Landgericht Bonn:
Urteil vom 22. Januar 2008
Aktenzeichen: 11 O 38/03

(LG Bonn: Urteil v. 22.01.2008, Az.: 11 O 38/03)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits und die außergerichtlichen Kosten der Streithelfer werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagten als frühere Aufsichtsratsmitglieder der Schuldnerin auf Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagten waren in folgenden Zeiträumen im Aufsichtsrat der Schuldnerin: Der Beklagte zu 1) vom 06.06.97 - 03.06.98 als Aufsichtsratsvorsitzender, der Beklagte zu 2) vom 06.06.97 - 31.12.99, nach Ausscheiden des Beklagten zu 1) als Aufsichtsratsvorsitzender, die Beklagte zu 3) vom 06.06.97 - 31.12.99, der Beklagte zu 4) vom 23.10.97 - 15.11.99, der Beklagte zu 5) vom 23.10.97 - 15.11.99, der Beklagte zu 6) vom 23.10.97 - 07.03.01, der Beklagte zu 7) seit 09.03.98, der Beklagte zu 8) vom 09.03.98 bis 2001, die Beklagte zu 9) vom 09.03. - 05.11.98, der Beklagte zu 10) vom 03.06.98 - 11.06.99, der Beklagte zu 11) vom 05.11.98 - 31.12.99. Die Beklagten zu 7) - 9) und 11) gehörten dem Aufsichtsrat als Arbeitnehmervertreter an. Die Streithelfer zu 1) - 3) waren zeitweise Vorstandsmitglieder der Schuldnerin, der Streithelfer zu 1) bis 31.05.1999. Vorstandsvorsitzender war vom 15.07.1995 bis zum 11.06.1999 Herr L. Letzterer und die Streithelfer zu 1. und 2. wurden durch rechtskräftige Strafurteile des LG D jeweils u.a. wegen unrichtiger Darstellung der Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft (§ 331 Nr. 1 HGB) verurteilt. Diese Verurteilungen beziehen sich jeweils auf den Jahresabschluss 1997, im Fall des Streithelfers zu 1) auch auf den Jahresabschluss 1998. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 01.08.2001 eröffnet.

Die Aktien der Schuldnerin waren seit dem 25.08.1997 am Neuen Markt der Frankfurter Wertpapierbörse notiert. Der Jahresabschluss 1997 der Schuldnerin wies zum Stichtag 31.12.1997 eine Bilanzsumme von 250.492.661,26 DM, das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit mit 14.382.671,44 DM und einen Bilanzgewinn von 8.686.553,97 DM aus. Dieser wurde in Höhe von 4,2 Mio. DM entsprechend dem Ende März 1998 festgestellten Jahresabschluss im Juni 1998 an die Aktionäre durch Ausschüttung einer Dividende (0,60 DM je Aktie im Nennbetrag von 5,- DM) verteilt.

Der im März 1999 festgestellte Jahresabschluss 1998 der Schuldnerin wies zum Stichtag 31.12.1998 eine Bilanzsumme von 195.191.845,65 DM aus. Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit war mit 11.120.643,27 DM festgehalten. Der Bilanzgewinn war mit 15.562.543,73 DM vermerkt. Der per 31.12.1998 festgestellte Bilanzgewinn von 15.562.543,73 DM wurde in Höhe von 7 Mio. DM durch Ausschüttung einer Dividende an die Aktionäre verteilt. Der restliche Betrag sollte als Gewinnvortrag verwendet werden.

Die Jahresabschlüsse 1997 und 1998 erhielten jeweils ein uneingeschränktes Testat der Jahresabschlussprüferin. Bei dieser handelte es sich um die jetzt unter U S & Partner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft firmierende Gesellschaft. Diese sowie deren Partner S und V wurden durch nicht rechtkräftiges Urteil des Landgericht D vom 31.05.2007 - # O #/... - als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 511.291,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.01.2001 zu zahlen. Die Streithelfer zu 1) - 3) wurden durch nicht rechtskräftiges Urteil der Kammer vom 11.12.2007 - ... O .../... - als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 5.766.401,99 € nebst Zinsen zu zahlen. Das Verfahren gegen den Insolvenzverwalter des früheren Vorstandsvorsitzenden L der Schuldnerin wurde im vorgenannten Verfahren der Kammer vergleichsweise erledigt.

Durch rechtskräftiges Versäumnisurteil der Kammer vom 28.02.2000 - ... O #/... - wurde festgestellt, dass die Jahresabschlüsse 1997 und 1998 nichtig sind.

Die Jahresabschlüsse 1997 und 1998 der Schuldnerin wurden daraufhin neu aufgestellt. Sie wiesen für 1997 einen Bilanzverlust von rund 29,83 Mio. DM und für 1998 einen Jahresfehlbetrag von rund 53,44 Mio. DM aus. Dadurch stieg der Bilanzverlust (unter Einrechnung der für 1997 ausgezahlten Dividende von 4,2 Mio. DM) auf rund 87,48 Mio. DM (Anlage K36 zum Schriftsatz der Klägerin vom 05.03.2001).

Der Kläger hat am 26.03.2003 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt. Diesen Prozesskostenhilfeantrag hat der Kläger zurückgenommen und zugleich mit Schriftsatz vom 29., bei Gericht eingegangen am 30.09.2004 unbedingt Klage erhoben.

Der Kläger behauptet, die Beklagten hätten ihre Aufsichtspflichten als Aufsichtsratsmitglieder verletzt. Dadurch sei ein Schaden in Höhe der ausgezahlten Dividenden für 1997 und 1998. Das habe zu Folgeschäden von 563.315,88 € geführt, wovon je ½ = 281.657,94 € den Bilanzen 1997 und 1998 zuzuordnen seien. Die Summe dieser Beträge bildet die Hauptforderung gegen die Beklagten zu 2) -8). Den Beklagten zu 10) und 11) lastet der Kläger als Schaden die Dividende für 1998 = 3.579.043,17 € und die Folgeschäden von 281.657,94 € an. Die Summe beider Beträge bildet die Hauptforderung gegen die Beklagten zu 10) und 11). Den Beklagten zu 1) und 9) lastet der Kläger als Schaden die Dividende für 1997 = 2.147.425,90 € und die Folgeschäden von 281.657,94 € an. Die Summe beider Beträge bildet die Hauptforderung gegen die Beklagten zu 1) und 9).

Die Inanspruchnahme der Beklagten gründet sich auf folgende Sachverhalte:

In der Aufsichtsratssitzung der Schuldnerin vom 27.03.1998 billigte der Aufsichtsrat den Jahresabschluss der Schuldnerin zum 31.12.1997 in der vorgelegten Form und stellte ihn einstimmig fest. An der vom Beklagten zu 6) als stellvertretendem Aufsichtsratsvorsitzenden geleiteten Sitzung nahmen die Beklagten zu 1) - 3) als damalige Aufsichtsratsmitglieder nicht teil. Im Sitzungsprotokoll (Anlage K15 zum ursprünglichen Klageentwurf) ist festgehalten, dass der Lagebericht der Wirtschaftsprüfer (Gleiches gilt für den Prüfungsbericht) noch nicht vollständig (sondern im Entwurf) vorlag und letztere den Jahresabschluss der Schuldnerin mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versehen hätten. Der Bericht der Wirtschaftsprüfer über die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichtes der Schuldnerin zum 31.12.1997 (Anlage K7 zum ursprünglichen Klageentwurf) führt unter "B. Umlaufvermögen" "I. Vorräte" unter 2. "Zur Veräußerung bestimmte Grundstücke einschließlich Bauten" das Objekt "Wohnpark Pflegezentrum P " mit einem Ansatz von 4.934.763,49 DM per 31.12.1997 an. Für den 31.12.1996 waren insofern 0 DM angesetzt (Bericht S. 47). Unter "B. Umlaufvermögen" "II. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände" "1. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen" heißt es u.a.: "L 10.320.597,24" (S. 49). Unter "C. Rechnungsabgrenzungsposten" sind u.a. "Pachten L" per 31.12.1997 mit DM 679.681,00 DM und für 31.12.1996 mit 0 DM angesetzt (S. 54).

Im Lagebericht zum Jahresabschluss 1997 (Anlage AG 1/2 zum Schriftsatz des Beklagten zu 1) vom 19.08.2003 (Bl. 407 - 413 d.A.) sind der Vorgang P und die Forderung von ca. 10,3 Mio. DM gegen Herrn L nicht angesprochen.

Unter dem 27.05.1998 rügte der Beklagte zu 5) im Hinblick auf die Hauptversammlung der Schuldnerin vom 03.06.1998 u.a.:

"Der Lagebericht ist vom AR noch nicht besprochen/sanktioniert worden. Das endgültige Testat/WP-Bericht liegt dem AR noch nicht vor. Der Bericht des AR zum Abschluss ist noch nicht besprochen/sanktioniert worden" (Anlage K16 zum ursprünglichen Klageentwurf).

Daraufhin wurde in der Aufsichtsratssitzung vom 03.06.1998 der Bericht des Aufsichtsrats durch den Beklagten zu 1) mündlich vorgetragen. Der Aufsichtsrat stimmte dem Text zu (Protokoll (Anlage K17 zum ursprünglichen Klageentwurf, S. 3).

Hintergrund des Ansatzes der Position "L 10.320.597,24" im Bericht der Wirtschaftsprüfer waren - was die Beklagten teilweise mit Nichtwissen bestreiten - zwei Optionsgeschäfte betreffend das "Objekt P". Die Schuldnerin war Eigentümerin eines Grundstücks eingetragen im Grundbuch von Q am W , bebaut mit einer Altenpflegeeinrichtung. Mit Vertrag vom 30.12.1997 des Notars Dr. Z aus M - UR-Nr. ....../...... - (Anlage K2 zum ursprünglichen Klageentwurf) räumte die Schuldnerin, vertreten durch den Streithelfer zu 2., ihrem damaligen Vorstandsvorsitzenden L ein Ankaufsrecht für das Grundstück ein (sog. Option I). Für das Ankaufsrecht wurde ein Entgelt von 5 Mio. DM vereinbart. Das Entgelt sollte auch gezahlt werden, wenn L das Ankaufsrecht nicht ausübte. In dem Fall waren die 5 Mio. DM mit Ablauf des 31.12.1998 zur Zahlung fällig. Bei Ausübung des Ankaufsrechts war das Entgelt zuzüglich zum Kaufpreis zu zahlen. In dem notariellen Vertrag vereinbarten die Schuldnerin und ihr damaliger Vorstandsvorsitzender einen Kaufpreis von 7,988 Mio. DM für das Objekt P

Am 17.03.1998 beurkundete Notar Dr. Z aus M zu UR-Nr. ...#/...... (Anlage K3 zum ursprünglichen Klageentwurf) einen weiteren Vertrag zwischen der Schuldnerin, wiederum vertreten durch den Streithelfer zu 2., und Herrn L. Hierin wurde das Optionsentgelt um 5,3 Mio. DM auf 10,3 Mio. DM erhöht (Option II).

Die genannten Verträge vom 30.12.1997 und 17.03.1998 enthalten keine Aussagen zu der Frage, ob und ggfls. zu welchem Zins die Schuldnerin das Objekt P im Fall eines Verkaufs an den Herrn L anmieten oder pachten sollte. Ein Passivposten wurde zu den Optionsgeschäften P im Jahresabschluss 1997 nicht gebildet. Die Wirtschaftsprüfer vertreten den Standpunkt, die Erhöhung des Optionsentgelts auf 10,3 Mio. DM im Vertrag vom 17.03.1998 sei als sog. wertaufhellende Tatsache im Jahresabschluss 1997 zu berücksichtigen gewesen.

Herr L übte die Option (zu den Bedingungen des Vertrags vom 17.03.1998) am 15.12.1998 aus. Die Schuldnerin, vertreten durch den Streithelfer zu 1. und Herrn L, schloss mit letzterem am 29.12.1998 einen "Mietvertrag" betreffend die Altenpflegeeinrichtung P über 20 Jahre zu einem Mietpreis von 112.014,-DM/Monat (Anlage K9 zur Klageschrift). Der Kaufpreis von 7,988 Mio. DM wurde in der Bilanz per 31.12.1998 als Verkaufserlös erfasst.

Durch Vertrag des Notars E aus O (Sozius des Beklagten zu 6) vom 21.05.1999 (UR.-Nr. ...#/...... B, Anlage K9 zum ursprünglichen Klageentwurf) vereinbarte die Schuldnerin, vertreten durch den Beklagten zu 3., mit Herrn L die Aufhebung der Verträge vom 30.12.1997 und 17.03.1998. Die Schuldnerin verpflichtete sich zur Rückzahlung von auf den Kaufpreis gezahlten 6,5 Mio. DM.

Ebenfalls am 21.05.1999 verkaufte die Schuldnerin den Grundbesitz an die J Immobilien AG, deren Vorstandsvorsitzender und ursprünglicher Alleinaktionär Herr L war, zu einem Kaufpreis von 18,288.- Mio. DM. Sie mietete das Grundstück zu den Bedingungen an wie im Vertrag vom 29.12.1998 festgelegt. Mit Teilvergleich vom 15.10.1999 verpflichtete sich Herr L zur Leistung eines Betrages von 10,3 Mio. DM durch langfristige Pachtzinsreduzierung. In 1999 und 2000 reduzierten die Schuldnerin und die J AG den Kaufpreis für das Objekt auf letztlich 7,988 Mio. DM und den monatlichen Mietzins auf 48.240,- DM.

