Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Februar 2009
Aktenzeichen: 24 W (pat) 14/07

(BPatG: Beschluss v. 10.02.2009, Az.: 24 W (pat) 14/07)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patentund Markenamts vom 14. Dezember 2006 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Wortmarke Weil wir Mädchen sind ...

ist am 4. Mai 2006 zur Eintragung in das beim Deutschen Patentund Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet worden. Im Laufe des Anmeldeverfahrens hat das Warenund Dienstleitungsverzeichnis folgende Fassung erhalten:

"Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien; Druckereierzeugnisse, insbesondere Zeitschriften, Zeitungen, Bücher, Kataloge und Prospekte; Buchbinderartikel; Fotografien, Lehrund Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Schreibwaren; Plakate; Abziehbilder; Sammelkarten; Klebstoffe für Papierund Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Drucklettern; Druckstöcke; Architekturmodelle; Klasse 36: Finanzielle Unterstützung von humanitären Hilfsmaßnahmen in Krisenund Armutsgebieten; Veranlassung und Durchführung finanzieller Unterstützung für bedürftige Kinder und deren Familien; finanzielle Förderung von Ausbildungs-, Unterrichtsund Erziehungsmaßnahmen; Finanzierung von Projekten, einschließlich Finanzierung von Forschung; alles in Bezug auf humanitäre Hilfe, insbesondere Sicherung der Grundbedürfnisse in Bezug auf Erziehung und Ausbildung, Gesundheit, Wohnen, Hygiene, Infrastruktur und Versorgung;

Klasse 41: Unterhaltung, insbesondere Rundfunkund Fernsehunterhaltung sowie Unterhaltung über das Internet; Produktion von Film-, Fernseh-, Rundfunk-, BTX-, Videotext-, Teletext-Programmen oder -Sendungen; Filmvermietung; Erziehung und Ausbildung; Förderung und Durchführung von Ausbildungs-, Unterrichtsund Erziehungsmaßnahmen (soweit in Klasse 41 enthalten); Ausund Weiterbildungsförderungsprogramme und Programme zur Förderung multikultureller Beziehungen (soweit in Klasse 41 enthalten); Durchführung von Vorträgen, Kursen und Seminaren; Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle und Unterrichtszwecke; Durchführung von Unterhaltungsveranstaltungen, Liveevents (soweit in Klasse 41 enthalten), Schulungsveranstaltungen, Bildungsveranstaltungen sowie kulturellen und sportlichen Veranstaltungen; Organisation und Betrieb von Ausstellungen und Museen; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen, insbesondere Zeitschriften, Zeitungen, Büchern, Katalogen und Prospekten; Herausgabe von Texten (ausgenommen Werbetexte); Veranlassung und Durchführung materieller Unterstützung für bedürftige Kinder und deren Familien, nämlich von Leistungen zur Sicherung der Grundbedürfnisse in Bezug auf Erziehung und Ausbildung;

Klasse 42: Organisation und Ausarbeitung von Programmen der humanitären Hilfe zu Wohltätigkeitszwecken auf den Gebieten Bildung, Entwicklung und gesundheitliche Betreuung von Menschen, insbesondere in Entwicklungsländern (soweit in Klasse 42 enthalten); Vermittlung von Patenschaften für Kinder und Jugendliche; Organisation von humanitären Hilfsmaßnahmen in Krisenund Armutsgebieten, insbesondere Organisation und Bereitstellung von Nahrungsmitteln und Getränken, sauberem Trinkwasser, Bekleidung, Gesundheitsfürsorge, medizinischer Versorgung, Hygieneund sanitären Einrichtungen, provisorischen Unterkünften, Zufluchtsorten; Rechtsberatung und -vertretung für bedürftige Kinder, deren Familien und Gemeinschaften; Veranlassung und Durchführung materieller Unterstützung für bedürftige Kinder und deren Familien, insbesondere zur Sicherung der Grundbedürfnisse in Bezug auf Wohnen, Infrastruktur und Versorgung; Dienstleistungen für den Aufbau von Beziehungen zwischen Gebern von finanziellen und materiellen Spenden und bedürftigen Kindern, deren Familien und Gemeinschaften (soweit in Klasse 42 enthalten); Informationsund Beratungsdienstleistungen in Bezug auf alles vorstehend genannte;

Klasse 44: Medizinische Versorgung von kranken und verletzten Personen; Dienstleistungen auf dem Gebiet der Tiermedizin und der Landwirtschaft; Veranlassung und Durchführung materieller Unterstützung für bedürftige Kinder und deren Familien, insbesondere zur Sicherung der Grundbedürfnisse in Bezug auf Gesundheit und Hygiene."

