Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 23. Juni 2010
Aktenzeichen: 12 O 313/09

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,

im Geschäftsbetrieb für Dienstleistungen mit privaten Kunden die folgenden oder inhaltsgleiche Klauseln zu verwenden:

Kapitel 2. A.: "Vom Kunden ausgeführte Kartenverfügungen über Limit: 4,- EUR"

Kapitel 2. A.: "Ausgeführte Aufträge über das Limit hinaus: je 4,- EUR".

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 214,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 22. September 2009 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,-- €.

Tatbestand

Der Kläger beanstandet mit seiner Klage nach dem Unterlassungsklagegesetz (UKlaG) Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten.

Der Kläger ist eine qualifizierte Einrichtung im Sinne des § 4 UKlaG.

Die Beklagte bietet als Kreditinstitut Verbrauchern Girokonten an. In ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis Stand Juli 2009 (Anlage K 1), auf das Bezug genommen wird, verwandte sie unter "2. Girokonten A. Kontentypen" die Klauseln "Vom Kunden ausgeführte Kartenverfügungen über Limit: 4,- EUR" und "Ausgeführte Aufträge über das Limit hinaus: je 4,- EUR".

Des weiteren finden sich zu den verschiedenen Kontomodellen unter 2. A. 1. bis 5. unterschiedliche Regelungen zum Zinssatz bei Dispositionskrediten und bei Überziehungen. Beim Kontomodell "A." (2. A. 1.) beträgt der "Zinssatz für vereinbarte Dispositionskredite" 9,74% p.a. bis 1.000,- EUR und 11,74% p.a. über 1.000,- EUR; für "Überziehungen ohne vorherige Vereinbarung" ist ein Zinssatz von 11,74% p.a. ausgewiesen. Bei den Kontomodellen "B." (2. A. 2.), "C. Girokonto mit Einzelabrechnung" (2. A. 3.) und "C. Starterkonten" (2. A. 4.) ist ein "Zinssatz für Dispositionskredite" von 16,99% p.a. angegeben. Für das Kontomodell "C. at Work" (2. A. 5.) beträgt der "Zinssatz für vereinbarte Dispositionskredite" 10,99% p.a. bis 1.000,- EUR und 12,99% p.a. über 1.000,- EUR und für "Überziehungen ohne vorherige Vereinbarung" 12,99% p.a..

Der Kläger hält die im Tenor aufgeführten AGB-Klauseln für unvereinbar mit § 307 BGB i. V. m. § 1 UKlaG.

Er hat die Beklagte daher mit Schreiben vom 24.06.2009 erfolglos abgemahnt. Die geltend gemachten Abmahnkosten des Klägers in Höhe von 214,-- € wurden ebenfalls nicht ausgeglichen.

Der Kläger ist der Auffassung, es handele sich um eine kontrollfähige Preisnebenabrede. Diese sei unzulässig, weil keine zusätzliche Leistung erbracht werde, diese aber jedenfalls im Interesse der Beklagten läge und daher Kunden nicht in Rechnung gestellt werden könnte. Selbst wenn diese im Interesse der Kunden wäre, läge eine unzulässige Benachteiligung vor, weil die Anwendung in vielen Fällen, nämlich bei einer nur geringfügigen Überziehung, zu einer sittenwidrigen Belastung der Kontoinhaber führe. Schließlich verstießen die Klauseln auch gegen das Transparenzgebot.

Die den Klauseln zugrunde liegende Tätigkeit zerfalle in zwei Teilleistungen, zum einen den Geldtransport und zum anderen die Einräumung eines Darlehens. Die mit dem Geldtransport zusammenhängenden Leistungen seien bereits gesondert in Kapitel 2. A. bepreist. Das Entgelt könne daher allenfalls eine Gegenleistung für die zeitlich begrenzte Kapitalüberlassung sein.

Es sei davon auszugehen, dass die Beklagte sogenannte "Schattenlimits" einrichte und daher vielfach keine einzelfallbezogene Prüfung der Überziehung stattfinde. Selbst eine manuelle Prüfung der Zahlungsvorgänge sei aber eine allein im Interesse der Beklagten liegende Bonitätsprüfung.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,

im Geschäftsbetrieb für Dienstleistungen mit privaten Kunden die folgenden oder inhaltsgleiche Klauseln zu verwenden:

Kapitel 2. A.: "Vom Kunden ausgeführte Kartenverfügungen über Limit: 4,- EUR"

Kapitel 2. A.: "Ausgeführte Aufträge über das Limit hinaus: je 4,- EUR";

die Beklagte weiter zu verurteilen, an den Kläger 214,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Veranlassung einer Kartenverfügung bzw. die Erteilung von Aufträgen, die zu einer Belastung des Girokontos über das Limit hinaus führen, stellten einen Antrag des Kunden auf Inanspruchnahme dieser Leistungen dar. Dieser Antrag werde ggf. stillschweigend durch Ausführung von der Beklagten angenommen. Da eine gesetzliche oder gesetzähnliche Pflicht, Überschreitungen des Kreditrahmens zuzulassen, nicht bestehe, handele es sich um eine zusätzliche Leistung der Bank, die Klauseln beträfen mithin ein Entgelt für eine Zusatzleistung und stellten eine Preishauptabrede dar. Es sei in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass für eine Überziehung ein Entgelt verlangt werden könne; der Beklagten sei nicht vorgeschrieben, sich dies durch einen höheren Zinssatz abgelten zu lassen, sondern sie könne auch ein Pauschalentgelt verlangen.

