Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 2. Juli 2009
Aktenzeichen: 4 U 39/09

(OLG Hamm: Urteil v. 02.07.2009, Az.: 4 U 39/09)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 30. Dezember 2008 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag von 300,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basis-zinssatz seit dem 26. August 2008 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Beklagte. Von den Kos-ten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Klägerin 80 % und der Be-klagte 20 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.

Die Klägerin nahm den Beklagten - wegen an ihre Kunden gerichtete Schreiben, mit denen der Klägerin unter Berufung auf ein eingetragenes Geschmacksmusterrecht ihr Vertriebsrecht in Bezug auf die streitgegenständlichen Stufenlagerungswürfel und Venenkissen "streitig gemacht" worden ist - im Verfügungsverfahren LG Bielefeld 17 O 127/08 und im vorliegenden Hauptsacheverfahren auf Unterlassung diverser hierin enthaltener Behauptungen u.a. in Anspruch. Das Landgericht hat den Beklagten mit dem angefochtenen Urteil unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zur Unterlassung und zur Auskunftserteilung verurteilt, die Schadensersatzverpflichtung des Beklagten festgestellt und den Beklagten gemäß Ziff. 5 des Tenors verurteilt, an die Klägerin die Kosten für das zugrunde liegende Abmahnschreiben und für das Abschlussschreiben in Höhe von 1.660,10 € (780,- € + 880,10 €) nebst bezeichneter Zinsen zu zahlen. Für das Abschlussschreiben, um das es nur noch in der Berufung geht, hatte die Klägerin ausgehend von einem Streitwert von 750.000,- € eine 0,65-fache Geschäftsgebühr von 2.434,90 € verlangt. Das Landgericht hat insofern demgegenüber nur einen Wert von 100.000,- € zugrunde gelegt.

Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts und auch der Urteilsbegründung wird auf den Tatbestand (S. 3 ff.) und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (S. 12 ff., S. 16 unter Ziff. 2) Bezug genommen.

Die Klägerin greift das Urteil hinsichtlich der Teilklageabweisung mit der von ihr eingelegten Berufung an, mit der sie hinsichtlich der Kosten für das Abschlussschreiben abändernd eine weitere Zahlung von 1.554,80 € Höhe verlangt. Sie verficht eine Berechung der 0,65-fachen Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 750.000,- € in Bezug auf den erstinstanzlich gestellten Klageantrag zu 5) und hält den Zahlungsanspruch insoweit in Höhe von 2.334,90 € für berechtigt (./. bereits titulierter 880,10 €). Sie meint, das Landgericht sei zu Unrecht von einem Streitwert von insgesamt nur 100.000,- € ausgegangen. Es sei, wie vom Landgericht zunächst zutreffend angenommen, die Zielsetzung verfolgt worden, bezüglich aller Abnehmer nicht vom Beklagten behindert zu werden. Das Landgericht aber habe allein das Interesse der Klägerin, durch den Beklagten nicht am Vertrieb der Produkte an die F-Gruppe nicht behindert zu werden, schon für sich allein betrachtet auf 50.000,- € festgesetzt. Das Landgericht habe sich bei seiner Streitwertfestsetzung in keiner Weise mit den indiziellen Streitwertangaben der Klägerin auseinandergesetzt und nicht berücksichtigt, dass im vorliegenden Hauptsacheverfahren nicht nur die Behinderungen im Verhältnis zur F-Gruppe, sondern auch zu allen anderen Abnehmern streitgegenständlich gewesen seien. Es hätte berücksichtigt werden müssen, dass sich die Tätigkeit der Klägerin auf das Geschäft mit allen großen Handelsketten, insbesondere den Discountern in Deutschland beziehe. Ihr Interesse habe dabei nicht nur Umsatzeinbußen oder Gewinnverluste umfasst. Vielmehr seien weitergehend auch hierdurch verursachte Marktverwirrungs- und Rufschäden sowie die Gefährlichkeit des Wettbewerbsverstoßes zu berücksichtigen. Der Beklagte habe - insoweit unstreitig - gegenüber allen großen Handelsketten (s. Auflistung Bl. 153 f.) mit seinem Formschreiben behauptet, von der Klägerin angebotene Stufenlagewürfel und Venenkissen dürften nur mit seiner Zustimmung an Abnehmer weiterveräußert werden. Durch die unbegründete Schutzrechtsberühmung habe der Beklagte in eklatanter Weise vorsätzlich den vormals guten Ruf der Klägerin geschädigt und neben Umsatzeinbußen auch für eine erhebliche Marktverwirrung gesorgt. Demgemäß beziffere sich allein der Streitwert für das Unterlassungsbegehren auf 500.000,- €. Darüber hinaus habe sie den Streitwert für den Auskunfts- und Feststellungsantrag zutreffend jeweils auf 125.000,- € geschätzt.

Der Beklagte verteidigt demgegenüber das Urteil mit näheren Ausführungen. Er ist der Auffassung, dass ein Ermessensfehler des Landgerichts bei der Bemessung des Streitwerts nicht festzustellen sei. Insbesondere könne die erwartete Beeinträchtigung nicht mit dem Verlust des bezeichneten Auftrags gleichgesetzt werden. Maßgeblich für die Einbuße wäre lediglich der entgangene Gewinn, der sich naturgemäß niedriger darstelle. Auch unter Berücksichtigung der weiteren Versendung des beanstandeten Anschreibens an weitere Kundschaft und der sonstigen Umstände des Streitfalls liege ein fehlerhafte Bemessung des Streitwerts nicht vor.

