Bundespatentgericht:
Urteil vom 23. Oktober 2003
Aktenzeichen: 4 Ni 37/02

(BPatG: Urteil v. 23.10.2003, Az.: 4 Ni 37/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Urteil vom 23. Oktober 2003 über die Gültigkeit eines europäischen Patents entschieden. Die Klage wurde abgewiesen und die Klägerin muss die Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Urteil kann vorläufig vollstreckt werden, wenn Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages erbracht wird.

In dem zugrunde liegenden Patent geht es um eine Vorrichtung zur Herstellung von Rohren aus thermoplastischem Kunststoff mit Querprofilierung. Das Patent beschreibt eine Transportvorrichtung, die nach Art eines Brückenkranes ausgebildet ist. Sie besteht aus einer Transport-Brücke, zwei Transport-Wagen und Transport-Armen mit Haltevorrichtungen für die Formabschnitts-Hälften. Die Transportvorrichtung ermöglicht eine drehmomentfreie Bewegung der Formabschnitts-Hälften entlang der Formstrecke und erleichtert das Umrüsten auf andere Rohr-Profile oder -Durchmesser.

Die Klägerin hatte argumentiert, dass das Patent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Sie führte verschiedene Druckschriften an, die ähnliche Vorrichtungen beschreiben. Das Gericht kam jedoch zu dem Schluss, dass das Patent neu und erfinderisch ist, da keine der genannten Druckschriften eine Transportvorrichtung nach Art eines Brückenkranes beschreiben. Auch das allgemeine Fachwissen eines Maschinenbauingenieurs würde nicht zur patentgemäßen Lösung führen. Die Klage wurde daher abgewiesen und das Patent bleibt bestehen.

Das Gericht entschied außerdem, dass die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 3 bis 8 ebenfalls Bestand haben. Die Kostenentscheidung basiert auf dem Patentgesetz und der Zivilprozessordnung, und das Urteil kann vorläufig vollstreckt werden.

(Auf Basis des Originaltextes)




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Urteil v. 23.10.2003, Az: 4 Ni 37/02


Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 764 516 (Streitpatent), das am 11. September 1996 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung 195 35 231 vom 22. September 1995 angemeldet worden ist. Das in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deutschen Patentamt unter der Nummer 596 06 539 geführt wird, betrifft eine Vorrichtung zur Herstellung von Rohren aus thermoplastischem Kunststoff mit Querprofilierung. Es umfasst 8 Ansprüche. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Vorrichtung zur Herstellung von Rohren aus thermoplastischem Kunststoff mit Querprofilierung, mit im Anschluss an einen Spritzkopf (7) in zwei einander gegenüberliegenden Reihen angeordneten, im Kreislauf geführten Formabschnitts-Hälften (4, 5), die sich paarweise entlang einer geraden Formstrecke (2) zu einer geschlossenen Hohlform ergänzen, wobei jeder der nicht miteinander verbundenen Formabschnitts-Hälften (4, 5) einer Reihe mittels einer Transportvorrichtung (29) am stromabwärtigen Ende (70) der Formstrecke (2) im wesentlichen quer zur Produktionsrichtung (6) aus der Formstrecke (2) herausgeführt und zum stromaufwärtigen Ende (67) der Formstrecke (2) zurückgeführt und dort wieder in die Formstrecke (2) hineingeführt und an die jeweils in Produktionsrichtung (6) vorlaufende Formabschnitts-Hälfte (4, 5) angesetzt wird, wobei die Transportvorrichtung (29) nach Art eines Brückenkranes ausgebildet ist, der eine in Produktionsrichtung (6) verfahrbare, die Formstrecke (2) übergreifende Transport-Brücke (34), zwei auf der Transport-Brücke (34) angeordnete, quer zur Produktionsrichtung (6) und gegensinnig zueinander verfahrbare Transport-Wagen (44, 45) und an jedem Transport-Wagen (44,45) einen nach unten zur Grundplatte (1) gerichteten Transportarm (53) mit einer Haltevorrichtung (54) für je eine Formabschnitts-Hälfte (4,5) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die paarweise zu einer Hohlform ergänzten Formabschnitts-Hälften (4, 5) auf der geraden Formstrecke (2) auf einer Grundplatte (1) verschoben, mittels Führungsleisten (12, 13) geführt und zusammengehalten und mittels eines am stromaufwärtigen Ende angeordneten Antriebsritzels (8) angetrieben werden, das in ein an den Formabschnitts-Hälften (4, 5) ausgebildetes Zahnprofil (10) eingreift und dass jede Haltevorrichtung (54) der nur einen Transport-Brücke (34) mit einer Spannvorrichtung (57) zur Verriegelung mit einer Formabschnitts-Hälfte (4, 5) am stromabwärtigen Ende (70) der Formstrecke (2) und zur Freigabe der Formabschnitts-Hälften (4, 5) am stromaufwärtigen Ende (67) der Formstrecke (2) versehen ist.

