Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Juli 2000
Aktenzeichen: 28 W (pat) 180/99

(BPatG: Beschluss v. 12.07.2000, Az.: 28 W (pat) 180/99)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 29 - vom 2. August 1999 insoweit aufgehoben, als der Widerspruch aus der IR-Marke 629 068 für folgende Waren zurückgewiesen worden ist.

Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtsaucen, Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Reis, Tapioka, Sago, Mehl und Getreidepräparate; Speiseeis; Honig, Melassesirup, Salz, Senf, Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; frisches Obst und Gemüse.

2. Insoweit wird die Löschung der Marke 396 36 941 wegen des Widerspruchs aus der IR-Marke 629 068 angeordnet.

3. Im übrigen wird die Beschwerde der Widersprechenden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren "29: Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Fruchtsaucen; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; 30: Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren; Speiseeis; Honig, Melassesirup; Salz; Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis; lebende Tiere; frisches Obst und Gemüse; Sämereien, lebende Pflanzen und natürliche Blumen; Futtermittel" am 6. November 1996 eingetragene Marke 396 36 941 siehe Abb. 1 am Endeist Widerspruch erhoben worden aus der seit 9. November 1994 eingetragenen IR-Marke 629 068 siehe Abb. 2 am Endegeschützt für "Produits et/ou services groupes par classes: 1 Émulsifiants. 29 Viande, poisson, volaille et gibier; extraits de viande; fruits et legumes conserves, seches et cuits; gelees, confitures; compotes; oeufs, lait et produits laitiers; huiles et graisses comestibles. 30 Épices; condiments; infusions non medicales; sambal; kroepoek; liants pour la charcuterie; farine; sauces (condiments) et sauces en poudre (à l'exeption des sauces à salade); preparations aromatiques à usage alimentaire".

Die Markenstelle für Klasse 29 des DPMA hat den Widerspruch zurückgewiesen mit der Begründung, daß trotz wirtschaftlich sich nahestehender Waren der sich daraus ergebende erhebliche Abstand den die Marken zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr voneinander einzuhalten hätten, sei dieser gewahrt. Zwar sei innerhalb der angegriffenen Marke von dem Bestandteil "WINKO" als selbständig kollisionsbegründend auszugehen. Wegen der klanglichen Unterschiede der sich dann gegenüberstehenden Markenwörter insbesondere in den Konsonanten, entständen verschiedene Gesamtklangbilder, die zu verschiedener Betonung und einem unterschiedlichen Sprechrhythmus führten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, daß angesichts der Warenidentität und der geringwertigen Waren der sich gegenüberstehenden Zeichen ein wesentlich deutlicherer Abstand zu fordern sei.

Es stünden sich nach dem klanglichen Wiedergabeeffekt die Worte WIECHO und WINGKO gegenüber, die hochgradig ähnlich seien. Auch liege eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr vor, denn der Wortanfang "WI" und der Endvokal "O" seien identisch.

Sie beantragt, den Beschluß des DPMA vom 2. August 1999 aufzuheben und die Löschung der Marke anzuordnen.

Die Markeninhaberin stellt keinen Antrag und hat um Entscheidung nach Aktenlage gebeten, ohne an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und im Umfang der im Tenor ausgesprochenen Waren auch begründet, denn zwischen den sich gegenüberstehenden Marken besteht insoweit Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr, die nach der Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles umfassend zu erfolgen hat, impliziert eine Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (BGH GRUR 1999, 733 - LION DRIVER).

Davon ausgehend ist bei der im Umfang der Versagung vorliegenden Warenidentität und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie unter Einbeziehung des Umstands, daß es sich bei dem von den Waren angesprochenen Publikum um über Marktgepflogenheiten aufgeklärte und sorgfältige Verbraucher handelt, deren Aufmerksamkeit jedoch in bezug auf die betreffenden Waren durchaus unterschiedlich ausgeprägt sein kann, von einem deutlichen Abstand auszugehen (EuGH MarkenR 1999, 236, 239 TZ 24 - Lloyd/Loints; BGH MarkenR 2000, 140, 144 - ATTACHE/TISSERAND). Dieser Abstand wird weder durch eine besondere Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke verringert, noch vergrößert er sich aufgrund besonderer "Flüchtigkeit" des Publikums beim Erwerb der Waren.

Zutreffend hat die Markenstelle darauf hingewiesen, daß die Marken in ihrer Gesamtheit deutlich klangliche wie bildliche Unterschiede aufweisen und eine Verwechslungsgefahr nur über das Wort "WINKO" in Betracht zu ziehen ist. Ausgangspunkt für diese Überlegung ist der für das Kennzeichnungsrecht maßgebliche Grundsatz, daß zur Beurteilung der zeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr von Marken auf den Gesamteindruck des jeweiligen Zeichens abzustellen ist. Der Schutz des aus einem Kombinationszeichen herausgelösten Elements ist dem Markenrecht fremd, so daß es rechtsfehlerhaft wäre, ohne weiteres eine Zeichenkollision lediglich auf Grund eines aus einem Gesamtzeichen isoliert entnommenen Elements feststellen zu wollen. An diesem Grundsatz hat sich durch das neue Markengesetz nichts geändert.

