Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Januar 2005
Aktenzeichen: 29 W (pat) 254/02

(BPatG: Beschluss v. 26.01.2005, Az.: 29 W (pat) 254/02)

Tenor

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Juli 2002 wird aufgehoben, soweit die Löschung der Marke 395 44 942 angeordnet wurde für die Waren "Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungsmittel; ätherische Öle; Zahnputzmittel, Mundwasser".

2. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Wortmarke 395 44 942, veröffentlicht am 30.07.1997, Polypropfür die Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 20, 1, 4, 3, 28, 32, 33:

Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Verpackungen und Behältnisse aus Kunststoff; Aufbruch- und Kindersicherungen gegen Frische-, Originalitäts- und Warenverluste, sowie Sicherungen gegen Transportschäden und Diebstahl aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Oberflächenschutz- und Versiegelungen aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, Druckereierzeugnisse soweit in Klasse 16 enthalten; Buchbindeartikel, Photographien, Schreibwaren, Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel ausgenommen Möbel; Lehr- und Unterrichtsmittel ausgenommen Apparate; Spielkarten; Drucklettern; Druckstöcke; Verschlüsse, Verschraubungen, Deckel, Abdeckungen, Kanister, Flaschen; chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche, photographische, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke; Kunstharze im Rohzustand, Kunststoffe und Granulate im Rohzustand; Düngemittel; Feuerlöschmittel; Mittel zum Härten und Löten von Metallen; chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln; Klebstoffe für gewerbliche Zwecke; technische Öle und Fette; Schmiermittel; Staubabsorbierungs-, Staubbenetzungs- und Staubbindemittel; Brennstoffe (einschließlich Motorentreibstoffe) und Leuchtstoffe; Erdgas und Flüssiggase; Kerzen und Dochte; Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümerien, Deos, Sprays, Lippenstifte, Lidschattenmittel, ätherische Öle; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Haarwuchsmittel; Zahnputzmittel, Mundwasser; Freizeit-, Turn- und Sportartikel soweit in Klasse 28 enthalten; Spiele, Spielzeug; Christbaumschmuck; Vitamin- und Fruchtsaftgetränke, Fruchtsäfte, Soft-Drinks, Mineralwasser und kohlensäurehaltige Wasser, stille Wasser, Heil- und Tafelwasser; alkoholfreie Getränke, Coffein- und Bitter-Lemon-Getränke; Biere; Sirupe und andere Präparate oder Zusatzstoffe für die Zubereitung von Getränken; Branntweine, Schnäpse, Whisky, Cognac, Rum, Korn, Obstwässer, Gin, Malteser, Akquavit, Liköre, Kümmel, Magenbitter, Aperitifs, anishaltige Getränke, Long-Drinks, Weine, Sekt, Champagnerist Widerspruch eingelegt worden aus der prioritätsälteren Wortmarke 1 019 637 POLY LOCK eingetragen am 01.07.1981 für die Waren und Dienstleistungen Klasse 3: Mittel zum Pflegen, Reinigen, Colorieren, Tönen, Festigen und dauerhaften Formverändern (Wellen) der Haare.

Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch mit Erstbeschluss vom 21.12.2000 zurückgewiesen. Der Markeninhaber hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten, den Einwand aber mit Schreiben vom 21.08.2001 nach Vorlage von Unterlagen zur Benutzung von POLY LOCK als Mittel zum Pflegen, Festigen und dauerhaften Formverändern der Haare durch die Widersprechende ausdrücklich zurück genommen. Auf die Erinnerung der Widersprechenden hat die Markenstelle darauf hin mit Beschluß vom 25.07.2002 den Erstbeschluss teilweise aufgehoben. Die jüngere Marke wurde für die Waren "Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungsmittel; Seifen; Parfümerien, Deos, Sprays, Lippenstifte, Lidschattenmittel; ätherische Öle; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Haarwuchsmittel, Zahnputzmittel, Mundwasser" gelöscht.

Die Vergleichswaren befänden sich hinsichtlich der gelöschten Waren im engen bis mittleren Ähnlichkeitsbereich. Klanglich stünden sich "Pohli-Propp" und "Pohlilokk" gegenüber, die gleiche Anfangswortteile, identische Vokalfolge und wesentlich klangbestimmende Elemente gemeinsam hätten. Auch bei einer angenommenen Kennzeichnungsschwäche von "poly" = "viel" würde dieser Bestandteil nicht unberücksichtigt bleiben, da die weiteren Bestandteile ebenfalls beschreibend seien, so dass zumindest eine (Mit-)prägung verbleibe, die für den Gesamteindruck entscheidend sei. Aufgrund der deshalb bestehenden Verwechslungsgefahr sei die Löschung vorzunehmen gewesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Markeninhabers vom 05.09.2002 (Bl. 5 d. A.).