Wegen der weiter angegriffenen, unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 3 bis 8 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Die Klägerin behauptet, die Lehre des Streitpatents beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Zur Begründung beruft sie sich auf folgende Druckschriften:

WO 94/07673, entsprechend DE 692 22 188 T2 (nachveröffentlicht)

EP 0 007 556 B1 EP 0 270 694 A1 EP 0 628 397 A2 DE 38 18 757 C2 EP 0 418 319 B1 DE 40 21 330 C2 DE 41 11 889 C2 DE 35 32 667 C2 US 4 998 442 GB 2 179 322 A SU 11 35 637 A US 5 016 407 EP 0 363 178 B1 CN 1052360 A Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 764 516 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Ansprüche 1 und 3 bis 8 für nichtig zu erklären.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten und hält das Streitpatent für bestandsfähig.

Gründe

Die zulässige Klage, mit der der in Art II § 6 Absatz 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Absatz 1 lit a EPÜ iVm und Art 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist unbegründet.

I Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zur Herstellung von Rohren aus thermoplastischem Kunststoff mit Querprofilierung. Nach der Patentbeschreibung sind im Stand der Technik verschiedene Vorrichtungen der im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 beschriebenen Art bekannt, die man in ihrem Aufbau vereinfachen und stabiler gestalten könne. Durch die patentgemäße Ausgestaltung der Transportvorrichtung nach Art eines Brückenkrans mit den zugeordneten Transport-Wagen und Transportarmen werde das gesamte System drehmomentenfrei, dh es träten keine Verkantungskräfte auf, die durch konstruktive Maßnahmen aufgefangen werden müssten. Auch ein Umrüsten auf die Herstellung von Rohren anderer Querprofilierungen bzw. anderen Durchmessers sei sehr einfach.

Patentanspruch 1 beschreibt demgemäß

1. Vorrichtung zur Herstellung von Rohren aus thermoplastischem Kunststoff mit Querprofilierung, 1.1 mit einem Spritzkopf, 1.2 mit Formabschnitts-Hälften (4, 5), die 1.3 in zwei einander gegenüberliegenden Reihen angeordnet sind, 1.4 im Kreislauf geführt sind und 1.5 sich paarweise entlang einer geraden Formstrecke zu einer geschlossenen Hohlform ergänzen, wobei 1.6 die sich ergänzenden Formabschnitts-Hälften (4, 5) auf der geraden Formstrecke (2) auf einer Grundplatte (1) verschoben, 1.7 mittels Führungsleisten (12, 13) geführt und zusammengehalten und 1.8 mittels eines am stromaufwärtigen Ende angeordneten Antriebsritzel (8) angetrieben sind, das in ein in den Formabschnitts-Hälften (4, 5) ausgebildetes Zahnprofil (10) eingreift;

2. mit einer Transportvorrichtung (29) für jede der nicht miteinander verbundenen Formabschnitts-Hälften, 2.1 die Formabschnitts-Hälften sind in einer Reihe angeordnet, 2.1.1 am stromabwärtigen Ende (70) der Formstrecke (2) werden die Formabschnitts-Hälften im Wesentlichen quer zur Produktionsrichtung (6) aus der Formstrecke (2) herausgeführt, 2.1.2 zum stromaufwärtigen Ende (67) der Formstrecke zurückgeführt und 2.1.3 dort wieder in die Formstrecke (2) hineingeführt und 2.1.4 an die jeweils in Produktionsrichtung (6) vorlaufende Formabschnitts-Hälfte (4, 5) angesetzt;

2.2 die Transporteinrichtung ist nach Art eines Brückenkranes ausgebildet, die 2.2.1 eine in Produktionsrichtung (6) verfahrbare, die Formstrecke (2) übergreifende Transport-Brücke (34), sowie 2.2.2 zwei auf der Transport-Brücke angeordnete, quer zur Produktionsrichtung (6) und gegensinnig zueinander verfahrbare Transport-Wagen (44, 45) und 2.2.3 an jedem Transport-Wagen (44, 45) einen nach unten zur Grundplatte (1) gerichteten Transport-Arm (53) mit einer Haltevorrichtung (54) für je eine Formabschnitts-Hälfte (4, 5) aufweist, wobei 2.2.4 jede Haltevorrichtung (54) der nur einen Transport-Brücke (34) mit einer Spannvorrichtung (57) zur Verriegelung mit einer Formabschnittshälfte (4, 5) am stromabwärtigen Ende (70) der Formstrecke (2) sowie zur Freigabe der Formabschnitts-Hälften (4, 5) am stromaufwärtigen Ende (67) der Formstrecke (2) versehen ist.

