaufgabesysteme mit Portomittelverwaltung"

eingereicht worden.

Den erstmaligen, am 21. Juni 1994 wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit erlassenen Zurückweisungsbeschluß durch die Prüfungsstelle für Klasse G07B hat der erkennende Senat mit Beschluß vom 22. Juli 1997 (Aktenzeichen 17 W (pat) 73/94) aufgehoben und die Sache mit geänderten Ansprüchen zur erneuten Prüfung an das Deutsche Patentamt zurückverwiesen. Die Prüfungsstelle für Klasse G07B des Deutschen Patentamtes hat die Anmeldung zuletzt mit Beschluß vom 29. Juli 1998 unter Heranziehung weiteren Standes der Technik wiederum mangels erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie verfolgt die Anmeldung mit den am 9. März 1999 und am 17. März 2000 eingegangenen Unterlagen (Patentansprüche 1-12, Beschreibung, Zeichnungen) weiter.

Der geltende Anspruch 1 lautet:

"Portoverrechnungssystema) mit zumindest einem Kundenbereich (16), a1) mit einem ungesicherten Drucker (40) zum Bedrucken von Poststückena2) mit einer Einführvorrichtung (39) zur Vorbereitung der Poststücke und zur Zuführung der Poststücke an den Drucker, a3) mit einem Eingabe-Prozessor (38) zur Eingabe von für die Verarbeitung der Poststücke erforderlichen Daten, a4) mit einer gesicherten Einheit (25)

a4.1) der mit den Speichereinrichtungen und dem Eingabe-Prozessor verbunden ist, a4.2) mit einem Prozessor (24), a4.2.1) der mit den Speichereinrichtungen und dem Eingabe-Prozessor verbunden ist, a4.2.2.) der den ungesicherten Drucker derart steuert, daß dieser zumindest Postgebühren auf die Poststücke aufdruckt, unda4.2.3) der die aufgedruckten Postgebühren allein mittels einem in einer der Speichereinrichtungen (26) vorgesehenen, fallenden Register abrechnet unda5) mit einem gesicherten Drucker, der mit dem Prozessor (24) verbunden ist zum Drucken jeweils eines Aufstellungsblattes (46) über die jeweils einen Stapel bearbeiteter Postgüter betreffenden Portodaten, b) mit einer Zentralstation (14)

b1) die mit dem Prozessor (24) der gesicherten Einheit (25) verbunden ist, um den Kundenbereich (16) Postgebühren bestimmter Größe durch Laden eines Postgebührenwertes der bestimmten Größe in das fallende Register in der einen Speichereinrichtung (26) der gesicherten Einheit zuzuweisen, undb2) die die an den Kundenbereich (16) zugewiesenen Postgebühren verarbeitet, aufzeichnet und überprüft, undc) mit einer Verbindungsleitung (28) zur Verbindung der Zentralstation (14) mit dem Prozessor (24) der gesicherten Einheit (25)."

Das beanspruchte Portoverrechnungssystem ist nach Ansicht der Anmelderin durch den im bisherigen Verfahren herangezogenen Stand der Technik weder bekannt noch nahegelegt und demzufolge patentierbar.

Die Anmelderin stellt sinngemäß den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 4 und 6 bis 12, eingeg. am 9. März 1999, und Patentanspruch 5, eingeg. am 17. März 2000;

Beschreibung Seiten 5, 9, 10, 12, 13, 14, 16, 17, 19, 20, 24 bis 29, eingeg. am 17. März 2000 und Seiten 6, 7, 8, 11, 15, 18, 21, 22, 23, 30, 31 und 32, eingeg. am 9. März 1999 sowie 5 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 7, jeweils eingegangen am 9. März 1999.

II.

Die in rechter Frist und Form eingelegte Beschwerde ist zulässig und auch begründet, da der Gegenstand des nachgesuchten Patents nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig ist.

Der Erteilungsantrag ist zulässig.

Der geltende Anspruch 1 ist insbesondere durch die am Anmeldetag eingereichte Fig. 1 und die zugehörigen Beschreibungsseiten 11 bis 14 ursprünglich offenbart. Die Offenbarung der geltenden Unteransprüche 2 bis 7 ergibt sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 7. Die geltenden Ansprüche 8 bis 12 gehen aus den ursprünglich eingereichten Figuren 7 und 8 mit zugehörigen Beschreibungsseiten 24 bis 29 sowie aus dem ursprünglichen Anspruch 13 hervor.