Nach seiner Auffassung ist die Marke der Widersprechenden beschreibend, denn sie könne mit "viele Locken" bzw. "lockig" übersetzt werden, womit ein Haarverfestigungsmittel erkennbar sei. Die Annahme der Markenstelle zur Warenähnlichkeit könne nur zwischen "Waschmittel" und "Mittel zum Reinigen ... der Haare" gelten. Im übrigen komme es auf den Durchschnittsverbraucher an, der ein Haarpflegemittel weder als Mundwasser noch als Zahnputzmittel verwende. Eine Klangverwandtschaft liege nicht vor, denn es sei zwischen labialen und alveolaren Lauten zu unterscheiden. Vom Gesamteindruck werde die angegriffene Marke durch die Buchstabenkombination "prop" bestimmt. Das griechische Wort "poly" sei allgemein verständlich und insbesondere in chemischen Fachkreisen ohne weiteres beschreibend.

Der Beschwerdeführer beantragt (Bl. 5 d. A.), den Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 vom 25.07.2002 betreffend die Erinnerung gegen den Beschluss der Markenstelle vom 21.12.2000 betreffend den Widerspruch aus der Marke POLY LOCK aufzuheben.

Die Beschwerdegegnerin beantragt (sinngemäß), die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat im Beschwerdeverfahren nicht Stellung genommen.

Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt hat sie darauf hingewiesen, dass sie über 180 eingetragene Marken verfüge, die mit dem Bestandteil "poly" als Serienzeichen und einem weiteren beschreibenden Begriff gebildet seien. Bereits aus diesem Grund sei von einer Verwechslungsgefahr auszugehen.

II.

Die gem. § 66 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 MarkenG zulässige Beschwerde des Markeninhabers gegen die teilweise Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 019 637 ist nur teilweise begründet. Im Umfang der Waren "Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungsmittel; ätherische Öle; Zahnputzmittel, Mundwasser" ist die Löschung der jüngeren Marke rechtswidrig. Im Umfang der Waren "Seifen; Parfümerien, Deos, Sprays, Lippenstifte, Lidschattenmittel; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Haarwuchsmittel" war die Beschwerde zurückzuweisen.

1. Der Markeninhaber hat im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt gem. § 43 Abs. 1 MarkenG zulässig den Einwand der Nichtbenutzung erhoben, worauf hin die Widersprechende die Benutzung der Widerspruchsmarke für ein Mittel zum Pflegen, Festigen und dauerhaften Formverändern der Haare nachgewiesen hat. Mit Schreiben vom 21.08.2001 hat der Markeninhaber dann ausdrücklich erklärt, dass er den Einwand der Nichtbenutzung zurücknehme. In dieser Erklärung ist allerdings kein Verzicht auf die Einrede mangelnder Benutzung zu sehen. Eine derart weitreichende Bedeutung hat die Erklärung, die Einrede der Nichtbenutzung nicht aufrecht erhalten zu wollen, nur dann, wenn sie wegen des Vorliegens besonderer Umstände als einseitiger Verzicht auf die Einrede mangelnder Benutzung aufzufassen ist. An die konkludente Annahme eines Verzichts sind strenge Anforderungen zu stellen, die hier nicht erfüllt werden (BGH GRUR 2000, 886, 887 - Bayer/ BeiChem).

2. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sind die Umstände zu berücksichtigen, die das Verhältnis der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen kennzeichnen. Zu den maßgeblichen Kriterien gehören insbesondere die Art, der Verwendungszweck und die Nutzung sowie die Frage, ob es sich um miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren und Dienstleistungen handelt. Eine die Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit liegt dann vor, wenn das Publikum annimmt, die Waren oder Dienstleistungen stammten aus demselben oder ggf. aus wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (st. Rsp; vgl. BGH WRP 2004, 357/359 - GeDIOS).

