Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 12. Mai 2014
Aktenzeichen: 20 W 237/13

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 12.05.2014, Az.: 20 W 237/13)

1. Im Rahmen der Beratungstätigkeit des Rechtsanwaltes im Zusammenhang mit den Folgen von Trennung und Scheidung können mehrere gesondert aus der Staatskasse nach § 44 RVG zu vergütende Angelegenheiten vorliegen. § 16 Nr. 4 RVG ist in diesen Fällen nicht anwendbar (Fortführung Senat, Beschlüsse vom 26.08.2009, Az. 20 W 254/09 und vom 12.08.2009, Az. 20 W 197/09).

2. Im Regelfall richtet sich die Abgrenzung der dabei zu vergütenden Angelegenheiten nach typisierten Komplexen (Anschluss an OLG Nürnberg, Beschluss vom 29.03.2011, Az. 11 WF 1590/10). Dazu gehört der Komplex "finanzielle Auswirkungen von Trennung und Scheidung (Unterhaltsansprüche, Güterrecht und Vermögensauseinandersetzung)"; alle innerhalb dieses Komplexes vorgenommenen anwaltlichen Geschäfte sind als eine Angelegenheit zu vergüten.

Tenor

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei;außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat Frau X (im Folgenden: Rechtssuchende) am 04.07.2012 (Bl. 42 d. A.) Beratungshilfe für die so bezeichnete Angelegenheit €finanzielle Auswirkungen von Trennung und Scheidung (Unterhaltsansprüche, Güterrecht,Vermögensauseinandersetzung)€ gewährt.

Die Rechtssuchende hat sich von dem Kostengläubiger beraten und außergerichtlich vertreten lassen. Die Tätigkeit des Kostengläubigers umfasste die Bereiche Kindes- und Trennungsunterunterhalt, Vermögensauseinandersetzung sowie Güterrecht.

Mit Schriftsatz vom 08.04.2013 (Bl. 44 d. A.) hat der Kostengläubiger vier separate Kostenberechnungen über jeweils 99,96EUR beim Amtsgericht eingereicht und Festsetzung einer Vergütung aus der Staatskasse in Höhe von 4 x 99,96 EUR, also insgesamt 399,84 EUR, beantragt.

Die einzelnen Kostenberechnungen über Beträge von 99,96 EURsetzen sich jeweils wie folgt zusammen:

Geschäftsgebühr VV RVG Nr. 250370,00 EURPauschale (Post / Telekommunikation) VV RVG Nr. 700214,00 EURSumme84,00 EURUmsatzsteuer auf die Vergütung15,96 EURSumme99,96 EURDer Kostengläubiger hat für die vier einzeln abgerechneten Geschäftsgebühren nach Nr. 2503 VV RVG die folgenden vier Tätigkeiten angegeben: Ansprüche wegen Vermögensauseinandersetzung,Ansprüche wegen Güterrecht, Ansprüche Trennungsunterhalt und Ansprüche Kindesunterhalt.

Der Kostengläubiger hat unter Hinweis auf den unter FamRZ 2010,230 f. veröffentlichten Beschluss des Senats vom 12.08.2009ausgeführt, dass es sich bei einer Beratung über Scheidung und die einzelnen Folgesachen um unterschiedliche Angelegenheiten handele.

Die Urkundsbeamtin des Amtsgerichts hat am 14.05.2013 die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf insgesamt 99,96 EUR festgesetzt (vgl. Bl. 53 d. A.). Sie hat dazu ausgeführt,dass es sich unter gebührenrechtlichen Gesichtspunkten um nur eine Angelegenheit handele.

Gegen diese Festsetzung hat der Kostengläubiger mit Schriftsatz vom 21.05.2013 (Bl. 55 f. d. A.) Erinnerung eingelegt.

Mit Beschluss vom 24.05.2013 (Bl. 60 ff. d. A.) hat eine Richterin am Amtsgericht nach Nichtabhilfeentscheidung der Urkundsbeamtin (Bl. 57 d. A.) die Erinnerung zurückgewiesen. Zu den Gründen hat sie ausgeführt, dass die Urkundsbeamtin zu Recht nur für einen der vier gestellten Anträge eine Festsetzung vorgenommen habe. In Angelegenheiten in Familiensachen sei grundsätzlich von vier gebührenrechtlichen Angelegenheiten auszugehen, die nach Lebenssachverhalten eingeteilt würden. Die vorliegenden Tätigkeiten umfassten alle den Lebenssachverhalt €finanzielle Auswirkungen von Trennung und Scheidung€. Das Gericht folge dabei u. a. der Entscheidung des OLG Nürnberg vom 29.03.2011.

