Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 15. Juli 2005
Aktenzeichen: 6 U 103/03

(OLG Köln: Urteil v. 15.07.2005, Az.: 6 U 103/03)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25.07.2003 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 38/03 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

B e g r ü n d u n g:

I.

Die Klägerin, die Firma P Arzneimittel GmbH, ist ein deutsches Pharmaunternehmen. Sie gehört zur S-Unternehmensgruppe und vertreibt in der Bundesrepublik unter anderem das als Arzneimittel zugelassene Präparat "E 200-S" mit dem Wirkstoff Glucosaminsulfat und der Indikation "Zur Funktionsverbesserung und Schmerzlinderung bei leichter bis mittelschwerer Gonarthrose". Ein Dragee "E 200-S" enthält 250 mg Glucosaminsulfat. Die Dosierungsanleitung empfiehlt die Einnahme von 1 bis 2 Dragees dreimal pro Tag, also eine Tagesdosis zwischen 750 und 1.500 mg.

Die Beklagte vertreibt Glucosaminsulfat zur Nahrungsergänzung in der aus den Anlagen K 4 und K 5 ersichtlichen Aufmachungen. Dort ist die Rede davon, Glucosaminsulfat sei "zur Nahrungsergänzung" bestimmt. Die Verzehrempfehlung lautet für Glucosaminsulfat 250 mg "3 x 1 Kapsel täglich nach dem Essen" und führt damit zu einer Tagesdosis von 750 mg Glucosaminsulfat. Die Verzehrempfehlung für Glucosaminsulfat 500 mg lautet "2 x 1 Kapsel täglich nach dem Essen" und bedeutet damit eine Tagesdosis von 1.000 mg Glucosaminsulfat. Mit der Behauptung, die beiden von der Beklagten zur Nahrungsergänzung angebotenen Präparate besäßen pharmakologische Wirkung, hat die Klägerin die Beklagte auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadenersatzfeststellung in Anspruch genommen, die behaupteten Ansprüche aber anders als in dem diesem Rechtsstreit vorauslaufenden einstweiligen Verfügungsverfahren 81 O 65/02 LG Köln = 6 U 140/02 OLG Köln nicht mehr darauf gestützt, wegen der konkreten Produktaufmachung und/oder sonstiger werblicher Auftritte präsentiere die Beklagte ihre Produkte als Arzneimittel.

Die Klägerin hat beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes (im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00) zu unterlassen, die Präparate Glucosaminsulfat 250 mg und Glucosaminsulfat 500 mg mit dem Wirkstoff Glucosaminsulfat und einer Dosierungsempfehlung von 3 x 250 mg und 2 x 500 mg Glucosaminsulfat in Deutschland anzubieten, feilzuhalten, zu verkaufen oder sonst in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben, solange für diese Produkte keine Zulassung nach §§ 21 ff. AMG vorliegt,

2.

die Beklagte zu verurteilen, ihr - der Klägerin - Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie die im Klageantrag zu 1. bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Vorlage eines Verzeichnisses, das sämtliche Empfänger der fraglichen Präparate und den Umfang und Rechnungswert der Lieferung enthält,

3.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die im Klageantrag zu 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und zukünftig entstehen wird.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und dabei die Auffassung vertreten, bei ihren Produkten handele es sich um Lebens- und nicht um Arzneimittel.

Durch die angefochtene Entscheidung, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 90 ff. d.A.), hat das Landgericht die Beklagte den Klageanträgen der Klägerin folgend zur Unterlassung und Auskunftserteilung verurteilt. Außerdem hat es ihre grundsätzliche Pflicht zur Leistung von Schadenersatz festgestellt. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen auf den Inhalt der Entscheidung des Senats vom 03.01.2003 in dem diesem Rechtsstreit vorauslaufenden einstweiligen Verfügungsverfahren 6 U 140/02 OLG Köln = 81 O 65/02 LG Köln bezogen. Dort hatte der Senat die Entscheidung des Landgerichts als richtig bestätigt, wonach sich die damals angegriffenen Glucosaminsulfat-Produkte der damaligen Antragsgegnerin dem Verbraucher als Arzneimittel präsentierten.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen diese Beurteilung des Landgerichts und beantragt,

die angefochtene Entscheidung zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet weiterhin, nach heutigem Stand und Kenntnis der Wissenschaft komme Glucosamin bereits bei einer Tagesdosis von 750 mg und/oder 1.000 mg Glucosaminsulfat und nicht erst bei einer über einen längeren Zeitraum eingenommenen Tagesdosis von 1.500 mg Glucosaminsulfat therapeutische Wirkung zu. Deshalb handele es sich - so meint die Klägerin - bei dem von der Beklagten angebotenen Glucosaminsulfat ungeachtet seiner Verpackungsaufmachung und seiner Bewerbung um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel.