2.1. Es stehen sich die Waren "Mittel zum Pflegen, Reinigen, Colorieren, Tönen, Festigen und dauerhaften Formverändern (Wellen) der Haare" der Widerspruchsmarke und die Waren "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" der jüngeren Marke gegenüber. Aufgrund der Integrationstheorie des Bundesgerichtshofs (GRUR 1999, 245, 247 - LIBERO) findet die sog. "erweiterte Minimallösung" Anwendung, bei der die Interessen der Beteiligten angemessen zu berücksichtigen sind. Danach ist der Kreis der zu berücksichtigenden Waren/ Dienstleistungen über das konkrete Produkt hinaus auch auf solche Waren/ Dienstleistungen zu erweitern, die der Verkehr als zum gleichen Waren-/ Dienstleistungsbereich gehörend ansieht. Im vorliegenden Fall ist Oberbegriff für die sich gegenüberstehenden Waren derjenige der "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege". Die Benutzung der Widerspruchsmarke ist nachgewiesen lediglich für "Mittel zum Pflegen, Festigen und dauerhaften Formverändern (Wellen) der Haare". Diese Mittel zählen jedoch zu einer der unter den Oberbegriff fallenden Warengruppen, nämlich Haarpflegemittel, die ihrerseits "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" sind. Damit besteht Identität zu den im Verzeichnis des Markeninhabers befindlichen Waren derselben Produktgruppe.

2.2. Große Ähnlichkeit besteht des weiteren mit den Waren der "Haarwässer, Haarwuchsmittel", da sie sich auf denselben "Einsatzbereich" beziehen und demselben Zweck, nämlich der Veränderung oder Verbesserung der Haarstruktur, dienen. Die Abgabeform, die Vertriebswege und die Abnehmerkreise sind ebenfalls dieselben. Die Produkte werden auch sehr häufig von denselben Unternehmen hergestellt und angeboten, so dass der Schluß für die Verbraucher naheliegend ist, es handle sich um die Produktserie ein und desselben Unternehmens. Eine Ähnlichkeit besteht ebenfalls noch zu den sonstigen Kosmetika wie "Seifen; Deos, Sprays, Lippenstifte und Lidschattenmittel", da es sich um Produkte ähnlicher Beschaffenheit bzw. sich ergänzende Waren handelt, die dem Verbraucher im Handel gemeinsam gegenübertreten, in funktionellem Zusammenhang zu "Waren der Körper- und Schönheitspflege" stehen und im wesentlichen denselben Einsatzzweck haben. Angesichts der regelmäßigen Berührungspunkte in Herstellung, Vertrieb und Verkauf in engem räumlichen Zusammenhang, wird der Verkehr die Waren wirtschaftlich denselben Herstellern zuordnen oder zumindest wirtschaftliche Zusammenhänge vermuten.

2.3. "Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungsmittel", liegen jedoch nicht mehr im Ähnlichkeitsbereich der maßgeblichen Widerspruchswaren. Die Waren der Wasch- und Reinigungsmittelbranche weisen gegenüber den Produkten der Kosmetikbranche keine wirtschaftlichen Berührungspunkte auf. Dies belegen Beispiele auch aus bekannten Unternehmen wie L'Oreal, Procter & Gamble etc. (BPatG 24 W (pat) 49/98 - Paradies/ La Paradisa; 24 W (pat) 280/99 - Pesona/ Rexona; Richter/ Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., S. 166, 357). Gleiches gilt für ätherische Öle, sie sind den "Mitteln zum Pflegen, Festigen und dauerhaften Formverändern (Wellen) der Haare" ebenso wenig ähnlich wie "Zahnputzmittel und Mundwasser", da sie einen anderen Einsatzbereich und völlig andere Wirkstoffe aufweisen. Es besteht insoweit weder eine ergänzende Verwendung noch eine stoffliche Ähnlichkeit.

"Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke" unterliegen im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Einordnung in Klasse 1 und weisen keine Ähnlichkeit mit einem Dauerwellenmittel auf, denn damit sind u. a. Düngemittel, Gerbmittel, Mittel zum Härten und Löten von Metallen und Kunststoffe oder Kunstharze im Rohzustand gemeint.

2.4. Für die einander gegenüberstehenden identischen Waren muß der einzuhaltende Abstand sehr groß sein, für die im Ähnlichkeitsbereich liegenden groß.

3. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist normal. Sowohl der Wortbestandteil "poly" mag aufgrund seiner vielfachen Benutzung ebenso wie der zweite Teil "lock" aufgrund der beschreibenden Verwendung kennzeichnungsschwach sein, dennoch folgt daraus nicht zwangsläufig eine Kennzeichnungsschwäche für den daraus gebildeten Gesamtbegriff. Doch selbst wenn man davon ausgeht, so kann eine Schwächung der Kennzeichnungskraft kompensiert werden durch die vorgelegten Unterlagen im Hinblick auf die gesteigerte Benutzung. Der Grad der Kennzeichnungskraft wird nämlich allgemein durch Beurteilung aller relevanten Umstände, wie z. B. Eigenschaften der Marke, Marktanteil, Intensität, geografische Ausdehnung, Dauer der Benutzung und Werbeaufwand festgelegt (BGH GRUR 2003, 1040 - Kinder). Die Widersprechende hat aus diesem Grund eine eidesstattliche Versicherung ihres Internationalen Marketing Managers vom 18.05.2001 vorgelegt, aus der sich für das Dauerwellenmittel "POLY LOCK" ein durchschnittlicher Jahresumsatz in Deutschland von 12,7 Millionen DM zwischen 1993 und 1997 ergibt. Eingetragen und veröffentlicht ist die Widerspruchsmarke bereits seit 1981. Die Marke der Widersprechenden hat insoweit durch intensive Benutzung und langjährige Verwendung im gesamten Bundesgebiet eine erhebliche Bekanntheit erlangt, so dass insgesamt jedenfalls von normaler Kennzeichnungskraft auszugehen ist.

Damit verbleibt es bei dem erforderlichen weiten Abstand zwischen den Vergleichszeichen, auch bei den lediglich ähnlichen Waren.

4.1. Die Prüfung der Zeichen "Polyprop" und "POLY LOCK" auf ihre Ähnlichkeit in klanglicher, begrifflicher oder schriftbildlicher Hinsicht begründet offensichtlich keine unmittelbare Verwechslungsgefahr. Der zweite Bestandteil "prop" bzw. "LOCK" ist in jeder Hinsicht deutlich unterschiedlich. Der Markeninhaber hat beim Vergleich der sich gegenüberstehenden Zeichen "POLY LOCK" und "Polyprop" deshalb zu Recht auf den phonetischen Unterschied zwischen labialen und alveolaren Lauten hingewiesen. Der Bundesgerichtshof hat nämlich festgestellt (GRUR 2004, 783, 785 - NEURO-VIBOLEX/ NEURO-FIBRAFLEX), dass bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr zwar grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Zeichen als auf die Unterschiede abzustellen sei, es aber eine Frage des Einzelfalls betreffe, welchen Einfluss Silben in der Wortmitte - oder hier am Wortende - auf den klanglichen Gesamteindruck haben. Eine Verwechslungsgefahr im klanglichen Bereich zwischen "pohlipropp" und "pohlilokk" ist danach - trotz der gleichen Vokal- und Silbenfolge - unwahrscheinlich, da der Labiallaut "p" sich deutlich von dem Zungen-Gaumen-Laut "k" unterscheidet.

4.2. Auch eine unmittelbare Verwechslungsgefahr aufgrund der Identität des alleine für eine Kollision in Frage kommenden Bestandteils "poly" als prägend kommt nicht in Betracht. Dazu müsste "poly" als das Zeichen ausschließlich dominierend, d. h. prägend, in Frage kommen. Dies ist hier nicht der Fall, denn "poly" allein ist aufgrund seiner beschreibenden Verwendung kennzeichnungsschwach. Das griechische Wort "poly", steht in Zusammensetzungen für "viel" (Wahrig, Universalwörterbuch, 2002, S. 838), oder im chemischen Bereich beschreibend für Polymere. Nach dem Erfahrungssatz, dass der Verkehr Marken regelmäßig in der Form aufnimmt, in der sie ihm entgegentreten, und sie nicht einer analysierenden, zergliedernden, möglichen Bestandteilen und deren Bedeutung nachgehenden Betrachtung unterzieht, kann allerdings auch ein Bestandteil, der einer beschreibenden Angabe entnommen ist, zum Gesamteindruck beitragen (BGH GRUR 1999, 735, 736 - MONOFLAM/ POLYFLAM; BGH GRUR 2004, 783, 785 - NEURO-VIBOLEX/ NEURO-FIBRAFLEX). Dies gilt vorliegend umso mehr als auch der zweite Wortbestandteil jeweils beschreibend und daher nicht besonders kennzeichnungskräftig ist. In der Widerspruchsmarke handelt es sich um das Wort "lock", das englische Wort für (Haar-)Locke (Collins, a. a. O., S. 758), das im Deutschen der Stamm der Wortfamilie "lockig, Locke, locken" ist. Der Gesamtbegriff hat also einen neuen Inhalt und deutet als sog. sprechendes Zeichen auf "viele Locken, lockiges Haar" hin, nämlich dem Anwender zu lockigem Haar zu verhelfen. Diese Begrifflichkeit führt auch dazu, dass der Durchschnittsverbraucher, der grundsätzlich den Wortanfang mehr beachtet als das Ende (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 14 Rn. 554; Ströbele/ Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 9 Rn. 184), den Wortteil "LOCK" nicht weglassen wird (BGH GRUR 2004, 783, 785 - NEURO-VIBOLEX/ NEURO-FIBRAFLEX). "Poly" ist zu wenig aussagekräftig um alleine zu stehen, verhilft aber dem Gesamtbegriff "POLY LOCK" zu seiner begrifflichen Verständlichkeit, weshalb er dem prioritätsjüngeren Zeichen als Ganzes gegenüber zu stellen ist.

