Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 27. Mai 2008
Aktenzeichen: L 11 B 6/08 KR ER

(LSG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 27.05.2008, Az.: L 11 B 6/08 KR ER)

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 24.01.2008 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin. Der Streitwert wird auf 1.000.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin (AS) wendet sich gegen das Angebot von sog. Wahltarifen durch die Antragsgegnerin (AG).

Die AG, ein Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, bietet ihren Mitgliedern nach Maßgabe der §§ 26 - 29 ihrer durch das Landesversicherungsamt Nordrhein-Westfalen genehmigten Satzung Wahltarife an, die die Kostenerstattung für Leistungen im Ausland (§ 26), Kostenerstattung der Krankenhauszuzahlung (§ 27), Kostenerstattung bei Wahlleistung "Ein- oder Zwei-Bett-Zimmer" im Krankenhaus (§ 28) sowie Kostenerstattung des Zahnersatzes (§ 29) beinhalten.

Am 23.05.2007 beantragte die AS, ein privates Krankenversicherungsunternehmen, den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, der AG das Angebot dieser Wahltarife zu untersagen.

Das zunächst angerufene Landgericht (LG) Köln hat den Rechtsstreit an das Sozialgericht (SG) Köln verwiesen (Beschluss des LG Köln vom 27.06.2007, Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 20.07.2007); dieses hat den Rechtsstreit an das örtlich zuständige SG Dortmund verwiesen.

Die AS hat die Auffassung vertreten, dass die AG durch ihr Angebot der Wahltarife insbesondere gegen § 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) in Verbindung mit (i.V.m.) § 194 Abs. 1a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie § 30 Viertes Buch Sozialgesetzbuch verstoße. Die eingeführten Wahltarife könnten nicht auf § 53 Abs. 4 SGB V gestützt werden. Nach dieser Vorschrift könne lediglich die Höhe der Kostenerstattung variabel gestaltet werden; eine Ausweitung des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) sei hingegen nicht möglich. Die angebotenen Tarife seien aber nicht vom Leistungsauftrag der GKV umfasst. Das Angebot einer Kostenerstattung für Ein- oder Zweibettzimmer verstoße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V, diese Versorgung sei bei einer Krankenhausbehandlung nicht notwendig. Die Kostenerstattung für "Krankenhauszuzahlungen" verkehre die Regelung des § 39 Abs. 4 SGB V über die Zuzahlungen von Versicherten ins Gegenteil. Eine Kostenerstattung bei Zahnersatz widerspreche insbesondere der Festbetragsregelung des § 55 SGB V. Bei allen von der AG angebotenen Leistungen handele es sich um klassische Angebote der privaten Krankenversicherung (PKV). Derartige Zusatzversicherungen dürfe die GKV nach § 194 Abs. 1 a SGB V lediglich vermitteln, nicht aber selbst anbieten. Aus § 194 Abs. 1 a SGB ergebe sich auch, dass die GKV nicht mit der PKV in Konkurrenz treten dürften. Da die AG dem zuwider handele, ergebe sich ein Anordnungsanspruch nach § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG; es liege ein wirtschaftliches Handeln der AG vor, das den Regelungen des Wettbewerbsrecht unterfalle. Nach § 4 Nr. 11 UWG handele derjenige unlauter und rechtswidrig, der einer gesetzlichen Vorschrift zuwider handle, die auch bestimmt sei, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich zudem aus Art. 12, 14 und 3 Grundgesetz (GG). Es werde in Art. 12 und 14 GG eingegriffen, da die Angebote der AG nicht von § 53 Abs. 4 SGB V gedeckt und zudem nach § 194 Abs. 1a SGB V der PKV vorbehalten seien. Die AG verhalte sich auch nicht marktkonform, da die GKV ein Angebotsmonopol nutzen könnten, ohne in einen Leistungswettbewerb mit der PKV eintreten zu müssen. Ein Eingriff sei nicht gerechtfertigt, da ausreichende Angebote der PKV bestünden. Eine unzulässige Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG liege vor, weil die GKV entsprechende Zusatzversicherungen abschließen könnten, die PKV-Unternehmen aber daran gehindert seien, ihre Versicherungsleistungen den Mitgliedern der GKV anzubieten. Es werde auch gegen Art. 86 und 82 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) verstoßen. Die GKV seien Unternehmen im Sinne von Art. 86 Abs. 1 EGV; ein Verstoß liege vor, da die GKV aufgrund ihres Monopols Wettbewerbsvorteile auf benachbarten, aber getrennten Märkten erzielen könnten. Mit der verbotenen Quersubventionierung werde Art. 82 EGV verletzt. Die Gestaltung der Wahltarife der AG - Fehlen von Risikoprüfung, Risikoausschlüssen und Wartezeiten - offenbare, wie auch ihre - der AS - Berechnung zeige, dass diese ohne eine Quersubventionierung nicht möglich seien. Damit werde die durch Art. 82 EGV gewährleistete Chancengleichheit verzerrt. Gleichzeitig werde damit auch gegen § 33 Abs. 1 und 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verstoßen; die Allgemeinen Ortkrankenkassen hätten einen Marktanteil von 36 %.

Ein Anordnungsgrund werde nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Im Übrigen bestehe aufgrund der großen Resonanz auf die Wahltarife der AG Eilbedürftigkeit. Es seien bereits über 20.000 Policen abgeschlossen worden; dadurch würden endgültige Tatsachen geschaffen. Zudem komme der AG eine Vorreiterrolle zu, da auch andere GKV vergleichbare Angebote beabsichtigten.