Der Senat hat durch Beschluss vom 31.03.2004 (Bl. 284 d.A.) die Beweiserhebung über die vorstehende Behauptung der Klägerin angeordnet, und zwar durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das von dem Sachverständigen Prof. Dr. med. H U erstellte, aus Bl. 327 ff. d.A. ersichtliche Gutachten vom 12.04.2005 und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 15.06.2005 (Bl. 423 ff. d.A.) Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die mit Ausnahme des nicht nachgelassenen Schriftsatzes der Beklagten vom 20.06.2005 (Bl. 433 ff. d.A.) und des nachgelassenen Schriftsatzes der Klägerin vom 29.06.2005 (Bl. 449 ff. d.A.) sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

II.

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme kann der zulässigen Berufung der Beklagten der Erfolg in der Sache nicht verwehrt bleiben. Die auf die Vorschriften des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (damals noch: § 1 UWG) in Verbindung mit den Zulassungsbestimmungen der §§ 21 ff. AMG gestützte Unterlassungsklage nebst den geltend gemachten Annexansprüchen in Form des Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsbegehrens ist unbegründet, weil davon auszugehen ist, dass es sich bei dem von der Beklagten vertriebenen Glucosaminsulfat in den beiden Verzehrempfehlungen von 750 bzw. 1.000 mg pro Tag nicht um ein Arznei-, sondern um ein Lebensmittel handelt. Der Klägerin ist es nämlich nicht gelungen, den ihr obliegenden Beweis zu führen, dass bei einer Dosierung von 750 oder 1.000 mg Glucosaminsulfat pro Tag eine pharmakologische Wirkung eintritt. Ein verständiger Durchschnittsverbraucher wird im Zweifel aber nicht annehmen, dass ein als Nahrungsergänzungsmittel angebotenes Präparat tatsächlich ein Arzneimittel ist, wenn es in der empfohlenen Dosierung keine pharmakologischen Wirkungen hat (BGH, Urteil vom 03.04.2003, GRUR 2003, 631, 632 = WRP 2003, 883 ff. = ZLR 2003, 487 ff. = Pharma Recht 2003, 297 ff. "L-Glutamin" m.w.N.).

1.

In seinen beiden den Parteien bekannten Urteilen vom 03.01.2003 und 26.05.2004 (veröffentlicht in ZLR 2004, 94 ff. = LRE 45, 168 ff. = Magazindienst 2003, 481 ff. und ZLR 2005, 109 ff. = Magazindienst 2004, 1054 ff.) hat der Senat bereits im Einzelnen ausgeführt, dass Fertigarzneimittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 AMG sind, im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes gemäß § 21 Abs. 1 AMG nur dann in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder der Rat der Europäischen Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Abs. 1 oder Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl. EG Nr. L 214 S. 1) erteilt hat. Die Zulassungsbestimmungen des Arzneimittelgesetzes dienen dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und damit eines hochrangigen Gemeinschaftsguts, sie regeln im Interesse der Verbraucher das Marktverhalten. Verstößt jemand gegen diese Bestimmungen, namentlich indem er ein Arzneimittel ohne die erforderliche Zulassung in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr bringt, hat er dies zu unterlassen (§§ 3,4 Nr. 11 OWG).

2.

