Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. Juli 2002
Aktenzeichen: 28 W (pat) 102/01

(BPatG: Beschluss v. 03.07.2002, Az.: 28 W (pat) 102/01)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die neben zahlreichen Waren und Dienstleistungen der Klassen 1 bis 42 u.a. für die Waren: "Rasierapparate" eingetragene Wort-/Bildmarkesiehe Abb. 1 am Endeist Widerspruch erhoben aus der prioritätsälteren Wortmarke 2 048 457 GILLETTE GII PLUS die seit dem 2. November 1993 für die Waren

"Rasierinstrumente; Rasierapparate und Rasierklingen; Ausgabegeräte für Rasierklingen sowie Rasierklingen enthaltende Kassetten und Patronen sowie Teile der vorgenannten Waren"

eingetragen ist.

Der Widerspruch richtet sich nur gegen die Waren "Rasierapparate".

Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mangels Verwechslungsgefahr mit der Begründung zurückgewiesen, der in beiden Marken übereinstimmende Bestandteil "Plus" könne nicht kollisionsbegründend herangezogen werden, denn er stelle kein die Widerspruchsmarke prägendes Element dar, vielmehr werde damit lediglich auf ein "Mehr" an Qualität u.ä., was eine rein sachbezogene Aussage darstelle.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie führt zur Begründung aus, die Vergleichsmarken seien bei identischen Produkten des täglichen Bedarfs wegen der Identität des Bestandteils "PLUS" ohne weiteres verwechselbar, denn bei dem Wortbestandteil "GILLETTE" handele es sich um den Firmennamen der Widersprechenden, der ebenso wie die reine Sortimentsbezeichnung "GII" die Widerspruchsmarke nicht prägen könne. Im praktischen Geschäftsverkehr werde es zumindest bei identischen Waren zu Verwechslungen kommen, denn "PLUS" weise auf den Geschäftsbetrieb der Widersprechenden hin.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke im beantragten Umfang anzuordnen.

Demgegenüber beantragt die Markeninhaberin, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtenen Beschlüsse. Die Markenstelle habe zurecht die Markenähnlichkeit nach dem Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Bezeichnungen verneint, da die Widerspruchsmarke durch die Bestandteile "Gillette GII" geprägt werde, während "PLUS" lediglich der Angabe einer verstärkten Form diene und ähnlich wie "MEGA" rein beschreibend sei. Die angegriffene Marke bestehe im übrigen nicht nur aus dieser Angabe, sondern beanspruche Schutz in der eingetragenen Form.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet. Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke keine Gefahr von Verwechslungen iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist von der Ähnlichkeit der Waren, der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und der Ähnlichkeit der Marken auszugehen. Zwischen diesen Faktoren besteht eine Wechselwirkung, so daß ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND).

Nachdem Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind und sich der Widerspruch nur gegen die Waren "Rasierapparate" richtet, stehen sich unstreitig insoweit identische Waren gegenüber, so dass an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Abstand deutliche Anforderungen zu stellen sind, zumal es sich bei den Waren um Artikel des täglichen Bedarfs handeln kann, die vom Verkehr erfahrungsgemäß mit einer gewissen Flüchtigkeit gerade gegenüber den Kennzeichnungen erworben werden. Der danach erforderliche Abstand wird von der angegriffenen Marke jedoch gewahrt.

In ihrer Gesamtheit werden die sich gegenüberstehenden Marken wegen der deutlich unterschiedlichen Wortzusammensetzung in der Widerspruchsmarke und der auffälligen graphischen Gestaltung der jüngeren Marke in keiner Hinsicht verwechselt werden. Die Gefahr von Verwechslungen kann deshalb, wie die Widersprechende auch nicht verkennt, allenfalls dann in Betracht kommen, wenn man die Widerspruchsmarke bis auf den mit dem Wortelement der jüngeren Marke identischen Bestandteil "PLUS" verkürzt. Das verbietet sich indes bereits aus Rechtsgründen.