Die Streithelfer zu 1) und 2) und der frühere Vorstandsvorsitzende der Schuldnerin L sind durch rechtskräftige Strafurteile des LG D verurteilt worden. (Urteil gegen den Streithelfer zu 2) vom 01.08.2003 - ... S #/...; Urteil gegen den Streithelfer zu 1) vom 06.04.2004 - ... D #/...; Urteil gegen Herrn L vom 17.05.2006 - ... K .../...). Diese Erkenntnisse haben jeweils u.a. Verurteilungen wegen unrichtiger Darstellung der Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft (§ 331 Nr. 1 HGB) zum Gegenstand. Diese beziehen sich jeweils auf den Jahresabschluss 1997, im Fall des Streithelfers zu 1) auch auf den Jahresabschluss 1998. Ermittlungsverfahren gegen die Wirtschaftsprüfer und die Beklagten zu 1), 2), 5), 6) und 10) wurden nach § 153a StPO gegen Zahlung von Geldbußen eingestellt.

Im Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 25.08.1998 (Anlage K8 zum ursprünglichen Klageentwurf, S. 8) heißt es:

"Herr T (Beklagter zu 6) weist im Zusammenhang mit den Immobilienverkäufen nochmals auf die Problematik der Selbstkontrahierung hin. Er bittet um Stellungnahme des Vorstands, dass die Kaufverträge und die Mietverträge zwischen I AG und der J AG / L zu angemessenen und marktgerechten Bedingungen wie zwischen fremden Dritten abgeschlossen wurden."

Im gleichen Protokoll (S. 5, 6) ist auch ein Hinweis des Beklagten zu 10) auf "das Problem der Selbstkontrahierung" enthalten. Er bezieht sich auf ein Projekt der Schuldnerin mit einer spanischen Betreiberin, die eine 100%ige Tochtergesellschaft der Schuldnerin gewesen sein soll

Der Kläger behauptet, schon bei Vereinbarung der Optionen sei vereinbart gewesen, dass die Schuldnerin das Objekt habe rückpachten sollen. Sie habe bei vollständiger Vereinnahmung des Optionsentgelts von 10,3 Mio. DM einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten in gleicher Höhe bilden müssen. Die Optionsvereinbarung, die ohnehin gegen die Vertretungsregel des § 112 AktG verstoßen habe, sei ein Scheingeschäft gewesen. Herr L und die Streithelfer zu 1. - 3. seien sich darüber einig gewesen, mit der Verbuchung der 10,3 Mio. DM einen in 1997 erwirtschafteten Verlust auszugleichen und einen Gewinn auszuweisen. Das wahre operative Ergebnis der Schuldnerin habe verschleiert werden sollen. Die Unwirksamkeit der Optionsgeschäfte sei dem Aufsichtsrat bekannt gewesen. Zumindest habe sie ihm auffallen müssen. Die J AG habe den überhöhten Kaufpreis für das Objekt P nicht bezahlen können.

Nach Gründung der J AG (im folgenden J), die am 07.03.1998 im Handelsregister eingetragen wurde, kam es zu Verkäufen von Immobilien der Schuldnerin an die J in der Größenordnung von über 130 Mio. DM und Rückpachtungen der Immobilien durch die Schuldnerin. Auf die Aufstellung der Objekte (Anlage K13 zum ursprünglichen Klageentwurf; s. auch den Bericht der Wirtschaftsprüfer über die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichtes der Schuldnerin zum 31.12.1998, Anlage K18 zum ursprünglichen Klageentwurf, S. 14) wird verwiesen. Herr L war zwar zunächst Alleinaktionär der J, nicht aber deren Vorstand.

Der Kläger behauptet, die J sei lediglich zum Zweck der Umgehung der Vertretungsregel des § 112 AktG eingeschaltet worden. Sie habe die vereinbarten Kaufpreise nicht zahlen können. Ausweislich des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 26.03.1999 (Anlage K14 zum ursprünglichen Klageentwurf, S. 5) hatte die J damals aus Kaufpreisen noch 47 Mio. DM nicht an die Schuldnerin bezahlt. Die für das Ausbleiben der Kaufpreiszahlung gegebenen Begründungen seien nicht plausibel gewesen. Der Kläger ist der Ansicht, die Immobilienverträge mit der J hätten auf Seiten der Schuldnerin vom Aufsichtsrat abgeschlossen werden müssen.

In der vorgenannten Aufsichtsratssitzung vom 26.03.1999 wurde als TOP 5 "Bericht der Wirtschaftsprüfer zum Thema: Sind die zwischen der und der vertraglich vereinbarten Mieten und Kaufpreise angemessen und marktüblich€" behandelt. Ausweislich des Protokolls (Anlage K14 zum ursprünglichen Klageentwurf, S. 9, 10) erklärte der Wirtschaftsprüfer V auf Frage des Beklagten zu 10), ein Vergleich der Mieten und Kaufpreise im Verhältnis zu fremden Dritten sei auf Grund mangelnder Transparenz nicht angestellt worden. Der Beklagte zu 10) bat daraufhin, einen Vergleich der Konstellation vor Erwerb der Immobilie durch die J und die Vermietung an die Schuldnerin darzustellen. Die Wirtschaftsprüfer verneinten die weitere Frage des Beklagten zu 10), ob einer der von ihnen untersuchten Geschäftsvorfälle hinsichtlich Angemessenheit und Marktüblichkeit zu beanstanden sei.

In der Aufsichtsratssitzung der Schuldnerin vom 26.03.1999 wurde der Jahresabschluss einschließlich Lagebericht der Schuldnerin zum 31.12.1998 einstimmig beschlossen, ebenso die vom Vorstand vorgeschlagene Verwendung des Bilanzgewinns. Die damaligen Aufsichtsratsmitglieder erhielten den Entwurf des Prüfungsberichts einschließlich Jahresabschluss erst am 24.03.1999. Das Protokoll der Aufsichtsratssitzung (Anlage K14 zum ursprünglichen Klageentwurf) enthält u.a. folgende Ausführungen:

" stellt fest, dass die I derzeit über keine ausreichende Liquidität verfügt. Herr V bestätigt dies." (S. 5)

" stellt fest, dass das Ergebnis der I negativ ist, wenn das Ergebnis … bereinigt wird … insbesondere um die Erträge aus den Immobiliengeschäften." (S. 5)

" konstatiert, dass der ausgewiesen Jahresüberschuss von 11 Mio. DM bereinigt um den Gewinn aus Immobilien von 36 Mio. DM tatsächlich einen Verlust im operativen Bereich von 25 Mio. wiederspiegelt. Er bittet um Angabe der Gründe für den Verlust im operativen Bereich. … zeigt sich über dieses Ergebnis beunruhigt und betont, dass er sich durch den Vorstand und die Wirtschaftsprüfer schlecht informiert fühlt." (S. 6)

" erwartet von den Wirtschaftsprüfern eine Analyse der bestehenden Risiken für die I. Herr S und Herr V sagen dem Aufsichtsrat zu, einen Management-Letter zu erstellen, der die wesentlichen Risiken und Schwachstellen in der I darstellen wird."

Dieser Management-Letter (Anlage 15 zum Schriftsatz des Beklagten zu 10) vom 16.05.03) enthält u.a. die Feststellungen, wegen fehlender Pflege der Kostenrechnung der Schuldnerin im Geschäftsjahr 1998 sei es nicht möglich gewesen, die Verlustquellen im Kerngeschäft genau zu bestimmen. Das Ergebnis der Schuldnerin habe nur durch die Erträge aus der Veräußerung von Immobilienbesitz erreicht werden können. Die von Kreditinstituten eingeräumten Kreditlinien seien fast vollständig ausgeschöpft. Zur Aufrechterhaltung der laufenden Liquidität der Schuldnerin sei es notwendig, dass u.a. die Forderungen von der J und der L Vermögensverwaltung beglichen würden.

Mit Schreiben vom 10.05.1999 (Anlage K19 zum ursprünglichen Klageentwurf) beauftragte der Beklagte zu 2) als Aufsichtsratsvorsitzender der Schuldnerin die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft F mit einer Sonderprüfung. Darin heißt es:

"Drittens ist der Jahresabschluss 1998, insbesondere was die Bewertungsfragen angeht, zu überprüfen und eine gutachterliche Stellungnahme abzugeben, ob er in dieser Form Bestand haben kann."

Dieser Auftrag wurde auch in der Aufsichtsratssitzung der Schuldnerin vom 11.05.1999 erteilt. Zugleich wurde die J in die Sonderprüfung einbezogen. Im Protokoll (Anlage K20 zum ursprünglichen Klageentwurf) heißt es zum Prüfungsumfang ferner u.a.:

"Die Forderungen der I gegenüber der J müssen auf ihre Werthaltigkeit geprüft werden. Des weiteren muss zu der Frage Stellung genommen werden, ob die I dauerhaft in der Lage ist, die von der J in Rechnung gestellten Mieten zu erbringen." (S. 2)

Am 17.05.1999 wurde das Ergebnis der Untersuchungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft F vorgetragen. Auf die "Ergebnisse ausgewählter Untersuchungen für den Aufsichtsrat der I AG" (Anlage K22 zum ursprünglichen Klageentwurf) und das Protokoll vom 17.05.1999 (Anlage K21 zum ursprünglichen Klageentwurf) wird verwiesen. In einer weiteren Aufsichtsratssitzung vom 20.05.1999 legte der Streithelfer zu 2) eine Unterlage vor, in der er ausführte, dass ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals der Schuldnerin bestehe. Er bezifferte ungedeckte Verbindlichkeiten mit 24,4 Mio. DM und wies auf aktienrechtliche Konsequenzen insbesondere bei Insolvenzverschleppung hin (Anlage K25 zum ursprünglichen Klageentwurf).

Am 17.05.1999 wurde insbesondere unter Beteiligung von Kreditinstituten vereinbart, dass Herr L 593.000 Stück Aktien der Schuldnerin verkauft und der Gegenwert der J weitgehend auf deren Konten zur Verfügung gestellt wird. Davon sollten 18.906.705 DM der Schuldnerin zufließen. Ferner verkaufte Herr L 2/3 seiner Anteile an der J an die Familie des Beklagten zu 1) für 2 DM und 1/3 an die Schuldnerin für 1 DM. Ferner wurden Personalentscheidungen abgesprochen, insbesondere der Rücktritt von Herrn L als Vorstandsvorsitzender und sein Ausscheiden aus dem Vorstand der Schuldnerin. Auf die Vereinbarung vom 17.05.1999 (Anlage K23 zum ursprünglichen Klageentwurf) wird verwiesen. Die Personalentscheidungen wurden in der Aufsichtsratssitzung vom 20.05.1999 umgesetzt. Auf das Protokoll (Anlage K24 zum ursprünglichen Klageentwurf) wird verwiesen.

Der Kläger behauptet, die Prüfung durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft F sei so angelegt gewesen, dass sie aus zeitlichen Gründen keine brauchbaren Ergebnisse habe bringen können. Die Aufsichtsratsvorlage des Streithelfers zu 1) an die Aufsichtsratssitzung vom 20.05.1999 sei sachlich zutreffend gewesen.

Die Forderungen gegen die J seien auch nach Durchführung der Vereinbarung vom 17.05.1999 nicht werthaltig gewesen.

Der Aufsichtsrat der Schuldnerin stimmte in der Sitzung vom 26.03.1999 einer Kapitalerhöhung der Schuldnerin um 10 Mio. auf 45 Mio. DM zu. Durch Beschluss des Aufsichtsrats vom 20.05.1999 wurde der Bezugspreis der neuen Aktien auf mindestens 15 DM erhöht. Der Kläger behauptet, nur auf Grund dieser Kapitalerhöhung habe die Dividende von 7 Mio. DM für 1998 gezahlt werden können.

Der Kläger behauptet, die Nichtigkeit der Jahresabschlüsse 1997 und 1998 ergebe sich auch aus den Komplexen "Reha-Zentrum X" und "Optionsprämie A". Sie folge auch aus der Einstellung einer Forderung von 3 Mio. DM gegen die Y GmbH, die nicht werthaltig gewesen sei, in den Jahresabschluss 1997 und einer Forderung von 5,654 Mio. DM aus rückdatierten Verträgen über Vermittlungsprovisionen mit der J in den Jahresabschluss 1998.

Der Kläger behauptet, die Beklagten zu 1) - 3) hätten sich mit den Jahresabschlussunterlagen 1997 nicht befasst. Der vertragliche Hintergrund der Optionsgeschäfte P und die Rechtsfolgen seien zumindest einigen Aufsichtsratsmitgliedern bekannt gewesen.

