Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Juli 2005
Aktenzeichen: 21 W (pat) 20/03

(BPatG: Beschluss v. 25.07.2005, Az.: 21 W (pat) 20/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Patentanmeldung wurde am 17. April 2000 mit der Bezeichnung "Verfahren zur Frequenzauswahl aus den kosmischen Einstrahlungen durch verstellbaren Kondensatorplatten" beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Die Offenlegung ist am 25. Oktober 2001 erfolgt.

Die Prüfungsstelle für Klasse A 61 N hat mit Beschluss vom 15. Januar 2003 aus den Gründen des Bescheides vom 12. September 2000 die Anmeldung zurückgewiesen, da die technische Brauchbarkeit der Erfindung fehle.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Die Anmelderin verfolgt ihre Patentanmeldung mit dem am Anmeldetag eingegangenen einzigen Anspruch weiter.

Dieser Anspruch lautet und Berichtigung eines offensichtlichen Interpretationsfehlers:

"Verfahren zur Frequenzauswahl aus den kosmischen Einstrahlungen durch verstellbare parallele Kondensatorplatten, dadurch gekennzeichnet, daß mit einem verstellbaren Plattenkondensator alle gewünschten Frequenzen aus dem kosmischen Frequenzspektrum von NULL Hertz bis zur Lichtfrequenz eingestellt werden können, bei gleichzeitiger Steigerung der Strahlungsintensität um das 5-fache ohne zusätzliche Energiequelle."

Der Anmelderin wurde am 7. Juni 2005 telefonisch mitgeteilt, dass es nicht nur fraglich sei, ob die Erfindung technisch brauchbar sei, sondern ergänzend, dass die Erfindung in der Anmeldung nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könnte. Auf Anfrage teilte die Anmelderin mit, sie werde die Beschwerde nicht zurückziehen, und erklärte, sie habe kein Interesse an der Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Die Anmelderin stellt sinngemäß den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den Unterlagen vom Anmeldetag zu erteilen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 73 Abs 1, Abs 2 PatG. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg und ist deshalb zurückzuweisen, § 79 PatG, da die Erfindung nicht ausführbar ist, § 34 Abs 4 PatG.

§ 34 Abs 4 PatG bestimmt, dass die Erfindung in der Anmeldung so deutlich und vollständig zu offenbaren ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Danach ist eine Erfindung ausführbar, wenn ein Fachmann anhand der Angaben unter Einsatz seines Fachwissens in der Lage ist, die offenbarte technische Lehre praktisch zu verwirklichen, wobei die Erfindung nicht buchstabengetreu realisierbar sein muss, sondern es ausreicht, dass der Fachmann anhand der Offenbarung das erfindungsgemäße Ziel zuverlässig in praktisch ausreichendem Maße erreichen kann (vgl Busse PatG, 6. Aufl, § 34 Rdn 273; Schulte, PatG, 7. Aufl, § 34 Rdn 364 - jeweils mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung müssen die insoweit erforderlichen Angaben nicht im Patentanspruch selbst enthalten sein, sondern es ist ausreichend, dass sich diese aus der Patentschrift insgesamt ergeben. Auch ist es nicht erforderlich, dass alle denkbaren unter den Wortlaut des Patentsanspruchs fallenden Ausgestaltungen ausgeführt werden können (vgl BGH GRUR 2003, 223, Ls 225; Kupplungsvorrichtung II; BGH GRUR 2004, 47, 48 - blasenfreie Gummibahn I).

2. Es könnte schon als fraglich angesehen werden, ob - wie in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt - die angestrebten Wirkungen mit den angegebenen Mitteln erzielt werden und somit die technische Brauchbarkeit gegeben ist. Darauf braucht im Einzelnen jedoch nicht eingegangen zu werden, denn vorliegend genügen die Unterlagen den Anforderungen hinsichtlich der deutlichen und vollständigen Offenbarung nicht.

Als zuständiger Fachmann ist ein mit der Entwicklung von Einrichtungen zur Erfassung kosmischer Strahlung tätiger Diplom-Physiker anzusehen.

Der geltende Anspruch geht in seinem Oberbegriff aus von einem Verfahren zur Frequenzauswahl aus den kosmischen Einstrahlungen durch verstellbare parallele Kondensatorplatten. Im kennzeichnenden Teil ist dann bezüglich der Auswahl der Frequenzen lediglich ausgeführt, dass alle gewünschten Frequenzen aus dem kosmischen Frequenzspektrum von Null Hertz bis zur Lichtfrequenz mit einem verstellbaren Plattenkondensator eingestellt werden können, wobei es zu einer gleichzeitigen Steigerung der Strahlungsintensität um das 5-fache ohne zusätzliche Energiequelle kommt. Nähere Angaben über den Plattenkondensator und über die Einstellung der gewünschten Frequenz sowie über die Steigerung der Strahlungsintensität enthält der Anspruch nicht.