Dem geltenden Patentbegehren wurden von der Prüfungsstelle im Zurückweisungsbeschluß folgende Druckschriften entgegengehalten:

1) DE 30 40 549 A1 2) US 4 319 328 3) US 3 255 439 Die Druckschrift 1 zeigt ein Portoverrechnungssystema) mit einem Kundenbereich mita1) mit einem Drucker 56 zum Bedrucken von Poststücken (Fig. 3), a2) mit einer Einführvorrichtung 22 zur Vorbereitung der Poststücke und zur Zuführung der Poststücke an den Drucker (Fig 1; S. 17, Abs. 1), a3) mit einem Eingabe-Prozessor 100,101 zur Eingabe von für die Verarbeitung der Poststücke erforderlichen Daten (Fig. 6; S. 29, 30), a4) mit einer gesicherten Einheit (Fig. 3, 55; S. 21, le. Abs.), a4.1) mit mehreren Speichereinrichtungen (Fig. 5, 93; S. 26, Abs. 3), a4.2) mit einem Prozessor (Fig. 5, 91)

a4.2.1) der mit den Speichereinrichtungen und dem Eingabe-Prozessor 100,101 verbunden ist (Fig. 3,5 und 6; Anspruch 5), a4.2.2) der den Drucker 56 derart steuert, daß dieser zumindest Postgebühren auf die Poststücke aufdruckt (Fig. 8; S. 31), unda4.2.3) der die aufgedruckten Postgebühren mittels eines in einer der Speichereinrichtungen 93 vorgesehenen, fallenden Registers abrechnet (S. 26, 3. Abs.).

Zum bekannten Portverrechnungssystem gehören außerdemb) eine Zentralstation (S. 50 "Fernstation", S. 11 "externes Gerät")

b1) die mit dem Prozessor 91 der gesicherten Einheit 58 verbunden ist,um dem Kundenbereich Postgebühren bestimmter Größe durch Laden eines Postgebührenwertes der bestimmten Größe in das fallende Register in der einen Speichereinrichtung 93 der gesicherten Einheit zuzuweisen (S. 11, Abs. 2; S. 35, Abs. 3) undb2) die die an den Kundenbereich zugewiesenen Postgebühren verarbeitet, aufzeichnet und überprüft (S. 35, Abs. 3 und S. 55, Abs. 3), c) und eine Verbindungsleitung zur Verbindung der Zentralstation mit dem Prozessor der gesicherten Einheit (Fig. 5, 11; Anspruch 6).

Das Portoverrechnungssystem nach Druckschrift 1 weist somit auch einen gesicherten Drucker auf, der jedoch zum Bedrucken von Poststücken eingesetzt wird. Besondere Maßnahmen in Zusammenhang mit der stapelweisen Bearbeitung von Postgütern sind nicht angegeben.

Das aus Druckschrift 2 hervorgehende Portoverrechnungssystem ist auch zur stapelweisen Bearbeitung von Postgütern geeignet. Zu diesem System gehört ein Frankiermaschinenteil 16, dem die zu frankierenden Postgüter von einem Druck-Aktuator 18 und einem Basisteil 20 zugeliefert werden. Über den erfolgten Frankierdruck wird eine Aufzeichnung im Frankier-Computer 12 geführt (Fig. 1; Sp. 2, Z. 43-66). Ist eine Anzahl gleichartiger Postgüter, d.h. Stapelpost, zu frankieren, so werden die zugeführten Poststücke mit dem Sensor 22 gezählt. Nach Abschluß dieses stapelbezogenen Frankiervorganges können die Aufzeichnungen über diese Frankierungen im Frankier-Computer 12 mit Hilfe des daran angeschlossenen Druckers 24 dokumentiert werden (Sp. 3, Z. 3-18; Anspruch 16).

Im Unterschied zum beanspruchten Portoverrechnungssystem wird die eigentliche Frankierung vom Frankiermaschinenteil 16 - d.h. entsprechend der Begriffswahl im Anspruch 1 der Beschwerdeanmeldung mit einem "gesicherten" Druckmodul durchgeführt. Zum Drucken der stapelpostbezogenen Informationen wird der nicht näher spezifizierte Drucker 24, d. h. ein "ungesicherter" Drucker herangezogen.

Druckschrift 3 beschreibt ein Frankiersystem, bei dem mehrere Frankiermaschinen über Datenleitungen mit einer Zentralstation verbunden sind und alle Aufzeichnungen über Portozuteilung bzw. -verbrauch der einzelnen Frankiermaschinen in der Zentralstation geführt werden (Sp. 1, Z. 57-66). Die eingesetzten Frankiermaschinen 11 sind vom "herkömmlichen" Typ, denen jeweils ein Steuerteil 12 zugeordnet ist (Sp. 2, Z. 50-53; Sp. 1, Z. 25-33). Das Steuerteil 12 dient zur Einstellung des auf dem jeweiligen Poststück aufzubringenden Frankierdruckes (Sp. 2, Z. 54-56). Der eigentliche Frankierdruck wird von der Frankiermaschine durchgeführt (Sp. 1, Z. 25-30; Sp. 5, Z. 32-37). und somit von einem "gesicherten" Drucker. Die Bearbeitung von Stapelpost ist in Druckschrift 3 nicht angesprochen.