Angesichts der Feststellungen zu den wirtschaftlichen Problemen der Schuldnerin und der J und schlechter Information des Aufsichtsrats habe der Jahresabschluss 1998 nicht gebilligt werden dürfen. Der Streithelfer zu 1) habe den Aufsichtsrat schon im März 1999 auf die angespannte Finanzlage der Schuldnerin hingewiesen. Die Schuldnerin sei im Frühjahr 1999 so illiquide gewesen, dass sie Löhne und die vorgeschlagene Dividende nicht habe zahlen können. Der Aufsichtsrat habe nicht die Installierung eines controlling - Systems überwacht.

Der Aufsichtsrat habe den Abhängigkeitsbericht nicht geprüft. Eine hinreichende Prüfung des Lageberichts zum Jahresabschluss 1998 sei nicht erfolgt.

Die neben den Dividenden mit der Klage als Schaden geltend gemachten Folgekosten setzen sich aus folgenden streitigen Positionen zusammen:

a. Verfahrenskosten aus dem Rechtsstreit über die Nichtigkeit der Jahresabschlüsse 1997 und 1998 von 9.452,50 DM.

b. Beratungskosten aus Einschaltung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft b im Zusammenhang mit der Nichtigkeit der Jahresabschlüsse 1997 und 1998 und der daraus resultierenden Unrichtigkeit der zugehörigen Konzernabschlüsse in Höhe von 110.233,49 DM.

c. Beratungskosten aus Einschaltung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft F im Zusammenhang mit der Nichtigkeit der Jahresabschlüsse 1997 und 1998 in Höhe von 241.280 DM.

d. Kosten der Nachtragsprüfung der Jahres- und Konzernabschlüsse 1997 und 1998 durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft F von 467.866,67 DM.

e. Kosten der Neuaufstellung der Steuerbilanzen durch die b von 67.847,24 DM.

f. Kosten der Beratung durch die b im Zusammenhang mit der Untersuchung des Komplexes Rehazentrum X und der diesbezüglichen Vorsteuerkorrektur von 199.695,25 DM.

g. Kosten der anwaltlichen Beratung im Zusammenhang mit der Nichtigkeit der Jahresabschlüsse 1997 und 1998, die sich nicht auf die klageweise geltend gemachten Ansprüche erstreckt habe, in Höhe von 5.375 DM.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten zu 1. - 9. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 2.429.083,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (25.10. - 28.10.2004) zu zahlen;

2. die Beklagten zu 2. - 8. sowie die Beklagten zu 1o. und 11. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger weitere 3.860.701,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (25.10. - 02.11.2004) zu zahlen;

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, der Ausweis der Forderung von 10.320.597,24 DM im Bericht der Wirtschaftsprüfer zum 31.12.1997 sei schon wegen bestehender Geschäftsbeziehungen von Herrn L zur Schuldnerin und der fehlenden Angabe eines Entstehungsgrundes nicht auffällig gewesen. Sie hätten auf die Ordnungsmäßigkeit der Verbuchung angesichts des Verhaltens der Wirtschaftsprüfer vertraut. Diese seien immer darum bemüht gewesen, den Sachverhalt so darzustellen, wie er sich aus den von ihnen erstellten Jahresabschlüssen und Testaten ergeben habe. Die Wirtschaftsprüfer hätten kollusiv mit dem Vorstand der Schuldnerin zusammengewirkt. Sie, die Beklagten hätten zuvor keinen Anlass gehabt, an der Seriosität des Vorstands der Schuldnerin zu zweifeln. Die bilanzierte Forderung habe aus der Zeit vor ihrer Bestellung zu Aufsichtsräten begründet sein können. Sie hätten die Verträge zu den Optionen P I und II nicht gekannt. Die Aufhebung der Verträge vom 21.05.1999 habe der Streithelfer zu 1) eigenmächtig ohne Kenntnis des Aufsichtsrats veranlasst.

Sie, die Beklagten hätten sofort die sachgerechten Maßnahmen ergriffen, als für sie deutlich geworden sei, dass Herr L den Aufsichtsrat hintergangen habe. Die Äußerungen der Beklagten zu 6) und 10) in der Aufsichtsratssitzung vom 25.08.1998 zum Selbstkontrahieren hätten sich nicht auf das Objekt P, zudem nicht auf die Frage der Vertretung der Schuldnerin bei solchen Verträgen bezogen. In der Aufsichtsratssitzung vom 26.03.199 habe der Vorstand der Schuldnerin das Ausbleiben von Kaufpreiszahlungen der J plausibel begründet. Grundlage der Einschaltung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft F im Mai 1999 sei gewesen, dass Mitarbeiter der h & N -Bank AG bei Vorbereitung der Durchführung der am 26.03.1999 beschlossenen Kapitalerhöhung Liquiditätsengpässe der Schuldnerin festgestellt hätten, die nicht zu den Angaben der Schuldnerin über Gewinn im 1. Quartal 1999 gepasst hätten. Darüber hätten den Beklagten zu 10) als Mitglied des Vorstands der h & N -Bank AG die Mitarbeiter informiert. Anhaltspunkte, dass die Quartalsangaben nicht hätten stimmen können, hätten sich auch aus dem Management-Letter der Wirtschaftsprüfer vom 20.04.1999 ergeben. Daraufhin habe der Beklagte zu 10) die Durchführung der Kapitalerhöhung zunächst gestoppt. Aus dem Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft F habe sich für 1999 ein realistisches Sanierungskonzept für die Schuldnerin ergeben. Rückschlüsse auf eine korrekturbedürftige Unrichtigkeit des Jahresabschlusses 1998 hätten aus dem Bericht nicht gezogen werden können. Der für den Bericht verantwortliche Wirtschaftsprüfer g habe erläutert, dass die Schuldnerin zukunftsfähig sei, wenn zur Sicherung der Liquidität die Sanierung der J durchgeführt werden könne. Dann sei auch die vorgesehene Kapitalerhöhung vertretbar. Dass in der Hauptversammlung der Schuldnerin vom 25.05.1999 nicht über die Sonderprüfung durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft F berichtet worden ist, beruhe darauf, dass deren Ergebnisse wegen der ab 17.05.1999 ergriffenen Maßnahmen schon nicht mehr aktuell gewesen seien sondern umgesetzt worden seien. Die vom Streithelfer zu 2) in der Aufsichtsratssitzung vom 20.05.1999 vorgelegte Unterlage (Anlage K25 zum ursprünglichen Klageentwurf) sei von einer falschen Kapitalrücklage ausgegangen. Zum Zeitpunkt des Beschlusses über die Gewinnverwendung 1998 hätten keine Anzeichen dafür bestanden, dass die Schuldnerin im Geschäftsjahr 1998 tatsächlich einen Verlust erwirtschaftet hätte. Die Liquiditätsprobleme im ersten Quartal 1998 seien temporärer Art gewesen.

Eine etwaige Nichtigkeit der Jahresabschlüsse 1997 und 1998 hätten sie, die Beklagten frühestens nach aufwändigen Recherchen des neuen Vorstands im Oktober/November 1999 erkennen können.

Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung.

Die Beklagten zu 2), 5) und 9) rechnen gegen die Klageforderung hilfsweise mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 2 Mio. DM = 1.022.583,76 € auf. Grund dieser Forderung ist, dass der Vorstand der Schuldnerin eine D+O - Versicherung mit einer Deckungssumme von jedenfalls am 05.06.1998 2 Mio. DM mit Wirkung zum 30.04.2001 gekündigt hat. Versichert waren die während des Versicherungszeitraums geltend gemachten Schadensersatzansprüche gegen Vorstand und Aufsichtsrat der Schuldnerin. Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten sind erst 2003 geltend gemacht worden. Eine Nachhaftung ist nicht vereinbart worden. Der Beklagte zu 1) hält seine Inanspruchnahme in Höhe des Betrags von 1.022.583,76 € für rechtsmissbräuchlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen Bezug genommen. Die Akten ... O .../... waren zur Information Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Schadensersatzanspruch aus §§ 116 S. 1, 93 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 AktG zu.

A. Die Kammer geht davon aus, dass die Feststellung der Nichtigkeit der Jahresabschlüsse der Schuldnerin für die Geschäftsjahre 1997 und 1998 im Versäumnisurteil der Kammer vom 28.02.2000 - ... O #/... - Wirkung gegenüber jedermann, also auch gegenüber den Beklagten hat. Offensichtlich zum Zweck der Nichtigkeitsfeststellung gemäß §§ 256 Abs. 7 S. 1, 249 AktG ist dieses Verfahren durchgeführt worden. Dementsprechend sind die Jahresabschlüsse neu aufgestellt worden. Eines näheren Eingehens auf die dagegen von Beklagtenseite erhobenen Einwände bedarf es nicht:

Aus der Nichtigkeit der Jahresabschlüsse und deren Neuaufstellung folgt nämlich nicht schon die Haftung der Beklagten. Zwar ist vom Spezialtatbestand des § 93 Abs. 3 Nr. 2 AktG auszugehen. Entgegen den Vorschriften des Aktiengesetzes sind den Aktionären für die Geschäftsjahre 1997 und 1998 Gewinnanteile gezahlt worden. Denn die revidierten Jahresabschlüsse weisen Verluste aus. Aus § 93 Abs. 3 AktG ergibt sich eine Schadensvermutung. Dem Organ obliegt die Beweislast, dass die Gesellschaft nicht geschädigt ist (s. MünchKomm AktG/Hefermehl/Spindler, 2. A. § 93 Rdn. 97). Von einem Schaden kann im vorliegenden Fall ohnehin ausgegangen werden. Dieser liegt im Mittelabfluss an die Aktionäre, mithin in den beiden Kernbestandteilen der Klagebegründung. § 93 Abs. 3 AktG verändert aber nicht die Beweis- und Darlegungslast gemäß § 93 Abs. 2 AktG hinsichtlich der Pflichtverletzung und des Verschuldens (s. Hüffer, AktG, 7. A., § 93 Rdn. 22).

I. Der Kläger kann von den Beklagten nicht Schadensersatz in Höhe von 2.147.425,90 € wegen ihres Verhaltens bei der Feststellung des Jahresabschlusses der Schuldnerin zum 31.12.1997 verlangen.

1. Nach den über § 116 S. 1 AktG auf den Aufsichtsrat der AG anwendbaren Grundsätzen des § 93 Abs. 2 AktG trifft die Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast für ein Verhalten des beklagten Organmitglieds in seinem Pflichtenkreis, das als pflichtwidrig überhaupt in Betracht kommt, sich also insofern als möglicherweise pflichtwidrig darstellt (BGHZ 152, 280, 284 = NJW 2003, 358; Hüffer, aaO, § 93 Rdn. 16; Drygala in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 116 Rdn. 34). Das Gesellschaftsorgan hat darzulegen und zu beweisen, dass es seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist oder schuldlos nicht nachkommen konnte (BGH, aaO, S. 359). Das soll auch dann gelten, wenn dem Organ das Unterlassen einer bestimmten Maßnahme vorgeworfen wird (BGH, aaO). Vor einer Überspannung der Darlegungslast ausgeschiedener Organe sollen diese dadurch geschützt werden, dass die Gesellschaft die angebliche Pflichtverletzung im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast näher zu bezeichnen hat (BGH, aaO). Daraus folgt, dass der Kläger die potenziell pflichtwidrigen Handlungen, auf die die Klage gestützt ist, darzulegen hat.

2. Maßstab sowohl hinsichtlich der Pflichtverletzung als auch des Verschuldens ist die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds (§ 116 S. 1, 93 Abs. 1 S. 1 AktG; s. Hüffer, aaO, § 93 Rdn. 3a; Drygala in K. Schmidt/Lutter, § 116 Rdn. 3). Die erforderliche Konkretisierung dieses Maßstabs wirft Zweifelsfragen auf, die auch im vorliegenden Fall einschlägig sind. Nach h.M. soll es sich um einen objektiven Maßstab handeln. Bezogen auf die Haftung des Aufsichtsrats bedeutet das, dass eine Differenzierung danach, ob das in Anspruch genommene Aufsichtsratsmitglied Arbeitnehmervertreter ist, nicht erfolgen soll (Hüffer, aaO, § 116 Rdn. 2; Breuer/Fraune in Heidel, AktG, 2. A., § 116 Rdn. 3; Spindler in Spindler/Stilz, Kommentar zum Aktiengesetz, § 116 Rdn. 8). Dies erfolgt unter Berufung auf die Entscheidung des BGH, ein Aufsichtsratsmitglied müsse diejenigen Mindestkenntnisse und -fähigkeiten besitzen oder sich aneignen, die es braucht, um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können (BGHZ 85, 293, 295 f. = NJW 1983, 991). Daraus würde folgen, dass sich die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder an einem Mindeststandard auszurichten hätte (so im Ansatz auch Spindler, aaO, § 116 Rdn. 14; Hüffer, aaO, § 116 Rdn. 2). Davon abweichend soll nach Drygala, aaO, § 116 Rdn. 31 die Sorgfalt maßgebend sein, die von einem "durchschnittlichen Aufsichtsratsmitglied" erwartet werden kann. Ob und wie sich ein solches von einem Aufsichtsratsmitglied mit Kenntnissen und Fähigkeiten nach dem Mindeststandard unterscheidet, wird nicht erläutert. Beides kombiniert MünchKomm AktG/Semler, 2. A., § 116 Rdn. 508, der einerseits den Verschuldensmaßstab mit dem Mindestsorgfaltsmaßstab gleichsetzt, andererseits auf ein "durchschnittlich befähigtes Aufsichtsratsmitglied" abstellt. Vertreten wird zudem, die Sorgfaltsanforderungen seien bei einem Unternehmen mit hohen Risiken höher als bei Unternehmen in stabilen, gefestigten Märkten und einer gesicherten Marktstellung (Spindler, aaO, § 116 Rdn. 16: höhere Pflichten je nach Branche und Größe des Unternehmens).

