Verwaltungsgericht Berlin:
Urteil vom 18. Oktober 2013
Aktenzeichen: 10 K 186.10

(VG Berlin: Urteil v. 18.10.2013, Az.: 10 K 186.10)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die am Emissionshandel teilnehmende Klägerin betreibt das Müllheizkraftwerk N... Sie verbrennt Abfall und liefert Fernwärme.

Je 50 Prozent ihres Stammkapitals halten die F... und die M..., die ihrerseits weitere Heizkraftwerke betreibt, nämlich die Werke Heizkraftwerk W..., Heizkraftwerk N... und Biomasse-Kraftwerk F...

Mit Bescheid vom 22. Januar 2008 teilte die Deutsche Emissionshandelsstelle € DEHSt € der Klägerin für die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 63.095 Berechtigungen zu, wobei sie einen Härtefallantrag der Klägerin nach § 12 ZuG 2012 unberücksichtigt ließ.

Mit ihrem gegen letzteres eingelegten Widerspruch machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, sie erfülle die Härtefallvoraussetzungen des § 12 Abs. 1 ZuG 2012, weil sie 2005 und 2006 im Durchschnitt über 10 Prozent mehr produziert habe als im Durchschnitt der Kalenderjahre 2000 bis 2004. § 12 Abs. 3 ZuG 2012 € der eine Berücksichtigung auch der anderen Heizkraftwerke der M... als vergleichbare Anlagen erfordert hätte € sei nicht anzuwenden. Die Klägerin sei weder ein abhängiges Unternehmen nach § 17 Aktiengesetz (AktG), noch ein Konzernunternehmen im Sinne von § 18 AktG. Auch wirkten die F... und die M... nicht derart zusammen, dass sie gemeinsam einen beherrschenden Einfluss auf die Klägerin ausüben könnten ( § 12 Abs. 3 Satz 2 ZuG 2012). Die beiden Unternehmen seien vielmehr voneinander unabhängig und die Klägerin werde weder von der F... noch der M...beherrscht und sei auch nicht in deren jeweiligen Konzern eingegliedert. Allein das Innehaben von jeweils 50 Prozent des Stammkapitals bedeute nach Rechtsprechung des BGH nicht, dass automatisch eine gemeinsame Beherrschung gegeben sei. Hier lägen überdies keine gemeinsamen Interessen vor. Die F... sei für Abfallentsorgung, die M... für Energieversorgung zuständig.

Diesen Widerspruch wies die DEHSt mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2010 zurück. Der Härtefallantrag sei abzulehnen gewesen, weil nicht für alle vergleichbaren Anlagen der aus Sicht der Beklagten einheitlichen Unternehmen ein Antrag nach § 12 ZuG 2012 gestellt worden sei. Zwar erfülle bei paritätischer Beteiligung das auf einander angewiesen sein bei der Willensbildung für sich allein den Tatbestand der Beherrschungsmöglichkeit nicht. Die Beteiligten müssten auf Grund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise zusammenwirken, so dass sie gemeinsam einen beherrschenden Einfluss ausüben könnten. Dies sei hier der Fall. Die Beteiligten hätten eine gemeinsame Geschäftsordnung. Danach stelle die M... den technischen Geschäftsführer der Klägerin und die F...den kaufmännischen Geschäftsführer. Beide seien gleichberechtigt und hätten nach dem Gesellschaftsvertrag die Letztentscheidungskompetenz. Darüber hinaus seien sie gemeinsam einer wirtschaftlichen Betriebsführung der Anlage verpflichtet, nämlich der Optimierung der Durchsatz -menge, Energieerzeugung und Verfügbarkeit im Verhältnis zu möglichst niedrigen Betriebs- und Instandhaltungskosten (§ 1 Abs. 3 Geschäftsordnung). Da zudem keiner der Gesellschafter überstimmt werden könne, da die Gesellschafter ihre Beschlüsse mit Mehrheit oder Einstimmig fassen müssten, sei der gesellschaftsrechtliche Rahmen auf konsensuale Führung der Gesellschaft ausgerichtet, mithin von einem gemeinsamen Beherrschungswillen auszugehen.