Die AS hat beantragt,

die Antragsgegnerin hat es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR -ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Versicherungsleistungen in Form von Kostenerstattungstarifen für Zusatzleistungen anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, welche als Zusatzversicherungen außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen liegen, wie dies in den §§ 26 - 29 der Satzung der Antragsgegnerin vom 01.04.2007 mit den Angeboten: Tarif für die Kostenerstattung für Leistungen im Ausland (§ 26), Tarif für die Kostenerstattung "Krankenhauszuzahlungen" (§ 27) Tarif für die Kostenerstattung bei Wahlleistung "Ein- oder Zweibettzimmer" im Krankenhaus (§ 28) und/oder Tarif für die Kostenerstattung bei Zahnersatz (§ 29) vorgesehen ist.

Die AG hat beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen, hilfsweise die Vollziehung der einstweiligen Verfügung von einer angemessenen Sicherheitsleistung durch die Antragstellerin abhängig zu machen.

Sie hat entgegnet: Ein Anordnungsanspruch stehe der AS nicht zu. § 4 Nr. 11 UWG sei schon deshalb nicht anwendbar, weil das Landesversicherungsamt ihre Satzung genehmigt und damit das Anbieten der Wahltarife erlaubt habe. Die Vorschrift greife aber auch deshalb nicht, weil es sich bei § 53 Abs. 4 SGB V um eine Marktzutrittsregelung handele. Sinn und Zweck des § 53 Abs. 4 SGB V sei die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der GKV gegenüber den privaten Anbietern. Den Krankenkassen solle es u.a. ermöglicht werden, die Versicherten zu binden. Dies könne nur durch entsprechend attraktive Wahltarife erreicht werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers, der sich innerhalb der Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG bewege, sollen zudem auch sozial Schwächere in den Genuss solcher Wahltarife kommen. Die angebotenen Tarife würden auch nicht den Leistungskatalog der GKV erweitern, sondern lediglich Mehrleistungen regeln, die ihrer Art nach Leistungen der GKV seien. § 194 Abs. 1a SGB V schließe das Angebot von Wahltarifen nicht aus. Es gehe nicht um den Vertrieb von Zusatzversicherungen, sondern vielmehr um das Angebot von Wahltarifen. Der EGV sei nicht anwendbar, weil die GKV keine Unternehmen i.S. dieser Normen seien. Zudem fehle es an einer Monopolstellung; sie habe lediglich 1,9 Millionen Mitglieder und könne die Tarife nur ihren eigenen Versicherten anbieten. Andere Allgemeine Ortskrankenkassen hätten keine vergleichbaren Angebote. Es fehle auch an der Zwischenstaatlichkeit, da die GKV nur auf dem deutschen Markt tätig würden. Art. 12 GG schütze nicht vor Konkurrenz, Art. 14 GG schütze keine zukünftigen Betätigungsmöglichkeiten. Ein Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 3 GG liege nicht vor, da der Wettbewerb durch die Wahltarife überhaupt erst eröffnet werde. Quersubventionen seien nach § 53 Abs. 9 SGB V ausgeschlossen. Ihre Tarife seien vom Landesversicherungsamt genehmigt und die Systemgerechtigkeit der Kalkulation durch einen Aktuar bestätigt worden. Die Kalkulation beruhe im Ergebnis auf der tatsächlichen Morbidität ihres Versichertenbestandes. Eilbedürftigkeit bestehe nicht. § 12 Abs. 2 UWG greife nicht, da dieser auf öffentlichrechtliche Streitigkeiten keine Anwendung finde und zudem die Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vorrangig und abschließend seien. Im Übrigen seien ihre Angebote regional begrenzt und könnten bundesweit operierende PKV-Unternehmen nicht beeinflussen. Negative Auswirkungen habe die AS auch nicht glaubhaft dargelegt. Bis zum 07.01.2008 hätten erst 7.387 Versicherte von den streitigen Wahltarifen - die übrigen Wahltarife nach § 53 SGB V seien nicht Streitgegenstand - Gebrauch gemacht. Dies ließe sich im Falle des Obsiegens der AS in der Hauptsache auch rückgängig machen; damit seien allenfalls zeitlich begrenzt finanzielle Nachteile für sie zu befürchten.

