Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. November 2003
Aktenzeichen: 23 W (pat) 50/02

(BPatG: Beschluss v. 27.11.2003, Az.: 23 W (pat) 50/02)

Tenor

Die Beschwerde der Anmelder wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Prüfungsstelle für Klasse G 21 K des Deutschen Patent- und Markenamts hat die am 10. September 2001 eingereichte Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Verfahren zur kohärenten Zerstrahlung von Ladungsträgern und zur Strom- und Feldverstärkung" durch Beschluss vom 3. September 2002 zurückgewiesen.

Zur Begründung ist in der Entscheidung ausgeführt, dass die beanspruchte Lehre gegen ein anerkanntes physikalisches Gesetz, nämlich das Gesetz von der Erhaltung der elektrischen Ladung verstoße. Insofern fehle es dem Anmeldungsgegenstand an der für eine Patenterteilung unerlässlichen Voraussetzung der Ausführbarkeit.

Zum Stand der Technik sind im Prüfungsverfahren die Entgegenhaltungen - H. Stöcker (Hrsg.): Taschenbuch der Physik, Verlag Harri Deutsch, 3. Auflage, 1998, S. 819 - 822,

[ = D1 ]

- Übersetzung der europäischen Offenlegungsschrift 0 343 259 (DE 38 50 768 T2)

[ = D2 ]

- deutsche Offenlegungsschrift 44 11 171 [ = D3 ] und - H. Frauenfelder, E. M. Henley: Teilchen und Kerne, R. Oldenbourg Verlag München Wien, 1979, S. 86 - 90 u. 191

[ = D4 ]

in Betracht gezogen worden.

Gegen den vorgenannten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelder. Sie vertreten in ihrer Beschwerdebegründung die Auffassung, dass bei dem von ihnen beanspruchten Verfahren Erhaltungssätze der Physik nicht verletzt würden. Die Anmelder verweisen ferner auf die eingangs erwähnten Entgegenhaltungen D1 und D4 sowie auf die Druckschriften - Brockhaus abc Physik, Bd. 1, Leipzig 1972, S. 407

- Kleine Enzyklopädie, Struktur der Materie, VEB Bibliographisches Institut, Leipzig 1982, Kapitel 2.2.2.1, S. 63

- J. Naas, H.L. Schmid ( Hrsg. ): Mathematisches Wörterbuch mit Einbeziehung der theoretischen Physik, Akademie-Verlag GmbH Berlin, B. G. Teubner Verlagsgesellschaft Leipzig, 1967, S. 560 und - U. Schumacher: Fusionsforschung, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1993, S. 105 bis 111 und führen aus, weshalb der Anmeldungsgegenstand ihrer Meinung nach patentfähig sei.

Mit Eingabe vom 18. Februar 2003 haben die Anmelder unter Hinweis auf eine Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen außerdem geltend gemacht, dass zum Thema ihrer Patentanmeldung in verschiedenen Staaten intensive Forschungsaktivitäten initiiert worden seien, die einen technologischen Wettlauf in Gang gesetzt hätten. Mit Schriftsatz vom 10. November 2003 haben die Anmelder einen neuen (einzigen) Patentanspruch gemäß Hilfsantrag eingereicht. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung Bedenken geäußert, dass dieser Patentanspruch gegenüber den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen unzulässig erweitert sei. Die Anmelder haben ihren Hilfsantrag daraufhin zurückgenommen. Sie verfolgen ihr Schutzbegehren mit dem ursprünglichen (einzigen) Patentanspruch weiter und vertreten die Auffassung, dass dessen Gegenstand patentfähig sei. Insbesondere würden bei dem beanspruchten Vorgang Erhaltungssätze der Physik, wie z.B. der Satz von der Erhaltung der elektrischen Ladung, nicht verletzt. Denn die von ihnen benutzte Anordnung verhalte sich nicht wie ein geschlossenes, sondern wie ein offenes physikalisches System. Die Erhaltungssätze seien jedoch nur für abgeschlossene Systeme formuliert.

Die Anmelder beantragen, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 21 K vom 3. September 2002 aufzuheben und das Patent zu erteilen.

