Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Januar 2011
Aktenzeichen: 21 W (pat) 16/09

(BPatG: Beschluss v. 13.01.2011, Az.: 21 W (pat) 16/09)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 60 K des Deutschen Patentund Markenamts vom 15. Juli 2008 aufgehoben und die Sache zur weiteren Prüfung auf der Basis der Patentansprüche 1 bis 13, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 13. Januar 2011, an das Deutsche Patentund Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I Die Patentanmeldung wurde am 22. Januar 2004 unter der Bezeichnung "Füllstandsanzeiger für Kraftfahrzeuge" beim Deutschen Patentund Markenamt eingereicht. Die Offenlegung erfolgte am 18. August 2005. Die Anmeldung erfolgte durch die A... AG in R..., die ausweislich des Handelsregisterauszugs des Amtsgerichts D... HRB 84283 aufgrund der Gesellschafterund Umwandlungsbeschlüsse vom 29. August 2005 in die A... GmbH umgewandelt worden ist. Aufgrund des Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 5. Oktober 2010 ist diese Gesellschaft in die A... AG mit Sitz in R... umgewandelt worden. Seit 22. April 2009 ist die G... Operations, Inc. in D..., als Anmelderin in das Patentregister eingetragen.

Die Prüfungsstelle für Klasse B 60 K hat die Anmeldung mit Beschluss vom 15. Juli 2008 zurückgewiesen, da der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der Druckschrift D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 13 vorgelegt hat.

Der Patentanspruch 1 lautet mit Merkmalsgliederung:

M1 Verfahren zum Anzeigen des Füllstands eines Kraftstofftanks (10) eines Kraftfahrzeugs (1), wobei das Verfahren diefolgenden Schritte aufweist:

M2 - Bestimmen eines Neigungszustands des Kraftfahrzeugs (1), M3 umfassend den Schritt des Bestimmens eines Fahrwegs des Fahrzeugs (1) sowie den Schritt des Bestimmens des dabeizurückgelegten Höhenunterschieds.

M4 -Bestimmen wenigstens einer lokalen Füllhöhe des Kraftstofftanks (10), M5 -Bestimmen des Füllstands anhand einer vorbestimmten, tankspezifischen Füllstandsfunktion aus lokaler Füllhöhe und Neigungszustand, M6 -Ausgabe des Füllstands.

Der nebengeordnete Patentanspruch 7 lautet mit Merkmalsgliederung:

N1 Anzeigevorrichtung für den Füllstand eines Kraftstofftanks (10) eines Kraftfahrzeugs (1), die die folgenden Merkmale aufweist:

N2 -einen ersten Signaleingang für eine Neigungsinformation des Kraftfahrzeugs (1), N3 wobei an diesem ersten Signaleingang eine Fahrzeugneigungsmessvorrichtung vorgesehen ist, die eine Fahrwegmessvorrichtung und eine Höhenunterschiedsmessvorrichtung aufweist, N4 -einen zweiten Signaleingang für eine lokale Füllhöheninformation des Kraftstofftanks (10), N5 -eine Umrechnungseinheit zum Bestimmen des Füllstands anhand einer in der Umrechnungseinheit gespeicherten tankspezifischen Füllstandsfunktion, und zwar aus den am ersten Signaleingang bzw. am zweiten Signaleingang anliegenden Informationen über lokale Füllhöhe und Neigungszustand, N6 -einen Signalausgang zur Ausgabe des Füllstands.

Im Verfahren sind folgende Druckschriften:

D1 DE 199 14 726 A1 D2 DE 196 10 154 A1 D3 WO 02/06776 A2 D4 WO 98/31991 A1.

Vom Senat wurden noch folgende Druckschriften ermittelt:

D5 JP 61096415 A D6 DE 37 25 752 C2.

Die Anmelderin beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 60 K des Deutschen Patentund Markenamtes vom 15. Juli 2008 aufzuheben und das Patent DE 10 2004 003 178 mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 13, im Übrigen mit der Beschreibung und der Zeichnung gemäß Offenlegungsschrift, zu erteilen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II 1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie formund fristgerecht von der am Verfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt Beteiligten eingelegt worden, §§ 73 Abs. 1, Abs. 2, 74 Abs. 1 PatG, die trotz der mittlerweile erfolgten Umschreibung auf die G... Operations, Inc. in D..., weiter am Verfahren beteiligt ist.