Allerdings kann eine unmittelbare Verwechslungsgefahr "dem Gesamteindruck nach" ausnahmsweise auch dann gegeben sein, wenn die Vergleichszeichen nur in einem Bestandteil übereinstimmen, sofern dieser den Gesamteindruck der jeweiligen Gesamtkennzeichnung prägt oder zumindest wesentlich mitbestimmt; das bedeutet aber umgekehrt, daß die anderen Zeichenteile für den Gesamteindruck vernachlässigbar zurücktreten müssen, was nur in Betracht kommt, wenn der Gesamteindruck eines kombinierten Zeichens nicht durch gleichgewichtige Elemente bestimmt, sondern von einem Element allein geprägt wird. Eine bloße Mitprägung reicht nicht aus (BGH MarkenR 2000, 20 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Da der Verkehr in Anwendung dieser Grundsätze im Hinblick auf die klangliche Ähnlichkeit der Marken angesichts des rein beschreibenden Zeichenelements "Kochkunst" in der angegriffenen Marke das Wort "WINKO" als allein prägend ansehen wird und für die Bezeichnung der Wort/Bildmarke nur das Wortelement "WIJKO" Verwendung finden kann, stehen sich bei Prüfung der Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht allein diese Wörter gegenüber. Dabei genügt für die Bejahung der Verwechslungsgefahr bereits eine vorhandene Markenähnlichkeit in klanglicher Hinsicht, auch wenn die Waren überwiegend nur auf Sicht gekauft werden (BGH GRUR 1999, 241, 243 - Lions; 733, 734 - LION DRIVER).

Die Markenwörter "WINKO" und "WIJKO" halten den erforderlichen Abstand jedenfalls nicht im Umfang der im Tenor genannten identischen Waren ein, denn ihre Ähnlichkeit ist im Gesamtklangbild zu groß.

Die zwischen den Marken vorhandenen Übereinstimmungen und Gemeinsamkeiten, auf die nach der Rechtsprechung des BGH überwiegend abzustellen ist, was jedoch nicht ausschließt, die nach Ansicht des EuGH dominierenden Abweichungen in die Beurteilung miteinzubeziehen, sind hier entscheidend für die Annahme der Markenähnlichkeit (BGH GRUR 1998, 924, 925 - SALVENT/Salventerol; EuGH GRUR 1998, 387, 390 TZ 23 - Sabel/Puma). So enthalten beide Markenwörter dieselbe Anzahl an Buchstaben und Silben, dieselbe Silbenstruktur und deshalb denselben Ausspracherhythmus sowie identische Buchstaben und zwar auch in ihrer Buchstabenfolge innerhalb des Wortes. Der einzige Unterschied liegt im dritten Buchstaben, nämlich im "N" bzw "J". Als Mittelkonsonant ist der Buchstabe "N" jedoch leicht zu überhören und zieht in keiner Weise die akustische Aufmerksamkeit auf sich. Der Vokal "J" in der Widerspruchsmarke dagegen führt beim Publikum zu keiner anderen klanglichen Übermittlung bzw Wahrnehmung als die eines langgezogenen "I", vergleichbar einem "ie". Dadurch wird nur der sowieso schon vorhandene Vokal "I" verstärkt und es ergibt sich kein eigenständiger zusätzlicher Klangeffekt. Daß es sich bei dem Wort "WIJKO" um ein holländisches Wort handelt, das bei richtiger fremdsprachlicher Aussprache "weiko" lauten müßte, dürfte nur dem geringsten Teil der Verbraucher überhaupt bekannt sein. Für diejenigen jedoch, die der holländischen Aussprache kundig sind gilt, daß der Verkehr grundsätzlich eine Marke so wahrnimmt, wie sie ihm markenmäßig entgegentritt. Hat er aber keinen Anlaß in dem Zeichenwort ein holländisches Wort zu erkennen, etwa aufgrund anderer Elemente in der Marke, die dies nahelegen, so wird er das Wort in erster Linie nach den deutschen Ausspracheregeln verbalisieren, selbst wenn er ganz allgemein erkennt, daß es sich um ein fremdsprachiges Wort handelt.

Demnach kann also nach Ansicht des Senats angesichts der Anzahl an Übereinstimmungen von einer Dominanz dieser Abweichung beim Gesamtvergleich der Marken nicht ausgegangen werden.

Die Beschwerde war daher im Umfang der angegriffenen identischen Waren erfolgreich und die Löschung insoweit anzuordnen.

Zu einer Kostenentscheidung bestand kein Anlaß (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Stoppel Grabrucker Martens Fa/Ja Abb. 1 Abb. 2






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Az: 28 W (pat) 180/99


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