Der objektive Haftungsmaßstab wird von der herrschenden Meinung zudem nicht allein zugrunde gelegt. Es werden auch subjektive Faktoren in unterschiedlichen Varianten berücksichtigt. Nach MünchKomm AtktG/Semler, aaO, § 116 Rdn. 509 und Breuer/Fraune, aaO, § 116 Rdn. 3 erhöht sich der Verschuldensmaßstab speziellen berufstypischen Kenntnissen und Fähigkeiten des Aufsichtsratsmitglieds entsprechend (ablehnend Hüffer, aaO, § 116 Rdn. 3). Nach Hüffer, aaO, § 116 Rdn. 3 sollen höhere Anforderungen an eine besondere Funktion des Aufsichtsratsmitglieds anknüpfen. Das würde insbesondere eine Haftungsverschärfung bei Aufsichtsratsvorsitzenden (so Spindler, aaO, § 116 Rdn. 15) und deren Stellvertretern zur Folge haben. Teilweise wird diese Begründung einer Haftungserhöhung auf Bankenvertreter und Rechtsanwälte als Aufsichtsratsmitglieder erstreckt (Breuer/Fraune, aaO, § 116 Rdn. 3). Dies bedürfte näherer Begründung im Hinblick auf das andererseits betonte Prinzip der Gesamtverantwortung des Aufsichtsrats (s. Hüffer, aaO, § 116 Rdn. 9; Breuer/Fraune, aaO, § 116 Rdn. 16; Drygala, aaO, § 116 Rdn. 3). Auf Grund dieses Prinzips wird vertreten, dass ein Aufsichtsratsmitglied, das nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten dem Mindest- oder Normalstandard entspricht, gleichwohl verschärft haftet, wenn es nicht darauf hinwirkt, dass "Spezialisten" im Aufsichtsrat ihre besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten einbringen (s. Drygala, aaO, § 116 Rdn. 3 aE).

Die angesprochenen Zweifelsfragen können vorliegend offen bleiben. Bei dem der rechtlichen Bewertung zugrunde zu legenden Sachverhalt hat eine besondere Sachkunde eines der Beklagten keine Rolle gespielt. Die Entscheidung hängt auch nicht davon ab, ob ein Mindeststandard oder derjenige eines durchschnittlichen Aufsichtsratsmitglieds zugrunde gelegt wird.

Hinsichtlich der Anforderungen an die Wahrung der nach §§ 116, 93 Abs. 2 AktG maßgeblichen Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds besitzt die Kammer eigene Sachkunde (§ 114 GVG). Beide beteiligten Handelsrichter sind Aufsichtsratsmitglieder, einer von ihnen Vorsitzender eines Aufsichtsrats. Gegenstand des zu bewertenden Sachverhalts sind kaufmännische Vorgänge, insbesondere die ordnungsgemäße Aufstellung von Jahresabschlüssen.

3. Auf der Grundlage zu 1. und 2. ist eine Pflichtverletzung der Beklagten zu verneinen.

a. Der Entscheidung kann nicht - auch nicht als Möglichkeit im Sinne des zu 1. Ausgeführten - zugrunde gelegt werden, dass die Beklagten oder eine(r) von ihnen die Verträge über die Optionen P vom 31.12.1997 und 17.03.1998 zu sehen bekommen hätten. Die Frage ist sowohl im Gütetermin als auch im Haupttermin ausdrücklich angesprochen worden. Anlass ihrer Prüfung ist folgende Passage aus dem Strafurteil gegen den Streithelfer zu 1):

"t informierte e über die beteiligten Personen, die Höhe des Kaufpreises und die Optionsgebühren jeweils wenige Tage nach den beiden Vertragsschlüssen. Obwohl e wusste, dass die Verträge der Zustimmung durch den Aufsichtsrat bedurften, veranlasste er die Einholung der Zustimmung nicht, sondern gab sich mit einer Anzeige der Verträge an den Aufsichtsrat zufrieden." (UA S. 19, Anlage K50 zum Schriftsatz des Klägers vom 04.05.2005)

Wird hiervon ausgegangen, haben die Aufsichtsratsmitglieder die Verträge über die Optionen P I und II nicht gesehen. Anderes legt der Kläger nicht dar.

b. Der Entscheidung kann nicht - auch nicht als Möglichkeit im Sinne des zu 1. Ausgeführten - zugrunde gelegt werden, dass die Beklagten oder eine(r) von ihnen auf Grund einer Anzeige durch den Streithelfer zu 1) Kenntnis vom Inhalt der Verträge über die Optionen P vom 31.12.1997 und 17.03.1998 bekommen hätten. Auch diese Frage ist sowohl im Gütetermin als auch im Haupttermin ausdrücklich angesprochen worden. Was Inhalt der "Anzeige(n)" des Streithelfers zu 1) gewesen sein soll, hat der Kläger nicht vorgetragen. Er hat sich lediglich auf die zitierte Urteilspassage bezogen (S. 9 des Schriftsatzes vom 04.05.2005, Bl. 843 d.A., zuletzt S. 4, 5 des Schriftsatzes vom 16.11.2007, Bl. 1318 f. d.A.). Diesem Vorbringen kann nicht entnommen werden, welchem Aufsichtsratsmitglied gegenüber die Anzeigen erfolgt sind. Ebensowenig ist fassbar, welchen konkreten Inhalt sie gehabt haben könnten. Auch ist nicht klar, wann die Anzeigen erfolgt sein sollen. Dem Wortlaut der Passage des Strafurteils kann zwar entnommen werden, dass der Streithelfer zu 1) vom Streithelfer zu 2) "jeweils wenige Tage nach den beiden Vertragsschlüssen" informiert wurde, nicht aber wann er eine Information über die Verträge an den Aufsichtsrat gegeben haben könnte. Vor allem bezüglich des Vertrags Option P II vom 17.03.1998 käme es auf den Zeitpunkt der Information an. Denn die Beurkundung ist nur 10 Tage vor der Aufsichtsratssitzung vom 27.03.1998 erfolgt, auf der der Jahresabschluss behandelt und beschlossen wurde. Da auch der Streithelfer zu 1) erst nach wenigen Tagen vom Streithelfer zu 2) informiert worden sein soll, ist es schon aus zeitlichen Gründen nicht naheliegend, dass die Anzeige an den Aufsichtsrat noch vor der Aufsichtsratssitzung erfolgt sein könnte. Gegen diese Möglichkeit spricht insbesondere, dass der Streithelfer zu 1) nach der wiedergegebenen Urteilspassage die beiden Optionsverträge - also auch schon den vom 31.12.1997 - nicht vorgelegt hat, obwohl er davon ausging, dass sie der Zustimmung des Aufsichtsrats bedurften. Er hatte bei Zugrundelegung dieser Motivation allen Anlass, eine Anzeige an den Aufsichtsrat so zu formulieren, dass dessen Repräsentanten nicht auf den Gedanken kommen könnten, der angezeigte Vertrag sei zustimmungspflichtig. Mit dieser Motivationslage ist es schwerlich vereinbar, dass der Streithelfer zu 1) ausgerechnet vor der Aufsichtsratssitzung vom 27.03.1998 den aus seiner Sicht kritischen Vorgang publik gemacht hätte. Wie unten näher ausgeführt wird, war das Verhalten des Vorstands der Schuldnerin gegenüber dem Aufsichtsrat hinsichtlich des Komplexes P auf Täuschung angelegt. Darauf wird verwiesen. Diese Täuschung wäre durch eine Information des Aufsichtsrats über die hinsichtlich dieses Objekts verfolgten Ziele und die Relevanz für den Jahresabschluss 1997 gefährdet worden. Es gibt auch keinen Anhalt dafür, dass der Streithelfer zu 1) gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern der Schuldnerin angezeigt habe, der Vertrag vom 17.03.1998 solle in den Jahresabschluss zum 31.12.1997 eingehen. Auf den Gedanken, die Forderung aus der Option P II sei als wertaufhellende Tatsache schon für das vergangene Geschäftsjahr relevant, musste kein Aufsichtsratsmitglied kommen. Von daher hätte selbst eine Anzeige des Vertrags vom 17.03.1998 an den Aufsichtsrat keinen Anlass gegeben, einen Zusammenhang mit dem Gegenstand der Aufsichtsratssitzung vom 27.03.1998 zu vermuten. Die von den Streithelfern zu 2) und 3) vorgelegte Tagesordnung für die Aufsichtsratssitzung vom 25.08.1998 (Anlage LLR 3 zum Schriftsatz vom 16.10.2007) enthält folgende Passage:

"Der Geschäftsordnung entsprechend nicht zustimmungsbedürftig wurden im 1. Halbjahr 1998 folgende Immobilienverkäufe getätigt:

...

2. Pflegezentrum P DM 5.30 Mio. L"

Der Vorgang zeigt, dass die Option P II dem Geschäftsjahr 1998 zugeordnet ist. Da nur deren Optionsprämie angesetzt war, konnte ein Zusammenhang mit der Buchung der ca. 10,3 Mio. DM im Prüfungsbericht zum Jahresabschluss 1997 nicht hergestellt werden. Zudem wird der Eindruck vermittelt, der Aufsichtsrat habe bezüglich des Verkaufs keine Mitwirkungskompetenz. Das Geschäft ist unrichtig als Verkauf bezeichnet, der Optionscharakter nicht offengelegt. Damit wurde die Täuschung des Aufsichtsrats durch den Vorstand der Schuldnerin auch nach der Zustimmung zum Jahresabschluss 1997 fortgesetzt.

c. Der Kläger hat eine mögliche Kenntnis der Beklagten auch nicht mit seinem Vortrag zum Schreiben der Wirtschaftsprüfer an die Schuldnerin vom 03.09.1999 (Anlage K55 zum Schriftsatz vom 08.10.2007) hinreichend dargelegt. Die in diesem Schreiben enthaltene Passage

"Fraglich ist in diesem Zusammenhang zudem, ob durch die bilanzfeststellende Aufsichtsratssitzung für 1997, in der Herr y zu den Optionsrechten Fragen an den Vorstand stellte, nach Beantwortung und nach Kenntnisnahme durch den Aufsichtsrat eine Billigung solcher Optionen gegeben war."

bezieht sich auf den Vorgang S. 4 Mitte des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 27.03.1998 (Anlage K15 zum Klageentwurf). Dort geht es um eine Frage des Beklagten zu 5) betreffend ein Kaufangebot aus der Übernahme der i -Gruppe, die von Herrn L beantwortet ist. Der dabei verwendete Begriff Option bezieht sich auf jenes Kaufangebot. Der Rückschluss des Klägers, es müsse um die Optionen P gegangen sein, ist offensichtlich unzutreffend. Darauf haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2) und 5), 6), 7), 8), 9) und 11) hingewiesen. Eine nachvollziehbare Begründung des Vortrags, Fragen des Beklagten zu 5) in der Aufsichtsratssitzung vom 27.03.1998 hätten sich auf die Optionen P bezogen, hat der Kläger daraufhin nicht gegeben.

d. Das Fehlen hinreichenden Vortrags zu einer Unterrichtung des Aufsichtsrats über die Verträge vom 31.12.1997 und 17.03.1998 (Optionen P I und II) geht zu Lasten des Klägers. Ob eine Information des Aufsichtsrats erfolgt ist und welchen Inhalt sie hatte, unterliegt der sekundären Darlegungslast des Klägers. Es geht um eine tatsächliche Voraussetzung, an die eine Haftung der Beklagten anknüpfen soll. Sie stammt nicht aus dem Bereich des Aufsichtsrats sondern des Vorstands. Wie der BGH in der zitierten Entscheidung NJW 2003, 358 ausführt, rechtfertigt sich die Beweislastverteilung zu Lasten des Organs daraus, dass das jeweilige Organmitglied die Umstände seines Verhaltens und damit auch die Gesichtspunkte überschauen kann, die für die Beurteilung der Pflichtmäßigkeit seines Verhaltens sprechen, während die Gesellschaft in diesem Punkt immer in Beweisnot wäre. Dieser Grundgedanke trifft nicht zu, wenn es wie im hier zu erörternden Zusammenhang für die Pflichtwidrigkeit auf objektive Anhaltspunkte ankommt, die ein ausgeschiedener Aufsichtsrat nicht oder nur schlechter überblicken kann als die Gesellschaft. Wie die BGH-Entscheidung offenlegt, beruhen ihre im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Erwägungen auf dem Aufsatz von Goette ZGR 1995, 648. In diesem ist unter Auswertung der einschlägigen Entscheidungen des RG und des BGH und der Gesetzgebungsgeschichte des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG dargelegt, dass eine ausschließlich an den Misserfolg des Verhaltens eines Leitungs- oder Überwachungsorgans anknüpfende Erfolgshaftung abzulehnen ist (aaO, S. 671). Einer Gesellschaft, die über sämtliche Informationen hinsichtlich des Verhaltens des Organs verfüge, werde ein größeres Maß an Darlegung des möglicherweise pflichtwidrigen Verhaltens abverlangt werden können (aaO, S. 674). Hinsichtlich des letzteren Punktes hat ein anderes (früheres) Mitglied des II. Zivilsenats des BGH ausgeführt, wenn das Eingreifen einer Verhaltensnorm vom Vorhandensein bestimmter tatsächlicher Umstände abhänge, seien diese von der Gesellschaft zu beweisen (Fleck GmbHR 1997, 237, 238 f.). Nur dies entspricht der von Goette zutreffend wiedergegebenen Rechtsprechungspraxis des BGH zur Organhaftung aus § 93 Abs. 2 AktG und verwandten Vorschriften (s. aaO S. 659 - 667, insbesondere zu BGH WM 1962, 1286; WM 1971, 125; WM 1980, 1190; WM 1982, 523; WM 1992, 223).

