Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Dezember 2010
Aktenzeichen: 26 W (pat) 181/09

(BPatG: Beschluss v. 01.12.2010, Az.: 26 W (pat) 181/09)

Tenor

BPatG 152 Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

In zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat das Deutsche Patentund Markenamt die unter anderem für die Waren und Dienstleistungen

"Telekommunikation; Dienstleistungen von Presseagenturen; Vermietung von Telekommunikationsgeräten; Auskünfte über Telekommunikation; wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungsund Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; Magnetaufzeichnungsträger; Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; bespielte und unbespielte Datenträger aller Art (soweit in Klasse 9 enthalten); Computerprogramme (gespeichert); elektronisch gespeicherte Daten (herunterladbar); elektronische Publikationen (herunterladbar); Druckereierzeugnisse; Fotografien; Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehrund Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Sammeln, Systematisierung, Zusammenstellung und betriebswirtschaftliche Analyse von Daten und Informationen in Computerdatenbanken; Einzelhandelsdienstleistungen (auch über das Internet und sonstige Kommunikationsnetze), betreffend Waren der Klassen 9 und 16; Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen; Bauwesen; Installationsarbeiten; wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyseund Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware, -software und Datenbanken; Wartung von Software; technische Beratung; elektronische Datenspeicherung; Vermietung von Datenverarbeitungsgeräten; Gestaltung von Webseiten für Dritte"

angemeldete Wortmarke 30 2008 022 330.8 Business Workplacefür die genannten Waren und Dienstleistungen wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. "Business Workplace" werde von den angesprochenen Verkehrskreisen als "Geschäftsarbeitsplatz, Unternehmensarbeitsplatz" verstanden. Die angemeldete Wortfolge bezeichne zugleich eine IT-Arbeitsplattform/ Arbeitsoberfläche in einem Unternehmen. Neben der Ausstattung eines physikalischen Arbeitsplatzes könnten die angemeldeten Waren der Klasse 9 und die angemeldeten Dienstleistungen der Klasse 42 der Bereitstellung einer ebenfalls als Arbeitsplatz/Workplace bezeichneten IT-Infrastruktur dienen oder hierfür bestimmt sein. Die Dienstleistungen "Bauwesen, Installationsarbeiten, Forschungsarbeiten und wissenschaftliche Dienstleistungen, Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte; Immobilienwesen" könnten sich ebenfalls auf die Gestaltung und Ausstattung von Arbeitsplätzen beziehen. Im Hinblick auf die genannten Waren und Dienstleistungen werde der Verkehr in "Business Workplace" jeweils einen im Vordergrund stehenden Hinweis auf Arbeitsplätze in Unternehmen, aber keinen Herkunftshinweis erkennen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. "Business Workplace" sei lexikalisch weder in der englischen noch in der deutschen Sprache nachweisbar. Sie verweist auf eine Reihe ihrer Ansicht nach vergleichbarer Voreintragungen. Sie beantragt, die Beschlüsse vom 17.9.2008 und 9.9.2009 hinsichtlich der zur Eintragung versagten Waren und Dienstleistungen aufzuheben.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akte des Deutschen Patentund Markenamtes Az. 30 2008 022 330.8 Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Sie ist zurückzuweisen, weil einer Eintragung der angemeldeten Marke "Business Workplace", soweit diese durch die Markenstelle versagt wurde, für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen die Schutzhindernisse fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses im Sinne der §§ 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegenstehen.

Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Rdn. 45 -Standbeutel; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 62 -Libertel). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f., Rdn. 51 -Arsenal Football Club; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rdn. 18 -FUSSBALL WM 2006, m. w. N.). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 610, Rdn. 59 -EUROHYPO; EuGH GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 -SAT.2; EuGH GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 60 - Libertel). Die erforderliche Unterscheidungskraft ist zum einen solchen Angaben und Zeichen abzusprechen, die einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Aber auch anderen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen, etwa wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2006, 850, Rdn. 28 -FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2001, 162 -RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

Die Markenstelle ist zutreffend von einer Bedeutung des angemeldeten Zeichens "Business Workplace" als "Geschäftsarbeitsplatz, Unternehmensarbeitsplatz" ausgegangen. Dabei kann es sich um einen physischen Arbeitsplatz in einem Unternehmen oder um eine IT-Infrastruktur handeln. Insbesondere bezeichnet "Business Workplace" im elektronischen Buchführungssystem SAP die virtuelle Schnittstelle zwischen einem Endanwender und dem so genannten Workflow-System (vgl. http://help.sap.com/saphelp_dimp50/helpdata/DE). Die dem angesprochenen deutschen Durchschnittsverbraucher ebenso wie dem Handel ohne weiteres verständliche Wortkombination "Business Workplace" wird vom Publikum für die von der Zurückweisung umfassten Waren und Dienstleistungen als beschreibende Sachangabe und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis wahrgenommen werden. Daher fehlt ihr insoweit jegliche Unterscheidungskraft.