Das SG Dortmund hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 24.01.2008 abgelehnt: Der AS sei im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zumutbar, das Ergebnis eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten, da der ihr drohende wirtschaftliche Schaden nicht als besonders erheblich einzuschätzen sei. Einen eingetretenen oder drohenden Schaden habe sie nicht beziffert. Unter Zugrundelegung von 20.000 zwischenzeitlich abgeschlossenen Wahltarifen und bei 48 PKV-Unternehmen würden statistisch ca. 400 Neuabschlüsse auf die AS entfallen. Aber auch dieser Anteil stelle nur eine bloße Erwerbsaussicht dar, da nicht klar sei, wie viele der Versicherten der AG tatsächlich eine Zusatzversicherung bei der AS abgeschlossen hätten. Bei Beitragseinnahmen von ca. 1,3 Milliarden Euro sei eine erhebliche Beeinträchtigung der AS für den Fall der Ablehnung der einstweiligen Anordnung nicht erkennbar. Demgegenüber ließen sich die Wahltarife bei Feststellung eines Verstoßes im Hauptverfahren relativ schnell abwickeln. Die Versicherten seien dann für die AS nicht verloren. Der vorübergehende Schaden wäre gering, da von den Beitragseinnahmen die Versicherungsaufwendungen abzuziehen wären. Im Übrigen bleibe bei summarischer Prüfung offen, ob der AS ein Unterlassungsanspruch zustehe. Eine ins Einzelne gehende Prüfung der aufgeworfenen schwierigen Rechtsfragen könne im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht bewerkstelligt werden. Gegen die Anwendung des § 4 Nr. 11 UWG spreche jedenfalls, dass § 53 Abs. 4 SGB V als reine Marktzutrittsregelung angesehen werden könne, die den Träger der GKV erst den Zutritt zum Markt der privaten Zusatzversicherungen ermögliche, und dass das Landesversicherungsamt die Satzung der AG genehmigt habe. Allerdings könnten durch die Genehmigung der Aufsichtsbehörde Mängel der Satzung nicht geheilt werden; dass die Genehmigung an einem zur Nichtigkeit führenden Mangel leide, sei indes nicht ersichtlich. Es sei auch nicht ohne Weiteres erkennbar, dass die streitigen Wahltarife nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 53 Abs. 4 SGB V gedeckt seien. Zwar spreche der Wortlaut nur von Tarifen der Kostenerstattung bzw. von einer Variationsmöglichkeit hinsichtlich der Höhe der Kostenerstattung. Da die Regelung damit aber nur die Möglichkeit der Erstattung von Kosten nach der GOZ bzw. GOÄ erfasse, komme ihr keine praktische Bedeutung zu und es könne das gesetzgeberische Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der GKV zu stärken, so kaum erreicht werden. Dies spreche dafür, dem Willen des Gesetzgebers ein weites Verständnis zugrunde zu legen. Dies führe dazu, dass die Wahltarife von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt sein könnten. Ein Unterlassungsanspruch folge nicht aus § 33 Abs. 1 GWB in Verbindung mit Art. 81 oder 82 EGV bzw. auch nicht aus einer Verletzung von sonstigem unmittelbar anwendbaren Europarecht. Offen bleiben könne, ob die AG ein Unternehmen im Sinne von Art. 82 EGV sei; jedenfalls habe sie - als bisher einzige gesetzliche Krankenkasse, die Wahltarife eingeführt habe, - keinen so erheblichen Marktanteil, dass man ihre Stellung auf dem Gemeinsamen Markt bzw. auf einem wesentlichen Teil desselben als marktbeherrschend bewerten könne. Ein Missbrauchstatbestand könne auch nicht ohne Weiteres angenommen werden, da die Wahltarife nur den eigenen Mitgliedern angeboten werden könnten und § 53 Abs. 9 S. 1 SGB V jede Quersubvention ausschließe. Derzeit sei auch davon auszugehen, dass die Wahltarife selbsttragend seien. Soweit Art. 86 Abs. 1 EGV die Mitgliedstaaten selbst in die Pflicht nehme, sei eine Verletzung nicht ersichtlich. Art. 86 Abs. 1 i.V.m. 82 EGV sei ebenfalls nicht verletzt, da die AG nicht auf Grundlage gesetzlicher Regelungen zu einem missbräuchlichen Verhalten gezwungen und ihr auch nicht ein besonderes oder ausschließliches Recht verliehen worden sei. Außerdem sei z. Zt. nicht zu erkennen, dass sie sich infolge einer Ausnutzung der durch § 53 Abs. 4 SGB V eingeräumten Möglichkeiten missbräuchlich verhalte. Dementsprechend scheide auch ein Unterlassungsanspruch nach § 33 Abs. 1 i.V.m. §§ 19 ff. GWB aus. Es liege keine marktbeherrschende Stellung i.S.d. § 19 Abs. 2 GWB vor, eine missbräuchliche Ausnutzung einer solchen Stellung sei gegenwärtig nicht erkennbar. Ein Unterlassungsanspruch sei auch nicht aus § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch i.V.m. mit Grundrechtsverletzungen bzw. direkt aus den Grundrechten herzuleiteten. Im Rahmen der summarischen Prüfung sei eine Grundrechtsverletzung nicht festzustellen. Art. 12 GG schütze grundsätzlich nicht vor Wettbewerb. Eine ausnahmsweise Eröffnung des Schutzbereichs komme nur in Betracht, wenn eine Monopolstellung begründet werde oder ein Verdrängungswettbewerb verbunden mit einer unzumutbaren Einschränkung der Betätigungsmöglichkeit der Privatunternehmen stattfinde. Beides sei nicht ersichtlich. Es ein Verstoß gegen Art. 14 GG liege nicht vor. Geschützt werde der Bestand an vermögenswerten Gütern vor ungerechtfertigten Eingriffen und gerade nicht den Erwerb oder eine in der Zukunft liegende Erwerbschance. Auch der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 werde nicht verletzt, da grundsätzlich schon keine Vergleichbarkeit zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung bestehe. Sachlicher Grund für eine differenzierende Behandlung durch den Gesetzgeber sei, dass die GKV auf dem Solidarprinzip fußte und durch einkommensabhängige Beiträge finanziert würde; die PKV sei aufgrund einer individuellen Risikobewertung tätig. Auch in der Einführung der Wahltarife scheine kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu liegen; denn dadurch werde vielmehr erst der Wettbewerb zwischen PKV und GKV eröffnet. Dies sei Ziel des Gesetzgebers, dem ein besonders weiter Gestaltungsspielraum auf dem Gebiet des Sozialrechts zustehe. Eine Überprüfung könne sich deshalb nicht auf die Frage erstrecken, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden habe, sondern allenfalls darauf, ob er willkürlich bzw. unverhältnismäßig gehandelt habe. Dies sei nicht ersichtlich.

