Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 16. Januar 2003
Aktenzeichen: 4b O 176/02

(LG Düsseldorf: Urteil v. 16.01.2003, Az.: 4b O 176/02)

Tenor

I.

Die Beklagten werden verurteilt,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vomGericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- EUR -ersatzweise Ordnungshaft- oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Fall wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

einen Tintenbehälter, der eine Mehrzahl von Tintenspeicherteilen zur Speicherung von einer aus einer Mehrzahl von einem Farbaufzeichnungskopf zuzuführenden Tintenarten umfasst

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei dem

der Innenraum des Tintenbehälters mittels einer im wesentlichen T-förmigen Trennwand unterteilt ist, so dass mindestens drei Tintenarten gespeichert werden können und die Tintenabflussöffnungen, von denen eine der drei Tintenarten zum Aufzeichnungskopf abgeführt wird, nahe einem Punkt angeordnet sind, an welchem jedes Tintenspeicherteil unmittelbar mit den anderen beiden in Berührung ist;

wobei die Benutzungsart "Anbieten" nur die Beklagte zu 1. betrifft;

2.

der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 30. Juni 1995 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der

Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer

Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen,

Lieferzeiten und Lieferpreisen sowie den Namen und Anschriften

der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,

Angebotszeiten und Angebotspreisen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern,

deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten

Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei die Angaben nur für die Zeit seit dem 24. April 1999 zu machen sind;

3.

die in ihrem Besitz befindlichen Tintenbehälter nach Ziffer 1. auf eigene Kosten zu vernichten.

II.

Es wird festgestellt,

1.

dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der

Klägerin für die zu I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 30. Juni 1995 bis zum 23. April 1999 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2.

dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der

Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 24. April 1999 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

IV.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000.000 EUR vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des u.a. für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 655 336 (Klagepatent, Anlage K 5), dessen Anmeldung am 31. Mai 1995 veröffentlicht und dessen Erteilung am 24. März 1999 bekannt gemacht wurde. Gegen die Patenterteilung hat die Beklagte zu 1) Nichtigkeitsklage (Anlage B 1) beim Bundespatentgericht erhoben. Die im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierenden Patentansprüche 1. und 2. haben in deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut:

" Ein Tintenbehälter (21) der eine Mehrzahl von Tintenspeicherteilen

zur Speicherung von einer aus einer Mehrzahl von einem Farbauf-

zeichnungskopf (201) zuzuführenden Tintenarten (Y, C, M) umfasst,

dadurch gekennzeichnet, dass der Innenraum des Tintenbehälters

(21) mittels einer im wesentlichen T-förmigen Trennwand (36, 37)

unterteilt ist, so dass mindestens drei Tintenarten (Y, C, M)

gespeichert werden können." (Patentanspruch 1)

" Ein Tintenbehälter (21) nach Anspruch 1. dadurch gekennzeichnet,

dass die Tintenabflussöffnungen (28 Y, 28 M, 28 C), von denen eine

der drei Tintenarten (Y, M, C) zum Aufzeichnungskopf (201) abge-

führt wird, nahe einem Punkt angeordnet sind, an welchem jedes

Tintenspeicherteil unmittelbar mit den anderen beiden in Berührung

ist." (Patentanspruch 2)

Nachfolgende Abbildungen (Figuren 2 a und 2 c der Klagepatentschrift) veranschaulichen den Erfindungsgegenstand an Hand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels.

Die in der Schweiz ansässige stellt Tintenpatronen bzw. Tintenbehälter für Tintenstrahldrucker her, die mit dem Druckkopf verbunden werden und ausweislich der Umverpackung dazu bestimmt sind, in die von der Klägerin in Verkehr gebrachten Tintenstrahldrucker eingesetzt zu werden. Die Ausgestaltung der Tintenpatronen ergibt sich aus den von der Klägerin als Anlagen K 11 bis K 25 zur Akte gereichten Originalmustern und den die Patronen im aufgeschnittenen Zustand zeigenden Lichtbildabbildungen gemäß den Anlagen K 11a bis K 25a.