Selbst wenn man der Meinung wäre, die Beweislast liege entgegen dem Dargelegten bei den Beklagten, würde das im Ergebnis nichts ändern.

Aus dem Gesichtspunkt der sekundären Darlegungslast muss die Aktiengesellschaft, wenn sie den Aufsichtsrat in Anspruch nehmen will, zu Vorgängen aus dem Vorstandsbereich substanziiert vortragen. Dass vorliegend der Insolvenzverwalter klagt, kann keinen Unterschied machen. Der Insolvenzverwalter hat die Möglichkeiten der Informationserlangung aus §§ 97, 98, 101 InsO. Dabei ist aus der Sicht des Klägers zwar anzuerkennen, dass er aus zeitlichen Gründen keine Möglichkeit haben dürfte, Informationen der Streithelfer und des Herrn L zu erzwingen. Das kann aber nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Das Gesetz erachtet die Frist des § 101 Abs. 1 S. 2 InsO für ausreichend. Wenn durch die versuchte Sanierung der Schuldnerin so viel Zeit vergangen ist, dass diese Frist überschritten ist, kann das nicht dazu führen, alles was der Insolvenzverwalter nicht mehr erfahren kann, nunmehr den ausgeschiedenen Aufsichtsratsmitgliedern als Vortrag abzuverlangen. Insofern muss sich der Kläger entgegenhalten lassen, dass es Sache des späteren Vorstands der Schuldnerin gewesen wäre, die erforderlichen Beweise gegen den alten Vorstand zu sichern. Dabei muss zusätzlich in Betracht gezogen werden, dass die Aktivitäten des früheren Vorstands der Schuldnerin Gegenstand umfänglicher strafrechtlicher Ermittlungen gewesen sind. Der Kläger ist als Insolvenzverwalter berechtigt, Einsicht in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft einschließlich etwa beschlagnahmter Geschäftsunterlagen der Schuldnerin zu nehmen (s. Uhlenbruck, InsO, 12. A., § 148 Rdn. 13). Nach seinem Vortrag hat er auch Einblick in Ermittlungsakten genommen. Wenn diese keine über den Vortrag des Klägers hinausgehenden Informationen zu den hier maßgeblichen Fragen enthalten, welche Informationen Vorstandsmitglieder der Schuldnerin an die Beklagten gegeben haben, darf das nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Anderes liefe auf die vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht gewollte Erfolgshaftung der Gesellschaftsorgane hinaus.

Zum anderen ergibt sich die Darlegungslast des Klägers aus den Grundsätzen über den Beweis negativer Tatsachen. Nach der vom Kläger für richtig gehaltenen Beweislastverteilung müssten die Beklagten beweisen, dass sie keine Anlass zu rechtzeitigen Nachforschungen bietenden Informationen über den Inhalt der Verträge Optionen P I und II erhalten haben. Das ist eine negative Tatsache. Der BGH hat zu der vorliegend einschlägigen Problematik der Darlegungslast für eine unterbliebene Aufklärung entschieden, die für das Unterbleiben der Aufklärung beweisbelastete Partei genüge ihrer Darlegungs- und Beweislast, wenn sie die vom Gegner vorzutragende konkrete, d.h. räumlich, zeitlich und inhaltlich spezifizierte, Aufklärung widerlege (BGH NJW 2001, 64, 65). Voraussetzung dieser Beweispflicht ist räumlich, zeitlich und inhaltlich spezifizierter Tatsachenvortrag des Gegners. Daran fehlt es vorliegend, wie sich aus den Ausführungen unter aa. und bb. ergibt.

Aus diesem Grund ist auch nicht den Beweisantritten des Klägers zu den angeblichen Anzeigen des Streithelfers zu 1) an den Aufsichtsrat hinsichtlich der Optionsverträge P I und II nachzugehen. Denn es fehlt am erforderlichen spezifizierten Vortrag als Grundlage einer Beweisaufnahme.

e. Die Beklagten haben sich nicht dadurch schadensersatzpflichtig gemacht, dass sie hinsichtlich der Buchung der Forderung von ca. 10,3 Mio. DM gegen Herrn L nicht auf Grund des Berichts der Abschlussprüfer über die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts zum 31.12.1997 weitere Nachforschungen angestellt haben.

aa. Die Beklagten zu 1) - 9) waren nicht verpflichtet, die Buchungsposition im Jahresabschluss 1997 "B. Umlaufvermögen" "II. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände" "1. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen" "L 10.320.597,24" (S. 49 des Berichts der Wirtschaftsprüfer) einer weitergehenden Überprüfung zuzuführen.

(1) Die Prüfung des Jahresabschlusses, des Lageberichts und des Vorschlags für die Verwendung des Bilanzgewinns ist eine originäre Pflicht des Aufsichtsrats (§ 171 Abs. 1 S. 1 AktG). Dazu gehören jedenfalls die Prüfung der Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung (Steiner in Heidel, aaO, § 171 Rdn. 11). Insofern deckt sich der Aufgabenbereich des Aufsichtsrats mit dem des Abschlussprüfers gemäß § 317 Abs. 1 S. 2 HGB. Die besondere Sachkunde des Abschlussprüfers auf dem Gebiet der Rechnungslegung brauchen Aufsichtsratsmitglieder nicht zu haben; sie sollten sich aber im Bereich der Rechnungslegung so gut auskennen, dass sie den Ausführungen des Abschlussprüfers folgen und gezielt Fragen stellen können (Euler/Müller in Spindler/Stilz, aaO, § 171 Rdn. 10, 11).

(2) Der Kläger stellt nicht in Frage, dass die Beklagten zu 1) - 9) die erforderlichen Kenntnisse hatten. Das Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 27.03.1998 (Anlage K15 zur ursprünglichen Antragsschrift) weist aus, dass den Wirtschaftsprüfern zum Inhalt des Jahresabschlusses bilanzrechtliche Fragen gestellt und diese sachbezogen beantwortet worden sind.

(3) Gegen eine Pflicht, Nachfragen zu der Buchungsposition "B. Umlaufvermögen" "II. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände" "1. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen" "L 10.320.597,24" (S. 49 des Berichts der Wirtschaftsprüfer) an die Abschlussprüfer zu stellen, spricht insbesondere, dass es um eine Buchung auf der Aktivseite ging. Insoweit wäre eine Frage nur naheliegend gewesen, wenn es Anhaltspunkte dafür gegeben hätte, dass diese Position unterbewertet gewesen wäre (s. § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2, S. 3 AktG). Solche Anhaltspunkte gab es nicht. Sie hätten sich auch nicht aus den Verträgen über die Optionen P I und II ergeben. Angesetzt worden ist mit 10,3 Mio. DM der kumulierte Optionspreis beider Optionen. Das war der höchstmögliche Betrag. Der Anschein sprach dafür, dass es mit dem Ausweis der sehr erheblichen Forderung gegen Herrn L seine Richtigkeit hatte. Dieser war in der Aufsichtsratssitzung vom 27.03.1998 anwesend und beteiligte sich an den Erörterungen. Er äußerte keine Einwendungen gegen die ihn persönlich belastende Bilanzposition. Von daher hatte der Aufsichtsrat keinen Anlass, die Position hinsichtlich ihrer sachlichen und rechnerischen Richtigkeit zu hinterfragen.

Zudem kann ein Aufsichtsratsmitglied davon ausgehen, dass der Vorstand im Unternehmensinteresse handelt, solange es keine Anhaltspunkte für das Gegenteil hat. So lag es am 27.03.1998 bei der noch nicht lange existierenden, erst seit 1997 zur börsennotierten Gesellschaft aufgestiegenen Schuldnerin, bei der die Beklagten erst kurze Zeit Aufsichtsratsmitglieder waren. Gegen eine Verfolgung eigener Interessen zu Lasten des Unternehmensinteresses sprachen zudem die Besitzverhältnisse. Herr L war Großaktionär der Schuldnerin. Ein sogenannter "principal - agent" -Konflikt, der sich im Verhältnis angestellter Manager zu den Anteilseignern stellt, konnte damit nicht vermutet werden.

Aufsichtsratsmitglieder, die nicht aus anderen Informationsquellen Zweifel an der Richtigkeit des vom Vorstand erarbeiteten Jahresabschlusses haben müssen, dürfen zudem auf die ordnungsgemäße Arbeit der Abschlussprüfer vertrauen. Nach § 171 Abs. 1 S. 2 AktG hat der Abschlussprüfer über die wesentlichen Ergebnisse seiner Prüfung zu berichten. Diese Pflicht haben die Abschlussprüfer hinsichtlich des Zustandekommens des Jahresabschlusses 1997 und der Gewinnverwendung verletzt. Unstreitig haben sie keine Erklärungen zu der Einbuchung der rund 10,3 Mio. DM gegeben. Auch im Schreiben der Wirtschaftsprüfer vom 03.09.1999 (Anlage K55 zum Schriftsatz des Klägers vom 08.10.2007) wird keine diesbezügliche Aufklärung durch die Abschlussprüfer behauptet. Sie haben nicht offengelegt, dass die Option P II erst nach Ende des Geschäftsjahrs 1997 begründet worden war und als wertaufhellende Tatsache im Jahresabschluss 1997 berücksichtigt werden sollte. Sie haben - soweit nicht sogar der Vorwurf der Beklagten zutreffen sollte, sie hätten kollusiv mit dem Vorstand zusammengewirkt - auch nicht hinreichend geprüft, ob die der Buchung der ca. 10,3 Mio. DM zugrunde liegenden Forderungen gegen Herrn L rechtswirksam begründet worden waren. Die Abschlussprüfer hatten mit ihrem Testat die Verantwortung zu übernehmen, dass die gesetzlichen Vorschriften beachtet worden waren (s. § 317 Abs. 1 S. 2 HGB). Ihre Prüfung hatte gewissenhaft und unparteiisch zu erfolgen (§ 323 Abs. 1 S. 1 HGB). Darauf durften die Beklagten vertrauen. Bei prüfungspflichtigen Gesellschaften kann und soll sich der Aufsichtsrat bei seiner Prüfung auf den Bericht des Abschlussprüfers stützen (MünchKomm AktG/Kropff, 2. A., § 171 Rdn. 13). Das gilt zwar nicht, wenn der Bericht nicht plausibel ist oder ein Aufsichtsratsmitglied Anlass zu Zweifeln an den zugrunde gelegten Tatsachen und Bewertungen hat (s. MünchKomm AktG/Kropff, aaO, § 171 Rdn. 82 ff.). So lag es aber vorliegend nicht, wie noch näher ausgeführt wird.

(4) Es musste zum damaligen Zeitpunkt auch keine Zweifel an der Bonität des Herrn L geben. Es stellte keinen Grund für eine Nachfrage dar, dass sich die Forderung gegen den Vorstandsvorsitzenden der Schuldnerin richtete. Unstreitig bestanden laufende Geschäftsbeziehungen zwischen Herrn L und der Schuldnerin. So ergibt sich aus dem Bericht der Wirtschaftsprüfer, dass ersterem gegen die Schuldnerin erhebliche Pachtzinsansprüche zustanden (Unter "C. Rechnungsabgrenzungsposten" "Pachten L" per 31.12.1997 DM 679.681,00 DM, Bericht S. 54). Der Umfang der Geschäftsbeziehung erhellt auch aus der Aufstellung S. 15 des Berichts der Wirtschaftsprüfer über die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts zum 31.12.1998 (Anlage K18 zum ursprünglichen Klageentwurf). Darin sind noch 14 Immobilien benannt, die die Schuldnerin von Herrn L als Eigentümer gepachtet hatte, wobei sich der Jahrespachtzins auf fast 10 Mio. DM summierte. Es ist nicht ersichtlich, dass schon bis zum 27.03.1998 Interessenkonflikte in der Geschäftsbeziehung zwischen der Schuldnerin und ihrem Vorstandsvorsitzenden aufgetreten wären. Der Beklagte zu 1. hat zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass im Bericht der Abschlussprüfer zum 31.12.1997 (Anlage K7 zum Klageentwurf) auf S. 49 auch vermerkt ist, dass per 31.12.1996 Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 24.225.470,53 DM bestanden hätten. Der Anstieg auf 26.125.029,17 DM im Geschäftsjahr 1997 - enthaltend die Forderung gegen Herrn L von 10.320.597,24 DM - war nicht ungewöhnlich. Die Bilanzposition II. 1. der Aktiva gab auch unter diesem Gesichtspunkt keinen Anlass für Nachfragen des Aufsichtsrats.