Gegen diese am 25.01.2008 zugestellte Entscheidung hat die AS am 14.02.2008 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Die AS ist unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens der Auffassung, es liege insbesondere ein Verstoß gegen § 194 Abs. 1a SGB V vor. Dieser regele nach seinem Wortlaut und auch unter Beachtung der Gesetzeshistorie, dass die GKV ausschließlich die im Einzelnen benannten klassischen Zusatzversicherungen, die die AG in identischem Umfang anbiete, vermitteln dürften. Schon deshalb könne § 53 Abs. 4 SGB V nicht dahingehend interpretiert werden, dass er Ermächtigungsgrundlage für das Angebot der Wahltarife der AG sei. Darüber hinaus lägen die von den Wahltarifen der AG erfassten Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs der GKV und seien nicht von § 53 Abs. 4 SGB V gedeckt. Durch § 53 Abs. 4 SGB V sollten gerade Umfang und Leistungen der GKV nicht verändert werden. Es sollte für gesetzlich Versicherte lediglich die Möglichkeit geschaffen werden, wie Privatversicherte behandelt werden zu können. Aufgrund dieser Gesetzesverstöße zum Teil i.V.m. der marktbeherrschenden Stellung der AG ergebe sich ein Unterlassungsanspruch u.a. aus dem UWG, dem nationalen und europäischen Kartellrecht sowie aus dem Verfassungs- und Wettbewerbsrecht. Marktbeherrschung bestehe, weil entweder auf die wirtschaftliche Einheit "Gesetzliche Krankenkassen" mit überragender Markstellung auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, auf die wirtschaftliche Einheit "AOK-Gemeinschaft" mit einem Marktanteil von 36% oder auf die auf den räumlichen Teilmarkt Rheinland/Hamburg begrenzte wirtschaftliche Einheit der AG, der auf diesem Teilmarkt größten Krankenkasse, abgestellt werden müsse. Ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung ergebe sich im Wesentlichen aus dem Verstoß gegen das in § 53 Abs. 9 SGB normierte Verbot der Quersubventionierung; die Wahltarife der AS seien für sich allein nicht tragfähig. Im Übrigen liege ein Anordnungsgrund bereits aufgrund der Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG vor. Zudem richte sich das Angebot der AG auf eine äußerst relevante Schnittmenge von Versicherten.

Die AS beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 24.01.2008 abzuändern und nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Die AG beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen,

hilfsweise anzuordnen, dass die Antragstellerin binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist Klage in der Hauptsache zu erheben hat.

Sie legt unter ausführlicher Aufbereitung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihre Auffassung dar, dass weder Anordnungsgrund noch -anspruch bestünden.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der AS ist nicht begründet.

Das SG hat den Antrag der AS mit zutreffender Begründung, die sich der Senat in entsprechender Anwendung des § 153 Abs. 2 SGG zu Eigen macht, abgewiesen.

Ergänzend bzw. abgrenzend führt der Senat aus: Die AS hat einen Anordnungsrund nicht glaubhaft gemacht; zudem spricht die Interessenabwägung überwiegend zu Gunsten der AG; ein Anordnungsanspruch der AS besteht bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage eher nicht.

1. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist bindend festgestellt (§ 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz); er ergibt sich im Übrigen aus § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 SGG. Danach sind bei Streitigkeiten in Angelegenheiten der GKV aufgrund von Entscheidungen oder Verträgen der Krankenkassen oder ihrer Verbände, auch soweit Dritte betroffen werden, mit Ausnahme bestimmter Fragen aus dem Krankenhausbereich, ausschließlich die Sozialgerichte zuständig (vgl. BSG SozR 3-2200 § 376d Nr. 1).

2. Ein Zuwarten auf weitere Ausführungen der Beteiligten erachtet der Senat als nicht geboten. Ungeachtet, dass dadurch die Zielsetzung eines auf einstweiligen Rechtsschutz gerichteten Verfahren konterkariert würde, hatten die Beteiligten nunmehr über 1 Jahr Gelegenheit, ihre Rechtsauffassung darzulegen. Sie haben diese durch ca. 500 Seiten umfassenden Vortrag auch hinreichend genutzt.

3. Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-ÄndG (BGBI. l S. 2144 ff) ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG geregelt worden. Nach dessen § 86 b Abs. 2 kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung nach Maßgabe der in Absatz 1 bzw. Absatz 2 genannten Voraussetzungen treffen. Danach ist zwischen Sicherungs- (§ 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG) und Regelungsanordnung (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG) zu unterscheiden. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Droht dem AS bei Versagung einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten / zu machenden Anspruchs - einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -; LSG NRW, Beschlüsse vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER - und vom 23.11.2007 - L 10 B 11/07 KA ER -), es sei denn, dass überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff). Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (BVerfG NJW 1997, 479, 480, LSG NRW, Beschlüsse vom 15.11.2006 - L 10 B 14/06 KA ER -, vom 12.02.2007 - L 10 B 35/06 KA ER - , vom 23.11.2007 - L 10 B 11/07 KA ER - und vom 11.02.2008 - L 11 (10) B 17/07 KA ER -).

a) Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich, dass die AS einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hat.