Die Beklagten gehören zur Unternehmensgruppe die im Internet einen sogenannten Shop betreibt, über den der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die vorbezeichneten Patronen bezog. Bei der Beklagten zu 1. handelt es sich um die für Deutschland zuständige Vertriebsgesellschaft. Vom Firmensitz der Beklagten zu 2., die eine besondere Abteilung für Beanstandungen an ausgelieferten Waren unterhält, wurden die Tintenpatronen per Paketdienst an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin übermittelt.

Wegen Vermarktung und Vertrieb des als Anlage K 12 vorgelegten Tintenbehälters mit der nimmt die Klägerin die Beklagten aus dem Klagepatent (Patentansprüche 1 u. 2.) auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung, Schadensersatz und Vernichtung in Anspruch.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten wie erkannt zu verurteilen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen; hilfsweise den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen; äußerst hilfsweise, ihnen im Hinblick auf das Rechnungslegungs-

begehren der Klägerin einen Wirtschaftsprüfervorbehalt zuzubilligen.

Die Beklagten sind der Ansicht:

Die Klägerin habe den Verletzungstatbestand nicht in schlüssiger Weise dargetan. Einer Inaugenscheinnahme des beanstandeten Tintenbehälters könne entnommen werden, dass die Tintenabflussöffnungen nicht nahe einem Punkt angeordnet seien, an welchem jedes der drei Tintenspeicherteile unmittelbar mit den anderen beiden in Berührung sei. Darüber hinaus enthalte das Vorbringen der Klägerin aber auch keine schlüssigen und substantiierten Darlegungen dazu, dass die Beklagte zu 1. den angegriffenen Tintenbehälter angeboten und neben oder gemeinsam mit der Beklagten zu 2. vertrieben habe. Ein Gebrauchen oder ein zweckgebundenes Einführen oder Besitzen des beanstandeten Behälters durch die Beklagten sei ebenfalls nicht ersichtlich. Die von der Klägerin als Anlage K 7 bis K 10 vorgelegten Unterlagen (Auftragsbestätigung des ; Rechnung; Lieferschein; Informationsblatt) seien lediglich geeignet, eine Verantwortlichkeit der zu belegen.

Unter Bezugnahme auf das Vorbringen der Beklagten zu 1. im Nichtigkeitsverfahren vertreten die Beklagten ferner die Ansicht, das Klagepatent werde sich im Umfang der Patentansprüche 1. und 2. als nicht rechtsbeständig erweisen, so dass eine Aussetzung des Rechtsstreits geboten sei.

Die Klägerin tritt dem Aussetzungsantrag unter Hinweis auf ihre Erwiderung im Nichtigkeitsverfahren entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin stehen die zuerkannten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Schadensersatz, Entschädigung und Vernichtung zu, da der angegriffene Tintenbehälter widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch macht. Eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO kommt nicht in Betracht.

I.

Das Klagepatent betrifft einen Tintenbehälter für ein Tintenstrahlaufzeichnungsgerät mit Farbaufzeichnungskopf.

Gemäß den einleitenden Ausführungen der Klagepatentschrift ist es vorbekannt, Aufzeichnungskopf und Tintenbehälter als einstückige, leicht auswechselbare Kartuschen zu fertigen, wobei in der US-PS 4 771 295 (Anlage B 2) ein Tintenbehälter für Farbaufzeichnungsköpfe vorgesehen ist, bei dem zur Aufnahme der unterschiedlichen Farben parallel nebeneinander liegende, durch Innentrennwände abgegrenzte Speicherabschnitte vorhanden sind. Da der Aufzeichnungskopf eine längere Lebensdauer als der Tintenbehälter hat, bevorzugt das Klagepatent jedoch diejenigen aus dem Stand der Technik (z.B. US-PS 4 419 678) bekannten Tintenstrahlbausätze, bei denen Aufzeichnungskopf und Tintenbehälter lösbar miteinander verbunden werden und es daher erlauben, nur den Tintenbehälter auszutauschen.