In der jüngeren Marke hat "prop" die Bedeutung "Stütze, Halt" (Collins, a. a. O., S. 1021), was ebenfalls zu der beschreibenden Gesamtbedeutung "viel Halt geben, eine große Stütze sein" führt. Dies kann bei "Mitteln zur Schönheits- und Körperpflege" ohne weiteres auf einen "festigenden" bzw. "straffenden" Charakter der Ware hinweisen. Insoweit bleibt in dem prioritätsjüngeren Zeichen "poly" ebenfalls (mit-)prägend, da das ganze Zeichenwort eine Einheit bildet und nicht in seine Bestandteile aufgespalten werden kann. Damit verbleibt es bei fehlender mittelbarer Verwechslungsgefahr der Vergleichszeichen.

4.3. Es besteht jedoch Verwechslungsgefahr aufgrund gedanklichen Inverbindungbringens - im Bereich der identischen und ähnlichen Waren - im Hinblick auf mehrere Serienzeichen zugunsten der Widersprechenden. Sie hat dargelegt, dass sie insgesamt 180 Zeichen besitzt, die mit "Poly-" gebildet sind, und im Rahmen der Benutzung vorgetragen zu "Poly Color", "Poly Kur", "Poly Sensitive", "Poly Style", "Poly Wickler" und "Poly". Für die Marke "Poly" hat sie durchschnittliche Umsatzzahlen für die Jahre 1993 bis 1997 nachgewiesen. Dabei ist gerichtsbekannt, dass mit "Poly-" gekennzeichnete Produkte zur Haarpflege nach wie vor in erheblichem Umfang in großen Drogeriemärkten angeboten werden. Die Widersprechende bedient sich eines Stammzeichens, das zur Kennzeichnung einzelner Warenarten abgewandelt wird, indem in der Regel ein weiterer beschreibender Begriff angehängt wird (BGH, GRUR 2002, 542, 544 - BIG). Dabei ist "Poly" als Stammbestandteil einer Serie geeignet, selbst wenn es an warenbeschreibende Angaben angelehnt sein mag, da auch die Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens aus der Wechselwirkung von Waren- und Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke zu beurteilen ist (BGH GRUR 1999, 587, 589 - Cefallone). Der Verkehr ist außerdem bereits an entsprechende Wortzusammensetzungen mit dem Wort "Poly-" gewöhnt und wird in dem entsprechenden Warensegment auch eine neue Wortzusammensetzung der Firma der Widersprechenden zuordnen, selbst wenn er auf Anhieb den Wortbestandteil "-prop" anders deutet und vielleicht für eine Abkürzung von "proper" im Sinne von "sauber, ordentlich" hält (BGH, GRUR 2002, 542, 544 - BIG).

Unter Abwägung der einzelnen eine rechtserhebliche Verwechslungsgefahr begründenden Faktoren ergibt sich daher, dass diese bei identischen und ähnlichen Waren unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke wegen des Vorhandenseins eines Serienzeichens auf Seiten älteren Marke zu bejahen war.

Soweit eine Ähnlichkeit für die Waren "Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungsmittel; ätherische Öle; Zahnputzmittel, Mundwasser" zu den Waren der Widerspruchsmarke nicht festgestellt werden konnte, besteht die Gefahr einer fehlerhaften Zuordnung allerdings nicht, so dass der Abstand zwischen den Vergleichszeichen ausreichend ist und eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen werden kann.

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BPatG:
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