Den Anordnungsgrund definiert § 86 b Abs. 2 SGG für die Sicherungsanordnung einerseits und Regelungsanordnung andererseits jeweils eigenständig. Die Sicherungsanordnung setzt die Gefahr voraus, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustand die Verwirklichung eines Rechts des AS vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§ 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG); hingegen verlangt die Regelungsanordnung, dass die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG). Hierunter fallen die praktisch häufigen Fälle eines Verpflichtungs- oder Leistungsbegehrens (vgl. Düring in Berliner Kommentare, SGG, 2. Auflage, 2006, § 86 b Rdn. 11). Die Abgrenzung der Sicherungs- von der Regelungsanordnung ist unsicher. Sie ist letztlich unerheblich; denn beide Fälle unterliegen derselben Behandlung (hierzu Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Auflage, 2007, § 940 Rdn. 1). Ein striktes "Entweder/Oder" zwischen Regelungs- und Sicherungsanordnung besteht demgemäß nicht (LSG NRW, Beschlüsse vom 14.12.2006 - L 10 B 21/06 KA ER -, vom 23.11.2007 - L 10 B 11/07 KA ER - und vom 11.02.2008 - L 11 (10) B 17/07 KA ER -, so im Ergebnis wohl auch OVG Münster vom 02.05.1979 - XV B 578/79 -).

b) Auf die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes kann nicht verzichtet werden.

Die Auffassung der AS, ein Anordnungsgrund sei vorliegend nicht darzulegen bzw. glaubhaft zu machen, weil nach § 12 Abs. 2 UWG zur Sicherung der im UWG bezeichneten Unterlassungsansprüche einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 ZPO bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden können, teilt der Senat nicht. Die im sozialgerichtlichen Verfahren zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu erfüllenden Voraussetzungen sind in § 86b SGB geregelt. Danach sind u.a., wie sich aus dem Verweis des § 86b Abs. 2 Satz 3 SGG auf § 920 Abs. 2 ZPO zwingend ergibt, Anspruch und Arrestgrund glaubhaft zu machen. Befreiungstatbestände enthält das SGG nicht. Auch § 12 Abs. 2 UWG enthält für das sozialgerichtliche Verfahren keine Ausnahmereglung; er verweist ausschließlich auf die Vorschriften für das zivilprozessrechtliche Verfahren. Angesichts dieser gesetzlichen Vorgaben des § 86b SGG ist auch für eine entsprechende Anwendung des § 12 Abs. 2 UWG kein Raum. Darüber hinaus sieht der Senat keinen Gesichtspunkt, der für eine Privilegierung bestimmter AS im sozialgerichtlichen Verfahren sprechen könnte. Des Weiteren trifft § 69 SGB V eine Werteentscheidung, die generell die Anwendung der Vorschriften des UWG und weitgehend des GWB auf das Leistungsrecht des SGB V ausschließt, und zwar auch dann, wenn durch die aufgrund gesetzlicher Vorschriften des SGB V angebotenen Leistungen an Versicherte Dritte betroffen sind (Beschluss des LSG NRW vom 07.05.2008 - L 5 B 8/08 KR ER).

c) Bei der Prüfung, ob und inwieweit das Angebot der streitigen Leistungen durch die AG auf Seiten der AS wesentliche Nachteile zur Folge hat oder eine Rechtsverwirklichung vereitelt bzw. wesentlich erschwert, ist grundsätzlich auf die wirtschaftlichen Folgen abzustellen.

Ob und inwieweit wesentliche wirtschaftliche, d.h. finanzielle Nachteile für die AS zu besorgen sind, ist von ihr nicht dargetan und erst recht nicht glaubhaft gemacht. Ihr in der Gesamtbewertung lediglich pauschales Vorbringen einer Beeinflussung der Marktchancen ihrer dem Angebot der AG entsprechender Versicherungsleistungen genügt den an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes zu stellenden Anforderungen nicht. In Literatur und Rechtsprechung wurde mehrfach herausgestellt, dass allein eine etwaige Rechtsverletzung schon deshalb keinen Anordnungsgrund begründet, weil anderenfalls jedes rechtswidrige Handeln einer Behörde einen Anordnungsgrund erfüllen, mithin zu einer konturenlosen Ausuferung des einstweiligen Rechtsschutzes führen würde (Frehse a.a.O. Rdn. 124 m.w.N.; z.B. zuletzt LSG NRW, Beschluss vom 11.02.2008 - L 11 (10) B 17/07 KA ER -), und dass eine konkrete Darlegung eines Umsatzrückganges - oder ggf. entsprechender wirtschaftlicher Nachteile - erforderlich ist (u.v.a. LSG NRW, Beschlüsse vom 12.02.2007 - L 10 B 35/06 KA ER -, vom 23.11.2007 - L 10 B 11/07 KA ER - und vom 11.02.2008 - L 11 (10) B 17/07 KA ER -). Es hätte also im Einzelnen konkreter und glaubhaft zu machender Ausführungen dazu bedurft, welche Folgen ein Umsatzrückgang bzw. eine Umsatzeinbuße für die AS hätte, wobei z.B. allein ein Hinweis darauf, dass die Profitabilität zwingende Voraussetzung für den Fortbestand ist und ein Umsatzrückgang Konsequenzen für die Beschäftigtenzahl habe, diesen Anforderungen ebenso wenig genügt wie etwa das Vorbringen eines Umsatzrückganges von ca. 5% (LSG NRW, Beschluss vom 14.12.2006 - L 10 B 21/06 KA ER -).