Mit der hiergegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres Widerspruchsvorbringens weiter. Sie macht insbesondere geltend, die Interessenlage der Gesellschafter der Klägerin sei €völlig unterschiedlich€, denn die Gesellschaften seien €auf völlig unterschiedlichen Geschäftsfeldern tätig, die sich im Geschäftsbetrieb der Klägerin nur deshalb punktuell berühr(t)en, weil durch die Verbrennung von Abfällen zugleich Strom und Heizwasser erzeugt werden€. Von gleichlautenden Interessen könne €überhaupt keine Rede sein€.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 22. Januar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2010 der Klägerin weitere 107.363 Berechtigungen für die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 zuzuteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertieft ebenfalls ihre - im Widerspruchsbescheid -.getätigten Ausführungen und weist darauf hin, dass die Klägerin für die zweite Handelsperiode mit 25000 Emissionsberechtigungen überausgestattet sei. In der Sache selbst handele es sich um eine beherrschende €Mehrmütterschaft€ der Gesellschafter, weil beide gleichberechtigt die unternehmerische Leitung ausübten und die Letztentscheidungskompetenz bei finanziellen Fragen hätten. Dem entsprächen die gesellschaftsvertraglichen Regelungen, wonach keiner der beiden Gesellschafter ohne Zustimmung des Anderen handlungsfähig sei. Schließlich liege auch ein gleichgerichtetes Interesse vor, weil beide Gesellschafter ein Interesse an der Nutzung von Synergien der Abfallverbrennung und der Energieerzeugung hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die vorgelegen haben und, soweit wesentlich, Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Hierbei kann offen bleiben, ob mit Blick auf das Ende der zweiten Handelsperiode mit Ablauf des 30. April 2013 überhaupt noch eine Verpflichtung der Beklagten ausgesprochen werden kann, Berechtigungen für die zweite Handelsperiode zuzuteilen oder ob die Klägerin auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage zu verweisen wäre.

Denn jedenfalls ist die Klage unbegründet. Gemäß § 12 Abs. 1 ZuG 2012 greift die darin enthaltene Härtefallregelung nur dann, wenn €durch die Gesamtheit der von demselben Unternehmen betriebenen und nach Maßgabe des Anhangs 2 vergleichbaren Anlagen€ die erforderliche Mehrproduktion erfolgt ist. Der Verbund mehrerer Unternehmen ist gemäß § 12 Abs. 3 ZuG 2012 als einheitliches Unternehmen anzusehen, wenn das betreibende Unternehmen zum Abschluss des maßgeblichen Geschäftsjahres nach Abs. 2 ein abhängiges Unternehmen im Sinne von § 17 des Aktiengesetzes oder ein Konzernunternehmen im Sinne von § 18 des Aktiengesetzes war. Wirken mehrere Unternehmen derart zusammen, dass sie gemeinsam einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben können, gilt jedes von ihnen als herrschendes (§ 12 Abs. 3 Satz 2 ZuG 2012). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt mit der Folge, dass in Ermangelung von Zuteilungsanträgen für die weiteren Kraftwerke der M... die Anspruchsvoraussetzungen des § 12 Abs. 1 ZuG 2012 (€Gesamtheit der €.vergleichbaren Anlagen€) nicht erfüllt sind:

Die F...und die M... haben im Sinne einer €Mehrmütterschaft€ herrschenden Einfluss im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 2 ZuG 2012 auf die Klägerin. Nach ständiger Rechtsprechung des von beiden Beteiligten hier herangezogenen Bundesgerichtshofs zur wortgleichen €Mehrmütterklausel€ in § 36 Abs. 2 Satz 2 GWB ist hierfür folgendes maßgeblich:

€Das Beschwerdegericht geht im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass Voraussetzung für die Annahme eines gemeinsamen beherrschenden Einflusses auf ein anderes Unternehmen im Sinne der €Mehrmütterklausel€ des § 36 Abs. 2 Satz 2 GWB eine auf dem Zusammenwirken der Hauptgesellschafter beruhende gesicherte gemeinsame Beherrschungsmöglichkeit ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verwirklicht die paritätische Beteiligung und das damit verbundene aufeinander angewiesen sein bei der Willensbildung für sich allein noch nicht den Beherrschungstatbestand (BGHZ 74, 359, 366 € WAZ). Die Beteiligten müssen vielmehr auf Grund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise so zusammen wirken, dass sie gemeinsam einen beherrschenden Einfluss ausüben können. Dazu reicht es typischerweise aus, wenn gleichgerichtete Interessen eine gemeinsame Unternehmenspolitik gewährleisten, denn dadurch ist regelmäßig sichergestellt, dass die paritätisch Beteiligten ihren Unternehmen gegenüber eine herrschende Einheit bilden (BGH, Beschluss vom 18.11.1986 € KVR 9/85, WuW/E 2337, 2339 € Hussel/Mara). Die Entscheidung, ob diese Voraussetzungen gegeben sind kann nur unter Berücksichtigung des Einzelfalls getroffen werden. € (Beschluss vom 7. November 2006 € KVR 39/05 € Radio TON -, Seite 6 des amtlichen Abdrucks),

und:

€entscheidend ist, ob die beiden Hauptgesellschafter Verhaltensformen entwickelt haben, die ein Zusammenwirken nahelegen. Eine wesentliche Bedeutung kommt der Interessenlage zu, die die beiden Hauptgesellschafter der S€. verbindet€ (BGH a.a.O Seite 8).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor:

21Schon die Tatsache, dass die Geschäftsführung der Klägerin vollständig in paritätischer Hand der Gesellschafter liegt, spricht für eine gemeinsame Interessenlage (vgl. zum maßgeblichen Kriterium ausgeglichener Kräfteverhältnisse der Gesellschafter unter einander : BGH, NJW 1979, 2401/2403). Damit ist zugleich sicher gestellt, dass die Gesellschafter gemeinsam einen beherrschenden Einfluss ausüben können.

