Finanzgericht Köln:
Beschluss vom 16. September 2002
Aktenzeichen: 10 Ko 2211/02

(FG Köln: Beschluss v. 16.09.2002, Az.: 10 Ko 2211/02)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Finanzgericht Köln hat in einem Beschluss vom 16. September 2002 (Aktenzeichen 10 Ko 2211/02) über einen Fall zur Einkommensteuer 1991 entschieden. Die Kläger forderten die Anerkennung von Zahlungen in Höhe von 18.250 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Zur Untermauerung ihrer Ansicht legten die Kläger im Prozess ein privates Rechtsgutachten vor. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger wurde zur Vornahme einer Akteneinsicht aufgefordert und zahlte dafür eine Gebühr. In der Folge fanden mündliche Verhandlungen statt, bei denen der Kläger persönlich anwesend war. Das Gericht gab der Klage schließlich mit Urteil vom 8. Februar 2001 statt und legte die Kosten dem Beklagten auf. Die Revision wurde zugelassen. Die Kläger stellten daraufhin einen Kostenfestsetzungsantrag, der jedoch nur teilweise stattgegeben wurde. Die Beweisgebühr wurde nicht anerkannt, da keine Beweisaufnahme stattgefunden hatte. Die Kosten für das private Rechtsgutachten wurden ebenfalls nicht erstattet, da sie nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Lediglich die Kosten für Kopien in Höhe von 33 DM wurden erstattet. Die Kostenentscheidung wurde aufgrund der geltenden Gesetzgebung getroffen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

FG Köln: Beschluss v. 16.09.2002, Az: 10 Ko 2211/02


Tenor

Anmerkung: Der Klage wurde teilweise stattgegeben.

Gründe

I. Die Kläger begehrten im Verfahren 10 K 1857/95 wegen Einkommensteuer 1991 die Berücksichtigung von Zahlungen in Höhe von 18.250 DM, die im Streitjahr 1991 auf ein Schuldanerkenntnis geleistet worden waren, als Werbungskosten des Klägers bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. In dem Klageverfahren hatten die Kläger zur Untermauerung ihrer Ansicht u.a. ein privates Rechtsgutachten vom

16. Juli 1997 vorgelegt, für das dem Prozessbevollmächtigten der Kläger 1.740 DM zzgl. 261 DM USt berechnet wurden und ein weiteres Kurzgutachten vom 22. Mai 1998, für das 350 DM zzgl.

56 DM USt berechnet worden waren. Am 7. Dezember 1999 erschien der Prozessbevollmächtigte im FG zur Vornahme einer Akteneinsicht. Dabei wurden ausweislich eines Vermerks des Bücherei-Verwalters 33 Kopien gefertigt, für die der Prozessbevollmächtigte 33 DM entrichtete. Am 10. November 1999 und am 8. Februar 2001 fanden in der Klagesache mündliche Verhandlungen statt. Der Kläger erschien nur in der Verhandlung vom 10. November 1999 persönlich. Die Niederschrift der mündlichen Verhandlung enthält keinen Hinweis darauf, dass eine förmliche Beweisaufnahme in Form einer Beteiligten-Vernehmung stattgefunden hat.

Der Klage wurde mit Urteil vom 8. Februar 2001 stattgegeben. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beklagten auferlegt. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob die Gestellung einer Sicherheit durch einen ehemaligen Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, die ohnehin wegen Vermögenslosigkeit gelöscht werden soll, auch dann gesellschaftsrechtlich veranlasst ist, wenn mit der Gestellung der Sicherheit die Freigabe des zur Sicherheit übereigneten Inventars für einen neuen Betreiber des Unternehmens erreicht werden soll, der mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer ein neues Arbeitsverhältnis begründen will.