Der geltende (einzige) Patentanspruch lautet:

"Verfahren zur kohärenten Zerstrahlung von Ladungsträgern und zur Strom- und Feldverstärkung, dadurch gekennzeichnet, dass im Zentrum eines jochfreien Raumgebietes ein Ringstrom von elektrischen Ladungsträgern in einer zentralsym-

metrischen elektromagnetischen Feldanordnung in einem gasförmigen Medium ausgerichtet und gehalten wird. Diese Anordnung führt zu eigenständigen Kontraktion des eingeleiteten Ringstromes bei gleichzeitigem exponentiellen Wachstum des zentralen elektromagnetischen Feldes. Die im Zentrum über magnetische Leiter gehaltenen Felder werden zudem über einen magnetischen Rückschluß (Joch) parallel zur Rotationsachse des fließenden Ringstromes ausgerichtet. Das Rückflußjoch ist ringförmig angeordnet."

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Nach dem Oberbegriff des (einzigen) Patentanspruchs betrifft der Anmeldungsgegenstand ein Verfahren zur kohärenten Zerstrahlung von Ladungsträgern und zur Strom- und Feldverstärkung. Wie in der Beschreibung ausgeführt ist, liegt dem Anmeldungsgegenstand das technische Problem (die Aufgabe) zugrunde, dass gewöhnlich atomaren Teilchen in Linear- oder Ringbeschleunigern aufwendigst Energie zugeführt wird, um die weitere Verfahrenskette im Ablauf sicherstellen zu können. Hierbei müsse, um die Trägheitskräfte zu überwinden, überproportional Energie zugeführt werden (Beschreibung, 1. Seite, letzter Absatz).

Diese Aufgabe soll bei einem Verfahren nach dem Oberbegriff des (einzigen) Patentanspruchs durch die in seinem kennzeichnenden Teil angegebenen Merkmale gelöst werden. Die Anmelder machen hierzu geltend, dass es mittels des beanspruchten Verfahrens und der Anordnung und Ausrichtung der Ladungsträger möglich sei, die Energiebeaufschlagung mit hohem Wirkungsgrad durchzuführen, weil die Trägheitskräfte in dieser Konstellation minimiert seien (Beschreibung, 1. Seite, letzter Absatz, letzter Satz). Die trägheitsfreie Einkopplung von Rotationsenergie verlaufe verlustfrei und würde bei dem beanspruchten Verfahren verwendet, um die Kreisfrequenz von Ladungsträgern so stark zu erhöhen, dass sich deren Schwarzschildradius öffne und das Elementarteilchen zerstrahle (Beschreibung, 2. Seite, 2. Absatz).

Weiterhin ist in den Anmeldungsunterlagen ausgeführt, dass in Abhängigkeit von der Kreisfrequenz des fließenden Ringstromes Rotationsenergie in die zirkular fließenden Ladungsträger eingekoppelt würde. Auf diese Weise würde quasi trägheitsfrei (d.h. mit minimierten Trägheitskräften) Energiezuführung betrieben, so dass die Eigenkreisfrequenz der Ladungsträger exponentiell ansteige und zugleich die relativistischen Anteile minimiert blieben. Die Anmelder sehen es bei dem beanspruchten Verfahren weiter als vorteilhaft an, dass gemäß der Anordnung beliebig zugeführte Energie in Rotationsenergie gewandelt, geformt und gehalten werden könne. Weiterhin lasse sich durch die Umwandlung von Rotationsenergie in Translationsenergie ein starker gerichteter Impuls erzeugen (Beschreibung, 2. Seite, fünftletzter und letzter Absatz).

III Die zulässige Beschwerde der Anmelder ist nicht begründet. Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung erweist sich der Gegenstand des (einzigen) Patentanspruchs mangels Ausführbarkeit als nicht patentfähig.

1.) Der hier zuständige Fachmann ist ein Diplom-Physiker mit fundierter Kenntnis der theoretischen Physik und zusätzlicher Berufserfahrung im Bereich der experimentellen Grundlagenforschung, wie z.B. dem Betrieb von Beschleunigeranlagen und Plasmafusionsreaktoren.