Gegen diesen ihm am 28.05.2013 zugestellten Beschluss hat der Kostengläubiger mit beim Amtsgericht am 31.05.2013 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tage (Bl. 66 f. d. A.) €sofortige Beschwerde€ eingelegt. Die Richterin am Amtsgericht hat mit Beschluss vom 03.06.2013 (Bl. 65 d. A.) der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das Landgericht hat mit Beschluss der Kammer vom 19.07.2013 (Bl.72 ff. d. A.), der dem Kostengläubiger am 29.07.2013 zugestellt worden ist, die Beschwerde zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen. Das Landgericht hat seine Entscheidung in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht im Wesentlichen damit begründet, dass es sich € nach umfassender Darstellung der verschiedenen Ansichten € der in der Rechtsprechung (wohl)vorherrschend vertretenen Auffassung anschließe, dass für den bei Trennung und Scheidung auftretenden Beratungs- und Regelungsbedarf vier Komplexe (Angelegenheiten) zu bilden seien, wobei die vorliegend vom Kostengläubiger wahrgenommenen Tätigkeiten vollständig in einen dieser Komplexe fielen. Es hat dazu u. a. auch ausgeführt, dass die grundsätzliche Aufteilung in vier Komplexe den Vorteil biete, dass durch die generalisierende Behandlungsweise die Abwicklung für die Praxis handhabbar ausgestaltet werde.

Der Kostengläubiger hat mit Schriftsatz vom 01.08.2013 €eingegangen beim Landgericht am selben Tage € gegen den Beschluss vom 19.07.2013 weitere Beschwerde eingelegt.

Er begründet die weitere Beschwerde wie bereits die Erinnerung und Beschwerde damit, dass die Festsetzung nur einer Geschäftsgebühr fehlerhaft sei. Für die Trennung und deren Folgen fehle es an einer § 16 Nr. 4 RVG entsprechenden Regelung. § 16 Nr.4 RVG gelte nur für das Verhältnis zwischen Scheidungs- und Folgesachen, nicht dagegen für das Verhältnis zwischen einzelnen Folgesachen untereinander. Der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung sei zu entnehmen, dass Scheidung und einzelne Folgesachen unterschiedliche und nicht dieselbe Angelegenheit im Sinne der §§ 2, 6 BerHG darstellten. Stellten alle Folgen von Trennung und Scheidung als Gegenstand der Beratungshilfe dieselbe Angelegenheit dar, werfe dies die Frage auf, ob eine derartige Vergütungsbegrenzung dem Rechtsanwalt verfassungsrechtlich überhaupt zugemutet werden könne. Der Rechtsanwalt könne sich nach § 49 a Abs. 1 BRAO grundsätzlich einem Auftrag im Rahmen der Beratungshilfe nicht entziehen. Er erhalte dafür nach § 44 RVGeinen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse, der ohnehin niedrig bemessen und häufig nicht kostendeckend sei. Das Bundesverfassungsgericht gehe im Hinblick auf die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit daher auch davon aus, dass bei der Abrechnung von unterschiedlichen familienrechtlichen Gegenständen der Beratungshilfe unterschiedliche Angelegenheiten im vergütungsrechtlichen Sinne angenommen werden müssten, um eine weitere Belastung des Rechtsanwaltes zu vermeiden. Dies entspreche € unter Hinweis auf den Beschluss vom 12.08.2009, Az. 20 W197/09 € auch der Rechtsprechung des Senats.

Eine Einteilung in Lebenssachverhalte stelle eine unzulässige Zusammenfassung der im Familienrecht bereits vorgenommenen Unterteilung der einzelnen Angelegenheiten dar. Wenn es sich in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Senats bei der Beratung über Scheidung und Folgesachen nicht schon um eine Angelegenheit handele, dann seien konsequenterweise auch die jeweils einzelnen Angelegenheiten in Familiensachen getrennt zu behandeln und im Rahmen der Beratungshilfe zu vergüten. Eine Zusammenfassung in Lebenssachverhalte werde vor dem Hintergrund des Haftungsrisikos und der ohnehin schon äußerst gering bemessenen Vergütung der umfassenden Beratungstätigkeit wegen unterschiedlicher Ansprüche nicht gerecht.