Mit ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 9. März 2001 beantragten die Kläger unter anderem den Ansatz einer Beweisgebühr, der Kosten des Rechtsgutachtens, und die Erstattung von 400 DM für "ca. 400 angefertigte Kopien". Mit Schreiben vom 7. Januar 2001 wurde der Prozessbevollmächtigte u.a. aufgefordert, zu erläutern, wieso die angesetzten Kosten für Kopien und die Gutachtenkosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen seien. In seinem Antwortschreiben vom 14. Januar 2002 trug der Prozessbevollmächtigte vor, es habe sich um umfangreiche Kopien aus Behörden- und Gerichtsakten gehandelt, die u.a. im Finanzgericht aus den dort vorliegenden Prozessakten gegen Quittung angefertigt worden seien. So seien Aktenteile kopiert worden, die dem Prozessvertreter nicht bekannt gewesen bzw. vom Beklagten bestritten worden seien. Das Gutachten habe sich mit der Analyse der streitigen steuerlichen und rechtlichen Materie befasst und der Klagebegründung gedient.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. April 2002 wurden die zu erstattenden Kosten auf 1.118 EUR festgesetzt. Der Ansatz der o.a. Positionen unterblieb dabei. Zur Begründung führte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle aus, eine Beweisgebühr könne zwar auch dann entstehen, wenn das Gericht die für die Parteivernehmung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nicht beachtet habe, im Streitfall ergäben sich aber keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Beweisaufnahme stattgefunden habe. Die Aufwendungen für das private Rechtsgutachten seien nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen. Die Erstattung von Schreibauslagen sei durch § 139 Abs. 1 FGO eingeschränkt. Erstattungsfähig seien nur notwendige Schreibauslagen. Der Prozessbevollmächtigte habe trotz Aufforderung im Schreiben vom 7. Januar 2001 nicht erläutert, wieso die angesetzten Kosten für Kopien zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen seien.

Mit der Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss machten die Kläger zunächst geltend, die Beweisgebühr sei zu Unrecht nicht angesetzt worden, auch wenn aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10. November 1999 nicht ersichtlich sei, dass eine Beweiserhebung durchgeführt worden sei. Das Gericht habe in dieser Verhandlung jedoch über streitige rechtliche und tatsächliche Umstände Beweis durch Befragung des Erinnerungsführers erhoben. Die Notwendigkeit einer solchen Sachverhaltsaufklärung werde auch durch die Ausführungen des Gerichts in dem sodann ergangenen Beschluss über die Aussetzung des Verfahrens bestätigt.

Bei der Erstellung des Gutachtens sei es nicht um die Beantwortung richterlich noch nicht entschiedener Fragen gegangen. Das Gutachten sei vielmehr notwendig geworden, weil der Erinnerungsgegner den Kläger unzutreffend informiert und über seine Rechte getäuscht habe.

Die Kopierkosten beruhten vor allem auf dem Erfordernis, alle Schriftsätze und Anlagen nicht nur für das Gericht, sondern zusammen mit einer Mehrausfertigung für den Erinnerungsgegner einzureichen. Der geringere Teil der Kopierkosten sei im Zuge der Akteneinsicht entstanden, weil den Erinnerungsführern bestimmte Aktenstücke nicht zur Verfügung gestanden hätten.

Im Laufe des weiteren Verfahrens wurde der Prozessbevollmächtigte vom Berichterstatter am 9. September 2002 telefonisch darauf hingewiesen, dass ein Anspruch auf Ersatz der Schreibauslagen für Abschriften und Ablichtungen von Schriftsätzen an das Gericht - jedenfalls soweit es um Mehrausfertigungen für den Prozessgegner gehe - gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO nur für die Unterrichtung von mehr als drei Gegnern oder Beteiligten vorgesehen sei. Daraufhin schränkte der Prozessbevollmächtigte seinen Kostenerstattungsantrag hinsichtlich der Schreibauslagen auf die Kopierkosten von 33,-- DM ein, die ihm anlässlich der Akteneinsicht entstanden waren.

II. Die Erinnerung ist nur hinsichtlich der 33,-- DM Kopierkosten begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Beweisgebühr ist nicht entstanden, weil im Streitfall keine Beweisaufnahme, auch nicht in Form einer Beteiligtenvernehmung, stattgefunden hat.

a) Gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO erhält der Prozessbevollmächtigte eine volle Gebühr für die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren oder bei der Anhörung oder Vernehmung einer Partei nach § 613 der Zivilprozessordnung (Beweisgebühr).

b) Ein Beweisaufnahme in diesem Sinne hat im Streitfall nicht stattgefunden.