Die Waren der Klassen 9 und 16 können zum Einsatz am PC-Arbeitsplatz bestimmt sein oder besondere Merkmale aufweisen, die sie zum Einsatz am Arbeitsplatz wie beispielsweise in Großraumbüros geeignet erscheinen lassen. Lehrmittel, Fotografien und Druckereierzeugnisse können sich mit der Benutzung des "Business Workplace" im elektronischen Buchführungssystem SAP beschäftigen.

Dieser kann zur Unterstützung der angemeldeten Geschäftsführungs-, Systematisierungs-, Verwaltungsund Einzelhandelsdienstleistungen der Klasse 35 dienen.

Werbung wird an Geschäftsarbeitsplätzen entworfen; auch die angemeldeten Dienstleistungen der Klassen 36, 37 und 38 werden dort erbracht. Die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 42 können einer Fortentwicklung oder Anpassung des "Business Workplace" im elektronischen Buchführungssystem SAP an veränderte Rahmenbedingungen dienen. Zwischen diesen Dienstleistungen und "Business Workplace" besteht daher jeweils ein enger sachlicher beschreibender Bezug.

Dass sich die angemeldete Marke bislang nicht lexikalisch nachweisen lassen soll (vgl. aber "workplace" -zu deutsch "Arbeitsplatz", Langenscheidts Handwörterbuch Englisch Teil I Englisch-Deutsch 1988, 734 und "work place computer" -zu deutsch "Arbeitsplatzrechner, Arbeitsplatzcomputer", Müller, Technik-Wörterbuch Mikroprozessorsysteme Englisch, Deutsch, Französisch, Russisch, 4. Aufl. 290), macht sie nicht unterscheidungskräftig im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Da die Unterscheidungskraft einer Marke ohnehin nur im Wege einer Prognose unabhängig von einer möglichen Benutzung festgestellt werden kann, vermag aus einer etwaigen Neuheit einer Bezeichnung noch nichts über deren Unterscheidungskraft hergeleitet zu werden (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027, 1029 f. (Nr. 37 -47) - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; EuGH GRUR 2004, 146, 147 (Nr. 32) - DOUBLEMINT; MarkenR 2004, 99, 109 (Rdn. 97) -Postkantoor; MarkenR 2004, 111, 115 (Rdn. 38) - BIOMILD).

Der Eintragung der angemeldeten Marke steht überdies - ohne dass es darauf angesichts des vorstehend festgestellten Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch entscheidend ankäme - für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zugleich das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. Da es auch Mitbewerbern gestattet bleiben muss, ihre Waren und Dienstleistungen künftig mit dem beschreibenden Begriff "Business Workplace" im Sinne von "Geschäftsarbeitsplatz" oder "IT-Arbeitsplattform" zu versehen, besteht insoweit ein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die Entscheidung über die Eintragungsfähigkeit einer angemeldeten Marke stellt schließlich eine der freien Ermessensausübung unzugängliche Rechtsfrage dar. Weil dem Deutschen Patentund Markenamt insoweit kein Beurteilungsspielraum zur Verfügung steht, scheidet auch eine anspruchsbegründende Selbstbindung dieser Behörde aus. Wegen ihrer spezifischen Eigenart ist in § 2 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG die Geltung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts für Verfahren vor dem DPMA ausdrücklich ausgeschlossen worden. Indes steht dem Markenanmelder die gegen die Zurückweisung seiner Anmeldung durch das DPMA in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständige Überprüfung im Beschwerdeverfahren zur Verfügung. Der Europäische Gerichtshof hat in der Rechtssache C -39/08 klargestellt, dass sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zu Gunsten eines anderen berufen kann, um eine identische Entscheidung zu erlangen (vgl. EUGH Slg. 1994, 3465, Beck Rs 2004, 7211 Rdnr. 510 -White/Parliament; Slg 1985, 22, 25, Beck Rs 2004, 7157 Rdnr. 14 -Willems/Rechnungshof). Die zuständige Behörde eines Mitgliedsstaates, die über eine Markenanmeldung zu entscheiden hat, ist nicht verpflichtet, die in Art. 3 Abs. 1 lit b und c der Richtlinie 89/104 aufgeführten Eintragungshindernisse unberücksichtigt zu lassen und einem Antrag auf Eintragung deshalb stattzugeben, weil das angemeldete Zeichen auf identische oder vergleichbare Art und Weise wie ein Zeichen gebildet wird, dessen Eintragung als Marke sie bereits bewilligt hat und das sich auf identische oder ähnliche Waren und Dienstleistungen bezieht.

Das Bundespatentgericht hat im Übrigen den Marken "workplace shell" und "Workplace Centered Computing" für mit den hier angemeldeten teilweise übereinstimmende Waren und Dienstleistungen ebenfalls die Schutzfähigkeit wegen eines bestehenden Freihaltungsbedürfnisses und fehlender Unterscheidungskraft versagt (BPatG PAVIS PROMA 24 W (pat) 298/94 -workplace shell, BPatG PAVIS PROMA 30 W (pat) 320/96 -Workplace Centered Computing).

Aus diesen Gründen war die Beschwerde zurückzuweisen.

Dr. Fuchs-Wissemann Reker Dr. Schnurr Bb






BPatG:
Beschluss v. 01.12.2010
Az: 26 W (pat) 181/09


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