Das Klagebegehren steht und fällt damit mit der Beantwortung der Frage, ob die beiden zur Nahrungsergänzung angebotenen Produkte "Glucosaminsulfat" der Beklagten als dem Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes einschließlich der dort formulierten Zulassungspflicht unterfallende Arzneimittel einzuordnen sind. Das wiederum bestimmt sich nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG: Danach sind Arzneimittel u.a. Stoffe, die nach ihrer Art und allgemeinen Bestimmung ausschließlich oder überwiegend dazu dienen, durch Anwendung am oder im Körper Leiden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern oder zu verhüten. Demgegenüber sind nach der in § 1 Abs. 1 LMBG enthaltenen allgemeinen Begriffsbestimmung Lebensmittel Stoffe, die ihrer Zweckbestimmung nach aus Gründen der Ernährung und/oder des Genusses verzehrt werden. Eine - als solche gesetzlich nicht definierte - Form der Lebensmittel stellen die sogenannten Nahrungsergänzungsmittel dar, die wegen ihres Nährwertes verzehrt werden, um die tägliche gewöhnliche Nahrung gesunder Personen zu ergänzen, deren Zufuhr an einem oder mehreren Nährstoffen aus dieser gewöhnlichen Nahrung möglicherweise marginal, zweifelhaft oder (vorübergehend) unzureichend ist. Aus den ineinandergreifenden Vorschriften des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG einerseits und des § 1 LMBG andererseits folgt zum einen, dass ein und dasselbe Erzeugnis nicht gleichzeitig Arznei- und Lebensmittel sein kann. Die Qualifizierung als Arznei- oder Lebensmittel schließt sich vielmehr begrifflich gegenseitig aus (BGH ZLR 2000, 375, 378 "L-Carnitin"). Zum anderen bleiben arzneiliche Zweckbestimmungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 5 AMG, welche neben dem Ernährungszweck bestehen, für die Lebensmitteleigenschaft eines Produktes solange ohne Bedeutung, als sie gegenüber dem Ernährungszweck nicht überwiegen. Lässt sich eine überwiegende arzneiliche Zweckbestimmung nicht feststellen, ist das Produkt als Lebensmittel anzusehen. Im Zweifel ist also von einem Lebensmittel auszugehen (BGH NJW 1976, 1154 "Fencheltee"; siehe auch BGH, 2. Strafsenat, Urteil vom 25.04.2001, NJW 2001, 2812, 2813; Kammergericht, Urteil vom 24.09.2002, ZLR 2003, 94, 95 "L-Carnitin plus Vitamin C"; VGH München, NJW 1998, 845, 846; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Bd. 1, § 2 AMG Rdnr. 30; Meyer, Lebensmittelrecht, Seite 9, jeweils m.w.N.; siehe auch Köhler, WRP 2001, 363, 365, ebenfalls m.w.N.).

a.

Entscheidend für die Einordnung eines Produktes als Arznei- oder Lebensmittel ist seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstellt. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH ZLR 2002, 660 ff. = Magazindienst 2002, 817 ff. "Sportlernahrung"; BGH Magazindienst 2002, 975, 979 = WRP 2002, 1141 ff. = GRUR 2002, 910 ff. "Muskelaufbaupräparate"; BGH ZLR 2000, 375, 379 "L-Carnitin" und BGH GRUR 1995, 419, 420 = WRP 1995, 386 ff. "Knoblauchkapseln"). Die Richtlinie 2002/46 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10.06.2002 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Nahrungsergänzungsmittel gibt jedenfalls derzeit noch keinen Anlass, die Abgrenzung der Arzneimittel von den Lebensmitteln nach anderen Grundsätzen als bisher vorzunehmen (BGH Urteil vom 06.05.2004, WRP 2004, 1024 ff. = GRUR 2004, 793 ff. = Magazindienst 2004, 677 ff. = ZLR 2004, 618 ff. "Sportlernahrung II"). Damit verbleibt es namentlich bei der Feststellung, dass ein verständiger Durchschnittsverbraucher im allgemeinen nicht annehmen wird, ein als Nahrungsergänzungsmittel angebotenes Präparat sei tatsächlich ein Arzneimittel, wenn es in der empfohlenen Dosierung keine pharmakologischen Wirkungen hat (BGH, Urteil vom 03.04.2003, GRUR 2003, 631, 632 = WRP 2003, 883 ff. = ZLR 2003, 487 ff. = Pharma Recht 2003, 297 ff. "L-Glutamin"; BGHZ 151, 286, 292 "Muskelaufbaupräparate" und BGH ZLR 2000, 375, 379 "L-Carnitin").

Danach kann die mit der Berufung angefochtene Entscheidung des Landgerichts keinen Bestand haben:

b.