II 1. Die aufgrund ihrer Zweckbestimmung ohne Zweifel gewerblich anwendbare Vorrichtung zum Herstellen von Rohren aus thermoplastischem Kunststoff mit Querprofilierung nach dem verteidigten Patentanspruch 1 hat gegenüber dem im Verfahren befindlichen druckschriftlichen Stand der Technik als neu zu gelten, denn nach keiner dieser Druckschriften wird eine Transporteinrichtung nach Art eines Brückenkranes eingesetzt, an dem zwei Transportwagen zum Bewegen einzelner Formabschnittshälften vorgesehen sind.

So werden bei Vorrichtung nach der WO 94/07673 A1 in der Transportvorrichtung für die Formhälften keine einzelnen Formhälften sondern Gruppen transportiert. Bei den Vorrichtungen zum Herstellen von Rohren nach der EP 0 007 556 A2, EP 0 270 694 A1 und der EP 0 628 397 A2 sind keine Transportvorrichtungen nach Art eines Brückenkranes vorgesehen.

Die von der Klägerin zum Stand der Technik genannten Druckschriften betreffen ganz allgemein Industrieroboter zum Handhaben von technischen Teilen, jedoch keine Vorrichtungen zum Herstellen von Rohren aus thermoplastischen Kunststoffen. Die Klägerin zieht die Neuheit der Lehre des Streitpatents auch nicht in Zweifel.

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Bei der Herstellung von Rohren aus thermoplastischem Kunststoff mit Querprofilierung werden je zwei Formabschnittshälften, die in zwei gegenüberliegenden Reihen angeordnet sind und im Kreislauf geführt werden, nach dem Spritzkopf zusammengeführt und bilden damit den Formhohlraum für das herzustellende Rohr mit Querprofilierung. Nach einer ausreichenden Kühlung des thermoplastischen Kunststoffes und damit der Formstabilität des Rohres werden die beiden Formabschnitts-Hälften voneinander getrennt und wieder zum Spritzkopf zurückgeführt. Da immer größere Rohrdurchmesser gefordert werden, werden auch die Formabschnitts-Hälften immer größer und damit schwerer. Die beim Stand der Technik eingesetzten Schlitten oder Greifarme sind bei größer werdenden Formhälften infolge der ansteigenden Kräfte einem höheren Biegemoment ausgesetzt, was zu höherem Verschleiß und ungleichmäßigem Rücklauf der Formabschnittshälften führt. Sofern Schlitten eingesetzt werden, die an einem Portal und an einer Bodenplatte befestigt sind, befinden sich im Rücklauf mehrere Formen, was zu einer unwirtschaftlichen Betriebsweise der Rohranlage führt. Um diese Nachteile zu vermeiden, wird nach der Lehre des Streitpatents die Transporteinrichtung in der Art eines Brückenkranes ausgebildet, dh dass sie eine in Produktrichtung verfahrbare, die Formstrecke übergreifende Transportbrücke aufweist, auf der zwei quer zur Produktionsrichtung und gegensinnig zueinander verfahrbare Transportwagen vorhanden sind, an denen Haltevorrichtungen für je eine Formabschnittshälfte angeordnet sind. Durch diese Ausgestaltung wird das System weitgehend drehmomentenfrei, dh es treten keine Verkantungskräfte auf, die durch konstruktive Maßnahmen aufgefangen werden müssen (Sp 3, Z 35 bis 41).

Für diese Maßnahme vermittelt der aufgezeigte Stand der Technik dem Durchschnittsfachmann, einem auf dem Gebiet der Kunststofftechnologie versierten Maschinenbauingenieur (FH), der ausreichende Kenntnisse in der Fertigungstechnik von Rohranlagen besitzt, keine Anregungen.