Von den an die Darlegung eines wesentlichen Nachteils zu stellenden Anforderungen abzuweichen, besteht für den Senat kein Ansatzpunkt, zumal die AG nicht nur unwidersprochen, sondern auch durch die Pressemitteilung der AS vom 12.03.2008 belegt, deren Geschäftsverlauf im Jahr 2007 mit deutlichem Wachstum über den Branchenschnitt beschrieben hat.

Aber auch im Übrigen vermag der Senat nicht zu erkennen, inwieweit die AS überhaupt - von Einzelfällen abgesehen - durch das streitige Angebot der AG berührt sein, ihr also überhaupt ein nennenswerter Nachteil bei Unterbleiben der von ihr begehrten Anordnung drohen könnte. Nach den einzig konkret benannten Zahlen (s. dazu z.B. Schriftsatz der AG vom 15.04.2008) ist hochgerechnet von ca. 10.000 Versicherten / Jahr auszugehen, die die streitigen Wahltarife nach § 53 Abs. 4 SGB V, auf die es hier allein ankommt, in Anspruch genommen haben. Ungeachtet der Ungewissheit der weiteren Entwicklung - z.B. vor dem Hintergrund, dass die AG damit ggf. bereits den größten Teil ihrer Versicherten, die derartige Wahltarife in Anspruch zu nehmen gedenken, erreicht haben könnte - ist zunächst zu berücksichtigen, dass damit der AS keineswegs 10.000 Versicherungsverträge entgangen sind, da bereits nach ihren Angaben mindestens 48 PKV-Unternehmen potentielle Versicherungsnehmer bewerben. Zudem erschließt sich nicht, aus welchem Grund Mitglieder der AG, denen z.T. seit Jahrzehnten entsprechende bzw. ähnliche Versicherungsleistungen der PKV angeboten worden sind, sich nunmehr - ab April 2007 - "plötzlich" entschlossen haben sollten, bei diesen einen solchen Vertrag abzuschließen, daran aber von dem Angebot der AG abgehalten worden sind; es ist also mithin zweifelhaft, ob und inwieweit hier überhaupt relevante Überschneidungen auf dem "Versichertenmarkt" vorliegen. Dies gilt umso mehr, als sich das Angebot der PKV-Unternehmen typischerweise auf sog. gute Versicherungsrisiken (z.B. im Hinblick auf Alter und Gesundheitszustand) beschränkt, während das Angebot der AG nicht differenziert, sondern sich auf alle ihre Mitglieder erstreckt. Dies Alles - s. dazu ergänzend auch die Ausführungen des SG im Rahmen seiner Interessenabwägung - zugrunde gelegt spricht Einiges dafür, dass eher nur eine rein theoretische Möglichkeit eines wirtschaftlichen Nachteils der AS besteht. Ein wesentlicher Nachteil droht ihr jedenfalls nicht.

Soweit die AS schließlich Interessen anderer PKV-Unternehmen einführt, begründet dies schon deshalb keinen Anordnungsgrund, weil ein wesentlicher Nachteil im Sinne von § 86 b SGG nur dann gegeben ist, wenn ohne die einstweilige Anordnung eine Verletzung von Rechten des AS droht. Dieses Erfordernis dient insbesondere dem Ausschluss der Popularklage (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 54 RdNr. 13). Die möglicherweise drohende Verletzung von Rechten Dritter kann die AS also nicht geltend machen.

4. Aus den Erwägungen zu 3. ergibt sich nahezu zwangsläufig bei der im Rahmen des § 86b SGG vorzunehmenden Interessenabwägung ein deutlich untergeordnetes Interesse der AS an einer vorläufigen Regelung zu Lasten der AG. Dies hat bereits das SG zutreffend ausgeführt. Ergänzend merkt der Senat an, dass dem ggf. drohenden geringen wirtschaftlichen Nachteil der AS erhebliche Interessen der AG, aber auch ein öffentliches Interesse entgegen stehen. Würde dem Antrag der AS nämlich stattgegeben, wäre es der AG untersagt, sämtlichen ihrer Mitgliedern Wahltarife nach § 53 Abs. 4 SGB V anzubieten, obwohl allenfalls ein geringer Teil von diesen als potentielle Versicherungsnehmer der AS in Betracht kommt. Die begehrte Untersagung wäre mithin schon aus diesem Grund unverhältnismäßig. Darüber hinaus würde die vorläufige Untersagung zu einem bedeutsamen Vertrauensverlust der gesetzlich Versicherten letztlich in die Stabilität der GKV führen. Insbesondere aber würde den gesetzlich Versicherten, denen aufgrund ihres Versicherungsrisikos vertragliche Leistungen der PKV-Unternehmen einschließlich der AS verschlossen sind, die Inanspruchnahme von Wahltarifen nach § 53 Abs. 4 SGB V unmöglich sein, obwohl daran kein auch nur im Ansatz schützenwertes Interesse der AS bestehen kann.