Zu betonen ist zunächst, dass die Klägerin den erhobenen Unterlassungsanspruch (und auch die Folgeansprüche) anders als in dem diesem Rechtsstreit vorauslaufenden einstweiligen Verfügungsverfahren, das durch das Urteil des Senats vom 03.01.2003 in dem Rechtsstreit 6 U 140/02 beendet worden ist, nicht darauf gestützt hat, bei dem von der Beklagten vertriebenen Glucosaminsulfat handele es sich um ein Präsentationsarzneimittel. Sie verlangt nämlich nunmehr Unterlassung nicht (mehr) mit der Begründung, die Beklagte präsentiere ihr Produkt nicht als Lebens-, sondern als Arzneimittel, indem es z.B. mit Indikationshinweisen oder mit für Arzneimittel charakteristischen Begriffen wie "therapeutische Wirkung", "Patienten", "Therapie", "Nebenwirkungen" etc. beworben wird oder indem sich aufgrund der konkreten Produktaufmachung für den Verbraucher der Schluss aufdrängen könnte, hier begegne ihm ein Arzneimittel. Die Klägerin möchte den Vertrieb der beiden von der Beklagten vertriebenen Produkte "Glucosaminsulfat" vielmehr unabhängig von der konkreten Aufmachung, die das Produkt erfahren hat, stets verboten sehen, sofern die Verzehr- oder Dosierempfehlung "3 x 250 mg" bzw. " 2 x 500 mg" Glucosaminsulfat lautet und für diese Produkte eine Zulassung nach den §§ 21 ff. AMG nicht vorliegt. Anderes wird vom Klageantrag nicht erfasst, und es kommt folglich nicht darauf an, dass der Verbraucher, dem die beiden Produkte "Glucosaminsulfat" der Beklagten in ihrer jetzigen Aufmachung im Markt sieht, nicht auf die Idee kommen wird, bei dem von der Beklagten angebotenen Glucosaminsulfat-Produkten handele es sich entgegen dem jeweiligen jetzt augenfälligen und nicht zu übersehenden Hinweis

"zur Nahrungsergänzung"

dennoch um ein Arzneimittel.

c.

Zum Arzneimittel werden die beiden von der Beklagten angebotenen Glucosaminsulfat-Präparate auch nicht deswegen, weil ihnen bei einer Tagesdosis von 1.000 mg oder auch nur 750 mg Glucosaminsulfat therapeutische Wirkung zukommen könnte.

Hierzu hat der vom Senat mit der Beantwortung der Beweisfrage im Beweisbeschluss vom 30.04.2004 beauftragte Sachverständige Prof. Dr. U in seinem schriftlichen Gutachten und auch im Anhörungstermin vom 15.06.2005 auf den Kern reduziert ausgeführt, die Wirksamkeit von Glucosaminsulfat sei bisher nur in Studien nachgewiesen worden, bei welchen Produkte der Unternehmensgruppe S zur Anwendung gekommen seien, die Studien aus den letzten Jahren, bei denen die Wirkung von Glucosaminsulfat anderer Hersteller auf die Kniegelenksarthrose untersucht worden seien, hätten eine entsprechende Wirksamkeit jeweils nicht erbracht. Das schließe zwar nicht aus, dass bei künftigen Studien eine derartige Wirksamkeit nachgewiesen werden könne. Fakt sei demgegenüber, dass ein entsprechender Wirksamkeitsnachweis in einer Studie bisher nur für Mittel der Unternehmensgruppe erbracht worden sei, der die Klägerin angehört. Die Frage, ob Glucosamin in einer oralen Dosis von weniger als 1.500 mg pro Tag wirksam sei, könne nicht beantwortet werden, weil niedrige Dosierungen bis heute in kontrollierten Studien nicht untersucht worden seien. Tatsächlich sei es so, dass lediglich für S-Glucosaminsulfat in einer Tagesdosis von 1.500 mg pro Tag in kontrollierten Studien der Nachweis einer signifikanten therapeutischen Wirkung bei Knie-Osteoarthritis geführt worden sei. Er - der Sachverständige - gehe zwar davon aus, dass S-Glucosaminsulfat auch in niedrigerer Dosierung wirksam sei. Das gelte jedoch ausschließlich für S-Glucosaminsulfat, weil die Wirksamkeit der Glucosaminsalze anderer Hersteller in den bisher durchgeführten Versuchsreihen nicht habe nachgewiesen werden können.