In der EP 0 007 556 B1, von der beide Parteien als nächstkommendem Stand der Technik ausgehen, ist eine Vorrichtung zur Herstellung von Rohren aus thermoplastischen Kunststoff mit Querprofilierung beschrieben, die folgende Merkmale aufweist:

1.1 einen Spritzkopf, 1.2 Formabschnitts-Hälften, die 1.3 in zwei einander gegenüberliegenden Reihen angeordnet sind, 1.4 im Kreislauf geführt sind und 1.5 sich paarweise entlang einer geraden Formstrecke zu einer geschlossenen Hohlform ergänzen, wobei 1.6 die sich ergänzenden Formabschnitts-Hälften auf der geraden Formstrecke auf einer Grundplatte verschoben, 1.7 mittels Führungsleisten geführt und zusammengehalten und 1.8 mittels eines am stromaufwärtigen Ende angeordneten Antriebsritzel angetrieben sind, das in ein in den Formabschnitts-Hälften ausgebildetes Zahnprofil eingreift.

Ferner ist bei der bekannten Vorrichtung zum Transport der Formabschnitts-Hälften vorgesehen:

2. eine Transport Transportvorrichtung für jede der nicht miteinander verbundenen Formabschnitts-Hälften, wobei die 2.1 Formabschnitts-Hälften in einer Reihe angeordnet sind, 2.1.1 am stromabwärtigen Ende der Formstrecke im Wesentlichen quer zur Produktionsrichtung (6) aus der Formstrecke (2) herausgeführt, 2.1.2 zum stromaufwärtigen Ende der Formstrecke zurückgeführt und 2.1.3 dort wieder in die Formstrecke hineingeführt und 2.1.4 an die jeweils in Produktionsrichtung vorlaufende Formabschnitts-Hälfte angesetzt werden.

Als Transporteinrichtung zum Zurückführen der Formabschnittshälften wird ein Schlitten eingesetzt, an dem ein Schwenkarm ausgebildet ist, an dessen freiem Ende ein Koppelorgan zur lösbaren Ankoppelung je einer Formabschnittshälfte angeordnet ist. Der Schlitten ist mittels einer Laufschiene, die an einer Grundplatte angeordnet ist verschiebbar geführt. Mit dieser Transportvorrichtung ist immer eine Formabschnittshälfte im Rücklauf, so dass nur eine sehr begrenzte Anzahl von teuren Formabschnitts-Hälften bereitgehalten werden muss. Eine Transportvorrichtung in der Art eines Brückenkranes ist hier weder beschrieben noch vorgesehen, so dass der Fachmann hieraus keinen Hinweis auf die patentgemäße Lösung nehmen kann.

Selbst wenn der Fachmann erkennt, dass bei größeren und damit auch schwereren Formabschnittshälften die bereits beschriebenen Probleme auftreten, nämlich dass die Biegemomente, die auf den Schwenkarm und damit auf die Laufschiene wirken, zu einem erhöhten Verschleiß führen, kann er in der WO 94/07673 A1 nicht den entscheidenden Hinweis finden. Aus dieser Druckschrift ist eine 1. Vorrichtung zur Herstellung von Rohren aus thermoplastischem Kunststoff mit Querprofilierung bekannt, 1.1 mit einem Spritzkopf, 1.2 mit Formabschnitts-Hälften die 1.3 in zwei einander gegenüberliegenden Reihen angeordnet sind, 1.4 im Kreislauf geführt sind und 1.5 sich paarweise entlang einer geraden Formstrecke zu einer geschlossenen Hohlform ergänzen, 2. mit einer Transportvorrichtung (29) für jede der nicht miteinander verbundenen Formabschnitts-Hälften, wobei 2.1 die Formabschnitts-Hälften in einer Reihe angeordnet sind, 2.1.1 am stromabwärtigen Ende (70) der Formstrecke (2) werden die Formabschnitts-Hälften im Wesentlichen quer zur Produktionsrichtung (6) aus der Formstrecke (2) herausgeführt, 2.1.2 zum stromaufwärtigen Ende (67) der Formstrecke zurückgeführt, 2.1.3 dort wieder in die Formstrecke (2) hineingeführt und 2.1.4 an die jeweils in Produktionsrichtung (6) vorlaufende Formabschnitts-Hälfte (4, 5) angesetzt.