Bei Farbaufzeichnungsgeräten mehrere Tintenbehälter bzw. die Speicherabschnitte eines Tintenbehälters nebeneinander in Druckrichtung anzuordnen, ist den Darlegungen der Klagepatentschrift zufolge insoweit nachteilig, als parallel zur Abtastrichtung viel Raum verbraucht wird und der Verbindungsbereich zwischen Tintenbehältern und den Aufzeichnungsköpfen sehr groß bemessen ist. Auch erweist sich bei derartigen Anordnungen die Verwirklichung einer einfachen, raumsparenden Auswechselbarkeit der Tintenbehälter als problematisch.

Vor diesem Hintergrund stellt sich das Klagepatent die Aufgabe, eine in einen Tintenstrahlbausatz einbaubare und daraus wieder zu entfernende Tintenbehälterkonstruktion zu schaffen, die im Stande ist, die größte Tintenkapazität innerhalb eines für Tintenbehälter zur Verfügung stehenden Raums zu bieten. Zur Lösung dieser Aufgabe sehen die im vorliegenden Verfahren von der Klägerin kumulativ geltend gemachten Patentansprüche 1. und 2. folgende Merkmalskombination vor:

Ein Tintenbehälter (21) umfasst eine Mehrzahl von Tintenspeicherteilen

zur Speicherung einer aus einer Mehrzahl von Tintenarten.

Die gespeicherte Tintenart ist einem Farbaufzeichnungskopf zuzuführen.

Der Innenraum des Tintenbehälters (21) ist mittels einer im wesentlichen T-förmigen Trennwand (36, 37) unterteilt, so dass mindestens drei Tintenarten (Y, C, M) gespeichert werden können.

4. Die Tintenabflussöffnungen (28 Y, 28 M, 28 C) von denen eine der drei

Tintenarten (Y, M, C) zum Aufzeichnungskopf (201) abgeführt wird, sind

nahe einem Punkt angeordnet, an welchem jedes Tintenspeicherteil

unmittelbar mit den anderen beiden in Berührung ist.

Die T-förmige Unterteilung und die dadurch gegebene Möglichkeit die Tintenabflussöffnungen - wie in Figur 2 c der Klagepatentschrift gezeigt - nahe dem Punkt anzuordnen, an dem jeder Tintenspeicherabschnitt die beiden anderen berührt, erlaubt es der Patentbeschreibung zufolge, neben der Verringerung der Projektionsfläche des Tintenbehälters auch den für die Verbindung von Tintenbehälter und Aufzeichnungskopf erforderlichen Raum gegenüber dem Stand der Technik erheblich zu reduzieren. Ferner läßt sich der erfindungsgemäße Tintenbehälter in einfacher, nicht raumgreifender Weise durch eine Drehbewegung um einen axialen Punkt seiner Querfläche vertikal von oben auf den Aufzeichnungskopf setzen.

II.

Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch.

Entgegen der von den Beklagten erstmals mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2002 vertretenen Ansicht ergibt sowohl eine Inaugenscheinnahme des Originalmusters nach Anlage K 12 als auch der Lichtbildabbildungen gemäß Anlage K 12 a zweifelsfrei, dass die Tintenabflussöffnungen im Sinne von Merkmal 4 nahe einem Punkt angeordnet sind, an welchem jedes Tintenspeicherteil unmittelbar mit den anderen in Berührung steht. Unmittelbar in Berührung stehen die Tintenspeicherabschnitte an den die Speicher voneinander abgrenzenden Trennwänden. Alle drei Speicherabschnitte stehen nur in einem Punkt in Berührung, nämlich dort, wo die beiden Trennwände aufeinander treffen. Nahe diesem Punkt sollen die Tintenabflussöffnungen liegen. Der Begriff "nahe" lässt dabei für den Fachmann ein gewisses Spiel zu. Ein unmittelbares Angrenzen ist nicht erforderlich. Bestätigung findet dies in dem in Figur 2 c der Klagepatentschrift gezeigten Ausführungsbeispiel, das deutlich erkennbar eine nicht nur unerhebliche Beabstandung jeder Öffnung zum Berührungspunkt der T-Linien zeigt. Die Tintenabflussöffnungen der angegriffenen Patrone weisen keinen größeren Abstand zu diesem Punkt auf. Sie sind aus Sicht des Fachmanns daher zweifelsfrei "nahe" des Berührungspunktes angeordnet und verringern in Abgrenzung zum Stand der Technik, der einen unmittelbaren Berührungspunkt von höchstens zwei und nicht mindestens drei Speicherabschnitten vorsieht, in der erfindungsgemäßen Weise den für die Verbindung von Patrone und Aufzeichnungskopf notwendigen Raum (vgl. auch die deutsche Übersetzung der Klagepatentschrift Anlage K 5a, S. 14, Zeilen 21- 28).