Mit Beschluss vom 05.08.2013 (Bl. 87 d. A.) hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Es hat u. a. ausgeführt, dass es von einer Anwendbarkeit von § 16 Nr. 4 RVG nicht ausgegangen sei. Die Festsetzung nur einer Gebühr beruhe darauf, dass alle vier Beratungsgegenstände unter denselben der vier genannten Komplexe fielen.

Der Bezirksrevisor beim Landgericht als Vertreter der Kostenschuldnerin hat zur weiteren Beschwerde mit Schriftsatz vom 22.08.2013 (Bl. 90 d. A.) Stellung genommen und verteidigt die Entscheidung des Landgerichts. Er hat ausgeführt, dass die weitere Beschwerde den zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen den einzelnen Beratungsgegenständen bei Trennung und Scheidung nicht berücksichtige. Zudem sei festzuhalten, dass die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung gerade nicht die vom Kostenschuldner angeführte Auffassung vertrete.

II.

Die weitere Beschwerde ist gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 33Abs. 6 S. 1 RVG statthaft, da das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und die weitere Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat. Die weitere Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden, § 56 Abs. 2 S. 1 i. V.m. § 33 Abs. 6 S. 4, Abs. 3 S. 3 RVG.

Sie ist aber unbegründet. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts, worauf die weitere Beschwerde ausschließlich gestützt werden kann, § 56Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 33 Abs. 6 S. 2 RVG, §§ 546, 547 ZPO.

Das Landgericht ist in seiner sorgfältig begründeten Entscheidung rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kostengläubiger nach § 44 RVG i. V. m. Nr. 2500 bis 2508 VV RVG für seine im Rahmen der Beratungshilfe ausgeführten Tätigkeiten keine über die Festsetzung des Amtsgerichts hinausgehende Vergütung aus der Staatskasse zu gewähren ist.

Das Landgericht hat weiterhin zutreffend ausgeführt, dass nach §2 Abs. 2, § 6 BerHG Beratungshilfe in Angelegenheiten gewährt wird,ohne dass das BerHG oder das RVG, das diesen Begriff gleichfalls verwendet, dafür eine Begriffsbestimmung treffen. Demnach muss sich auch die Vergütung an Angelegenheiten orientieren. Jede Tätigkeit,die aus mehreren Gegenständen bestehen kann und im Rahmen des gewährten Umfangs der Beratungshilfe (§ 6 Abs. 1 BerHG) erfolgt,ist aus der Staatskasse nach § 44 RVG zu vergüten, nach § 15 Abs. 2RVG in derselben Angelegenheit nur einmal.

Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei die Zuordnung aller vom Kostengläubiger geleisteten Beratungstätigkeiten zu einer einzigen zu vergütenden Angelegenheit vorgenommen und ist dabei der in jüngerer Zeit in der obergerichtlichen Rechtsprechung überwiegend vertretenen Auffassung (OLG Nürnberg, Beschluss vom 29.03.2011, Az.11 WF 1590/10; OLG Celle, Beschluss vom 14.07.2011, Az. 2 W 141/11;OLG Koblenz, Beschluss vom 23.11.2011, Az. 4 W 554/11; OLGStuttgart, Beschluss vom 17.10.2012, Az. 8 W 379/11;Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 25.04.2013, Az. W41/13; jeweils zitiert nach juris) gefolgt, der sich der Senat ebenfalls anschließt. Danach ist bei einer außergerichtlichen Beratung betreffend Folgen von Trennung oder Scheidung gebührenrechtlich grundsätzlich von vier typisierten Komplexen auszugehen, die jeweils eine Angelegenheit darstellen. Diese vier Komplexe sind:

- Die Scheidung als solche,

- Die Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem persönlichen Verhältnis zu den Kindern (Personensorge, Umgangsrecht),

- die Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Ehewohnung und dem Hausrat sowie

- die finanziellen Auswirkungen von Trennung und Scheidung (Unterhaltsansprüche, Güterrecht und Vermögensauseinandersetzung).