Grundsätzlich ist bei der Beurteilung der zeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr von Marken auf deren Gesamteindruck abzustellen. Denn der Schutz eines aus einem Kombinationszeichen herausgelösten Elementes ist dem Markenrecht fremd, so daß es rechtsfehlerhaft wäre, ohne weiteres eine Kollision lediglich aufgrund eines aus einem Gesamtzeichen isoliert entnommenen Elementes feststellen zu wollen. Allerdings kann eine unmittelbare Verwechslungsgefahr "dem Gesamteindruck nach" ausnahmsweise bei Vergleichszeichen, die nur in einem Bestandteil übereinstimmen, dann gegeben sein, wenn der Gesamteindruck eines kombinierten Zeichens nicht durch gleichgewichtige Elemente bestimmt, sondern von einem Element allein geprägt wird, wobei eine bloße Mitprägung nicht ausreicht (BGH MarkenR 2000, 20 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Setzt sich eine kombinierte Marke ggfls. aus einer Herstellerangabe und einem weiteren Bestandteil zusammen, wie das vorliegend der Fall sein könnte, wenn man den Bestandteil "GILLETTE" als bekannten oder erkennbaren Firmenname und damit als bloße Firmenkennzeichnung interpretiert, ist zu prüfen, ob etwa aufgrund der Bezeichnungsgewohnheiten auf dem jeweiligen Warengebiet die Herstellerangabe zB deshalb in den Hintergrund tritt, weil die angesprochenen Verkehrskreise sich vorrangig an der neben der Herstellerangabe enthaltenen, ggfls als Produktkennzeichen auftretenden anderen Bezeichnung orientieren (BGH GRUR 1996, 404 - Blendax Pep). Allerdings spricht in diesem Zusammenhang auch die Kennzeichnungskraft des weiteren Bestandteils des kombinierten Zeichens eine maßgebliche Rolle, denn wenn dieser schwach oder schutzunfähig ist, verbietet es sich aus Rechtsgründen, die Herstellerangabe in den Hintergrund treten zu lassen, da aus schutzunfähigen Bestandteilen keine Rechte hergeleitet werden können. Das liegt bei dem Bestandteil "PLUS" sowohl aus allgemeinen Erwägungen wie auch aufgrund seiner Stellung innerhalb der Widerspruchsmarke auf der Hand. Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, ist der Verkehr auf den verschiedensten Warengebieten daran gewöhnt, dass mit steigernden Ausdrücken wie "super, extra, ultra, mega" und auch "plus" (in der Bedeutung: mehr, Überschuß) lediglich auf zusätzliche oder verbesserte Eigenschaften von Waren oder Dienstleistungen hingewiesen wird. Dies hat in der Rechtsprechung des Bundespatentgerichtes dazu geführt, dass auch speziell in Widerspruchsverfahren wiederholt die Schutzfähigkeit des Wortes "Plus" verneint wurde (vgl 29 W(pat 112/97, 32 W(pat) 39/97, 33 W(pat) 159/01, 30W(pat) 65/98, 30W(pat)41,97, alle Entscheidungen zitiert aus PAVIS CD-Rom, Stichwort "Plus"). Für die hier streitigen Waren gelten diese Erwägungen uneingeschränkt und entsprechen auch hier den Marktgepflogenheiten. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr scheidet damit mangels Vorliegen einer relevanten Markenähnlichkeit aus.

Entgegen der Ansicht der Widersprechenden besteht auch nicht die Gefahr, dass die Zeichen miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden (§ 9 Abs 1 Nr 2 Halbs 2 MarkenG). Ohnehin fällt hierunter nicht jede wie immer geartete gedankliche Assoziation (BGH GRUR 1996, 200 - Innovadiclophlont -; EuGH Mitt 1997,395 - Sabel/Puma). Die Rechtsprechung greift vielmehr vorrangig auf die Grundsätze der zum Warenzeichengesetz entwickelten mittelbaren Verwechslungsgefahr sowie zur Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne zurück (Althammer/Ströbele; MarkenG, 6. Aufl., § 9 Rdn 203 ff).

Eine mittelbare Verwechslungsgefahr ist anzunehmen, wenn der Verkehr in Kenntnis beider Marken deren Unterschiede erkennt, jedoch aufgrund gemeinsamer Stammbestandteile oder sonstiger Übereinstimmungen einem Irrtum über die betriebliche Herkunft bzw Ursprungsidentität der mit den Marken gekennzeichneten Waren unterliegen kann (vgl EuGH - Sabel/Puma, aaO; BGH GRUR 1996, 200 - Innovadiclophlont; 1998, 932 - MEISTERBRAND -). Von einer irrtümlichen Zuordnung der angegriffenen Marke zu dem Geschäftsbetrieb der Inhaberin der Widerspruchsmarke aufgrund des Bestandteils "PLUS" kann hier nicht ausgegangen werden, weil diesem Bestandteil für sich allein die Hinweiswirkung auf die Widersprechende fehlt, die ein von Haus aus kennzeichnungsschwaches oder - wie hier im zweckbestimmenden Bereich der in Anspruch genommenen Waren liegendes Wort - nicht ausüben kann. Es ist daher nicht als Stammzeichen geeignet. Schon aus Rechtsgründen begründet es deshalb keine assoziative Verwechslungsgefahr im Sinne eines Serienzeichens.

Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte die Beschwerde der Widersprechenden keinen Erfolg haben, wobei der Senat noch von einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen (§ 71 Abs 1 MarkenG) abgesehen hat Stoppel Martens Paetzold Na Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/28W(pat)102-01.1.3.gif






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