(5) Anlass zu Nachfragen ergab sich auch nicht daraus, dass der Buchungsposition per 31.12.1996 der Wert "0" zugeordnet war. Daraus war nicht zu schließen, dass zugrunde liegende Geschäfte im Geschäftsjahr 1997 abgeschlossen worden waren. Es konnte sich um Forderungen aus schwebenden Geschäften handeln. Dann waren sie zunächst nicht zu bilanzieren, solange sich Leistung und Gegenleistung gleichwertig gegenüberstanden und das Gleichgewicht nicht durch Anzahlungen gestört war (Wiedmann in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2. A., § 249 Rdn. 53). Die Geschäfte hätten nach den Rechnungslegungsvorschriften also schon vor 1997 abgeschlossen worden sein können. Die Aktivierung per 31.12.1997 konnte auf einseitiger Erfüllung schwebender Geschäfte durch die Schuldnerin beruhen (s. Wiedmann, aaO Rdn. 52; § 266 Rdn. 34; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, 18. A. § 42 Rdn. 102). Schon gar nicht musste ein Aufsichtsratsmitglied annehmen, ein etwa zugrunde liegender Vertrag sei während der eigenen Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat der Schuldnerin, beginnend ab Juni 1997 geschlossen worden. Daraus folgt, dass es auch keinen Anlass zu Nachfragen gab, wie die Schuldnerin bei Abschluss der Buchung zugrunde liegender Geschäfte mit Herrn L vertreten worden war. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Aufsichtsratsmitglied erwog, ob beurkundungspflichtige Immobilienverträge zugrunde lagen. Die notarielle Beurkundung nach § 313 aF, nunmehr § 311b BGB soll den wirksamen Abschluss solcher Verträge sichern. Dass der beurkundende Notar im Fall der Optionen P die Vorschrift des § 112 AktG gleich zweimal übersehen würde, konnten die Beklagten nicht annehmen. Das gilt auch für den Beklagten zu 6). Ein Notar wird davon ausgehen, dass ein Notar grundlegende Vertretungsregeln des Gesellschaftsrechts kennt.

(6) Selbst wenn eine(r) der Beklagten zu 1) - 9) gewusst hätte, dass sich die Buchung auf das Objekt P bezogen hätte, bestand kein Anlass zu Fragen. Dieses war im Jahresabschlussbericht als zu verkaufende Immobilie ausgewiesen.

(7) Die Bemühungen des Klägers, aus Entwicklungen nach dem 27.03.1998 auf eine Kenntnis der Unwirksamkeit der Optionsverträge P I und II zu schließen, bleiben erfolglos. Maßgeblich für die Pflichtenlage war der Zeitpunkt des Beschlusses über die Feststellung des Jahresabschlusses für 1997. Es muss eine Betrachtung ex ante, nicht ex post erfolgen. Spätere Ereignisse haben nur indiziellen Charakter für die frühere Pflichtenlage. Die vom Kläger angeführten Indizien sind nicht schlüssig.

Das ist besonders deutlich hinsichtlich der Erörterungen der Aufsichtsratssitzung vom 25.08.1998 (Anlage K8 zum ursprünglichen Klageentwurf). Die Äußerung des Beklagten zu 6),

"… weist im Zusammenhang mit den Immobilienverkäufen nochmals auf die Problematik der Selbstkontrahierung hin. Er bittet um Stellungnahme des Vorstands, dass die Kaufverträge und die Mietverträge zwischen I AG und der J AG / L zu angemessenen und marktgerechten Bedingungen wie zwischen fremden Dritten abgeschlossen wurden."

bezieht sich ersichtlich auf die Problematik der Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung bei Geschäften zwischen der Schuldnerin und der J bzw. Herrn L . Damit erfüllte der Beklagte zu 6) die Verpflichtung aus § 111 Abs. 1 AktG, die Geschäftsführung im Hinblick auf die Frage des Unternehmensinteresses der Schuldnerin zu überwachen. Gleiches gilt für den Hinweis des Beklagten zu 10) auf "das Problem der Selbstkontrahierung". Der Kontext ergibt, dass sich der Hinweis auf die Kalkulation der Mietkosten eines Projekts der Schuldnerin mit einer spanischen Betreiberin, die eine 100%ige Tochtergesellschaft der Schuldnerin gewesen sein soll, bezieht. Mit Fragen der Vertretung der Gesellschaft hat beides nichts zu tun.

Hätten die Beklagten zu 6) und 10) am 15.08.1998 Anhaltspunkte dafür gehabt, die Verträge der Schuldnerin mit der J und Herrn L seien schon aus dem Gesichtspunkt des § 112 AktG schwebend unwirksam oder nichtig, wäre nicht verständlich, warum dieser Gesichtspunkt nicht angesprochen worden ist. Denn dieser wäre vorgreiflich gegenüber der Frage des Drittvergleichs der Rechtsgeschäfte gewesen.

Auch der Kenntnisstand insbesondere des Beklagten zu 6) ab 1999 lässt keinen Rückschluss auf den am 27.03.1998 zu. Wenn der Beklagte zu 6) in der Aufsichtsratssitzung vom 12.11.1999 Ausführungen zur schwebenden Unwirksamkeit von Verträgen mit der J gemacht hat (s. Anlage K47 zum Schriftsatz des Klägers vom 08.07.2003), zeigt das nur, dass er den Verstoß gegen § 112 AktG damals erkannt hatte. Hätte er ihn schon früher erkannt, hätte es keinen nachvollziehbaren Grund gegeben, den Wirksamkeitsmangel nicht schon früher zu problematisieren.

Bezüglich anderer Aufsichtsratsmitglieder fehlt konkreter Vortrag des Klägers, der Voraussetzung einer möglichen Pflichtverletzung der Beklagten auf Grund positiver Kenntnis sein könnte. Dazu wird auf das zu B I. 1. c. aa. - dd. Ausgeführte verwiesen.

(8) Es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, die ein Kennenmüssen der Beklagten hinsichtlich Beurkundungsmängeln der Optionsverträge P I und II begründen könnten. Dazu wird zunächst auf das Ausgeführte verwiesen. Ergänzend gilt: Die Optionsgeschäfte P vom 31.12.1997 und 17.03.1998 waren nicht im Notariat des Beklagten zu 6) beurkundet worden. Von diesem oder seinem Sozius beurkundete Geschäfte der Schuldnerin offenbarten keinen Zusammenhang, den der Beklagte zu 6) bei der Prüfung des Jahresabschlusses 1997 zu der Buchung der ca. 10,3 Mio. DM etwa hätte herstellen können. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob der Sozius des Beklagten zu 6) diesen über die von ihm beurkundeten Geschäfte der Schuldnerin informiert hat. Unerheblich ist ferner, dass ein amtlich bestellter Vertreter des Sozius des Beklagten zu 6) den Aufhebungsvertrag vom 21.05.1999 (Anlage K9 zum Klageentwurf) beurkundet hat. Der Vertrag enthält keinerlei Anhaltpunkt dafür, dass die Optionsgeschäfte P vom 31.12.1997 und 17.03.1998 unter Verstoß gegen § 112 AktG abgeschlossen worden waren.

(9) Die Beklagten hatten auch keinen Anhalt dafür, dass die hinter der Buchung der ca. 10,3 Mio. DM stehenden Geschäfte für die Schuldnerin wirtschaftlich nachteilig waren. Dazu wird zunächst auf das Ausgeführte verwiesen. Eine wirtschaftliche Belastung der Schuldnerin ist den Verträgen über die Optionsgeschäfte P vom 31.12.1997 und 17.03.1998 nicht zu entnehmen. Erst im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Schuldnerin den um die Optionsprämien von zusammen 10,3 Mio. DM erhöhten Kaufpreis durch die Konditionen der Rückpachtung bezahlen sollte. Dass die Verträge mit der J und Herrn L Anlass zu einer Prüfung der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung boten, ist eine Erkenntnis, die erst in der Aufsichtsratssitzung vom 25.08.1998 zutage getreten ist. Sie darf nicht auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Aufsichtsrats über den Jahresabschluss 1997 zurückbezogen werden. Erst im März 1998 wurde die J gegründet. Danach setzten die umfangreichen Immobiliengeschäfte der Schuldnerin mit der J ein. Schlussfolgerungen aus diesen Geschäften konnte der Aufsichtsrat erst nach deren Ausführung ziehen. Am 27.03.1998 bestand dazu noch kein Anlass, zumal die fragliche Buchungsposition nicht bestimmten Geschäften zugeordnet ist. Dass und zu welchen Konditionen die Schuldnerin das Objekt P zurückpachten sollte, war nicht aus den Optionsverträgen zu ersehen. Anlass zu einer Prüfung der Vorteilhaftigkeit der Optionsgeschäfte P vom 31.12.1997 und 17.03.1998 ergab sich erst, als in großem Umfang Verkauf und Rückpacht betrieben wurden. Zu jenem Zeitpunkt war der Jahresabschluss 1997 festgestellt, die Dividende ausgezahlt.

(10) Aus dem Ausgeführten ergibt sich, dass es hinsichtlich des Schadens, der durch die Auszahlung der Dividende für 1997 entstanden ist, nicht auf besonderen Sachverstand ankam. Die Buchungsposition im Prüfungsbericht zum Jahresabschluss 1997 "B. Umlaufvermögen" "II. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände" "1. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen" "L 10.320.597,24" (S. 49 des Berichts der Wirtschaftsprüfer) betraf kein Bankgeschäft oder ein solches, bezüglich dessen bei dem Beklagten zu 1) als erfahrenem Organ von Aktiengesellschaften Spezialkenntnisse eine Rolle spielten. Die Buchung betraf auch keinen Sachverhalt, bezüglich dessen die Beklagten zu 3) und 4) besondere Sachkunde besaßen. Die Informationslage hinsichtlich der hinter der Position stehenden Geschäfte war nicht derart, dass der Beklagte zu 6) seine Spezialkenntnisse als Notar hätte einbringen können.

bb. Die in der Klageschrift als "Weitere Tatbestände" erwähnten Komplexe "Reha-Zentrum X" und "Optionsprämie A" sind nicht mit konkretem Vortrag unterlegt. Gleiches gilt hinsichtlich der allenfalls den Jahresabschluss für 1998 betreffenden Erwähnung von "Scheinrechnungen H Grundstücks AG" und "Scheinrechnungen Vermittlung Immobilien an J" (S. 7, 8 des Schriftsatzes vom 04.05.2005, Bl. 841 f. d.A.). Zu diesen Komplexen war nicht der vom Kläger gewünschte gerichtliche Hinweis veranlasst. Es fehlte nicht nur jede Konkretisierung, warum es in jenen Komplexen ging, sondern insbesondere der Vortrag einer insoweit in Betracht kommenden möglichen Pflichtverletzung der Beklagten als Aufsichtsratsmitglieder. Ein Hinweis, der darauf hinausläuft, eine Partei möge einen anderen Sachverhalt vortragen, aus dem sich möglicherweise eine Haftung der anderen Partei ergeben könnte, wäre mit der gerichtlichen Neutralitätspflicht unvereinbar. Abgesehen davon hat der Kläger die "weiteren Tatbestände" nur hinsichtlich der Nichtigkeit der Jahresabschlüsse 1997 und 1998 angeführt. Aus deren Nichtigkeit allein ergibt sich wie dargelegt noch keine Haftung der Beklagten. Abgesehen davon hat das von der Kammer mit Urteil vom 11.12.2007 erstinstanzlich abgeschlossene Verfahren gegen den früheren Vorstand der Schuldnerin - ... O .../... - gezeigt, dass zu allen weiteren Komplexen als dem betreffend das Objekt P Schwierigkeiten des Klägers bestehen, Fehler des Vorstands und/oder der Abschlussprüfer darzutun. Auch von daher war es eine Selbstverständlichkeit, dass der Kläger, wenn er wegen weiterer Komplexe die Mitglieder des Aufsichtsrats in Anspruch nehmen wollte, dazu vereinzelt hätte vortragen müssen.

