Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Juli 2003
Aktenzeichen: 27 W (pat) 211/00

(BPatG: Beschluss v. 01.07.2003, Az.: 27 W (pat) 211/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. Februar 2000 aufgehoben.

Der Widerspruch aus der Marke 396 09 464 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 30. Mai 1998 veröffentlichte Eintragung der Wortmarke 397 57 549 infoplanfür "Informations- und Kommunikationssysteme, im wesentlichen bestehend aus Software für die multimediale Informationsverwaltung über Medien jeder Art, insbesondere für Computer- und Multimedia-Produkte wie EDV-Hard- und -Software, für Kombinationen aus Hard- und Software, für Telekommunikation sowie für Internet und Intranet; Bücher, Broschüren und Prospekte auf dem Gebiet multimedialer Informations- und Kommunikationssysteme, insbesondere auf dem Gebiet von Computer, Computerprogrammen, Telekommunikation sowie Internet und Intranet, wie Bedienungs- und Benutzungsanleitungen, Programmhandbücher sowie anderes schriftliches Begleitmaterial für Programme, Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Werbung, insbesondere Marketing, Marktforschung und Erstellung von Marktanalysen, Unternehmens- und Organisationsberatung sowie Werbung über multimediale Informations- und Kommunikationssysteme, Beratungs- und andere organisatorische und betriebswirtschaftliche Serviceleistungen (soweit in Klasse 35 enthalten); Erbringung von Schulungsleistungen für multimediale Informations- und Kommunikationssysteme; Informationsvermittlung, auch unter Verwendung themenbezogener Software und Druckereierzeugnissen wie Bücher; Planung und Durchführung von Konferenzen, Seminaren, Schulungen, Workshops und verkaufsfördernde Ausstellungen auf dem Gebiet multimedialer Informations- und Kommunikationssysteme, insbesondere Computer, Computerprogramme, Telekommunikation, Computernetzwerke, Sendeeinrichtungen sowie Internet und Intranet; Erbringung von Analyse-, Beratungs-, Projektions-, Konzeptions-, Installations- und anderen technischen Serviceleistungen für Informations- und Kommunikationssysteme für Medien jeder Art" ist Widerspruch eingelegt aus der prioritätsälteren Wortmarke Infowaneingetragen am 21. Mai 1996 unter der Nr 396 09 464 für "Computersoftware (gespeichert) und Computerprogramme (gespeichert) zur Verteilung und Übermittlung elektronischer Informationen in Datennetzen (Messaging) für email, Groupware, Workflow, Datenverarbeitungsgeräte und Computer, Drucker, Scanner, Datenträger, mit Daten und/oder Programmen zur Verteilung und Übermittlung elektronischer Informationen in Datennetzen (messaging) für email, Groupware, Workflow versehene maschinenlesbare Datenträger aller Art, Computerzubehör, nämlich Bildschirme, Taststuren, Laufwerke und Lesegeräte für Speichermedien, Netzwerkkarten, Router; Loseblattwerke, Loseblattbinder, Unterrichts- und Lehrmittel (ausgenommen Apparate); betriebswirtschaftliche Beratung, Organisationsberatung in Geschäftsangelegenheiten, Beratung bei der Organisation und Führung von Unternehmen, Verbreitung von Werbeanzeigen in Computernetzwerken, Vermietung und Vermittlung von Werbeflächen auf elektronische gespeicherten Informationsseiten (homepages) in Computernetzwerken; Schulung, Unterrichtung und Weiterbildung, insbesondere im Bereich der Computersoftware und -hardware, Herausgabe von Texten (ausgenommen Werbetexte); Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung zur Verteilung und Übermittlung elektronischer Informationen in Datennetzen (Messaging) für email, Groupware, Workflow; Design, Aktualisierung und Vermietung von Computersoftware; Computerberatungsdienste; Erstellen von elektronisch gespeicherten Informationsseiten (homepages) für Computernetzwerke". Gegen die Eintragung der Widerspruchsmarke war ein Widerspruchsverfahren anhängig, das nach dem im Register eingetragenen Vermerk am 6. April 1998 endete.

