Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. Oktober 2003
Aktenzeichen: 32 W (pat) 260/02

(BPatG: Beschluss v. 29.10.2003, Az.: 32 W (pat) 260/02)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 11 - vom 17 Juni 2002 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Anmeldung der Marke PASSflowfür Klasse 1 Chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche, photographische, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke;

Kunstharze im Rohzustand, Kunststoffe im Rohzustand.

Klasse 9 Wissenschaftliche Schifffahrts-, Vermessungs-, elektrische, photographische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und Instrumente, soweit in Klasse 9 enthalten; Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer.

Klasse 11 Reaktoren für chemische Umsetzungen und Trennungen; Syntheseanlagen für chemische Umsetzungen und Reaktionen.

Klasse 42 Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen;

industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen;

Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -softwareist durch Beschluss eines Beamten des höheren Dienstes der Markenstelle für Klasse 11 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. Juni 2002 zurückgewiesen worden, weil es sich bei dem Zeichen um eine beschreibende Angabe i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG handele. "PASSflow" sei als Akronym für "Polymer Assisted Solution Phase Synthesis by flowing through" ein Fachbegriff der organischen Chemie. Dies zeige ein von der Fakultät für Chemie der Universität Hannover unter der Überschrift "Automatisierte Synthese in Lösung mit Mikroreaktoren" veröffentlichter Artikel. Für die Freihaltebedürftigkeit von "PASSflow" sei unerheblich, dass die Anmelderin die Lizenz für das "PASSflow"-Verfahren von dessen Erfinder erhalten habe. Es könne angenommen werden, dass der angemeldete Begriff in Fachkreisen schon bekannt sei, was dafür spreche, dass ihm auch jegliche Unterscheidungskraft fehle. Letztlich könne dies dahingestellt bleiben.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie macht geltend, "PASS-flow" sei ein Phantasiewort und kein allgemeiner Fachbegriff. Das Zeichen sei weder freihaltebedürftig noch fehle ihm die erforderliche Unterscheidungskraft. Der Nachweis, dass die konkret beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit "PASSflow" gekennzeichnet würden, sei nicht erbracht. Einschlägige Fundstellen im Internet bezögen sich alle auf einen Urheber. Unter Wissenschaftlern sei es üblich, ein neues Verfahren mit einem griffigen Begriff - hier z.B. "PASSflow" - zu bezeichnen. Andere Wissenschaftler würden diese Nomenklatur für ein anderes oder ähnliches Verfahren nicht übernehmen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der begehrten Eintragung in das Markenregister steht weder das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), noch das einer Angabe i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.

1) Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (st. Rspr., vgl. BGH, BlPMZ 2002, 85 - Individuelle).

Bei der Bezeichnung "PASSflow" handelt es sich um eine neue Wortbildung, mit der nicht von vornherein ein eindeutiger Begriffsinhalt verbunden ist. Auf Grund der Schreibweise teils in Groß-, teils in Kleinbuchstaben liegt es zwar nicht fern, das Zeichen als Zusammensetzung zweier Wortelemente, nämlich der englischen Wörter "PASS" (etwa i.S.v. passieren, durchlaufen) und "flow" (fliessen) anzusehen. In Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen erscheint der Sinngehalt dieser Wortkombination aber viel zu vage, um ihr einen beschreibenden Gehalt beizumessen. Daran ändert nichts, dass es sich bei den durch die Marke angesprochenen Verkehrskreisen überwiegend um ein fachlich vorgebildetes und mit der Terminologie der organischen Synthesechemie sowie der chemischen Verfahrenstechnik vertrautes Publikum handeln wird.

Mit "PASSflow" verbindet sich auch nicht schon deshalb ein bestimmter Begriffsinhalt, weil es sich dabei um ein aus Anfangsbuchstaben (insoweit nach Art eines Akronyms) sowie einer Anfangssilbe englischer Wörter zusammengesetztes Kurzwort handelt. Dem Markenwort ist schon der Kurzwortcharakter als solcher nicht anzusehen, geschweige denn, von welchen Wörtern das Kurzwort abgeleitet ist.

Selbst wenn Teile des Verkehrs "PASSflow" in Zusammenhang mit einem bestimmten chemischen Verfahren bringen und in der Angabe - selbst bei markenmäßiger Verwendung - ausschließlich eine Sachangabe sehen sollten, kann nicht davon ausgegangen werden, dass es daneben nicht auch andere, keineswegs unerhebliche Verkehrskreise gibt, die das Zeichen - weil ihnen ein relevanter Sachbezug nicht bekannt ist - als Herkunftsangabe verstehen werden. Für ein Verständnis als Marke spricht auch die besondere Schreibweise (teils in Groß-, teils in Kleinbuchstaben). Aus diesem Grund kann dem Zeichen nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

2) Die angemeldete Marke fällt auch nicht unter § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Danach sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen nach Art, Beschaffenheit, Menge, Bestimmung, Wert, geografischer Herkunft, Zeit der Herstellung der Waren bzw. Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale dienen (vgl. BGH GRUR 2002, 64 - Individuelle).