5. Soweit der Senat darüber hinaus zusätzlich noch in die tatsächliche und rechtliche Prüfung des in einem Hauptsacheverfahren geltend zu machenden Anspruchs eintritt, ergibt sich, dass zumindest derzeit ein Anordnungsanspruch eher nicht wahrscheinlich scheint. Es spricht nämlich im Rahmen der summarischen Prüfung mehr dafür, dass die von der AG angebotenen Wahltarife von § 53 Abs. 4 SGB V erfasst sind und damit mithin kein Unterlassungsanspruch der AS - gleich auf welcher Rechtsgrundlage - besteht.

a) Der Senat teilt zunächst nicht den Schluss der AS, dass sich aus § 194 Abs. 1 a SGB V zwingend ergibt, dass die dort ausdrücklich genannten Verträge über Wahlarztbehandlung im Krankenhaus, den Ein- oder Zweibettzuschlag im Krankenhaus sowie die Auslandskrankenversicherung ausschließlich vermittelt werden dürfen. Diese zum 01.01.2004 (GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003) eingeführten Regelungen beruhten - wie die AS im Einzelnen zutreffend dargelegt hat - letztlich darauf, dass es den Krankenkassen zuvor nicht erlaubt war, ihren Versicherten in Kooperation mit PKV-Unternehmen diese Leistungen als Zusatzversicherungen zu vermitteln. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass deshalb in den später, durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.03.2007 eingeführten und mit Wirkung zum 01.04.2007 in Kraft getretenen Reglungen des § 53 Abs. 4 SGB V das eigene Angebot ähnlicher oder entsprechender Leistungen durch die GKV ausgeschlossen ist. Vermittlung und Angebot, soweit dieses nach § 53 Abs. 4 SGB V zulässig ist, sind nach den gesetzlichen Vorgaben optional ("kann"), schließen also weder tatsächlich noch rechtlich einander aus. Die AS verkennt, dass das Vermitteln von Zusatzversicherungen rechtlich und tatsächlich etwas Anderes darstellt, als das Angebot von Wahltarifen (so Beschluss des LSG NRW vom 07.05.2008, a.a.O.).

b) Beiden Beteiligten ist zuzugestehen, dass der Wortlaut des § 53 Abs. 4 SGB V - einschließlich der Überschrift des § 53 SGB V "Wahltarife" - erhebliche Verständnisschwierigkeiten mit sich bringt. Dies zeigen die diversen Deutungen u.a. der Beteiligten deutlich auf. Auch der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (BT-Drucksache 16/3100, S. 108) führt zunächst nicht entscheidend weiter, in dem darin beispielhaft die Möglichkeit aufgeführt wird, dem Versicherten den 2,3-fachen Satz nach GoÄ/GoZ zu erstatten. Die Sinnhaftigkeit dieser Begründung erschließt sich nämlich nicht, wenn damit dem in der GKV Versicherten letztlich nur die Möglichkeit gegeben werden sollte, die ihm ohnehin schon zustehende ärztliche Leistung aufgrund erhöhter eigener Beitragszahlung höher vergüten zu lassen. Deshalb versteht der Senat dieses Beispiel dann auch dahin, dass damit den Versicherten der GKV ein den Versicherten der PKV ähnlicher Versicherungsschutz eingeräumt werden sollte, ohne dass dafür - mit Ausnahme der Abs. 8 und 9 des § 53 SGB V - weitere gesetzliche Vorgaben normiert wurden. Dies deckt sich letztlich auch mit einer der Intentionen des Gesetzgebers, nämlich den Versicherten der GKV die Wahl für ein qualitätsvolleres und umfassenderes Leistungsangebot zu ermöglichen (z.B. Gesetzentwurf der Bundesregierung - BT-Drucksache 16/3950, S. 14) bzw. die Wettbewerbsposition der GKV gegenüber der PKV zu stärken (BT-Drucksache 16/3100, S. 108).

Davon ausgehend dürfte das Angebot der AG in § 53 Abs. 4 SGB V seine Rechtsgrundlage haben.

Die Bedenken der AS, dass durch die streitigen Wahltarife Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs der GKV eingeführt bzw. neu begründet würden, greifen nach dem Verständnis des Senats nicht. Einigkeit besteht und auch keiner Diskussion bedarf, dass die GKV keine Leistungen anbieten darf, die ihr nach Art und Inhalt fremd sind. Dies ist hier jedoch nicht der Fall; ärztliche Behandlung und Unterkunft einschließlich Verpflegung in einem Krankenhaus (§§ 27, 39 SGB V), zahnärztliche Behandlung einschließlich Versorgung mit Zahnersatz (§§ 27, 55 SGB V) sowie Leistungen bei Erkrankung im Ausland (§§ 17 f SGB V) sind regelhafte Leistungen der GKV. Wechselnden Regelungen unterworfen waren / sind lediglich die jeweils konkrete Ausgestaltung des Leistungs- bzw. Erstattungsumfangs, ohne dass dabei die Grundleistung an sich in Frage gestellt wurde. Um nichts Anderes als solche dem Wesen nach regelhafte GKV-Leistungen geht es aber bei den Wahltarifen der AG, die im Wesentlichen die Höhe der Vergütung ärztlicher Behandlung sowie die Höhe des Entgelts für Unterbringung und Verpflegung im Krankenhaus, die Kostenerstattung für medizinisch notwendigen Zahnersatz oder medizinisch notwendige ärztliche Behandlung im Ausland beinhalten.