Der Senat folgt diesen Ausführungen des Sachverständigen. Sie sind in sich schlüssig, nachvollziehbar und überzeugend, und sie decken sich weitgehend mit den Ausführungen, die der Sachverständige Prof. Dr. B in dem vor dem Senat geführten Rechtsstreit 6 U 136/02 OLG Köln in seinem Sachverständigengutachten vom 04.11.2003 zur Überzeugung des Senats zu Papier gebracht hat. Die Ausführungen der beiden Sachverständigen unterscheiden sich im Kern lediglich darin, dass der Sachverständige B es zumindest in Zweifel gezogen hat, ob bei einer über einen längeren Zeitraum eingenommenen Tagesdosis von 1.500 mg Glucosaminsulfat diesem Wirkstoff therapeutische Wirkung zukommt, während der Sachverständige U ausgeführt hat, hinsichtlich der S-Glucosaminsulfate sei bei dieser Tagesdosis eine therapeutische Wirkung belegt. Während der Sachverständige B ausgeführt hat, es gebe bis heute keinerlei Studien und/oder Untersuchungen, die sich mit der Frage der therapeutischen Wirksamkeit von Glucosamin in der damals zur Diskussion stehenden Tagesdosis von 600 mg überhaupt befasst hätten, und es gebe im Zusammenhang mit Glucosaminsulfat bis heute keine Testreihen, die zu dem signifikanten Ergebnis geführt hätten, dass längerfristig behandelte Patienten ein deutlich besseres Krankheitsbild aufwiesen als unbehandelte Patienten, war der Sachverständige U lediglich insoweit anderer Ansicht, als er die Existenz solcher Testreihen für S-Glucosaminsulfat und nur für dieses angenommen hat. Auch der Sachverständige U hat indessen ausgeführt, dass solche Testreihen mit einem signifikanten Ergebnis im vorbezeichneten Sinne nicht für Glucosaminsulfat anderer Hersteller existieren, und dass die Frage, ob Glucosamin in einer oralen Dosis von weniger als 1.500 mg pro Tag wirksam sei, offen bleiben müsse, weil niedrigere Dosierungen bis heute in kontrollierten Studien nicht untersucht worden seien. Im übrigen waren beide Sachverständige der gemeinsamen Auffassung, dass die Aufbereitungsmonographie aus dem Jahr 1992 angesichts der zwischenzeitlichen Forschungsentwicklung überholt sei.

Kann demnach von einer therapeutischen Wirksamkeit des von der Beklagten angebotenen Glucosaminsulfats nicht ausgegangen werden, besteht auch in diesem Rechtsstreit im Ergebnis keinerlei Grund zu der Annahme, die als Nahrungsergänzungsmittel angebotenen Produkte "Glucosaminsulfat" der Beklagten könnten aus Sicht des Verbrauchers die objektive Zweckbestimmung eines Arzneimittels haben. Vielmehr wäre nach dem von Prof. Dr. U referierten derzeitigen Erkenntnisstand eine etwa von der Beklagten beantragte Zulassung ihres Produktes als Arzneimittel zu versagen, da bislang ein Wirksamkeitsbeleg nicht existiert.

3.

Die auch im vorliegenden Rechtsstreit geäußerte Auffassung der Klägerin, in dem Fall, dass die beiden Produkte der Beklagten als Nahrungsergänzungsmittel anzusehen seien, seien diese dennoch nicht verkehrsfähig, weil der Wirkstoff Glucosaminsulfat dann als Zusatzstoff im Sinne des § 2 Abs. 1 LMBG zu qualifizieren wäre, dessen Verwendung nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 LMBG verboten sei, trifft weiterhin nicht zu. Denn wenn die beiden Glucosaminprodukte der Beklagten Nahrungsergänzungs- und damit die Lebensmittel selbst sind, die der Verbraucher ggf. zu sich nimmt, ist es bereits begrifflich ausgeschlossen, dieses Glucosamin zugleich als Zusatzstoff anzusehen.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof. Es handelt sich vielmehr um eine der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abgrenzung von Arznei- und Lebensmitteln Rechnung tragende, maßgeblich auf tatrichterlichem Gebiet liegende Entscheidung im Einzelfall.






OLG Köln:
Urteil v. 15.07.2005
Az: 6 U 103/03


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