Dass der angegriffene Tintenbehälter mittels einer T-förmigen Trennwand in eine Mehrzahl von Tintenspeicherteilen unterteilt ist und drei Farben speichern kann (Merkmale 1 und 3), ergibt die Inaugenscheinnahme von Anlage K 12 ebenso offenkundig, wie den Umstand, dass die Tintenpatrone die Tinte einem Farbaufzeichnungskopf zuführen soll (Merkmal 2).

III.

Die Beklagten haben die patentierte Erfindung widerrechtlich benutzt.

Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Beklagte zu 1. den angegriffenen Tintenbehälter anbietet und über (bzw. gegebenenfalls auch neben) der Beklagten zu 2. vertreibt. Auch auf den ihr von der Kammer in der Sitzung vom 18. Dezember 2002 erteilten Hinweis, dass ihr schriftsätzliches Vorbringen kein Bestreiten der Angebots- und Vertriebshandlungen zu entnehmen ist, haben die Beklagten die Benutzungshandlungen nicht in Abrede gestellt, sondern weiterhin lediglich gerügt, dem Vorbringen der Klägerin ließe sich nicht entnehmen, dass sie die im Klageantrag aufgeführten patentverletzenden Benutzungshandlungen im Sinne von § 9 Nr. 1 PatG vorgenommen hätten. Dem kann nicht gefolgt werden.

Ausweislich der von der Klägerin als Anlage K 8 vorgelegten Rechnung handelt es sich bei der Beklagten zu 1. in Bezug auf das streitgegenständliche Produkt um die für Deutschland zuständige Vertriebsgesellschaft. Neben der hierdurch vorgetragenen und belegten Vertriebstätigkeit der Beklagten zu 1. ergibt sich aus dem Lieferschein gemäß Anlage K 9, dass sie sich die Angebote und Lieferungen der

bzw. des für Deutschland zurechnen lassen will. Anders kann der Hinweis auf die Beklagte zu 1. am Ende jedes Lieferscheinblattes vernünftigerweise nicht verstanden werden. Die Beklagte zu 1. hat dem - vor diesem Hintergrund keineswegs pauschalen und ins Blaue hinein gemachten - Vorbringen der Klägerin nicht widersprochen, dass sie zur Gruppe

gehört, in dieser Eigenschaft an der Vermarktung der beanstandeten Tintenpatronen für Deutschland (u.a. im Internet) beteiligt ist und sich die Angebotshandlungen für ihre Vertriebstätigkeit zu Nutze macht. Allein dies rechtfertigt schon die tatrichterliche Feststellung, dass die Beklagte zu 1. im Sinne von § 9 Nr. 1 PatG den angegriffenen Tintenbehälter angeboten und vertrieben hat.

Unerheblich ist, welche konkreten Einzelbeiträge die Beklagte zu 1. für die Gruppe in Zusammenhang mit Angebot und Vertrieb der beanstandeten Patrone geleistet hat. Denn als Patentverletzer handelt schon nach allgemeinen mittäterschaftlichen Grundsätzen jeder, der gemeinschaftlich mit anderen willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der Patentverletzung mitwirkt.