1.1. Die Beschwerde wurde von der A... GmbH, nicht von der anmeldenden A... AG eingelegt. Die A... GmbH ist aber aufgrund der Gesellschafterund Umwandlungsbeschlüsse vom 29. August 2005 aus der A... AG entstanden. Diese Umwandlung stellt eine sog. formwechselnde Umwandlung dar, bei der der formwechselnde Rechtsträger, also die A... AG, in der in dem Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform weiter besteht. Daher handelt es sich bei der A... GmbH und der A... AG um die selbe Rechtspersönlichkeit (vgl. § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG)

i. S. von § 74 Abs. 1 PatG.

1.2. Gleiches gilt hinsichtlich der nunmehrigen Umwandlung der A... GmbH in die A... AG. Diese ist weiter am Verfahren beteiligt, nicht die nunmehr im Register eingetragene G... Operations, Inc. in D... (§99 Abs.1 PatG i. V.m. § 265 Abs. 2S.1 ZPO).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Markensachen stehen der entsprechenden Anwendung des § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Besonderheiten des Beschwerdeverfahrens gegen die Zurückweisung einer Markeneintragung nicht entgegen, obwohl es, anders als das Widerspruchsverfahren, kein echtes Streitverfahren ist. § 265 Abs. 2 ZPO dient nämlich nicht nur dem Schutz des Gegners der Partei, auf deren Seite eine Änderung der sachlichen Legitimation eintritt, sondern auch der Ökonomie des Verfahrens, so dass dieses unbeeinflusst von einer materiellen Änderung der Inhaberschaft an dem streitbefangenen Gegenstand mit dem bisherigen Beteiligten fortgesetzt werden kann (BGH, GRUR 1998, 940, 941 -Sanopharm). Auch in dem nicht als Streitverfahren ausgestalteten Eintragungsverfahren entspricht es daher der Verfahrensvereinfachung, wenn die mit dem Beschwerdeverfahren bereits vertraute Anmelderin das Verfahren weiterführen kann. Zudem kann die Anmelderin auch nach dem Rechtsübergang an der Weiterführung des Eintragungsverfahrens ein besonderes Interesse haben, dem durch die entsprechende Anwendung des § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO Rechnung zu tragen ist (BGH, GRUR 2000, 892 -MTS).

Dieser Auffassung, dass § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht nur dem Schutz des Gegners der Partei, auf deren Seite eine Änderung der sachlichen Legitimation eingetreten sein soll, sondern auch der Ökonomie des Verfahrens dient, hat sich der 10. Senat des Bundesgerichtshofs ausdrücklich angeschlossen (GRUR 2008, 87 ff. - Patentinhaberwechsel im Einspruchsverfahren). Das Argument der Verfahrensökonomie gilt aber nicht nur im Einspruchsverfahren, sondern wie im markenrechtlichen auch im patentrechtlichen Anmelderbeschwerdeverfahren.

2. Die Beschwerde hat insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Patentamt zur weiteren Prüfung auf der Grundlage der neuen Patentansprüche 1 bis 13 führt; § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG.

Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Anzeigen des Füllstands eines Kraftstofftanks eines Kraftfahrzeugs und eine entsprechende Anzeigevorrichtung.

Der Erfindung liegt das Problem zugrunde, ein Verfahren und eine Anzeigevorrichtung anzugeben, die den Füllstand eines Kraftstofftankes auch bei einer Neigung des Kraftfahrzeugs richtig anzeigt.

Zur Lösung des Problems wird der Neigungszustand des Kraftfahrzeugs bestimmt und der Füllstand entsprechend der Neigung korrigiert.

2.1. Die neuen Patentansprüche sind zulässig. Die Merkmale im Anspruch 1 umfassen die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1 und 2, die Merkmale im Anspruch 7 umfassen die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 8 und 9 und die weiteren Ansprüche wurden lediglich ohne inhaltliche Änderungen an die neuen unabhängigen Ansprüche 1 und 7 angepasst.