Neben dem vierten vorliegend einschlägigen Komplex, erscheinen dem Senat auch die weiteren Komplexe zu einer Typisierung grundsätzlich geeignet, wobei es darauf hier aber nicht entscheidungserheblich ankommt. Der Senat ist weiter der Auffassung, dass die genannte Typisierung auch im vorliegenden Fall wie in aller Regel zu einem sachgerechten Ergebnis führt, sieht es im begründeten Ausnahmefall gleichwohl als möglich an, dass Abweichungen von der genannten Typisierung notwendig werden können.

Da das Amtsgericht der Rechtssuchenden für die im Wortlaut so bezeichnete Angelegenheit €die finanziellen Auswirkungen von Trennung und Scheidung (Unterhaltsansprüche, Güterrecht und Vermögensauseinandersetzung)€ € den vierten Komplex € Beratungshilfe gewährt hat, und alle von dem Kostengläubiger geleisteten Beratungstätigkeiten in diesen Komplex fallen, war € wie das Landgericht zutreffend annimmt €auch nur für diese eine Angelegenheit eine Vergütung aus der Staatskasse festzusetzen. Eine weitergehende Vergütung war nicht zu gewähren.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, sind zur Abgrenzung gebührenrechtlicher Angelegenheiten in Beratungsverhältnissen im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung in der Rechtsprechung unterschiedliche Lösungen entwickelt worden,von denen zur Überzeugung des Senats die auch vom Landgericht vertretene vorgenannte Ansicht vorzugswürdig ist, weil sie praxisgerecht ist und zu den sachgerechtesten Ergebnissen führt.

Mit dem Landgericht und auch dem Kostengläubiger lehnt der Senat in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung (Beschlüsse vom 26.08.2009, Az. 20 W 254/09 und vom 12.08.2009, Az. 20 W 197/09,beide zitiert nach juris) die Auffassungen ab, die davon ausgehen,dass alle Beratungstätigkeiten im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung entweder eine einzige Angelegenheit (OLG München,Beschluss vom 04.12.1987, Az. 11 WF 1369/87; Teilaufgabe: OLGMünchen, Beschluss vom 26.09.2011, Az. 11 W 1719/11; OLG Nürnberg -7. Familiensenat, Beschluss vom 30.03.2004, Az. 7 WF 719/04;jeweils zitiert nach juris) oder getrennt durch die Zäsur der Scheidung höchstens zwei Angelegenheiten (vgl. im Ergebnis:Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 29.09.2009, Az.6 W 76/08, zitiert nach juris) darstellen. Die von den Vertretern dieser Ansichten herangezogene ggf. entsprechende Anwendung von § 16 Nr. 4 RVG überzeugt nicht. § 16 Nr. 1 RVGerfasst nur den Fall des Scheidungsverbundes und legt eine Anwendung für den Bereich der Trennungsfolgen gerade nicht nahe (vgl. Senat, Beschluss vom 26.08.2009, Az. 20 W 254/09, zitiert nach juris Rn. 6). Die genannte Vorschrift zeichnet den verfahrensrechtlichen Verbund von Scheidungs- und Folgesachen (§137 Abs. 1 FamFG), der im Bereich der außergerichtlichen Beratung nicht vorliegt, in kostenrechtlicher Hinsicht nach. Der dafür vorgesehene Ausgleich nach § 22 Abs. 1 RVG durch Aufaddieren der Werte mehrerer Gegenstände ist zudem im Bereich der Beratungshilfe nicht möglich (vgl. auch Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 25.04.2013, Az. 9 W 41/13, zitiert nach juris Rn. 12), weil keine Wert- sondern Festgebühren vergütet werden.