Entsprechendes gilt für die Beklagte zu 2., soweit die Klägerin sie neben der Beklagten zu 1. wegen des Vertriebs des angegriffenen Tintenbehälters in Anspruch nimmt. Denn auch sie hat das Vorbringen der Klägerin nicht in Abrede gestellt, der angegriffene Behälter sei von ihr ausgeliefert worden. Der diesbezügliche Klägervortrag ist ebenfalls schlüssig und nicht ins Blaue hinein aufgestellt, da sich aus dem Lieferschein nach Anlage K 9 ergibt, dass die Lieferung am Niederlassungsort der Beklagten zu 2. einem Paketdienst

zwecks Zustellung ausgehändigt wurde. Zumindest indiziell spricht außerdem für eine Liefertätigkeit der Beklagten zu 2), dass sie - ebenfalls am Firmensitz - eine Abteilung unterhält, die für Lieferbeanstandungen zuständig ist.

Da die Beklagten - auch auf den Hinweis der Kammer in der mündlichen Verhandlung - lediglich die von der Klägerin aus den Angebots-, Rechnungs- und Lieferunterlagen nach Anlage K 7 bis K 10 gezogenen Schlussfolgerungen - zu Unrecht - beanstanden, ohne aufzuklären, welche nicht patentverletzenden Aufgaben ihnen in der Unternehmensgruppe

zugefallen sein sollen, die gleichwohl die Nennung der Beklagten zu 1. als Vertriebsgesellschaft für Deutschland und die Lieferung vom Firmensitz der Beklagten zu 2. erklären können, ist ihr Vorbringen schließlich auch nicht in einer Gesamtschau geeignet, den von der Klägerin behaupteten Benutzungstatbestand in Zweifel zu ziehen.

IV.

Auf Grund des festgestellten Verletzungstatbestandes sind die Beklagten der Klägerin im zuerkannten Umfang zur Unterlassung (Artikel 64 Abs. EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG), zur Entschädigung (Artikel II § 1 a Abs. 1 IntPatÜG) und, da sie zumindest fahrlässig gehandelt haben, zum Schadensersatz (Artikel 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 2 Satz 2 PatG) verpflichtet. Dabei war der Urteilsausspruch - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch auf die in § 9 Nr. 1 PatG genannten Handlungsvarianten des Gebrauchens und des Einführens und Besitzens zu erstrecken, da auf Grund der Vertriebstätigkeit der Beklagten für diese Alternativen Verletzungshandlungen zumindest zu besorgen sind. Es lässt sich nicht ausschließen, dass die Beklagten die angegriffene Ausführungsform bei Bedarf in ihrem eigenen Geschäftsbetrieb verwenden.

Die Entschädigungs- und Schadensersatzhöhe ist derzeit ungewiss. Die Klägerin hat deshalb ein berechtigtes Interesse daran, dass die Schadensersatzhaftung und Entschädigungsverpflichtung der Beklagten zunächst dem Grunde nach gemäß § 256 Abs. 1 ZPO festgestellt wird. Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, die ihr zustehenden Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung zu beziffern, haben die Beklagten im zuerkannten Umfang Rechnung über ihre Benutzungshandlungen zu legen (§ 140 b PatG, §§ 242, 259 BGB). Die Einräumung eines Wirtschaftsprüfervorbehaltes kommt nicht in Betracht. Die Beklagten haben keine Umstände dargelegt, die darauf schließen lassen, dass die Benennung ihrer Angebotsempfänger und Abnehmer ausnahmsweise unverhältnismäßig ist.

Der Vernichtungsanspruch folgt aus § 140a Abs. 1 PatG.

V.

Eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO kommt nicht in Betracht. Es erscheint nicht überwiegend wahrscheinlich, dass das Klagepatent im Umfang der im vorliegenden Rechtsstreit allein interessierenden Kombination der Patentansprüche 1 und 2 vernichtet wird.