2.2. Entgegen dem im Erstbescheid bemängelten fehlenden "einheitlichen Zusammenhang" zwischen den Verfahrensund Vorrichtungsansprüchen enthält die Anmeldung nur eine einzige Erfindung, da ihr ein einheitliches Problem zugrunde liegt und alle beanspruchten Merkmale zur Problemlösung geeignet sind (siehe Schulte/Moufang, PatG, 8. Aufl. (2008), § 34 Rdnr. 240). Die Wahl der Patentkategorie hat auch nichts mit der Frage der Einheitlichkeit der Erfindung zu tun. Wenn sich eine Erfindung in mehrere Kategorien einordnen lässt, hat der Anmelder das Recht, unter den in Betracht kommenden Anspruchsformen für seine Erfindung jede Kategorie zu wählen, die er wünscht (siehe BGH, GRUR 2006, 748 -Mikroprozessor).

2.3. Der Gegenstand des nunmehr geltenden Patentanspruchs 1 ist neu und beruht unter Berücksichtigung des bisher im Verfahren befindlichen Standes der Technik auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des hier zuständigen Fachmanns, eines Diplom-Ingenieurs der Fachrichtung Elektrotechnik, der Erfahrungen auf dem Gebiet der Sensorik bei Kraftfahrzeugen hat.

Die mit dem Ladungszusatz in das Verfahren neu eingeführten Druckschriften D5 und D6 haben die Merkmale der ursprünglichen Patentansprüche 1 und 8 neuheitsschädlich vorweggenommen, wie die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt hat. Aus beiden Druckschriften sind Neigungssensoren zur Korrektur des Füllstandes bekannt (siehe D5, abstract und D6, Fig. 4).

In die nunmehr verteidigten Patentansprüche 1 und 7 hat die Beschwerdeführerin noch jeweils die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 2 und 9 (siehe Merkmalsgruppe M3 und N3) aufgenommen, wonach die Neigung des Kraftfahrzeugs aus dem Fahrweg des Fahrzeugs und dem dabei zurückgelegten Höhenunterschied bestimmt wird. Gemäß den Druckschriften D5 und D6 wird der Neigungszustand nicht aufgrund dieser Kriterien, sondern mit separaten Neigungssensoren bestimmt. Gemäß der Druckschrift D5 sind zwei Neigungssensoren (siehe detector 5, 6) für die Neigung in xund y-Richtung bekannt, deren Signale für die Korrektur des Füllstandes verwendet werden ("Further, this calculating circuit 7 corrects the measured value of the liquid level gauge 3 based on tilting information of the fuel tank by detector 5 for tilting to y direction and the detector 6 for tilting to x direction"). Gemäß der Druckschrift D6 wird die Längsund Querneigung mit Sensoren bestimmt (siehe Fig. 3 Neigungssensoren 16, 18 und Fig. 4, Sensoren 24, 25) und der Flüssigkeitsstand in Abhängigkeit der durch die Neigungssensoren gemessenen Neigung korrigiert (siehe Anspruch 1). Eine Bestimmung der Neigung gemäß den Merkmalsgruppen M3 und N3 ist somit aus diesen Druckschriften und den weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften D1 bis D4 nicht bekannt. Die Druckschriften enthalten auch keine Hinweise für den Fachmann, den Neigungszustand eines Kraftfahrzeuges mit "Bordmitteln" gemäß den Merkmalsgruppen M3 und N3 zu bestimmen (vgl. Beschreibung [Abschnitte 0011 und 0013]).

3. Über die Anmeldung kann jedoch noch nicht abschließend entschieden werden, so dass das Verfahren mit den geltenden Ansprüchen zur weiteren Prüfung an das Patentamt zurückzuverweisen ist. Die Patentfähigkeit der neuen Ansprüche 1 und 7 ist noch nicht ausreichend geprüft worden. § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG bestimmt, dass das Patentgericht die angefochtene Entscheidung aufheben kann, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn das Patentamt noch nicht in der Sache selbst entschieden hat. Dies ist auch dann der Fall, wenn -wie vorliegend die Gründe, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen, entfallen sind und somit eine neue Sachprüfung erforderlich ist. Bei dem bisherigen Prüfungsverfahren wurden die Unteransprüche lediglich pauschal abgehandelt und zu ihren Merkmalen ist noch nicht recherchiert worden.

Die Patentanmeldung ist nach Ansicht des Senats im Übrigen bei Füllstandsgebern (G01F) und nicht bei Kraftstofftanks von Kraftfahrzeugen (B60K) zu klassifizieren, was auch der zusätzlich aufgefundene Stand der Technik belegt.

Dr. Winterfeldt Baumgärtner Dr. Morawek Dr. Müller Pü






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Beschluss v. 13.01.2011
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