Die mit einer Beamtin im höheren Dienst besetzte Markenstelle für Klasse 42 des DPMA hat die Anmeldung mit Beschluss vom 14. Dezember 2006 wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG i. V. m. § 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen. In dem Beschluss wird ausgeführt, bei der angemeldeten Wortfolge "Weil wir Mädchen sind ..." handele es sich um einen Werbeslogan. Ein ausreichendes Mindestmaß an Unterscheidungskraft wiesen allerdings nur Slogans auf, die keinen eindeutigen Aussagegehalt in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen vermittelten, sondern z. B. aufgrund ihrer Kürze, Originalität, Prägnanz oder Mehrdeutigkeit eine Interpretationsbedürftigkeit aufwiesen. Dies treffe jedoch nicht auf die vorliegende Wortfolge "Weil wir Mädchen sind ..." zu. In der Werbung sei es keineswegs ungewöhnlich, Slogans als Kausalsätze zu formulieren. In ihrer Gesamtheit habe die angemeldete Marke "Weil wir Mädchen sind ..." den Charakter einer Werbeaussage, die lediglich einen beschreibenden Hinweis auf die geschlechtsspezifische Bestimmung bzw. den geschlechtsspezifischen Inhalt der beanspruchten Waren und Dienstleistungen beinhalte. So könnten die Waren der Klasse 16 in ihrer Gestaltung oder in inhaltlichthematischer Hinsicht auf die Bedürfnisse und Wünsche von Mädchen ausgerichtet sein. Entsprechendes treffe auf die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 41 zu. Bei den beanspruchten Dienstleistungen der Klassen 36, 42 und 44 vermittele der Slogan "Weil wir Mädchen sind ..." unmittelbar den Sinngehalt, dass hier Inhalt und Zweck der Dienstleistungen speziell auf eine Hilfestellung für Mädchen abzielten. Dahingestellt bleiben könne, ob die Wortfolge "Weil wir Mädchen sind ..." auch freihaltebedürftig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sei.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er ist der Auffassung, die angemeldete Marke "Weil wir Mädchen sind ..." könne bezogen auf alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen eine hinreichende Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei ein Wortzeichen immer dann eintragungsfähig, wenn ihm kein die fraglichen Waren und Dienstleistungen betreffender, im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden könne. Der Wortfolge "Weil wir Mädchen sind ..." könne aber eine vordergründige Sachaussage gerade nicht entnommen werden. Die Wortfolge weise Originalität auf und bleibe mehrdeutig. Sie besitze einen gewissen Appellcharakter. Dagegen sei das DPMA ohne erkennbaren Beleg davon ausgegangen, dass der Verkehr alleine aus dem im Anmeldezeichen enthaltenen Wort "Mädchen" eine zielgruppenspezifische Ausrichtung der Produktpalette ableiten werde. Die in Rede stehende Wortfolge laute aber nicht "Für Mädchen", sondern "Weil wir Mädchen sind ...". Es sei völlig unklar, welchen Inhaltz. B. Druckereierzeugnisse hätten, die mit der Bezeichnung "Weil wir Mädchen sind ..." versehen sind. Dieselbe Problematik trete z. B. auch bei den Dienstleistungen der Klassen 41 und 42 auf. Was etwa unter einem "Liveevent" zu verstehen sei, das an den Bedürfnissen von Mädchen ausgerichtet sei, bleibe im Dunkeln.

Der Anmelder beantragt (sinngemäß), den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patentund Markenamts vom 14. Dezember 2006 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beschwerdeseitigen Vorbringens wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Anmelders hat in der Sache Erfolg. Der zur Eintragung als Marke angemeldeten Wortfolge "Weil wir Mädchen sind ..." stehen keine absoluten Schutzhindernisse, insbesondere auch nicht das nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, jene Waren oder Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren oder Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. EuGH GRUR 2003, 514, 517 (Nr. 40) "Linde, Winward u. Rado"; GRUR 2004, 428, 431 (Nr. 48) "Henkel"; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) "EUROHYPO"; BGH GRUR 2006, 850, 854 (Nr. 18) "FUSSBALL WM 2006"; GRUR 2008, 710 (Nr. 12) "VISAGE"). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen (vgl. u. a. EuGH a. a. O. (Nr. 50) "Henkel"; BGH a. a. O. (Nr. 18) "FUSSBALL WM 2006";

a.

a. O. (Nr. 13) "VISAGE"). Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in der Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer näheren analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl.

u.

a. EuGH a. a. O. (Nr. 53) "Henkel"; BGH MarkenR 2000, 420, 421 "RATIONAL SOFTWARE CORPORATION"; GRUR 2001, 1151, 1152 "marktfrisch"). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 86) "Postkantoor"; BGH a.

a. O. "marktfrisch"; GRUR 2001, 1153 "anti KALK"; GRUR 2005, 417, 418 "BerlinCard") oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die -etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl.

u.

a. BGH GRUR 2001, 1043, 1044 "Gute Zeiten -Schlechte Zeiten"; BGH GRUR 2003, 1050, 1051 "Cityservice"; a. a. O. (Nr. 19) "FUSSBALL WM 2006"). Bei der vorliegend zur Beurteilung stehenden Wortfolge "Weil wir Mädchen sind ..." ist dies jedoch im Hinblick auf die mit ihr beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht der Fall.