Die Beklagte zu 1. wendet sich im Nichtigkeitsverfahren lediglich gegen die Erfindungshöhe der in den Patentansprüchen 1 und 2 offenbarten technischen Lehre und vertritt im Rahmen ihrer dortigen Klagebegründung im wesentlichen die Ansicht, ausgehend von der US-PS 4 771 295 (Anlage B 2 = D 1) sei es dem Fachmann sowohl durch die US-PS 4 940 998 (Anlage B 3 = D 2) als auch (ergänzend) durch die DE-OS 32 20 939 (Anlage B 4 = D 3) nahegelegt gewesen, zu einem erfindungsgemäßen Tintenbehälter mit mindestens drei Tintenspeicherteilen zu gelangen. Der Entgegenhaltung D 3 (DE-OS 32 20 939) könne der Fachmann vor allem die Lehre des Patentanspruchs 2 entnehmen, bei einem Behälter mit einer Mehrzahl von Tintenspeicherteilen die Tintenabflussöffnungen "zentral" anzuordnen. Diese Argumentation erscheint nicht frei von einer unzulässigen rückschauenden Betrachtung in Kenntnis der Erfindung.

1.

Die im Erteilungsverfahren berücksichtigte und in der Patentbeschreibung erwähnte (Anlage K 5a, S. 2, erster Absatz) (US-PS 4 771 295, D 1)) offenbart - wie der nachfolgend wiedergegebenen Figur 2 der Druckschrift entnommen werden kann -

einen Tintenbehälter, der drei Tintenspeichereinheiten bzw. -teile aufweist, die einem Kopfteil Tinte zuführen. Die Anordnung sämtlicher Tintenspeicherabschnitte nebeneinander kritisiert die Klagepatentschrift im Hinblick darauf, dass die Speicherabschnitte parallel zur Abtastrichtung sehr viel Geräteraum benötigen und dass der Verbindungsbereich zwischen den Tintenbehältern und den Aufzeichnungsköpfen sehr groß ist (vgl. Anlage K 5a, S. 2 Z. 33 bis S. 3 Z. 10). Diese Nachteile werden durch das Vorsehen einer im wesentlichen T-förmigen Trennwand im Tintenbehälter (Merkmal 3) sowie durch die Anordnung der Tintenabflussöffnungen nahe eines Punktes, an welchem jedes Tintenspeicherteil unmittelbar mit den anderen beiden in Berührung steht (Merkmal 4), vermieden. Wie die Beklagten in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht haben, ist insoweit zwar nicht auszuschließen, dass die Abänderung der Flächenaufteilung und die zentrale Anordnung der Abflussöffnungen um einen gemeinsamen Berührungspunkt Maßnahmen darstellen, die in das Belieben des Fachmanns gestellt sind und über gewöhnliches handwerkliches Können nicht hinaus gehen. Gegen solch eine Bewertung spricht jedoch der die Erfindungshöhe bejahende Erteilungsbeschluss des Europäischen Patentamtes. Da die fachkundige Erteilungsbehörde die beanspruchte Umgruppierung der Tintenbehälterabschnitte und der Tintenabflussöffnungen in Kenntnis der D 1 als erfinderisch angesehen hat, erscheint es nicht ausgeschlossen bzw. nicht völlig unwahrscheinlich, dass diese Wertung im anhängigen Nichtigkeitsverfahren Bestätigung findet.

2.

Die Entgegenhaltung D 2, deren Figuren 4 und 5 nachfolgend dargestellt sind, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Die Druckschrift befasst sich lediglich mit der verbesserten Anordnung von Tintenstrahlköpfen, zur Erzielung eines verbesserten Druckergebnisses und nicht mit der raumsparenden Anordnung der die Druckköpfe versorgenden Tintenbehälter. Da D 2 damit schon thematisch keinen unmittelbaren Bezug zur Lehre des Klagepatents aufweist, läßt sich schon nicht die Feststellung treffen, dass der Fachmann vor die Aufgabe gestellt, die Verbindung von Druckerpatrone und Druckkopf allgemein raumsparender zu gestalten, die Druckschrift, die eine ganz spezielle Druckkopfanordnung vorsieht und zudem eine vom Klagepatent (B 41J) abweichende IPC-Klasse (B 41V) aufweist, überhaupt zur Lösung heranziehen würde.