In der Beschreibung ist zu dieser Frequenzauswahl lediglich zu entnehmen, dass die Kondensatorplatten aufgrund des sogenannten "Casimir-Effektes", zu dem auf eine Patentanmeldung P 35 41 084.1 vom 15. November 1985 Bezug genommen wird, eine Frequenzselektivität bei gleichzeitiger Intensitätsverstärkung durch die sogenannte "Casimir analoge Kraft" ermöglichen. Ergänzend ist in der Beschreibung auf S 2 angegeben, dass bei der Frequenzauswahl nur minuspolige Strahlen abgegeben werden, während am Basisanschluss des Kondensators alle eingehenden pluspoligen Strahlen durch die Phasenumkehr-Eigenschaft der Platten invertiert werden. Schließlich ist zum Plattenkondensator selbst nicht mehr ausgeführt, als dass über zwei Zahnräder eine Übersetzung stattfindet, um die wählbaren Frequenzen auf einer 360-Grad-Skala anzeigen zu können.

Diese Angaben aus dem einzigen Anspruch und der die Seiten 1 und 2 der Anmeldungsunterlagen umgreifenden Beschreibung reichen nach Überzeugung des Senats dem Fachmann nicht aus, das anmeldungsgemäße Frequenzauswahlverfahren durchzuführen. So sind keinerlei Vorgaben ersichtlich, in welcher Richtung der Fachmann zur erfolgreichen Auswahl von Frequenzen der kosmischen Strahlung vorzugehen hat. Dazu bedarf es eines Hinweises über Aufbau und Anschluss des Plattenkondensators sowie über die Einkopplung der kosmischen Strahlung. Hierzu geht im Übrigen auch aus dem anmelderseitigen Schriftsatz vom 17. Dezember 2000, Anlage 1, Punkt 3., insbesondere S 2, hervor, dass es u.a. unverzichtbare Voraussetzung zur erfindungsgemäß angestrebten Erfassung und Verstärkung der Strahlung ist, dass die Platten des Kondensators immer horizontal liegen. Außerdem muss durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden, dass alle Frequenzen aus einem Frequenzspektrum von 0 Hz bis zu Lichtfrequenzen lediglich mit einem verstellbaren Plattenkondensator erfasst bzw. eingestellt werden können. Solche Maßnahmen sind den Anmeldeunterlagen jedoch nicht zu entnehmen.

Zwar muss dem Fachmann nicht in allen Einzelheiten vorgegeben werden, wie er beispielsweise einen Plattenkondensator zum - antennengestützten - Empfang elektromagnetischer Strahlung in der Rundfunktechnik auszubilden hat. So braucht er etwa hinsichtlich der entsprechenden Empfangsfrequenzen keine genauen Angaben über die Abmessung und Anordnung der Kondensatorplatten. Es genügt, ihm die entscheidende Richtung vorzugeben, aufgrund derer er die Vorrichtung nachbilden und eine entsprechende Frequenzauswahl treffen kann. Wie aus den vorstehenden Ausführungen folgt, fehlt diese entscheidende Richtung jedoch sowohl im Patentanspruch als auch in den übrigen Anmeldeunterlagen insgesamt, nämlich ein Anhaltspunkt für die Erfassung von Strahlung aus einem Frequenzbereich von 0 Hz bis zu Lichtfrequenzen mit lediglich einem Plattenkondensator.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Fachmann auch dem Stand der Technik keine Hinweise entnehmen kann, an denen er sich dabei orientieren könnte, wie mit einem Plattenkondensator alle gewünschten Frequenzen aus dem im Anspruch angegebene Frequenzspektrum eingestellt werden sollen. Denn physikalische Grundlage für die beanspruchte Lehre soll das Modell des "Casimir"-Effektes sein, der jedoch lediglich besagt, dass sich zwei parallel ausgerichtete, wenige Mikrometer beabstandete, ungeladene Metallplatten im Vakuum infolge von Quantenfluktuationen anziehen (siehe beispielsweise die Offenlegungsschrift DE 35 41 084 A1, Sp 2 Z 24 bis Sp 3 Z 25 der in der geltenden Beschreibung auf S 1 le Abs genannten Patentanmeldung). Insbesondere kann die DE 35 41 084 A1 keine Hilfe bieten, da dieser Stand der Technik darauf gerichtet ist, ein Verfahren anzugeben, die durch den Casimir-Effekt hervorgerufene Kraft einer Schwankung zu unterwerfen (Sp 3 Z 29 bis Sp 4 Z 51). Ein Hinweis auf den Einfluss von äußerer Strahlung auf den Casimir-Effekt ist darin nirgends zu finden. Erst recht findet sich dort kein Anstoß dahingehend, mit diesem Effekt eine Frequenzselektivität über den im Anspruch 1 angegebenen Frequenzbereich zu verwirklichen (vgl den die Seiten 1 und 2 der Anmeldungsunterlagen umgreifenden Satz).

An dieser Feststellung ändern auch die Ausführungen in den anmelderseitigen Schriftsätzen nichts, denn die darin gemachten zusätzlichen Angaben sind einerseits nicht in den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu finden und können andererseits den Senat nicht davon überzeugen, es würde sich dabei um Maßnahmen handeln, die der Fachmann ohnehin den Anmeldeunterlagen entnehmen würde. Somit führte eine Aufnahme dieser zusätzlichen Angaben zu einer unzulässigen Erweiterung des Gegenstands der Anmeldung, § 38 PatG.

Die Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.

Dr. Winterfeldt Engels Dr. Maksymiw Dr. Häußler Pr






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Beschluss v. 25.07.2005
Az: 21 W (pat) 20/03


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