Wie die Markenstelle in ihrem angegriffenen Beschluss selbst ausgeführt hat, ist der Wortfolge "Weil wir Mädchen sind ..." kein im Vordergrund stehender unmittelbar beschreibender Sinngehalt zu entnehmen. Zwar fehlt der angemeldeten Marke nicht jeder Sinnbezug, wie sich aus dem in der Wortfolge enthaltenen Begriff "Mädchen" ergibt. Dieser Begriff vermittelt durchaus die Vorstellung, dass es sich bei den so gekennzeichneten Waren der Klasse 16 und den Dienstleistungen der Klassen 36, 41, 42, 44 sowie einer hier möglicherweise auch einschlägigen Klasse 45 um solche handelt, die einen geschlechtsspezifischen Inhalt haben bzw. eine geschlechtsspezifische Bestimmung aufweisen. Dieser letztlich beschreibende Aussagekern steht aber bei der angemeldeten Wortfolge nicht im Vordergrund, sondern wird dem Publikum nach Art eines sprechenden Zeichens nur in sehr vager und unterschwelliger Form nahegebracht. Solche suggestiven Andeutungen nehmen jedoch einer Marke grundsätzlich noch nicht die erforderliche Unterscheidungskraft (vgl. BPatG GRUR 2004, 333 "ZEIG DER WELT DEIN SCHÖNSTES LÄCHELN"). Hiernach spricht vieles dagegen, dass die hier angemeldete Wortfolge im Verkehr nur als solche und nicht auch als Mittel zur betrieblichen Herkunftsindividualisierung aufgefasst wird. Die Wortfolge "Weil wir Mädchen sind ..." stellt eine unvollständige Aussage dar, die nach ihrem Gesamteindruck als ein gewollt sinnoffen gestalteter Programmsatz gedeutet werden muss, dessen konkreter Sinngehalt auch bei analysierender Betrachtung unklar bleibt. Wegen dieses Charakters kann der Wortfolge "Weil wir Mädchen sind ..." eine Unterscheidungskraft begründende Originalität und Prägnanz nicht gänzlich abgesprochen werden.

Davon abgesehen könnte die Zurückweisung der vorliegenden Anmeldung auch nicht allein mit der Begründung erfolgen, dass die betreffende Werbeaussage Kürze, Originalität und Prägnanz vermissen ließe. Auch nach der Rechtsprechung des BGH stellen diese Kriterien zwar mögliche Anhaltspunkte für die Bejahung der erforderlichen Unterscheidungskraft dar. Es kann aber nicht umgekehrt aus ihrem Fehlen auf mangelnde Unterscheidungskraft geschlossen werden (vgl. BPatG GRUR 2004, 333, 334 "ZEIG DER WELT DEIN SCHÖNSTES LÄCHELN"). Daher kann auch einer für sich genommen eher einfachen Aussage die Unterscheidungskraft nicht stets abgesprochen werden (vgl. BGH GRUR 2000, 321, 322 "Radio von hier"; GRUR 2000, 323, 324 "Partner with the Best"; GRUR 2001, 1047, 1048 "LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER").

Zur Bejahung einer hinreichenden Unterscheidungskraft trägt auch die Tatsache bei, dass es sich bei der Wortfolge "Weil wir Mädchen sind ..." weder um eine festgefügte Redewendung, die Eingang in die deutsche Sprache gefunden hätte, noch ersichtlich um die Abwandlung einer solchen handelt. Dies ist insofern von Bedeutung, als nach der Rechtsprechung des EuGH die absoluten Schutzhindernisse stets mit Blick auf das Allgemeininteresse auszulegen sind, das ihnen jeweils zugrunde liegt (vgl. EuGH GRUR Int. 2004, 631, 634 (Nr. 44 ff.) "Dreidimensionale Tablettenform I"; EuGH GRUR 2003, 604, 607 (Nr. 52 ff.) "Libertel"; GRUR 2003, 514, 518 (Nr. 71) "Linde, Winward u. Rado"; GRUR 2002, 804, 809 (Nr. 77) "Philips"; Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rdn. 40; ausführlich hierzu auch Hacker, GRUR 2001, 630, 632 ff.). Vorliegend lässt sich nicht feststellen, dass einem markenrechtlichen Individualschutz an der konkreten Wortfolge "Weil wir Mädchen sind ..." ein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit und insbesondere der Mitbewerber an der freien Verwendbarkeit des betreffenden Zeichens entgegensteht.

Das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist ebenfalls nicht in Betracht zu ziehen, da es sich hier ersichtlich nicht um eine beschreibende Angabe im Sinne dieser Vorschrift handelt.

Die Markenstelle wird nunmehr von der Möglichkeit Gebrauch zu machen haben, unter Berücksichtigung der vorstehend geäußerten Rechtsaufassung eine abschließende Klärung des Warenund Dienstleistungsverzeichnisses herbeizuführen.

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BPatG:
Beschluss v. 10.02.2009
Az: 24 W (pat) 14/07


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