Die Klageschrift ist am 22. September 2009 zugestellt worden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der im Tenor aufgeführten Geschäftsbedingungen zu, da die Beklagte diese verwendet hat und sie in der gewählten Form nach § 307 BGB unwirksam sind. Darüber hinaus steht dem Kläger ein Zahlungsanspruch aus § 12 Abs. 1. Satz 2 UWG i. V. m. § 5 UKlaG zu.

Der Kläger ist klagebefugt, § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG. Er ist als qualifizierte Einrichtung in die Liste gemäß § 4 UKlaG eingetragen.

Die streitgegenständlichen Klauseln sind unwirksam, denn sie benachteiligen die Kunden der Beklagten in unangemessener Weise.

Die angegriffenen Klauseln im Preis- und Leistungsverzeichnis der Beklagten zu Entgelten für vom Kunden ausgeführte Kartenverfügungen über Limit und ausgeführte Aufträge über das Limit sind Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach dieser Vorschrift sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. So liegt es hier.

Die angegriffenen Klauseln sind gemäß § 307 Abs. 3 BGB kontrollfähig. Denn die angegriffenen Klauseln sind nach der im Verbandsklageverfahren anzuwendenden kundenfeindlichsten Auslegung (vgl. BGH NJW 2003, 1237 [1238f.]) weder Bestimmungen über den Preis der vertraglichen Hauptleistung, noch Klauseln über das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung, sondern kontrollfähige Preisnebenabreden.

Die Auffassung der Beklagten, die Entgelte bezögen sich auf eine gesondert zu entgeltende Zusatzleistung, teilt die Kammer nicht. Denn bereits nach dem Wortlaut der Klauseln beziehen diese sich auf Kartenverfügungen oder auf an sie gerichtete Aufträge des Kunden. Die von der Beklagten zu leistenden Tätigkeiten bei Kartenverfügungen oder Aufträgen, durch die das Girokonto über ein Limit hinaus belastet wird, unterscheiden sich indes schon nicht von Kartenverfügungen oder Aufträgen innerhalb des Limits.

Ihr Vorbringen, die Entgelte fielen für die Gewährung eines Darlehens über eine vereinbarte Kreditlinie hinaus an, für welche die Regelungen wegen der allgemein höheren Kosten und Risiken gerechtfertigt seien, begegnet vor dem Hintergrund des Wortlauts der Klauseln erheblichen Bedenken, vermag aber auch im übrigen in mehrfacher Hinsicht nicht zu überzeugen. Zunächst gilt im Hinblick auf die Kontomodelle "A." (2. A. 1.) und "C. at Work" (2. A. 5.), dass sich die Beklagte die geduldete Überziehung mit einem höheren Zinssatz vergüten lässt, jedenfalls im Vergleich zu Dispositionskrediten bis 1.000,- EUR. Denn bei diesen Modellen gilt für "Überziehungen ohne vorherige Vereinbarung" der jeweils für vereinbarte Dispositionskredite über 1.000,- EUR gültige Zinssatz. Insofern ist der Beklagten nicht darin zu folgen, es stehe ihr frei, für eine Überziehung einen Pauschalbetrag oder einen erhöhten Zinssatz zu fordern, da sie in den genannten Fällen beides kumuliert.

Zum anderen stellt die Entgeltregelung auch insofern eine unangemessene Benachteiligung der Bankkunden dar, als das Gleichgewicht der Verpflichtungen zwischen den Parteien nicht gewahrt ist. Denn aufgrund der von dem Betrag der geduldeten Überziehung unabhängigen Entgelthöhe fehlt es an einem sachgerechten Verhältnis zur Höhe und Dauer des Darlehens. Diese Unangemessenheit besteht insbesondere vor dem Hintergrund, dass Überziehungen häufig geringfügige Beträge betreffen. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, die Kapitalüberlassung erfolge zeitlich unbegrenzt, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Eine geduldete Überziehung ist bereits der Sache nach nicht auf Dauer angelegt. Vor allem kommt die vermeintlich zeitlich unbegrenzte Überlassung in den Klauseln nicht ansatzweise zum Ausdruck. Die Beklagte wäre durch nichts gehindert, die Kartenverfügung hinzunehmen bzw. den Auftrag auszuführen und unmittelbar danach vom Kunden die Rückführung der Überziehung zu verlangen. Gleichwohl würde nach ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis der Entgeltanspruch ausgelöst.

Auch der Umstand, dass § 505 Abs. 1 BGB in der ab dem 11. Juni 2010 geltenden Fassung die Vereinbarung eines Entgelts für die Duldung einer Überziehung über die vertraglich vereinbarte Höhe hinaus erwähnt, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung durch die Kammer. Ein Entgelt in diesem Sinne ist auch ein gegenüber dem vereinbarten Darlehensrahmen erhöhter Zinssatz; eine Regelung des Inhalts, dass mehrere Entgelte für die Duldung der Überziehung verlangt werden können, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen.

Daneben hat der Kläger einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 214,00 Euro aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG i. V. m § 5 UKlaG. Der Kläger kann daher von der Beklagten die Kosten, die durch die Abmahnung entstanden sind, ersetzt verlangen. Für einen Verband, dem es zuzumuten ist, typi­sche und durchschnittlich schwer zu verfolgende Verstöße zu erkennen und selbst abzumahnen, besteht ein Anspruch auf anteiligen Ersatz der Personal- und Sachkos­ten in Form einer Kostenpauschale (vgl. OLG Hamburg, 25.06.2008 - 5 U 13/07, Rn 47). Der Kläger hat die Beklagte nach den vorstehenden Erwägungen auch berechtigt abgemahnt.

Die Kammer schätzt die dem Kläger entstandenen Aufwendungen auf der Grundlage vergleichbarer Fälle in Höhe der geltend gemachten Kosten­pauschale.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 23.06.2010
Az: 12 O 313/09


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