Den Angeboten der AG steht auch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V nicht entgegen. Bei Zahnersatz und Krankenbehandlung im Ausland ergibt sich dies weitgehend bereits aufgrund der Beschränkung des Angebots auf medizinisch notwendige Maßnahmen. Ungeachtet dessen und insbesondere im Hinblick auf die Leistungen im Krankenhaus ergibt sich aber auch ansonsten kein anderes Ergebnis. § 12 SGB V stellt die Vorgaben für die allen Versicherten der GKV ausnahmslos zustehenden Leistungen und damit für die entsprechende Leistungsverpflichtung bzw. -berechtigung der GKV auf. Darüber hinaus ist § 12 SGB V für Wahlleistungen, wenn diese wie hier grundsätzlich dem Leistungskatalog der GKV zugerechnet werden können, indes dahingehend zu verstehen, dass diese Wahlleistungen wirtschaftlich i.S.d. § 54 Abs. 9 Satz 1 SGB V seien müssen. Ansonsten bestünde nach dem Verständnis des Senats überhaupt kein Raum für Wahltarife bzw. eine Stärkung der GKV gegenüber der PKV.

Bedenken gegen die Gesetzgebungskompetenz bestehen im Übrigen nicht. Das SG hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass dem Gesetzgeber auf dem Gebiet des Sozialrechts insbesondere im Hinblick auf die fortwährenden schnellen Veränderungen des Arbeits-, Wirtschafts- und Soziallebens ein besonders weiter Gestaltungsspielraum zusteht. Dass dessen Grenzen überschritten sein könnten, erschließt sich dem Senat nicht.

c) Die Berufung der AS auf die nach § 69 Abs. 2 SGB V zu beachtenden §§ 19 bis 21 GWB führt zumindest im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht weiter. So ist bereits fraglich, ob der AG, auf die allein abzustellen ist, mit über 3 Millionen Versicherten (http://www.aok.de/rh/rd/wirueberuns-169240.php) oder gar nur 1,9 Millionen Versicherten (so die AG im Schriftsatz vom 07.12.2007) gemessen an einer regionalen Einwohnerzahl (vgl. dazu Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 69 Anm. 7) von etwa 11.375 Millionen (Regierungsbezirk Köln: 4.378.622 Einwohner, Regierungsbezirk Düsseldorf: 5.226.648 Einwohner, Hamburg: 1.770.291 Einwohner - http://de.wikipedia.org unter Nordrhein-Westfalen bzw. Hamburg) eine marktbeherrschende Stellung i.S.d. § 19 Abs. 2 bzw. Abs. 3 Satz 1 GWB zukommt. Darüber hinaus liegt auf der Hand, dass der für die Anwendung des § 19 GWB erforderliche Missbrauch durch eine Quersubventionierung (§ 53 Abs. 9 SGB V) - sofern es letztendlich darauf überhaupt ankommt - einer eingehenden, ggf. gutachterlichen versicherungsrechnischen Überprüfung bedarf, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss. Dies gilt erst recht im Hinblick darauf, dass zum Einen die Tarife der AG durch das Landesversicherungsamt Nordrhein-Westfalen genehmigt worden sind und dass zum Anderen bereits die Berechnungsgrundlagen streitig sind (s. dazu u.a. Schriftsatz der AS vom 23.08.2007, Schriftsatz der AG vom 18.09.2007).

6. Der Streitwert wird auf 1.000.000,00 EUR festgesetzt.

Nach § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in der Fassung des Kostenmodernisierungsgesetzes vom 01.07.2004 (BGBl. I, 718) bestimmt sich die Höhe des Streitwertes nach der sich aus dem Antrag ergebenden Bedeutung der Streitsache für den AS. Maßgebend ist grundsätzlich sein wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Verfahrens (BSG, SozR 3-1930 § 8 Nr. 2, SozR 3-1930 § 8 Nr. 1 und Nr. 2; LSG NRW, Beschlüsse vom 26.03.2003 - L 10 B 2/03 KA-, vom 13.08.2003 - L 10 B 10/03 KA ER- und vom 24.02.2006 - L 10 B 21/05 KA -). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000 EUR anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG).

Davon ausgehend scheint zunächst der Ansatz eines Streitwertes von 5.000 EUR zutreffend, da die AS - wie ausgeführt - ihr mit ihrem Begehren verfolgtes wirtschaftliches Interesse nicht dargetan hat. Dies erachtet der Senat nicht allein im Hinblick auf den von Beteiligten dezidiert angeführten Meinungsstand zur rechtlichen Problematik der von der AG angebotenen Wahltarife als bei Weitem untersetzt. Dies gilt vielmehr insbesondere im Hinblick darauf, dass das Begehren der AS darauf gerichtet ist, der AG das Angebot ihrer Wahltarife vollständig zu unterbinden, so dass - spiegelbildlich - auch das erhebliche wirtschaftliche Interesse der AG zu berücksichtigen ist. Der Senat macht deshalb von seiner Befugnis der Schätzung (BSG, Beschluss vom 01.02.2005 - B 6 KA 70/04 B -) Gebrauch und setzt den Streitwert mit 1.000.000,00 EUR fest.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).






LSG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 27.05.2008
Az: L 11 B 6/08 KR ER


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a50911f80377/LSG-Nordrhein-Westfalen_Beschluss_vom_27-Mai-2008_Az_L-11-B-6-08-KR-ER




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