Allerdings vermag auch die Gegenposition (OLG Düsseldorf,Beschluss vom 16.10.2012, Az. 3 Wx 189/12, zitiert nach juris), die ohne jede Differenzierung annimmt, dass die einzelnen Trennungsfolgen im Rahmen der Beratungshilfe immer einzelne gebührenrechtliche Angelegenheiten darstellen, den Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht nicht zu überzeugen. Im Wesentlichen begründet diese Ansicht ihr Ergebnis damit, dass der bei mehreren Gegenständen für die Zusammenfassung zu einer Angelegenheit zu fordernde innere Zusammenhang nicht ohne weiteres angenommen werden könne, wenn verschiedene Trennungsfolgen Gegenstand des Beratungshilfeauftrags seien (vgl. OLG Düsseldorf,Beschluss vom 16.10.2012, Az. 3 Wx 189/12, zitiert nach juris Rn.13). Zutreffend ist zwar der Ausgangspunkt, dass eine gebührenrechtliche Angelegenheit dann vorliegt, wenn ein gleichzeitiger Auftrag, ein gleicher Rahmen und ein innerer Zusammenhang gegeben sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.10.2008, Az. I-10 W 85/08, zitiert nach juris Rn. 7). Die Vertreter dieser Ansicht übersehen aber, dass bei der beratenden Tätigkeit des Rechtsanwaltes im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung zwischen einzelnen Gegenständen typischerweise sehr wohl ein innerer Zusammenhang bestehen kann. So hat das Oberlandesgericht Nürnberg in seiner € soweit ersichtlich € eine Typisierung der maßgeblichen Angelegenheiten durch Bildung von Tätigkeitskomplexen begründenden Entscheidung (Beschluss vom 29.03.2011, Az. 11 WF 1590/10, zitiert nach juris insbesondere Rn. 29) beispielhaft überzeugend ausgeführt, dass es in der Regel nicht sachgerecht ist, dass z. B. die Tätigkeiten betreffend den Unterhalt mehrerer Kinder jeweils eine Angelegenheit im Hinblick auf jedes einzelne Kind darstellen sollen.

Die nach Auffassung des Senats vorzugswürdige Ansicht, die Tätigkeitskomplexe zur Zuordnung von anwaltlichen Geschäften im Rahmen der außergerichtlichen Beratung im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung zu Angelegenheiten bildet, berücksichtigt in überzeugender und für die Praxis geeigneten Weise die nach dem Vorgesagten regelmäßig bestehenden inneren Zusammenhänge zwischen den einzelnen Geschäften. Der Senat folgt auch insoweit der vom Landgericht geäußerten Einschätzung, dass es einer generalisierenden Behandlung der Beratungshilfefälle bedarf, um eine praktisch durchführbare Handhabung zu erreichen (vgl. auch Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 25.04.2013, Az. W41/13, zitiert nach juris Rn. 12). Denn es kann weder dem Rechtsanwalt zugemutet werden, in jedem Einzelfall den inneren Zusammenhang zwischen verschiedenen Beratungsleistungen aufzuzeigen, noch dem Urkundsbeamten abverlangt werden, jeweils gesondert zu ermitteln und zu prüfen, ob zwischen verschiedenen Tätigkeiten ein innerer Zusammenhang besteht oder nicht (vgl.Schleswig-Holsteinisches OLG, a. a. O.). Die Bildung der genannten Tätigkeitskomplexe schafft für die Praxis handhabbare und für den Rechtsanwalt transparente Kriterien, wie im inneren Zusammenhang stehende Geschäfte im relevanten Beratungsbereich regelmäßig zu Angelegenheiten verbunden sind.

Dem stehen auch die vom Kostengläubiger geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht entgegen. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar wie von diesem dargelegt in dem Nichtannahmebeschluss vom 31.10.2001 (Az. 1 BvR 1720/01, zitiert nach juris) ausgeführt, dass der Begriff der Angelegenheit wegen der ohnehin niedrigen Gebühren des Rechtsanwalts nicht zu weit gefasst werden darf. Es hat aber weiter argumentiert, dass eine Zusammenfassung von Geschäften im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang als eine Angelegenheit auch nicht grundsätzlich auf einer falschen Anschauung der Berufsausübungsfreiheit beruht.

Die Bildung einzelner Komplexe, zu denen die finanziellen Auswirkungen von Trennung und Scheidung gehören, berücksichtigt entgegen der Ansicht des Kostengläubigers nach Auffassung des Senats die Interessen des Rechtsanwaltes auf eine seinem Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit entsprechenden Vergütung unter Zugrundelegung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze angemessen, da bei der Beratungstätigkeit im Zusammenhang mit Scheidung und Trennung gerade nicht generell von einer Angelegenheit ausgegangen wird und bei Tätigkeiten in mehreren Komplexen eine höhere Vergütung anfällt.

Die Entscheidung über die Gebührenfreiheit des Verfahrens und die Nichterstattung von Kosten beruht auf § 56 Abs. 2 S. 2 und 3RVG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 S. 1 i. V. m. §33 Abs. 6 S. 3 RVG).






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 12.05.2014
Az: 20 W 237/13


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