Allein der Umstand, dass es sich bei "PASSflow" um ein Kurzwort handelt, das aus einzelnen Buchstaben bzw. Teilen der englischen Wortfolge "Polymer Assisted Solution Phase Synthesis by flowing through" gebildet ist, hat nicht zur Folge, dass es zur Merkmalsbezeichnung geeignet ist. Abkürzungen - d.h. auch Kurzwörter - sind nur dann gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG schutzunfähig, wenn sie aus sich heraus verständlich sind und von den beteiligten Verkehrskreisen ohne weiteres der betreffenden Beschaffenheitsangabe gleichgesetzt und insoweit verstanden werden können (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 8 Rz. 303 m.w.N.).

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass sich die Angabe "PASSflow" als Fachbegriff für eine bestimmte Technologie etabliert hat. Jedenfalls kann dies nicht allein mit dem von der Markenstelle herangezogenen Beitrag auf der Homepage der Universität Hannover, in dem das "PASSflow"-Konzept von zweien der drei Miterfinder der neuen Technologie erläutert wird, begründet werden. Aus diesem Beitrag ergibt sich nämlich nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit, ob "PASSflow" nicht das Produkt eines bestimmten (nicht genannten) Herstellers ist. In einem weiteren, von der Anmelderin vorgelegten Aufsatz in der Zeitschrift "Angewandte Chemie 2001", 113 ff., mit dem Titel "PASSflow-Synthesen mit funktionalisierten monolithischen Polymer/Gas-Kompositen in Mikroreaktoren" (Autoren sind diesmal alle drei Miterfinder) wird ausdrücklich auf den Hersteller der zu dieser Technik verwandten monolithischen Durchflussreaktoren verwiesen, d.h. auf die hiesige Anmelderin. Dieser Hinweis sowie die wiederholte Erklärung, worum es sich bei "PASSflow" handele, sprechen eher gegen eine generische Verwendung der Bezeichnung.

Auch durch weitere Recherchen konnte die Bezeichnung "PASSflow" nicht als Fachbegriff nachgewiesen werden. So hat die Suchmaschine "Wiley Inter-Science", die Artikel von über eintausend Fachzeitschriften beinhaltet, bei der Eingabe von "PASSflow" lediglich den genannten Zeitschriftenartikel angezeigt. Hingegen ergab eine Gegenprobe mit dem Begriff "Monolith" - ein für die hier in Rede stehende Technik ebenfalls essentieller Begriff - bei derselben Suchmaschine 110 Treffer in den unterschiedlichsten Fachzeitschriften, wobei es sich bei vielen gefundenen Treffern um zur fraglichen Technologie verwandte Themengebieten handelt.

In einigen Internet-Veröffentlichungen wird "PASSflow" markenmäßig verwendet. So heißt es unter http://www.laborpraxis.de/fachartikel/lp_fachartikel_nh_230247.-html: "Der ...online-Synthese-Automat PASSflow vereinigt die Vorteile der Flüssig- und Festphasenchemie". Unter http://www.forschunginniedersachsen.de/seiten-/fue2607.htm, wo die Laborausstattung von einem der Erfinder der "PASSflow"-Technologie beschrieben wird, werden zwei Passflow-Synthesestationen" erwähnt, während das einschlägige Forschungsgebiet mit Begriffen wie "monolithische Mikroreaktoren" bzw. "festphasengestützte organische Synthesen" bezeichnet wird. In der Fundstelle http://www.process.de/fachartikel/pr_fachartikel_436581.html ("....steht mit der PASSflow-Technologie, die in den Chelonith-Mikroreaktoren eingesetzt wird, ein Werkzeug zur Verfügung, ....") stellt nicht nur die Angabe "Chelonith" (möglicherweise eine Zusammensetzung aus dem Fachbegriff "Monolith" und der Herstellerfirma "C..."), sondern auch "PASSflow" eine Herkunftsbezeichnung dar, was daraus ersehen werden kann, dass bei der Beschreibung der Technologie im weiteren Text die Verwendung von Composite-Materialen ohne Verwendung des Begriff "PASSflow" näher beschrieben wird.

Das Zeichen der Anmeldung ist somit weder aus sich heraus zur Beschreibung von Merkmalen der angemeldeten Waren und Dienstleistungen geeignet, noch hat es diese Eignung durch tatsächliche Verwendung als beschreibender Fachbegriff erworben. Es sind auch keine Anhaltspunkte vorhanden, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass sich "PASSflow" künftig zu einem generischen Begriff entwickeln könnte. Nachdem die so bezeichnete Technologie heute ohne Verwendung dieses Begriffs bzw. mit erläuternden Zusätzen und/oder Hinweisen auf dieAnbieterin (d.h. die Anmelderin) beschrieben wird, ist nicht anzunehmen, dass sich daran etwas ändern wird, zumal davon ausgegangen werden kann, dass die Bekanntheit von "PASSflow" als Herstellerhinweis durch den markenmäßigen Gebrauch der Anmelderin noch zunehmen wird.

Winkler Viereck Rauch Hu






BPatG:
Beschluss v. 29.10.2003
Az: 32 W (pat) 260/02


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