Die Markenstelle für Klasse 9 hat durch Beschluss eines Beamten des höheren Dienstes aufgrund des Widerspruchs die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Zur Begründung ist ausgeführt, der Widerspruchsmarke sei normale Kennzeichnungskraft zuzubilligen. Die einander gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen seien teils identisch, teils hochgradig ähnlich. Den erforderlichen Abstand halte die jüngere Marke in klanglicher Hinsicht nicht ein. Die Marken seien in der Vokalfolge "ioa", in ihrer Silbenzahl und in ihrem Sprech- und Betonungsrhythmus identisch. Die ersten beiden Silben seien völlig identisch. Der einzige Unterschied bestehe am Anfang der dritten Silbe zwischen den Konsonanten "pl" und "w". Hierbei handele es sich beiderseits um klangschwache Laute, so dass eine klare klangliche Unterscheidung erschwert werde.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie meint, die einander gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen stimmten nur teilweise überein; insbesondere genieße die Widerspruchsmarke keinen Schutz für Dienstleistungen der Klasse 37. Die vom Amt an den Abstand der Marken gestellten Anforderungen seien zu hoch. Die Leistungen beider Markeninhaberinnen richteten sich nicht an den Massenverkehr und auch nicht an den Endverbraucher, sondern an vorinformierte Abnehmer qualifizierter Leistungen im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung im Businessto-Business-Verkehr. Die Inhaberin der jüngeren Marke verwende ihre Marke insbesondere für die Verwertung und den Vertrieb einer hochwertigen Softwarelösung im Bereich der Unternehmensplanung. Dagegen biete die Inhaberin der Widerspruchsmarke Leistungen der elektronischen Kommunikation (spezialisiert auf Microsoft Exchange Server), Netzwerkplanung und -management von Windows-NT-Netzwerken, Internet und Intranet sowie Softwareentwicklung für Microsoft Back Office an. Die angesprochenen Verkehrskreise seien damit Anwender mit Kenntnissen EDV-spezifischer Fachbegriffe. Die Begriffe "-plan" und "-WAN" würden in der Fachwelt mit völlig unterschiedlichen Definitionen belegt. "WAN" stehe für "wide area network", also für Netzwerke, in denen Computer- und Peripheriegeräte über große Entfernungen miteinander durch Datenleitungen verbunden seien. Der Begriff "plan" sei im Zusammenhang mit Leistungen für Planungssoftware naheliegend und selbsterklärend. Von einem vorinformierten Anwender würden beide Begriffe nicht miteinander verwechselt.

Der Bestandteil "info" sei in Alleinstellung schutzunfähig und nicht geeignet, den Gesamtcharakter der jeweiligen Marke zu prägen. Unterscheidungskräftig sei allein jeweils der zweite Bestandteil der Marken. Beide Marken seien anhand des unterschiedlichen Druckbildes klar voneinander abzugrenzen. Die Endsilbe "WAN" werde von der Widersprechenden stets in Großbuchstaben verwendet. Es gebe eine Vielzahl von "info"-Marken, vor allem im Bereich der Informationstechnologie. Daher scheide eine Verwechslungsgefahr bereits bei Unterschieden in einzelnen Vokalen oder Konsonanten aus.

Die Widersprechende begehrt die Zurückweisung der Beschwerde. Sie meint, es bestehe Verwechslungsgefahr jedenfalls in klanglicher Hinsicht. Widerspruch sei eingelegt aus der Wortmarke "Infowan". Die unter der Widerspruchsmarke angebotenen Dienstleistungen richteten sich auch an Firmen, die keine größeren Vorkenntnisse im Bereich der EDV- und IT-Branche besäßen. Die einander gegenüberstehenden Marken seien in klanglicher Hinsicht miteinander verwechselbar.

Mit Schriftsatz vom 7. April 2003 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke geltend gemacht. Die Widersprechende hat Benutzungsunterlagen vorgelegt, auf die Bezug genommen wird. Die Markeninhaberin hat in Anbetracht dieser Unterlagen die Einrede der Nichtbenutzung aufrecht erhalten. Hinsichtlich eines Teils der beanspruchten Waren und Dienstleistungen sei eine Benutzung überhaupt nicht belegt; im übrigen sei durch die Art der Benutzung der kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarke verändert, weil sie eine Aufteilung der Marke in die Bestandteile "info" und "WAN" nahe lege.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet, denn die jüngere Marke hält auch in Anbetracht einander gegenüberstehender teilweise identischer Waren und Dienstleistungen zur Widerspruchsmarke einen Abstand ein, der eine markenrechtlich erhebliche Gefahr von Verwechslungen mit ausreichender Sicherheit ausschließt, so dass die Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nicht vorliegen.

Die Gefahr von Verwechslungen ist von mehreren Komponenten abhängig, die miteinander in Wechselbeziehung stehen, und zwar insbesondere von der Ähnlichkeit oder Identität der Marken, der Ähnlichkeit oder Identität der von ihnen erfassten Waren und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd).

Die beiden Marken sind jeweils teilweise für identische Waren und Dienstleistungen eingetragen; soweit keine Identität vorliegt, kam es für die Entscheidung auf die Frage, ob und in welchem Grad eine Ähnlichkeit gegeben ist, nicht an.