Die in dieser Druckschrift beschriebene Transportvorrichtung für die Formabschnitts-Hälften weist einen Rahmen auf, an dessen oberen Traversen Laufschienen angeordnet sind. Ferner ist der Rahmen mit Bodenschienen versehen. Auf den Bodenschienen ist ein erster oder unterer Formschlitten angebracht, der eine erste Gruppe von Formabschnitts-Hälften trägt und auf dem die Gruppe von Formabschnitts-Hälften quer zur Produktionsrichtung verfahrbar gelagert ist. Auf den oberen Schienen ist ein oberer oder zweiter Formschlitten angeordnet, der hängend an zwei Querträgern befestigt ist. Diese Querträger sind in Längsrichtung auf den oberen Schienen verfahrbar. Der zweite oder obere Formschlitten trägt eine zweite Gruppe von Formabschnitts-Hälften, wobei diese Gruppe von Formabschnitts-Hälften innerhalb des Formschlittens quer zur Produktionsstrecke verfahrbar ist. Die entsprechende Gruppe von Formabschnitts-Hälften ist mit dem zugehörigen Transportschlitten auch stetig verbunden. Dadurch dienen die Schlitten nicht nur dazu die Formabschnitts-Hälften nach dem Formungsprozess zurückzutransportieren, sondern auch dazu, die Formstrecke zu bilden, wobei bei geschlossener Form die Zuhaltekräfte allein durch die auf den jeweiligen Schlitten angebrachten Pneumatikzylinder aufgebracht werden. Führungsleisten zum Zusammenhalten der Formabschnitts-Hälften während des Formungsprozesses sind nicht vorgesehen (Merkmal 1.7). Die Formungsstrecke wird im Gegensatz zu der Vorrichtung nach dem Streitpatent immer abwechselnd von der ersten oder der zweiten Gruppe von Formabschnitts-Hälften gebildet.

Sollte der Fachmann aus dieser Druckschrift den Hinweis erhalten, dass Formabschnitts-Hälften hängend in einer Transportbrücke transportiert werden können, führt auch dies nicht zum Gegenstand des Patentanspruchs 1, denn gemäß der Lehre nach der WO 94/07673 A1 ist an einem Schlitten ein Rahmen angeordnet, in dem mehrere Formabschnitts-Hälften (drei pro Seite) geführt sind. Durch diese symmetrische Anordnung können auch keine Biegemomente an den Querträgern auftreten. Auch sind die Formabschnittshälften im Gegensatz zum Streitgegenstand fest im Rahmen bzw. im Schlitten angeordnet, und sind somit nicht lösbar mit einem Haltearm verbunden. Der Fachmann müsste also erst die Gruppen von Formabschnitts-Hälften vereinzeln und diese einzelnen Formabschnitts-Hälften lösbar einem einzig dem Rücktransport dienenden Haltearm zuordnen. Zudem wäre der untere Schlitten zu entfernen. Auch dient der jeweilige Schlitten nicht einzig dem Rücktransport von einzelnen Formabschnitts-Hälften, sondern transportiert die geschlossenen Formabschnitts-Hälften durch die Formungsstrecke. Bei der Vorrichtung nach der WO 94/07673 A1 fährt nur ein Wagen (Schlitten) auf den oberen Laufschienen. Beim Streitgegenstand sind an der Transportbrücke zwei Transport-Wagen angeordnet, die gegensinnig zueinander und quer zur Produktionsrichtung verfahrbar sind und damit heben sich die Biegemomente gegensinnig auf. Dies ist bei der Vorrichtung nach der WO 94/07673 A1 nicht der Fall, so dass die Lehre der WO 94/07673 A1 vom Streitgegenstand wegführt.

Nach alledem kann der Fachmann aus dieser Druckschrift keinen Hinweis auf die Transportvorrichtung nach Art eines Brückenkranes erhalten. Auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens eines Durchschnittsfachmannes und unter Kenntnis der Vorrichtung nach der EP 0 007 556 B1 kann er nicht zur patentgemäßen Lösung zu gelangen, da die beiden Vorrichtungen vollständig unterschiedliche Transportmöglichkeiten für die Formabschnitts-Hälften beschreiben.

Die in der EP 0 270 694 A1 und EP 0 628 397 A2 beschriebenen Vorrichtungen zum Transport der Formabschnitts-Hälften können keinen Hinweis auf die patentgemäße Lösung geben, da hier keine Transportvorrichtungen nach Art eines Brückenkranes vorhanden sind.

Der weitere noch im Verfahren befindliche Stand der Technik war nicht mehr Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wie bereits aus dem Neuheitsvergleich ersichtlich, liegt dieser vom Patentgegenstand weiter ab und vermag diesen auch nicht nahelegen.

Der Patentanspruch 1 hat somit Bestand.

Die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen, angegriffenen Unteransprüche 3 bis 8 haben als Ausgestaltungen mit jenem Bestand, sie werden durch ihre Rückbeziehungen mitgetragen, ohne dass es hierzu weiterer Feststellungen bedürfte (vgl BPatGE 34, 215).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.

Dr. Schwendy Dr. Huber Schuster Gießen Kuhn Be






BPatG:
Urteil v. 23.10.2003
Az: 4 Ni 37/02


Link zum Urteil:
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