Ferner haben die Beklagten nicht konkret dargelegt, welche Überlegungen den Fachmann veranlassen sollen, aus der Gestaltung der Druckköpfe auf einen komplementären Aufbau der Druckpatronen zu schließen und die in der Entgegenhaltung D 1 gezeigte Anordnung der Tintenkammern der Patrone ohne weiteres in der Weise anzupassen, dass er zu einem Tintenbehälter mit vier Kammern gelangt, die im wesentlichen durch T-förmige Trennwände getrennt sind. Eine solche komplementäre Anordnung erscheint zwar grundsätzlich möglich, ist in der Sache aber nicht zwingend oder sonst offenkundig, da der D 2 nicht entnommen werden kann, dass die vier Druckköpfe nicht nur zu Verbesserung der Druckqualität, sondern (auch) aus Gründen der raumsparenden Verbindung mit einer Druckpatrone neben und übereinander angeordnet sind. Vielmehr legt die D 2 - wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen hat - nahe, jedem Druckkopf einen eigenen, integrierten Behälter zuzuordnen.

Unabhängig davon gibt die Druckschrift auch keine Veranlassung, im Sinne von Merkmal 4 die Tintenabflussöffnungen nahe eines gemeinsamen Punktes der Tintenspeicherteile anzuordnen. Bei der Verwendung von vier räumlich getrennten Druckköpfen erscheint es allenfalls naheliegend, jedem Druckkopf gesondert eine Abflussöffnung zuzuweisen. Dass dies nur durch einen Tintenbehälter, dessen Innenraum erfindungsgemäß mittels einer im wesentlichen T-förmigen Trennwand unterteilt ist, erfolgen kann und mit Rücksicht darauf auch eine Anordnung der Tintenabflussöffnungen im Berührungsbereich der Trennwände erforderlich wird, lässt sich daraus nicht ableiten.

3.

Die DE-OS 32 20 939 (D 3) rechtfertigt ebenfalls keine Aussetzung des Rechtsstreits. Die Druckschrift hat, wie die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 2 bis 5 der Entgegenhaltung veranschaulichen, einen Tintenzuführmechanismus zum Gegenstand, bei dem Tintenbeutel (1) aus flexiblem Material in ein spezielles Kassettengehäuse (4) mit zwei Kammern eingebracht werden.

Die Tintenbeutel werden dabei so im Kassettengehäuse ausgerichtet, dass deren Tintenauslassrohr (3) mit speziellen Anschlussrohren (6) in Kontakt gebracht werden können. Es handelt sich insoweit um eine (aufwändige) Konstruktion eigener Art, bei der das eigentliche Tintenbehältnis, nämlich die Tintenbeutel, in einer vorgegebenen Weise in einem gesonderten Gehäuse ausgerichtet werden, bis die Tintenauslassrohre eine vorbestimmte (zentrierte) Position einnehmen. Dies steht in keinen unmittelbaren Zusammenhang zur Lehre des Klagepatents, den Innenraum des Tintenbehältnisses selbst durch (T-förmige) Trennwände zu unterteilen (Merkmal 3), so dass jedes Tintenspeicherteil unmittelbar mit den anderen beiden in Berührung tritt (Merkmal 4). Die vorbekannten Tintenbeutel stehen zueinander nur in einer Richtung in Materialkontakt. Allein die vorgegebene Anordnung in den beiden Kammern des Gehäuses, nicht aber die Ausbildung der Tintenbehältnisse als solche führt zu einer relativ zentrierten Anordnung der Tintenauslassrohre. Anlass, diese zentrale Anordnung auf eine aus den Entgegenhaltungen D 1 und D 2 zusammengestellte Patrone zu übertragen, besteht nicht.