Zugunsten der Widersprechenden geht der Senat davon aus, dass die Widerspruchsmarke so, wie sie eingetragen ist, durchschnittliche Kennzeichnungskraft aufweist, wobei allerdings der erste Teil "Info" des Markenworts verbraucht ist, weil es sich insoweit um einen in den Waren- und Dienstleistungsklassen 9, 16, 35, 41 und 42 besonders beliebten Markenbestandteil handelt, der entsprechend häufig (nämlich jeweils mindestens mehrere hundert Mal) in Marken zufinden ist, die für diese Klassen Schutz genießen.

Im Hinblick darauf ist davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise, bei denen es sich um jedenfalls an Informations- und Kommunikationstechnologie Interessierte, vorwiegend sogar um Firmen, die Multimedia-Technologien anwenden (wollen), handelt, besonderes Augenmerk auf die jeweils letzte Silbe der einander gegenüberstehenden Marken legen, sie jedenfalls aber nicht vernachlässigen werden. Hierbei wird diesen fachlich zumindest interessierten Kreisen, die an Marken mit dem Bestandteil "info" auf dem fraglichen Waren- und Dienstleistungsgebiet gewohnt sind, sowohl in schriftbildlicher wie auch in klanglicher Hinsicht der Unterschied im Gesamteindruck der jeweiligen Marken aufgrund des -pl- einerseits und des -w- andererseits nicht entgehen. Dies ergibt sich in schriftbildlicher Hinsicht aufgrund der in der Widerspruchsmarke "Infowan" nicht vorhandenen Unter- und Oberlängen der Buchstaben "pl" in "Infoplan", die mit dem und des auffälligen, breiten Buchstaben "w" keine Ähnlichkeit haben. In klanglicher Hinsicht führen die Unterschiede in der Aussprache des eher harten "pl" im Vergleich zu dem weichen "w" ebenfalls zu einem deutlich unterschiedlichen Gesamteindruck.

Die optische und akustische Unterscheidung der Marken wird im übrigen noch zusätzlich durch den allgemein bekannten Sinngehalt der Endung "plan" der jüngeren Marke erleichtert, die sich dem von Haus aus aufmerksameren Verkehr im Rahmen der Gesamtkombination "Infoplan" ohne weiteres als Hinweis auf Planungssoftware im Bereich Informationstechnologie einprägt. Da er diesen Aussagegehalt bei der Begegnung mit dem Zeichen "Infowan" wiederzufinden sucht, kann ihm die Abweichung in den Endungen umso weniger entgehen, selbst wenn er mit dem Bestandteil "wan" nicht ohne weiteres die begriffliche Vorstellung im Sinne von "Wide Area Network" verbinden sollte.

Da für begriffliche und mittelbare Verwechslungsgefahr keine Anhaltspunkte gegeben sind, war der Beschwerde stattzugeben, ohne dass es noch einer abschließenden Entscheidung darüber bedurft hätte, ob und für welche Waren und Dienstleistungen die - nachdem am 6. April 2003 die Benutzungsschonfrist ablief - gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG zulässig bestrittene Benutzung der Widersprechende glaubhaft gemacht ist. Allerdings könnte fraglich sein, ob bei der Benutzung in der abgewandelten Schreibweise "infoWAN" (ein- oder zweizeilig) der kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarke erhalten ist (§ 26 Abs 3 MarkenG). Denn der Schutz einer Wortmarke erfasst zwar übliche Schreibweisen; hierunter fällt aber wohl kaum der Wechsel zu der Schreibweise eines Worts in teils großen, teils kleinen Buchstaben. Das gilt hier um so mehr, als die Schreibweise "infoWAN", mit der deutlich hervortretenden bekannten Abkürzung für "Wide Area Network", wie sie von der Widersprechenden ausweislich der von ihr vorgelegten Unterlagen benutzt wird, dem eingetragenen Markenwort "Infowan" eine Bedeutung gibt, die in der eingetragenen Form jedenfalls nicht ohne weiteres erkennbar ist und daher die Annahme einer Änderung des kennzeichnenden Charakters der Widerspruchsmarke nahe legen kann.

Hinsichtlich der Kosten verbleibt es bei der Regel des § 71 Abs 1 S 2 MarkenG. Gründe, hiervon abzuweichen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Dr. Schermer Richter Schwarzist wegen Urlaubsgehindert zu unter-

schreiben.

Dr. Schermer Friehe-Wich Pü






BPatG:
Beschluss v. 01.07.2003
Az: 27 W (pat) 211/00


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