Angesprochen auf die Bedenken des Senats, dass das beanspruchte Verfahren bereits hinsichtlich der ihm zugrunde liegenden apparativen Voraussetzungen nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass dieser Fachmann es ausführen könne, haben die Anmelder erklärt, ihr Schutzbegehren sei nicht auf eine Vorrichtung zur Erzeugung eines Ringstromes gerichtet. Derartige Vorrichtungen seien dem Fachmann im übrigen aus der Plasmaphysik hinlänglich bekannt. Im Gegensatz zu diesem Stand der Technik, bei dem grundsätzlich ein zentrales magnetisches Joch verwendet würde, käme es im Falle der vorliegenden Anmeldung jedoch entscheidend auf ein jochfreies Raumgebiet an. Dort nämlich könne der Ringstrom, nachdem er einmal erzeugt worden ist und sich selbst überlassen bleibt, eigenständig kontrahieren. Die Einkopplung von Rotationsenergie in den Ringstrom erfolge automatisch. Hierbei würde die Tangentialgeschwindigkeit der Ladungsträger die Lichtgeschwindigkeit erreichen. Dies habe sodann deren Zerstrahlung zur Folge.

2.) Es bedarf keiner Erörterung der Frage, ob die anmeldungsgemäße Lehre hinsichtlich ihrer gegenständlichen Merkmale hinreichend deutlich und vollständig offenbart ist, so dass der zuständige Fachmann sie ausführen kann. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob diese Lehre gegen anerkannte physikalische Gesetze verstößt und deshalb objektiv nicht realisierbar ist. Denn das beanspruchte Verfahren erweist sich jedenfalls schon deshalb als nicht patentfähig, weil die von den Anmeldern angestrebte technische Wirkung damit nicht erzielt werden kann.

Gemäß § 1 Abs 1 PatG werden Patente für Erfindungen erteilt, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Den Begriff der Erfindung definiert das Patentgesetz nicht. Jedoch ist nach ständiger BGH-Rechtsprechung mit einer Erfindung eine technische Lehre, d.h. "eine Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur unmittelbaren Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolges", also eine mit Erfolg ausführbare technische Lösung verbunden. Eine solche von einem Fachmann mit Erfolg ausführbare technische Lehre liegt aber dann nicht vor, wenn die beanspruchte Lehre die gestellte Aufgabe bzw. das ihr zugrunde liegende technische Problem nicht zu lösen vermag oder wenn die angestrebten Wirkungen mit den angegebenen Mitteln nicht erreicht werden, wenn also die Erfindung für den angegebenen Zweck nicht tauglich ist. In einem solchen Fall hat nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung die Zurückweisung der Anmeldung mangels technischer Brauchbarkeit zu erfolgen (vgl. den Beschluss des BGH vom 27. September 1984 (Az X ZB 5/84), auszugsweise veröffentlicht im BlPMZ, 1985, 117 u. 118).

So verhält es sich bei der vorliegenden Anmeldung. Denn wenn es durch das beanspruchte Verfahren -- wie von den Anmeldern behauptet wird -- tatsächlich zu einer Zerstrahlung von Ladungsträgern kommen sollte, dann würden hierbei erhebliche Energiemengen in Form härtester -Strahlung freigesetzt, was nicht nur für die Apparatur, sondern auch für die Experimentatoren eine extrem starke Bestrahlung zur Folge hätte, sofern nicht aufwendigste Abschirmmaßnahmen ergriffen werden. So errechnet sich aus der Masse eines einzigen Protons nach der Einsteinschen Masse-Energie-Beziehung eine Energie von circa 850 MeV. Diesem Energiewert entspricht eine Wellenlänge der abgestrahlten -Strahlung in einer Größenordnung von 10-15 m.

Wie die Anmelder in der mündlichen Verhandlung auf Befragen erklärt haben, konnten bei der Durchführung des anmeldungsgemäßen Verfahrens entsprechende Energiebeträge bzw. Wellenlängen nicht festgestellt und auch nicht gemessen werden. Wahrgenommen wurden ihrer Aussage zufolge lediglich Lichterscheinungen im sichtbaren Spektralbereich und im Infraroten, wie sie typischerweise bei Rekombinationsvorgängen in Plasmen auftreten.

Nach Überzeugung des Senats ist durch die beanspruchte Lehre der angestrebte Erfolg also nicht zu erzielen. Der Anmeldungsgegenstand ist daher nicht ausführ- bar, d.h. technisch nicht brauchbar. Bei dieser Sachlage war die Beschwerde der Anmelder zurückzuweisen.

Dr. Tauchert Knoll Richter Lokys ist urlaubsbedingt abwesend und deshalb verhindert zu unterschreiben.

Dr. Tauchert Dr. Häußler Ko






BPatG:
Beschluss v. 27.11.2003
Az: 23 W (pat) 50/02


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