Ein €gewolltes Zusammenwirken€(s.o.) belegt auch die Eigendarstellung der Klägerin auf ihrer homepage (..., recherchiert am 9.08.2013). Darauf heißt es:

€Um gemeinsame und ökologische Synergien zu nutzen, entschließen sich die Eigentümer der Anlagen, die Stadt und die M..., zu einem Zusammenschluss. Die Betreiber der A... und des H... € die F... und die M... € beginnen mit den Planungen zum Betrieb eines hochmodernen Müllheizkraftwerkes € dem M...€ (copyright 2008 M...).

Dass hiermit €keine gleichgerichteten Interessen, sondern völlig unterschiedliche€ verfolgt würden, ist nicht plausibel. Die Gleichgerichtetheit der Interessen ergibt sich darüber hinaus aus den unter (recherchiert am 9.08. und 10.10.2013) abrufbaren Geschäftsberichten der Klägerin. So heißt es im Jahresabschluss zum Geschäftsjahr vom 1.1.2011 bis zum 31.12.2011 vom 29. Februar 2012:

€Die Gesellschaft ist ein joint venture der F..., F... und der M...). Gegenstand des Unternehmens ist die Betriebsführung des Müllheizkraftwerks (M...) in, das heißt, die Müllverbrennung sowie die Erzeugung und Lieferung von Wärme (Heizwasser) und elektrischem Strom.€

Ein joint venture ist zu Deutsch ein Gemeinschaftsunternehmen, wörtlich ein €gemeinsames Wagnis€ und wird nach allgemeiner Ansicht u. a. geschaffen, um € wie ja auch von der Klägerin selbst dargestellt € Synergien zu nutzen. Das gewollte gemeinsame Nutzen von Synergien stellt sich nach dem Dafürhalten der Kammer als €gemeinsame Unternehmenspolitik€ (s.o.) dar.

Dafür, dass das unternehmerische Handeln der Gesellschafter hier etwa € wie vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht € nicht in dauerhaften Strukturen erfolgte und daher eine gemeinsame Unternehmenspolitik nicht anzunehmen sei, sprechen angesichts des ausweislich der genannten Jahresabschlüsse seit Jahren gleichbleibend geführten Betriebs der Klägerin keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte. Im Übrigen reicht es nach dem Gesetz aus, dass die zusammen wirkenden Unternehmen derart zusammen wirken, dass sie gemeinsam einen beherrschenden Einfluss € ausüben können (Hervorhebung durch den Verfasser), § 12 Abs.3 Satz 2 ZuG 2012.

Schließlich ist es nicht so, dass € worauf die Klägerin zur Betonung betrieblicher Eigenständigkeit abhebt € sie €Dienstleistungen ihrer Gesellschafterinnen F... und M... ausschließlich auf vertraglicher und entgeltlicher Basis entgegen nimmt€ (Streitakte Bl. 356). Denn im Jahresabschluss für 2011 (und auch 2012) heißt es:

€Im Berichtsjahr waren D..., Diplom-Ingenieur, Bereichsleiter Betrieb und Instandhaltung Kraftwerke der M..., und D..., Diplom-Kaufmann, Bereichsleiter der F..., als Geschäftsführer bestellt€. Die Geschäftsführung erfolgt im Rahmen der kaufmännischen Geschäftsbesorgung durch die F... sowie der technischen Geschäftsführung durch die M... Bezüge der Geschäftsführer fielen im Geschäftsjahr nicht an€ (Hervorhebung durch den Verfasser).

Werden vor diesem Hintergrund € wie die Klägerin betont (Streitakte a.a.O.) €€ Die Emissionsberechtigungen der Klägerin € von deren Geschäftsführern selbst verwaltet€, führt dies ersichtlich nicht dazu, dass eine Zurechnung im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 2 ZuG 2012 entfiele. Vielmehr besagt der Einsatz von eigenem Personal der beiden Gesellschafter und deren Bezahlung durch diese vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen das Gegenteil.

Die Klage war daher mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.






VG Berlin:
Urteil v. 18.10.2013
Az: 10 K 186.10


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