Keine der abgehandelten Druckschriften zeigt ein Portoverrechnungssystem mit allen Merkmalen des Anspruchs 1; dessen Gegenstand ist diesbezüglich somit neu.

Beim beanspruchten Gegenstand wird der eigentliche Frankierdruck mit einem ungesicherten Drucker und der Druck der stapelpostbezogenen Portodaten auf das zugehörige Aufstellungsblatt mit einem gesicherten Drucker vorgenommen. Der hiermit erzielte, in den ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbarte Vorteil besteht einerseits darin, für die in erheblichem Umfang anfallende Frankierdrucktätigkeit einen wartungsfreundlichen, nämlich "ungesicherten" Drucker einsetzen zu können und andererseits der Gefahr mißbräuchlicher, d.h. nicht abgerechneter Frankierungen dadurch zu begegnen, daß für den in geringerem Maße anfallenden Druck der stapelpostbezogenen Portodaten ein manipulationsgeschützter, nämlich "gesicherter" Drucker eingesetzt wird, dessen typbedingt höherer Wartungsaufwand in der Praxis durch die reduzierte Drucktätigkeit nicht ins Gewicht fällt. Dieser Einsatz eines ungesicherten Druckers für die Frankierung von Stapelpost und eines gesicherten Druckers für den Druck von zugehörigen Portodaten auf einem Aufstellungsbogen wird durch den abgehandelten Stand der Technik nicht nahegelegt. Das Portoverrechnungssystem für die Bearbeitung von Stapelpost nach Druckschrift 2 sieht nämlich für den eigentlichen Frankierdruck einen gesicherten Drucker und für den Druck der Portodaten auf dem Aufstellungsbogen einen ungesicherten Drucker vor. Bei diesem System wird demnach für die intensivere Drucktätigkeit der wartungsungünstigere Drucker eingesetzt.

Weder in Druckschrift 1 noch in Druckschrift 3 wird auf die Bearbeitung von Stapelpost explizit eingegangen. Demnach vermögen auch diese Druckschriften den nach der Lehre des Anspruchs 1 vorgesehenen Einsatz zweier Drucker mit unterschiedlichem Sicherheitsstandard für diese Betriebsart nicht nahezulegen.

Die im Prüfungsbescheid vom 10. Oktober 1997 noch genannte Druckschrift US 4 511 793 zeigt eine Bearbeitung von Stapelpost, die mit der in Druckschrift 2 angegebenen Methode vergleichbar ist. Wie in Fig 2 dargestellt, wird die Frankierung für die einzelnen Poststücke 10 des abzuarbeitenden Poststapels durch die Frankiermaschine 44, d.h. durch einen "sicheren" Drucker, aufgebracht (vergl. zusätzlich Sp. 3, Z. 3-23). Mit Hilfe des "hard copy" - Druckers 32 können die in vorgebbaren Zeitabständen aufgelaufenen Portogebühren ausgedruckt werden (vgl. Sp 2, Z 61 - Sp 3, Z 2. Auch durch diese Druckschrift erhält der Fachmann keine Hinweise zu einem Portoverrechnungssystem mit einer Druckerkonfiguration nach der Lehre des Anspruchs 1.

Die weiterhin im Prüfungsverfahren herangezogenen, vorveröffentlichten Druckschriften US 3 792 446, US 4 410 961, EP 0 131 964 A2 und J. Martin: "Die Organisation von Datennetzen", Carl-Hanser-Verlag, 1972, wurden im bereits erwähnten Beschluß 17 W (pat) 73/94 vom 22. Juli 1997 als nicht patenthindernd bezeichnet. An dieser Bewertung der genannten Druckschriften wird festgehalten. Auch durch die gemeinsame Betrachtung dieser Druckschriften mit dem oben abgehandelten Stand der Technik kommt der Fachmann nicht ohne weiteres zum Gegenstand des Anspruchs 1.

Die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gegenüber der älteren Anmeldung P 36 13 008.7 ist aus den im vorstehenden Beschluß aufgezeigten Gründen gegeben.

Da auch bezüglich der von der Anmelderin noch genannten Druckschriften US 3 978 457, US 4 097 923, US 4 301 507, US 4 447 890 und FIPS - PUB 46 patenthindernde Umstände weder vorgetragen noch ersichtlich sind, ist der Anspruch 1 gewährbar.

Die Unteransprüche 2 bis 12 bilden den Gegenstand des Anspruchs 1 in zweckmäßiger, nicht selbstverständlicher Weise weiter und sind demzufolge ebenfalls gewährbar.

Somit war der Beschwerde stattzugeben.

Grimm Prasch Püschel Schusterprö






BPatG:
Beschluss v. 06.04.2000
Az: 17 W (pat) 72/98


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