Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. September 2005
Aktenzeichen: 17 W (pat) 53/03

(BPatG: Beschluss v. 20.09.2005, Az.: 17 W (pat) 53/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 31. Januar 2002 unter der Bezeichnung "Tastatur" beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung wurde von der Prüfungsstelle für Klasse H01H durch Beschluss vom 29. Januar 2003 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie beantragt sinngemäß, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent zu erteilen mit Patentansprüchen 1 bis 3 vom 2. Dezember 2002, Beschreibung Seiten 1 bis 3 und Bezugszeichenliste sowie 1 Blatt Zeichnung mit einer Figur jeweils vom Anmeldetag.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

1. Tastaturmit einer Tastpunkte (7) aufweisenden Frontfolie (1), wobei die Tastpunkte (7) jeweils von einem stegartigen Rand (8) im Material der Frontfolie (1) vollumfänglich umgeben sind undwobei die Unterseite der Frontfolie (1) unterhalb des stegartigen Randes (8) eine negativstegartige Ausnehmung (10) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest bei einem Teil der Tastpunkte (7) der Tastatur innerhalb des stegartigen Randes (8) ballige Kuppen (9) durch einen zusätzlichen Materialauftrag auf die Frontfolie (1) aufgetragen sind unddass der Übergangsbereich zwischen dem stegartigen Rand (8) und dem darin eingeschlossenen, plattenförmigen Bereich der Frontfolie (1) derart ausgebildet ist, dass dieser eingeschlossene, plattenförmige Bereich der Frontfolie (1) federnd an dem stegartigen Rand (8) aufgehängt ist.

Ihm soll die Aufgabe zugrunde liegen, eine Tastatur mit verbesserten Tastpunkten zu schaffen.

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind unter anderem folgende Druckschriften in Betracht gezogen worden:

1) DE 38 38 842 A1 2) DE 201 04 237 U1 Eine Beschwerdebegründung hat die Anmelderin nicht eingereicht.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und deshalb nach § 4 PatG nicht patentfähig ist.

1. Zulässigkeit des geltenden Anspruchs 1 Der geltende Anspruch 1 ist zulässig. Er geht aus den ursprünglichen Ansprüchen 1, 2, 3 und 5 sowie aus der Beschreibung Seiten 2 und 3 jeweils letzter Absatz in Verbindung mit der einzigen Figur hervor. Insbesondere ist auch das die federnde Aufhängung betreffende Merkmal zulässig, nämlich

"dass der Übergangsbereich zwischen dem stegartigen Rand (8) und dem darin eingeschlossenen, plattenförmige Bereich der Frontfolie (1) derart ausgebildet ist, dass dieser eingeschlossene, plattenförmige Bereich der Frontfolie (1) federnd an dem stegartigen Rand (8) aufgehängt ist".

Dieses Merkmal bedarf zur Beurteilung der Patentfähigkeit jedoch einer Interpretation:

Es geht aus der Beschreibung Seite 2 letzter Absatz hervor. Der Bezug auf den ursprünglichen Anspruch 5 in diesem Absatz und ebenso die einzige zu diesem Merkmal offenbarte gegenständliche Ausbildung gemäß der einzigen Figur und der zugehörigen Beschreibung auf Seite 3 letzter Absatz zeigen eindeutig, dass es hier auf folgende Merkmale ankommt, die bereits im Oberbegriff des Anspruchs 1 aufgeführt sind:

- die Tastpunkte sind jeweils von einem stegartigen Rand im Material der (selbstverständlich elastischen) Frontfolie vollumfänglich umgeben und - die Unterseite der Frontfolie weist unterhalb des stegartigen Randes eine negativstegartige Ausnehmung auf.

Aus diesen beiden Merkmalen ergibt sich im Zusammenwirken mit der balligen Kuppe eine federnde Aufhängung. Während sich bei Druckbeaufschlagung der Bereich der Frontfolie unterhalb der balligen und damit relativ steifen Kuppe nach unten bewegt, wird die dünne, stegartige Randprägung elastisch verformt, kehrt nach Beenden der Druckbeaufschlagung wieder in ihre Ausgangslage zurück und wirkt somit als federnder Puffer.

Eine weitergehende Interpretation des die federnde Aufhängung betreffenden Merkmals, etwa eine besondere Gestaltung des Übergangsbereichs örtlich zwischen dem stegartigen Rand und dem darin eingeschlossenen plattenförmigen Bereich, ist den ursprünglichen Unterlagen nicht zu entnehmen.