Entsprechendes gilt für den Vortrag zum Strafverfahren gegen den früheren Vorstandsvorsitzenden Dr. C der J. Hier hat der Kläger wiederum keine mögliche Pflichtverletzung der Beklagten vorgetragen. Wenn in den Jahresabschluss der Schuldnerin für 1997 eine nicht werthaltige Forderung gegen die Y GmbH von 3 Mio. DM eingegangen ist, besagt das nichts für eine Pflichtverletzung des Aufsichtsrats. Wenn in den Jahresabschluss der Schuldnerin für 1998 eine Forderung in Höhe von 5,654 Mio. DM eingebucht worden ist, die auf einer Rückdatierung beruhte, besagt das ebenfalls nichts für eine Pflichtverletzung des Aufsichtsrats. Es ist jeweils nicht vorgetragen, welcher Kenntnisstand den Beklagten von Seiten des Vorstands und der Abschlussprüfer vermittelt worden ist. Es handelt sich um zwei deutliche Belege dafür, dass die Inanspruchnahme der Beklagten auf eine Erfolgshaftung für das Scheitern der Schuldnerin hinausläuft. Insbesondere wenn es um betrügerische Machenschaften aus dem Bereich des Vorstands geht, darf die Darlegungslast der Gesellschaft nicht so niedrig angesetzt werden, dass die Aufsichtsratsmitglieder praktisch keine Verteidigungsmöglichkeit haben.

cc. Die vom Kläger gerügten Verstöße von Vorstand und Aufsichtsrat gegen Vorschriften über die zeitgerechte Erstellung von Lage- und Prüfungsbericht sind für die Entscheidung ohne Bedeutung. Solche Verstöße waren nicht kausal für den geltend gemachten Schaden. Aus dem gleichen Grund kann dahinstehen, ob die am 26.03.1999 erteilte Zustimmung des Aufsichtsrats zu der beabsichtigten Kapitalerhöhung hätte unterbleiben sollen. Auf die inhaltliche Richtigkeit der Jahresabschlüsse 1997 und 1998 und die darauf beruhende Auszahlung der Dividenden war dies ohne Einfluss. Es hat auch keine der von dem Kläger angeführten weiteren Schadenspositionen verursacht.

dd. Der Vortrag des Klägers, die Beklagten zu 1. - 3. hätten den Jahresabschluss 1997 nicht geprüft, ist ohne Substanz. Kurzzeitige Erkrankungen, Urlaubsreisen und auf sonstiger Verhinderung beruhendes Nichtteilnehmen an Aufsichtsratssitzungen sind kein Grund, die Jahresabschlussunterlagen nicht zu überprüfen. Das war auch den Beklagten zu 1. - 3. bekannt. Warum sie gleichwohl die Jahresabschluss 1997 nicht geprüft haben sollen, erschließt sich nicht. Ihr Prozessvortrag belegt das Gegenteil. Unsubstanziiert ist auch der Vorwurf, die Beklagten hätten den Lagebericht nicht geprüft. Abgesehen davon steht in diesem auch nichts, woraus sich eine Pflichtverletzung der Beklagten hinsichtlich der Prüfung ergeben könnte.

ee. Der Gesamtzusammenhang spricht dafür, dass hinsichtlich der Optionsgeschäfte P eine Täuschung des Aufsichtsrats durch den Vorstand beabsichtigt war. Diese konnte gelingen, weil der Vorgang getarnt war. Die schlichte Buchung einer Forderung gegen den Vorstandsvorsitzenden ließ keinen Verdacht aufkommen, dass ein tatsächlich nicht vorhandener Jahresgewinn für 1997 vorgetäuscht werden sollte. Selbst wenn der Vorstand gezwungen worden wäre, dem Aufsichtsrat die notariellen Verträge vom 31.12.1997 und 17.03.1998 vorzulegen, hätte letzterer die wahre wirtschaftliche Zwecksetzung aus diesen nicht ersehen können, weil darin entgegen § 313 S. 1 BGB aF die Rückpachtabrede nicht mitbeurkundet war. Es liegt im Wesen der Täuschung, dass der Täuschende überzeugend auftritt und bemüht ist, möglichst wenig Anhaltspunkte zu liefern, die Anlass für die Aufdeckung der Täuschung bieten könnten. Hier ist es dem Vorstand sogar gelungen, den Bericht der Abschlussprüfer für den Täuschungszweck zu nutzen. Da diese - wie insbesondere der Vorstandsvorsitzende wusste - die Buchung der ca. 10,3 Mio. DM in ihrem Bericht in keiner Weise erläutert oder problematisiert hatten, hatte niemand im Aufsichtsrat konkreten Anlass, die Aktivposition von ca. 10,3 Mio. DM zu hinterfragen.

ff. Eine Nachforschungspflicht hinsichtlich der Buchungsposition ergab sich insbesondere nicht daraus, dass im Anhang zum Bericht der Wirtschaftsprüfer zum 31.12.1997 ein Kredit der Schuldnerin an Herrn L in Höhe von bis zu 11.039.961,62 DM vom 10.04. - 30.08.1997 erwähnt war (s. Anlage AG 1/1, Bl. 96 d.A.). Dieses Darlehen war zurückgezahlt. Auf Grund welchen Sachverhalts es gewährt worden war, war damit ohne Auswirkungen auf den Inhalt des Jahresabschlusses. Aus der Erwähnung des Kredits in der Anlage zum Bericht mit dem Zusatz, weitere Vorschüsse und Kredite seien Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats nicht gewährt worden, ergab sich im Umkehrschluss, dass es bei der Buchungsposition nicht um Kredit oder Vorschuss an Herrn L ging.

gg. Der Umstand, dass der Beklagte zu 10) ab August 1998 die Information des Aufsichtsrats durch den Vorstand als unzureichend gerügt hat, darf nicht auf den Kenntnisstand des Aufsichtsrats im März 1998 zurückbezogen werden. Zu jenem Zeitpunkt war ein inhaltlicher Mangel an Information des Aufsichtsrats noch nicht hervorgetreten.

hh. Der Vortrag des Klägers, der Aufsichtsrat habe nicht die Installierung eines controlling - Systems überwacht, lässt ebenfalls keine auf den geltend gemachten Schaden bezogene mögliche Pflichtverletzung erkennen. Was die Beklagten insoweit zu welchem Zeitpunkt unterlassen haben sollen, ist dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen. Das dazu in Bezug genommene Strafurteil gegen den Streithelfer zu 1) befasst sich nicht mit etwa einschlägigem Verhalten von Aufsichtsratsmitgliedern.

ii. Eine Haftung der erst im Juni (Beklagter zu 10) bzw. November 1998 (Beklagter zu 11) in den Aufsichtsrat gewählten Beklagten zu 10) und 11) ergibt sich nicht daraus, dass sie eine Überprüfung der Jahresabschlussunterlagen 1997 unterlassen hätten. Für diesen Vorwurf gibt es keinen konkreten Anhaltspunkt. Woraus sie hätten schließen sollen, dass sich hinter der Buchung der ca. 10,3 Mio. DM für die Schuldnerin nachteilige, zudem nicht formgerecht errichtete Rechtsgeschäfte verbargen, ist nicht ersichtlich. Ohnehin hätte sich eine unterlassene Prüfung nur auf den Dividendenschaden aus dem Jahresabschluss 1998 auswirken können, da die Beklagten zu 10) und 11) die Auszahlung der Dividende für 1997 nicht verhindern konnten.

B. Der Kläger kann von den Beklagten zu 2) - 8), 10), 11) nicht Schadensersatz in Höhe der für das Geschäftsjahr 1998 ausgeschütteten Dividende von 7 Mio. DM = 3.579.043,17 € verlangen. Auch insoweit liegen die Voraussetzungen eines Anspruchs aus §§ 116 S. 1, 93 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 AktG nicht vor.

I. Die Beklagten zu 2) - 8), 10), 11) mussten nicht gegen die Immobiliengeschäfte der Schuldnerin mit der J einschreiten.

1. Diese Immobiliengeschäfte verstießen nicht gegen § 112 AktG. Der von der Kammer im Urteil vom 29.05.2001 - ... O ......# - (Anlage AG 2/4 zum Schriftsatz der Beklagten zu 2) und 5) vom 23.05.2003) eingenommene Standpunkt, § 112 AktG sei nicht auf Verträge zwischen einer AG und einer Gesellschaft anzuwenden, die von einem Vorstandsmitglied der AG beherrscht wird, ist zutreffend (s. auch Hüffer, aaO, § 112 Rdn. 2). Eine Ausdehnung des § 112 AktG auf Verträge mit Dritten, bei denen es darauf ankäme, wie weit sie wirtschaftlich mit dem Vorstand verbunden sind, würde zu erheblicher Unsicherheit im Rechtsverkehr führen. Das zeigt sich auch, wenn wie im vorliegenden Fall die Besitzverhältnisse (hier bezüglich der J) geändert werden. Letztlich kann es wegen der Absprachen vom 17.05.1999 über das Ausscheiden von Herrn L aus dem Vorstand der Schuldnerin und der wirtschaftlichen Konditionen unter Einbeziehung der J ohnehin nicht darauf ankommen, ob die Schuldnerin bei den Verträgen mit der J ordnungsgemäß vertreten war. Denn unstreitig sollten diese Verträge nach dem Ausscheiden von Herrn L durchgeführt werden. Die für die Entscheidung des Rechtsstreits wesentliche Frage liegt deshalb darin, ob in der Zustimmung des Aufsichtsrats zum Jahresabschluss 1998 und damit zur Durchführung der Verträge mit der J eine Pflichtverletzung liegt.

2. Der Aufsichtsrat hat ab dem 25.08.1998 die Geschäfte mit der J einem Drittvergleich hinsichtlich der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung unterzogen. In der Sitzung von jenem Tag hat der Beklagte zu 6) um eine Stellungnahme des Vorstands zu dieser Frage gebeten. Der Aufsichtsrat hat die Problematik auch von sich aus weiter verfolgt. In der Aufsichtsratssitzung vom 26.03.1999 wurde als TOP 5 "Bericht der Wirtschaftsprüfer zum Thema: Sind die zwischen der und der vertraglich vereinbarten Mieten und Kaufpreise angemessen und marktüblich€" behandelt. Ausweislich des Protokolls (Anlage K14 zum ursprünglichen Klageentwurf, S. 9, 10) erklärte der Wirtschaftsprüfer V auf Frage des Beklagten zu 10), ein Vergleich der Mieten und Kaufpreise im Verhältnis zu fremden Dritten sei auf Grund mangelnder Transparenz nicht angestellt worden. Der Beklagte zu 10) bat daraufhin, einen Vergleich der Konstellation vor Erwerb der Immobilie durch die J und der Vermietung an die Schuldnerin darzustellen. Die Wirtschaftsprüfer verneinten die weitere Frage des Beklagten zu 10), ob einer der von ihnen untersuchten Geschäftsvorfälle hinsichtlich Angemessenheit und Marktüblichkeit zu beanstanden sei. Daraufhin wurden die Wirtschaftsprüfer vom Beklagten zu 2) als Aufsichtsratsvorsitzenden der Schuldnerin beauftragt, einen schriftlichen Bericht zu fertigen. In diesem Bericht vom 15.04.1999 (Anlage AG 2/3 zum Schriftsatz der Beklagten zu 2) und 5) vom 23.05.2003) gelangen die Wirtschaftsprüfer zum Ergebnis, die vereinbarten Kaufpreise und die abgeschlossenen Pachtverträge bis zum 31.12.1998 seien angemessen und marktüblich. Davon durften die Beklagten zu 2) - 8), 10), 11) ausgehen. Da der Markt für Senioreneinrichtungen ein sehr spezielles Immobiliensegment betrifft, sind Marktvergleiche nur mit Einschränkungen möglich (s. den Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft F, Anlage K22 zum Klageentwurf, S. 50 "relativ enger Markt"). Bessere Erkenntnisse als die mit dem Bericht beauftragten Wirtschaftsprüfer mussten die Beklagten nicht haben.

3. a. Es kann dahinstehen, ob eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 2) - 8), 10), 11) darin liegt, dass sie trotz der Bedenken, die in der Aufsichtsratssitzung vom 26.03.1999 gegen das Verhalten des Vorstands der Schuldnerin und die Information durch die Abschlussprüfer erhoben worden sind, den Jahresabschluss einschließlich Lagebericht der Schuldnerin zum 31.12.1998 und die Verwendung des angeblichen Bilanzgewinns einstimmig beschlossen haben. Eine etwa darin liegende Pflichtverletzung haben die Beklagten zu 2) - 8), 10), 11) nämlich in der Folge kompensiert mit dem Ergebnis, dass der vom Kläger geltend gemachte Dividendenschaden letztlich trotz pflichtgemäßer Prüfungstätigkeit des Aufsichtsrat eingetreten ist.

b. Der Aufsichtsrat hat die Probleme der Schuldnerin sowohl bezüglich deren Liquidität als auch hinsichtlich der Kaufpreisforderungen gegen die J ungeachtet der Beschlüsse vom 26.03.1999 zum Jahresabschluss weiterverfolgt.

aa. Auf Forderung des Beklagten zu 10) wurde der Management-Letter der Wirtschaftsprüfer vom 20.04.1999 (Anlage 15 zum Schriftsatz des Beklagten zu 10) vom 16.05.2003) eingeholt. Aus diesem ergab sich, dass es zur Aufrechterhaltung der laufenden Liquidität der Schuldnerin notwendig war, dass u.a. die Forderungen von der J beglichen würden.

