Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 22. November 2010
Aktenzeichen: AnwZ (B) 120/09

(BGH: Beschluss v. 22.11.2010, Az.: AnwZ (B) 120/09)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Brandenburg vom 14. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wurde am 19. November 1991 im Bezirk der Rechtsanwaltskammer des Landes B. (fortan auch: Kammer) zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 14. Februar 2000 widerrief die Kammer die Zulassung, nachdem der Antragsteller auf seine Zulassung verzichtet hatte. Bereits zuvor war über das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Im Frühjahr 2004 wurde der Antragsteller erneut im Bezirk der Rechtsanwaltskammer des Landes B. zur Anwaltschaft zugelassen. Das Insolvenzverfahren wurde im August 2007 aufgehoben, nachdem dem Antragsteller zuvor Restschuldbefreiung angekündigt worden war. Die Wohlverhaltensperiode dauert nach Angaben des Antragstellers bis 2014.

Mit Bescheid vom 16. Februar 2009 widerrief die Kammer die Zulassung des Antragstellers wegen Vermögensverfalls. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Mit seiner sofortigen Beschwerde will der Antragsteller weiterhin die Aufhebung des Widerrufsbescheides erreichen. Der Antragsteller ist seit Januar 2010 nicht mehr in eigener Kanzlei tätig, sondern als freier Mitarbeiter der Rechtsanwaltskanzlei Z. in Be. . Dabei handelt es sich um eine Bürogemeinschaft, die aus fünf Rechtsanwälten besteht. Seit dem 24. Februar 2010 ist er in Be. zugelassen und Mitglied der Rechtsanwaltskammer Be. . Die Rechtsanwaltskammer Be. führt das Widerrufsverfahren im Einverständnis mit der Rechtsanwaltskammer des Landes B. fort.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO a.F., § 215 Abs. 3 BRAO). Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.

1. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Anwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 14. April 2007 - AnwZ (B) 6/06, Rn. 5 m.w.N.).

2. Im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung waren diese Voraussetzungen erfüllt. Seit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens hatte der Antragsteller neue Schulden in Höhe von (mindestens) 31.915,31 € angehäuft. Die Vollstreckungstitel und -maßnahmen, auf welche die Widerrufsverfügung Bezug nimmt, belegen, dass der Antragsteller nicht in der Lage war, seinen finanziellen Verpflichtungen zeitnah nachzukommen. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern und den darauf möglichen Zugriff seiner Gläubiger. Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, gab es nicht.

3. Die Vermögensverhältnisse des Antragstellers haben sich auch nicht, was bei der Entscheidung noch zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150), im Laufe des gerichtlichen Verfahrens konsolidiert. Der Antragsteller befindet sich nach wie vor in Vermögensverfall, was er im Verfahren der sofortigen Beschwerde auch nicht mehr in Abrede stellt.

4. Eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Antragstellers (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 1 BRAO) lässt sich nach wie vor nicht ausschließen.

a) Der Antragsteller verweist darauf, dass er nunmehr als freier Mitarbeiter in einer Bürogemeinschaft von Rechtsanwälten tätig ist. Bei flexibler Stundenzahl erhalte er ein Mindesteinkommen von 1.679 € im Monat zuzüglich Umsatzsteuer. Eigene Mandate habe er grundsätzlich nicht. Mit Mandantengeldern komme er nicht in Kontakt. Schriftsätzlich hat er vorgetragen, er berate die Partei D. , Gebietsverband L. .

b) Eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden hat der Senat in Fällen verneint, in denen der Anwalt seine selbständige Tätigkeit vollständig und nachhaltig aufgegeben hatte, nur noch als Angestellter einer Rechtsanwaltssozietät tätig war und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hatte, die verhinderten, dass er mit Mandantengeldern in Berührung kam (BGH, Beschlüsse vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511; vom 25. Juni 2007 - AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924).

Die nicht näher belegten Absprachen, die der Antragsteller mit den Rechtsanwälten der Bürogemeinschaft Z. getroffen hat, genügt diesen Anforderungen nicht. Ein Beschäftigungsverhältnis mit Einzelanwälten reicht nicht aus, weil in diesem Fall nicht zuverlässig sichergestellt ist, dass die Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen auch während urlaubs- oder krankheitsbedingter Abwesenheit des jeweiligen Einzelanwalts überwacht wird (BGH, Beschlüsse vom 5. Dezember 2005 - AnwZ (B) 13/05, NJW-RR 2006, 559; vom 5. Dezember 2005 - AnwZ (B) 14/05, AnwBl. 2006, 281; vom 31. März 2008 - AnwZ (B) 33/07, Rn. 10; vom 26. November 2009 - AnwZ (B) 27/09, Rn. 17). Wenn der Antragsteller, wie er vorträgt, auch für die Partei "D. " tätig ist, hat er seine selbständige Tätigkeit zudem nicht endgültig aufgegeben.

c) Der Antragsteller hat es überdies bisher nicht vermocht, die zur Ordnung seiner Vermögensverhältnisse erforderlichen Schritte in die Wege zu leiten (BGH, Beschlüsse vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511; vom 5. Dezember 2005 - AnwZ (B) 14/05, AnwBl. 2006, 281; vom 8. Februar 2010 - AnwZ (B) 67/08, aaO Rn. 13). Das Insolvenzverfahren hat hierzu nicht ausgereicht. Anlass für den Widerruf der Zulassung waren Verbindlichkeiten, die nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, von der angekündigten Restschuldbefreiung daher nicht erfasst werden und deren Gläubiger unabhängig von den Beschränkungen des § 294 Abs. 1 InsO die Zwangsvollstreckung betreiben können. Wie der Antragsteller Verbindlichkeiten von mehr als 30.000 € begleichen will, hat er nicht dargelegt und ist bei einem Einkommen von 1.670 € im Monat zuzüglich Umsatzsteuer auch nicht ersichtlich. Eine Prognose dahingehend, dass es ihm in absehbarer Zeit gelingen wird, sämtliche Verbindlichkeiten zu begleichen, lässt sich nicht treffen.

Hinzu kommt, dass der Antragsteller seinen Beruf schon bisher nicht ohne jede Beanstandung ausgeübt hat. Am 21. Januar 2010 ist gegen ihn ein Strafbefehl ergangen, mit dem gegen ihn wegen Untreue, begangen zum Nachteil einer Mandantin, eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 10 Euro festgesetzt worden ist; der Strafbefehl ist rechtskräftig geworden.

Ernemann Lohmann Fetzer Frey Hauger Vorinstanz:

AGH Brandenburg, Entscheidung vom 14.12.2009 - AGH I 1/09 -






BGH:
Beschluss v. 22.11.2010
Az: AnwZ (B) 120/09


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