2. Neuheit und erfinderische Tätigkeit Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist zwar neu, beruht aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus der Druckschrift 1), Figuren 1 und 5 mit zugehöriger Beschreibung ist eine mehrschichtig aufgebaute Folientastatur bekannt. Die oberste Schicht wird von einer elastischen Frontfolie mit Tastpunkten gebildet; unterhalb der transparenten, in 1) als Sichtfenster 2 bezeichneten Tastpunkte werden Beschriftungsstreifen 5 bzw.18 eingeschoben. Im weiteren Schichtaufbau folgt eine Schutzfolie 6 sowie unter dieser angebrachte Schnappscheiben. Bei Druckbeaufschlagung eines Tastpunkts bewegen sich die Frontfolie, der Beschriftungsstreifen und die (selbstverständlich elastische) Schutzfolie im druckbeaufschlagten Bereich nach unten; die zugehörige Schnappscheibe schließt einen elektrischen Kontakt, öffnet diesen nach Ende der Druckbeaufschlagung wieder und drückt Schutzfolie, Beschriftungsstreifen und Frontfolie wieder nach oben. Die Tastpunkte sind jeweils von einem stegartigen Rand mit unterseitig negativstegartiger Ausnehmung im Material der Frontfolie vollumfänglich umgeben, wobei der stegartige Rand (rahmenartige Erhöhung 3) gemäß 1) Spalte 3 Zeilen 48 bis 52 zur Begrenzung der Tastfläche dient.

Außerdem ist aus Druckschrift 2), Figuren 1 und 2 und der Beschreibung bekannt, eine folienabgedeckte Tastatur im Bereich der Tastpunkte durch einen zusätzlichen Materialauftrag mit balligen, glasklar durchsichtigen Kuppen zu versehen. Durch diese Maßnahme wird zum einen die Tastbarkeit der Tastpunkte verbessert, was ein blindes Bedienen der Tastatur ermöglicht, vgl. 2) Seite 1 Absätze 3, 5 und 6; zum anderen verbessert sich auch gemäß 2) Seite 2 Absätze 2 und 5 wegen der optischen Linsenwirkung und der klaren Durchsichtigkeit der Kuppen die Ablesbarkeit der Tastenfeldbeschriftung, und die Tastenfelder werden durch die Kuppen fast unzerstörbar durch mechanische Einwirkung.

Der Fachmann, hier ein Techniker mit Erfahrung in der Konstruktion von Folientastaturen, ist immer bestrebt, eine Tastatur möglichst gut ablesbar und mechanisch möglichst stabil und unzerstörbar zu gestalten. Um die aus 1) bekannte Tastatur in dieser Hinsicht zu verbessern, wird er dort die Tastpunkte, die jeweils innerhalb eines stegartigen Randes 3 und oberhalb eines Beschriftungsstreifens 18 angeordnet sind, gemäß der aus 2) entnehmbaren Lehre - also zur Verbesserung der Ablesbarkeit der Beschriftung - durch einen zusätzlichen Materialauftrag mit balligen Kuppen versehen. Bei Druckbeaufschlagung einer der balligen Kuppen bewegt sich dann der Bereich der Frontfolie 2 unterhalb der balligen und damit relativ steifen Kuppe zusammen mit dem lose eingeschobenen Beschriftungsstreifen 18 und der Schutzfolie 6 nach unten, wobei der dünne, stegartig ausgebildete Randbereich elastisch verformt wird und nach Beenden der Druckbeaufschlagung wieder in seine Ausgangsstellung zurückkehrt, somit als federnde Aufhängung des mit der balligen Kuppe versehenen Bereichs wirkt. Da der Fachmann diese einer Materialermüdung bei häufiger Belastung entgegenwirkende, vorteilhafte Federwirkung des stegartigen Randes in 1) quasi mitliest, obwohl sie dort nicht explizit angesprochen ist, wird er den stegartigen Rand beibehalten, auch wenn er allein zum Zwecke der Tastbarkeit der Tastpunkte nach Ausbildung der balligen Kuppe nicht mehr erforderlich wäre.

Hiermit gelangt der Fachmann unmittelbar zum Gegenstand des Anspruchs 1, vgl. auch die Ausführungen unter "Zulässigkeit des geltenden Anspruchs 1", insbesondere zur Interpretation des die federnde Aufhängung betreffenden Anspruchsmerkmals.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ergibt sich somit in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik. Der Patentanspruch 1 ist demnach nicht gewährbar.

Da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann, sind auch die abhängigen Patentansprüche 2 und 3 nicht gewährbar (BGH in GRUR 1997, 120 "Elektrisches Speicherheizgerät").

Bei dieser Sachlage war die Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen.

Dr. Fritsch Dr. Thum-Rung Schuster Eder Ju






BPatG:
Beschluss v. 20.09.2005
Az: 17 W (pat) 53/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/aa34f302f9d2/BPatG_Beschluss_vom_20-September-2005_Az_17-W-pat-53-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share