Vor die Aufgabe gestellt, die aus der Entgegenhaltung D 1 bekannte raumfordernde parallele Anordnung der Tintenspeicherabschnitte und den damit verbundenen großflächigen Verbindungsbereich zwischen Tintenbehälter und Druckkopf zu vermeiden, kann der Fachmann aufgrund einer Kombination mit der Entgegenhaltung D 3 zur erfindungsgemäßen Lösung nur gelangen, wenn er die in Figur 5 der D 3 gezeigte Anordnung in der Weise abändert bzw. abstrahiert, dass das Gehäuse (4) als Tintenbehälter ausgebildet und - analog zur gezeigten Anordnung der Tintenbeutel - in vier Kammern zur Tintenaufnahme unterteilt werden kann. Der Kreuzbereich der Kammer enthielte dann die erfindungsgemäße T-Form, da der Fachmann entgegen der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht keinen Anlass hat, die Anordnung der Kammern zur Erzielung der erfindungsgemäßen Wirkungen auf eine strenge T-Form zu beschränken. Jedes Speicherteil stünde bei der vorbezeichneten Betrachtung im Kreuzpunkt mit den anderen in Berührung. In diesem Bereich könnten dann entsprechend Figur 5 der D 3 in naheliegender Weise die Abflussöffnungen angeordnet werden, um den Kontaktbereich zwischen Tintenbehälter und Druckkopf gering zu halten. Dass der Fachmann aus der Kombination der beiden Entgegenhaltungen zu diesen Schlüssen gelangt, erscheint zwar nicht ausgeschlossen. Da er sich hierzu abstrahierend von der konkreten Ausgestaltung des Tintenzuführmechanismus gemäß der D 3 mit Tintenbeuteln und speziellem Kassettengehäuse trennen muss, lässt sich im Rahmen der vorliegend zu treffenden Aussetzungsentscheidung jedoch keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür feststellen, dass es keiner erfinderischen Tätigkeit bedurfte, von den Entgegenhaltung D 1 und D 3 zur Lehre der Patentansprüche 1 und 2 des Klagepatents zu gelangen.

Indiziell spricht gegen ein Naheliegen der zeitliche Ablauf. Denn obwohl die D 3 bereits im Januar 1983 offengelegt worden ist, hat bei der Entwicklung der neueren Tintenpatronen ohne Tintenblasen offenkundig niemand die in D 3 offenbarte günstige Anordnung der Tintenabflussöffnungen aufgegriffen. Im Gegenteil: Sowohl die D 1 (Juli 1986) als auch die D 2 (April 1989), die beide von ausgewiesenen Fachunternehmen stammen, sind noch einen anderen Weg gegangen.

4.

Die von der Klägerin ergänzend in das Nichtigkeitsverfahren eingeführte Entgegenhaltung D 4 (US-PS 3 887 287) betrifft einen Mehrfarben-Marker und hat damit eine Technik zum Gegenstand, die der Fachmann schon deshalb nicht heranziehen wird, weil sie in keinerlei Beziehung zur Problematik der raumsparenden Verbindung einer Mehrfarbentintenpatrone zu einem Druckkopf steht.

5.

Nach alledem erscheint der Ausgang des Nichtigkeitsverfahrens zumindest als offen und eine Aussetzung des Rechtsstreits nicht angezeigt. Selbst wenn man den Widerruf des Klagepatents in Betracht zieht, erscheinen die Konsequenzen der Verurteilung und einer sich hierauf gründenden Vollstreckung nicht als unverhältnismäßig belastend, da die Beklagten in der mündlichen Verhandlung selbst vorgetragen haben, den Vertrieb mit abgewandelten Ausführungsformen, die nicht patentverletzend sind, fortsetzen zu können. Dass die Beklagten etwaig in Zukunft zu ihren Gunsten entstehende Kostenerstattungs- und Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin nicht werden durchsetzen können, ist ebenfalls nicht zu besorgen.

6.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Sicherheitsleistung folgen aus §§ 709, 108 ZPO.

Der Streitwert beträgt 2.000.000 EUR.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 16.01.2003
Az: 4b O 176/02


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