bb. Hierauf hat der Aufsichtsrat alsbald reagiert. Am 10.05.1999 beauftragte der Beklagte zu 2) die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft F mit der Sonderprüfung. Dies geschah mit der ausdrücklichen Weisung zu prüfen, ob der Jahresabschluss Bestand haben könne. Folgerichtig befasst sich der Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft F vom 17.05.1999 auf den Seiten 4 - 25 mit dem Thema "Jahresabschluss zum 31.12.1998". In dem Bericht wird keine Unregelmäßigkeit bei Geschäften aufgedeckt, die in den Jahresabschluss einbezogen worden waren. Das wesentliche Problem des Jahresabschlusses wurde im Bericht in der Werthaltigkeit der Forderungen der Schuldnerin gegen die J und Herrn L gesehen (S. 13, 14, 43). Es wird nicht beanstandet, dass ein hoher Verkaufserlös einer Immobilie zu einem entsprechend höheren Pachtzins führt (S. 17 betr. die Fachklinik B). Dies wird allerdings problematisiert (S. 24). Für erforderlich erachtet wird ein Hinweis auf Einmalerträge aus Immobiliengeschäften von 42,1 Mio. DM (S. 20). Für das 1. Quartal 1999 wird ein Minus von 12,4 Mio. DM im Konzern der Schuldnerin festgestellt (S. 25). Hinsichtlich der in die Sonderprüfung einbezogenen J wird eine Finanzierungslücke konstatiert (S. 45). Eine Drohverlustrückstellung bezüglich der Refinanzierung im Komplex "c" wird diskutiert, aber nicht zwingend gefordert (S. 9).

cc. Unter Beteiligung der Beklagten zu 2), 6) und 10) sind am 17. und 20.05.1999 nachhaltige Maßnahmen zur Beseitigung der dringenden Probleme getroffen worden. Die Forderungen gegen die J wurden durch die Übertragung von Aktien der J zu symbolischen Preisen, die Umwandlung eines Gesellschafterdarlehens des Herrn L in Eigenkapital, die Zusage einer Kapitalerhöhung bei der J und die Umwandlung von Krediten in solche mit 10 Jahren Laufzeit und niedrigem Zins werthaltig gemacht. Der Schuldnerin wurde mittels Verkaufs von Aktien der Schuldnerin durch Herrn L Liquidität verschafft. Dass diese Maßnahmen wirksam waren, zeigt sich daran, dass der Fortbestand der Schuldnerin auf weitere zwei Jahre gesichert worden ist.

dd. Durch diese Maßnahmen war die Vorlage des Streithelfers zu 1. zur Aufsichtsratssitzung vom 20.05.1999 überholt. Insbesondere geht sie von einem Forderungsausfall gegenüber der J von 44,2 Mio. DM aus. Gegen den Eintritt des Ausfalls waren am 17.05.1999 Vorsorgemaßnahmen getroffen worden. Ohne Berücksichtigung dieses Postens waren die Voraussetzungen des angenommenen hälftigen Kapitalverlusts (s. § 92 Abs. 1 AktG) nicht gegeben. Auch einer Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin war durch die Vereinbarungen vom 17.05.1999 entgegengewirkt worden.

ee. Die getroffenen Maßnahmen entsprachen dem damaligen Kenntnisstand des Aufsichtsrats. Dass der Jahresabschluss 1998 fehlerhaft war, weil u.a. rückdatierte Rechnungen eingebucht worden waren, haben der Streithelfer zu 1) und Herr L nicht offengelegt. Dass die Beklagten zu 2) - 8), 10), 11) davon hätten wissen können, ist vom Kläger nicht dargelegt. Der Umstand, dass Ermittlungsverfahren gegen die Beklagten zu 1), 2), 5), 6) und 10) gegen Zahlung von Geldbußen nach § 153a StPO eingestellt worden sind, besagt nichts Hinreichendes für die vom Kläger darzulegenden möglichen Pflichtverletzungen dieser Beklagten. Sollten die Ermittlungsakten Anhaltspunkte dazu enthalten, wären sie vom Kläger vorzutragen gewesen. Nachdem der Kläger zum Inhalt der Ermittlungsakten vorgetragen hat, besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass mehr vorgetragen werden könnte.

ff. Eine mögliche Pflichtverletzung der Beklagten zu 2) - 8), 10), 11) ergibt sich nicht daraus, dass der Sonderprüfungsauftrag an die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft F unter Zeitdruck abgewickelt worden ist. Dieser ergab sich aus der bevorstehenden Hauptversammlung. Es ist auszuschließen, dass der Sonderprüfungsauftrag frühzeitiger hätte erteilt werden müssen. Die Wirtschaftsprüfer haben erstmals im Management-Letter vom 20.04.1999 eingeräumt, dass die Kreditlinien nahezu ausgeschöpft waren. In der Aufsichtsratssitzung vom 26.03.1999 haben sie lediglich von "derzeit nicht ausreichender Liquidität" gesprochen und diese mit der starken Expansion der Schuldnerin begründet (S. 5, 6 des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 26.03.1999, Anlage K14 zum Klageentwurf). Das musste als Hinweis verstanden werden, dass es sich nicht um ein existenzgefährdendes Problem handelte. Aus der Erklärung des Streithelfers zu 1), derzeit bestehe kaum eine freie disponible Liquidität (S. 7 unten des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 26.03.1999, Anlage K14 zum Klageentwurf), konnte der Aufsichtsrat angesichts der Erklärung der Wirtschaftsprüfer nicht ableiten, dass sofortiger Handlungsbedarf bestehe. Der Streithelfer zu 1) hat auch keine konkreten Maßnahmen gefordert, sondern im Gegenteil den Vorschlag des Vorstands zur Gewinnverwendung erläutert (S. 10 Mitte des Protokolls der Aufsichtsratssitzung vom 26.03.1999, Anlage K14 zum Klageentwurf). Er hat also nicht etwa vor einer Auszahlung der Dividende gewarnt. Das hätte auch nicht zum Beschluss des Vorstands über die beabsichtigte Kapitalerhöhung und zur Einholung der Zustimmung des Aufsichtsrats zu dieser in der Aufsichtsratssitzung vom 26.03.1999 gepasst.

Auf den Kenntnisstand ab dem 20.04.1999 hat der Aufsichtsrat alsbald reagiert. Maßnahmen, die zum Sturz des Vorstands einer börsennotierten Aktiengesellschaft führen können, bedürfen ausreichender Vorbereitung. Dass diese vor dem 10.05.1999 abgeschlossen gewesen sein könnte, ist gänzlich fernliegend.

gg. Eine mögliche Pflichtverletzung der Beklagten liegt nicht darin, dass die Sonderprüfung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft F nicht in der Hauptversammlung der Schuldnerin vom 25.05.1999 erwähnt worden ist. Die Sonderprüfung diente der Information des Aufsichtsrats. Diese Funktion war erfüllt. Angesichts der Maßnahmen vom 17./20.05.1999 war der Inhalt des Berichts nicht mehr aktuell.

hh. Nach den den Beklagten zu 2) - 8), 10), 11) zugänglichen Informationen hatte die Schuldnerin im Geschäftsjahr 1998 tatsächlich den im Bericht der Abschlussprüfer ausgewiesenen Gewinn erzielt. Dass dieser auf den Immobiliengeschäften beruhte und nicht wiederholbar war, ändert daran nichts. Auch der Umstand, dass die Kaufpreisforderung von ca. 7,3 Mio. DM gegen Herrn L aus dem Verkauf des Objekts P in den Jahresabschluss 1998 eingeflossen ist, dieses Geschäft aber wie dargelegt unwirksam war, ändert nichts. Denn bei Kenntnis dieser Sachlage hätte das Objekt wieder der Schuldnerin zugeordnet werden müssen. Wegen der von der Schuldnerin aufzubringenden Pachtzinsen kam es letztlich auch nicht auf den Verkauf an. War der ausgewiesene Gewinn erzielt worden, konnte er auch an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Wegen der geplanten Kapitalerhöhung hatte der Aufsichtsrat keinen Anlass zu fordern, von der Ausschüttung des angenommenen Gewinns abzusehen.

ii. Wie bereits hinsichtlich der Beklagten zu 10) und 11) ausgeführt, bestand für den Aufsichtsrat kein Anlass, die Jahresabschlussunterlagen für 1997 einer nachträglichen Kontrolle zu unterziehen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Buchung der ca. 10,3 Mio. DM auch nicht nachträglich erläutert worden ist. Die Aufsichtsratsmitglieder durften insofern von einem abgeschlossenen Sachverhalt ausgehen.

jj. Soweit der Kläger auch im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss 1998 Formfehler des Aufsichtsrats rügt, haben sich diese nicht auf den geltend gemachten Schaden ausgewirkt.

kk. Das Verhalten der Beklagten zu 2) - 8), 10), 11) im Zusammenhang mit der Zustimmung zur vom Vorstand am 25.03.1999 beschlossenen Kapitalerhöhung war für den mit der Klage geltend gemachten Schaden nicht kausal. Diese Kapitalerhöhung ist bis zur anschließenden Hauptversammlung nicht durchgeführt worden. Nach dieser ist die Dividende für 1998 ausgezahlt worden.

C. Der Kläger kann von den Beklagten nicht Schadensersatz wegen der weiteren Schadenspositionen von insgesamt 563.315,88 € verlangen.

I. Das ergibt sich hinsichtlich der Positionen a. - e. und g. der Auflistung im Tatbestand schon daraus, dass die Nichtigkeit der Jahresabschlüsse 1997 und 1998 nicht auf pflichtwidrigem Verhalten der Beklagten beruht. Der Kläger hat diese Schadenspositionen auch im Verfahren ... O .../... geltend gemacht. Auf die im Urteil der Kammer vom 11.12.2007 dargelegten Schlüssigkeitsbedenken kommt es für den vorliegenden Rechtsstreit mangels Zuordnung zu einer Pflichtverletzung nicht an.

II. Zu der Position f. der Aufstellung im Tatbestand - Kosten der Beratung durch die b im Zusammenhang mit der Untersuchung des Komplexes Rehazentrum X und der diesbezüglichen Vorsteuerkorrektur von 199.695,25 DM - hat die Kammer im Urteil vom 11.12.2007 - ... O .../... - folgendes ausgeführt:

"Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von 199.695,25 DM wegen Beratung durch die b hinsichtlich des Komplexes Rehazentrum X einschließlich Vorsteuerabzugskorrektur nicht schlüssig dargelegt. Die Rechnungen der b Anlagen K49, 50 lassen nicht erkennen, welche Leistungen erbracht worden sind. Aus dem Hinweis "Untersuchung Reha-Zentrum X" auf der Rechnung Anlage K49 ergibt sich das nicht. Die Rechnung Anlage K50 nimmt nur Bezug auf "Arbeiten zu umsatzsteuerlichen Fragen". Soweit es um die Vorsteuerkorrektur für das Objekt "Rehazentrum X" gegangen sein sollte, kann eine Zuordnung zur Falschbilanzierung 1997 nicht festgestellt werden. Denn der diesbezügliche Vorwurf des Klägers geht dahin, die Beklagten hätten eine Rückstellung von 536.866 DM in der Bilanz 1997 und eine solche von 3.534.368 DM in der Bilanz 1998 bilden müssen. Sollte das zutreffen, hätte sich die Schuldnerin bei Realisierung der drohenden Forderung ebenfalls fachlicher Hilfe bedienen müssen. Dass hier Mehrkosten angefallen wären, lässt sich nicht feststellen. Auch hinsichtlich des übrigen Teils des Komplexes "Rehazentrum X" kann eine Zuordnung zum Haftungsgrund nicht erfolgen. Insoweit geht der Vorwurf des Klägers dahin, das fragliche Erbbaurecht habe mit einem Stichtagswert von nur maxinmal 35 Mio. DM bewertet werden dürfen; eine Abwertung um mindestens (47 - 35 =) 12 Mio. DM sei erforderlich gewesen. Was die b im Auftrag der Schuldnerin insoweit Ende 1999 untersucht haben könnte, ist nicht vorgetragen und erschließt sich auch nicht."

Darauf wird Bezug genommen. Ergänzend ist wiederum darauf hinzuweisen, dass es an einer Pflichtverletzung der Beklagten fehlt, der diese Schadensposition zugeordnet werden könnte. Wie ausgeführt hat der Kläger zum Komplex "Reha-Zentrum X" nicht spezifiziert vorgetragen.

D. I. Wegen der auf sachlichen Gründen beruhenden Klageabweisung kommt es auf die Verjährungseinrede der Beklagten und die Frage, ob die Berufung auf Verjährung gegen Treu und Glauben verstößt, nicht an.

II. Auf Gegenrechte der Beklagten aus der Kündigung der D&O - Versicherung durch den nachmaligen Vorstand der Schuldnerin muss nicht eingegangen werden. Nach dem Kenntnisstand der Kammer aus dem Rechtsstreit ... O .../... ist nicht auszuschließen, dass eine Eintrittspflicht des Versicherers gegenüber dem Streithelfer zu 3) besteht. Das würde den den Beklagten angelasteten Schaden mindern.

IV. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1, 709 S. 1 und 2 ZPO.

Streitwert: 6.289.784,95 €, daran beteiligt der Kläger, die Beklagten zu 1) - 8) und die Streithelfer voll, die Beklagte zu 9) mit 2.429.083,84 €, die Beklagten zu 10) und 11) mit 3.860.701,11 €.






LG Bonn:
Urteil v. 22.01.2008
Az: 11 O 38/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/a42f671874b5/LG-Bonn_Urteil_vom_22-Januar-2008_Az_11-O-38-03




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