aa) Eine Beweisaufnahme hat den Sinn, eine bestehende Ungewissheit des Gerichts über den Wahrheitsgehalt des Parteivorbringens zu beseitigen oder sonstige ihm zweifelhaft erscheinende Umstände erweislich zu machen. Deshalb müssen, damit eine Beweisaufnahme erforderlich wird, entweder Parteibehauptungen streitig sein oder - bei dem Amtsermittlungsgrundsatz im finanzgerichtlichen Verfahren - unbestrittene Darlegungen nach der Auffassung des Gerichts einer Nachprüfung von Amts wegen bedürfen. Es kommt demnach darauf an, dass sich Anhaltspunkte für eine Beweisaufnahme durch Parteivernehmung seitens des FG ergeben, die über ein bloßes Anhören oder Befragen der Partei im Rahmen der tatsächlichen und rechtlichen Erörterung der Streitsache hinausgehen. Dient die Anhörung einer Partei nach diesen Grundsätzen zweifelsfrei der Beweisaufnahme und nicht nur der Erörterung der Sach- und Rechtslage, so entsteht eine Beweisgebühr auch dann, wenn das Gericht die für die Parteivernehmung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nicht beachtet hat. Liegt hingegen ein Zweifelsfall vor, bei dem sich aus der Sitzungsniederschrift und/oder den Urteilsgründen nicht ohne weiteres ergibt, ob das FG eine Beweisaufnahme durch Parteivernehmung durchführen oder die Streitsache mit dem Kläger lediglich erörtern wollte, so kann der Urkundsbeamte aus der Tatsache, dass die Anhörung einer Partei ohne Beachtung besonderer Förmlichkeiten vor sich gegangen ist, im Regelfall schließen, dass eine Beweiserhebung weder beabsichtigt war noch stattgefunden hat (BFH-Beschlüsse vom 8. November 1972 VII B 41/71, BFHE 107, 357, BStBl II 1973, 229, vom 17. August 1976 VII B 7/75, BStBl II 1976, 687, in dem die Vernehmung des Kostengläubigers nach dem Sitzungsprotokoll eindeutig der Beweisaufnahme über einen streitigen Sachverhalt diente, zumal sich das Gericht in den Urteilsgründen mit den Aussagen des Kostengläubigers eingehend auseinander setzte und im Einzelnen würdigte).

bb) Im Streitfall ist der Erinnerungsführer nur zur mündlichen Verhandlung vom

10. November 1999 persönlich erschienen. Die Niederschrift der mündlichen Verhandlung enthält keinen Hinweis darauf, dass eine förmliche Beweisaufnahme in Form einer Beteiligten-Vernehmung stattgefunden hat. Auch das rd. 15 Monate später ergangenen Urteil enthält keinen Hinweis darauf, dass die Anhörung des Erinnerungsführers zweifelsfrei der Beweisaufnahme diente und nicht nur der Erörterung der Sach- und Rechtslage. Daher liegt allenfalls ein Zweifelsfall vor, sodass der Urkundsbeamte aus der Tatsache, dass die Anhörung des Erinnerungsführers ohne Beachtung besonderer Förmlichkeiten vor sich gegangen ist, ohne Rechtsfehler schließen konnte, dass eine Beweiserhebung weder beabsichtigt war noch stattgefunden hat.

2. Die Kosten des von den Erinnerungsführern im Streitfall vorgelegten Privatgutachtens sind ebenfalls nicht erstattungsfähig.

a) Aufwendungen für ein im finanzgerichtlichen Verfahren vorgelegtes Privatgutachten, das sich mit einem typisch steuerrechtlichen Problem befasst, sind nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig und können daher nicht erstattet werden. Dies gilt auch dann, wenn es um die Beantwortung einer schwierigen und höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Rechtsfrage geht. Ausnahmen von diesem Grundsatz kommen nur dann in Betracht, wenn schwierige technische Fragen zu beurteilen sind, wenn mit dem eingeholten Gutachten ein bereits vorliegendes Gutachten des anderen Beteiligten widerlegt werden soll oder wenn es um die Beantwortung von Fragen aus einem anderen Rechtsgebiet geht (BFH-Beschlüsse vom 11. Mai 1976 VII B 79/74, BFHE 119, 14, BStBl II 1976, 574 und vom 16. Februar 1971 VII B 43-44/69, BFHE 101, 484, BStBl II 1971, 400).

b) Im Streitfall ging es um die Beurteilung einer typisch steuerrechtlichen Frage, deren Beantwortung zu den Grundaufgaben eines Finanzgerichts gehört. Die von den Erinnerungsführern aufgewandten Kosten für die vorgelegten Privatgutachten waren daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig und sind deshalb nicht erstattungsfähig.

3. Die Schreibauslagen sind in Höhe der anlässlich der Akteneinsicht entstanden Kopierkosten, also in Höhe von 33 DM erstattungsfähig. Gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO hat der Rechtsanwalt u.a. Anspruch auf Ersatz der Schreibauslagen für Abschriften und Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Das Gericht geht dabei zugunsten des Prozessbevollmächtigten davon aus, dass nur solche Aktenstücke kopiert worden sind, die den Erinnerungsführern nicht zur Verfügung gestanden haben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ergeht gerichtsgebührenfrei, weil das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz) eine Gebühr für diesen Beschluss nicht vorsieht. Die Pflicht zur Kostentragung beschränkt demgemäß auf die Auslagen des Gerichts und die außergerichtlichen Kosten.






FG Köln:
Beschluss v. 16.09.2002
Az: 10 Ko 2211/02


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