B.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet und führt abändernd zu einer weiteren Verurteilung des Beklagten in Höhe von 300,30 €. Die Klägerin kann von diesem in dieser Höhe aus § 12 I 2 UWG analog für das Abschlussschreiben eine weitere Zahlung verlangen. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

Die Notwendigkeit des Abschlussschreibens vom 06.08.2008 (Anl. K 8) im Hinblick auf die geltend gemachten Unterlassungs- und Folgeansprüche ergibt sich aus den Gründen des angefochtenen Urteils, das ansonsten von Seiten des Beklagten auch nicht mehr angefochten worden ist.

Die 1,3-fache Gebühr ist richtig und "unstreitig". Dabei ist auszugehen vom vollen Streitwert und nicht nur vom reduzierten Streitwert des Verfügungsverfahrens (vgl. Senat Urt. v. 03.05.2007, Az. 4 U 1/07).

Der maßgebliche Streitwert ist mit 200.000,- € zutreffend bemessen.

Für das Verfügungsverfahren wurde der Streitwert vom Landgericht, bestätigt vom Senat durch Beschluss vom 09.03.2009, für das Unterlassungsbegehren auf 50.000,- € festgesetzt. Dies war gerechtfertigt vor allem vor dem Hintergrund, dass die zunächst angegebenen 500.000,- € deutlich zu hoch erschienen, da dieser Betrag praktisch mit der drohenden Umsatzeinbuße in Bezug auf die Geschäftsverbindung mit der F-Gruppe gleichgesetzt wurde, auch wenn die fraglichen Schreiben an einen noch nicht bekannten weiteren Kundenkreis versandt waren. Letzteres stand dort eher noch im Hintergrund. Die nach Abschluss des Verfügungsverfahrens aufgestellte Angabe der Klägerin, sie habe viel weitergehende Interessen verfolgt, sie habe nämlich durch das Vorgehen des Antragsgegners auch weitere Aufträge mit einem vergleichbaren Auftragsvolumen in Gefahr gesehen und Empfänger dieses Schreibens seien sämtliche in Deutschland tätigen namhaften Discounter gewesen, so ging dies so damals weder aus der Antragsschrift noch aus der eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers H hervor. Dann ergäbe bei rein rechnerischer Betrachtung unter Berücksichtigung der Rechtssprechung des Senats, dass der Streitwert für das Verfügungsverfahren regelmäßig 2/3 des Werts des Hauptsacheverfahrens beträgt, hierfür ein Betrag von rd. 75.000,- oder 80.000,- €, so wie das Landgericht den Streitwert nunmehr festgesetzt hat. Hinzu kämen die nunmehr ebenfalls relevanten Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsansprüche, die das Landgericht zusammen mit weiteren 20.000,- € bemessen hat (= insgesamt 100.000,- €). Indes ist diese Bemessung angesichts des weiteren Vortrags der Klägerin im Hauptsacheverfahren so nicht mehr vollumfänglich zu rechtfertigen. Diese hat nunmehr weitergehend und vor allem auch nachvollziehbar vorgetragen, dass der Beklagte sein Schreiben an alle in Deutschland tätigen namhaften Discounter versandt hat. Aus der mit Schreiben vom 12.02.2009 vorgelegten Liste der angeschriebenen Unternehmen ergibt sich sodann eine sehr beachtliche Anzahl von 58 maßgeblichen Adressaten. Dies war im Rahmen des Verfügungsverfahrens in hinreichender Weise noch nicht erkennbar. Angesichts dieses Umfangs und auch der Gefährlichkeit des Verletzerverhaltens, das der Klägerin ihr Vertriebsrecht entgegen der mit Vergleich vom 29.04.2008 vor dem LG Bielefeld getroffenen Regelung streitig machte und einen erheblichen Marktverwirrungs- und Rufschaden zu verursachen geeignet war, ist insofern nunmehr eine höhere Bewertung in Höhe von 150.000,- € für das Unterlassungsbegehren und von (zusammen) 50.000,- € für die Auskunfts- und Schadensersatzfeststellungsbegehren (= zusammen 200.000,- €) sach- und interessengerecht. Eine Bemessung in Höhe von 750.000,- € erscheint aber nach wie vor nicht gerechtfertigt. Auf erlittene Umsatzverluste bei der F-Gruppe und bei den anderen Kunden kann auch unter Berücksichtung der Gesamtumstände des Falles nach wie vor nicht abgestellt werden.

Danach beträgt die Gebühr nach der RVG-Tabelle 1.431,- € + 5 x 77,- € (385,- €) = 1.816,- €. 0,65 davon sind 1.180,40 €.

Tituliert sind bereits 880,10 €, so dass eine zu zahlende Differenz von 300,30 € verbleibt.

Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus Verzug.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 I, 92 I und 708 Nr. 10 ZPO.

Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, § 543 ZPO.






OLG Hamm:
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