Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Januar 2003
Aktenzeichen: 5 W (pat) 454/01

(BPatG: Beschluss v. 15.01.2003, Az.: 5 W (pat) 454/01)

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung II - vom 19. Juli 2001 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

Gründe

I Der Antragsgegner ist Inhaber des deutschen Gebrauchsmusters 297 23 917. Es ist mit sechs Schutzansprüchen aus der europäischen Patentanmeldung 971 05 344.2 vom 29. März 1997 abgezweigt worden. Das Gebrauchsmuster ist am 12. Mai 1999 unter der Bezeichnung "Fahrtrichtungsanzeiger, insbesondere für motorisierte Zweiräder" in die Rolle eingetragen worden.

Der Eintragung des Gebrauchsmusters liegen die folgenden, am 17. März 1999 eingereichten Schutzansprüche 1 bis 12 zugrunde:

1. Fahrtrichtungsanzeiger (13,22), insbesondere für motorisierte Zweiräder, dadurch gekennzeichnet, dass er an einem Ende eines Zweiradlenkers (19,21) angeordnet ist und eine Masse von mindestens 150 Gramm, vorzugsweise über 200 Gramm, insbesondere über 250 Gramm, besitzt.

2. Fahrtrichtungsanzeiger nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Masse 200 bis 400 Gramm, vorzugsweise 250 bis 400 Gramm, beträgt.

3. Fahrtrichtungsanzeiger nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass er mit einem Ende eines Zweiradlenkers (19,21) lösbar verbindbar ist.

4. Fahrtrichtungsanzeiger nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der Fahrtrichtungsanzeiger (13,22) mit dem Lenkerende (19,21) schwingungsmechanisch gelenkig verbunden ist.

5. Fahrtrichtungsanzeiger nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Schwingungs- mechanisch gelenkige Verbindung in einem offenen Ende eines Zweiradlenkers angeordnet ist.

6. Fahrtrichtungsanzeiger nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass er eine Halogenlampe (2) aufweist.

7. Fahrtrichtungsanzeiger, insbesondere für motorisierte Zweiräder, mit einem Gehäuse, welches sich in zumindest eine Längserstreckungsrichtung erstreckt, und einer Haltevorrichtung, die an dem Gehäuse im Wesentlichen parallel zur Längserstreckungsrichtung angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass das Gehäuse (1) einen zentralen Durchbruch aufweist, der durch zwei Fenster (5) abgeschlossen wird.

8. Fahrtrichtungsanzeiger nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass das Gehäuse (1) rotationssymmetrisch ausgebildet ist.

9. Fahrtrichtungsanzeiger nach Anspruch 7 oder 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Fenster (5) das Gehäuse (1) bündig verschließen.

10. Fahrtrichtungsanzeiger, insbesondere für motorisierte Zweiräder, dadurch gekennzeichnet, dass der Fahrtrichtungsanzeiger (13,22) mit dem Lenkerende (19,21) schwingungsmechanisch gelenkig verbunden ist.

11. Fahrtrichtungsanzeiger, insbesondere für motorisierte Zweiräder, dadurch gekennzeichnet, dass er eine Haltevorrichtung (8,9,10) aufweist, die ein stauchbares Gummielement (9) umfasst.

12. Fahrtrichtungsanzeiger, insbesondere für motorisierte Zweiräder, dadurch gekennzeichnet, dass er eine Halogenlampe (2) aufweist.

Die Antragsteller haben am 16. Juni 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung des Streitgebrauchsmusters im Umfang der Schutzansprüche 7 bis 12 beantragt. Sie machen geltend, die Gegenstände dieser Ansprüche gingen über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie ursprünglich eingereicht worden sind. Ferner sei der Gebrauchsmustergegenstand im Umfang der Schutzansprüche 7 bis 12 gegenüber dem aus den Druckschriften - deutsches Gebrauchsmuster 18 14 634 [ = D1 ]

- deutsches Gebrauchsmuster 18 40 287 [ = D2 ]

- deutsches Gebrauchsmuster 18 40 288 [ = D3 ] und - britische Patentschrift 834 060 bekannten Stand der Technik nicht mehr neu bzw beruhe auf keinem erfinderischen Schritt.

Der Antragsgegner hat dem Löschungsantrag widersprochen. Er hat neue Schutzansprüche eingereicht und das Gebrauchsmuster im Umfang dieser nachgereichten Schutzansprüche verteidigt.

Die Gebrauchsmusterabteilung II des Deutschen Patent- und Markenamts hat dem Antragsgegner mitgeteilt, er müsse mit der beantragten Löschung seines Gebrauchsmusters rechnen, da der angegriffene Gegenstand im Hinblick auf die genannten sowie auf die amtsseitig noch ermittelten Druckschriften - deutsche Offenlegungsschrift 42 44 668 und - deutsche Offenlegungsschrift 36 16 673 nicht schutzfähig sei.

Am 26. Juni 2001 hat der Antragsgegner neue Ansprüche 1 bis 15 eingereicht, die dem weiteren Verfahren zugrunde gelegt werden sollen.

Die Antragsteller haben zum Stand der Technik noch auf die beiden Druckschriften - Katalog "facts" 94/95 der Firma Hein Gericke, Seite 367 [ D5 ] und - Händler Katalog 1994/95 der Firma Paaschburg & Wunderlich GmbH, Seite 43 [ D6 ]

verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2001 hat der Antragsgegner die Zurückweisung des Löschungsantrags im Umfang des in der mündlichen Verhandlung überreichten neuen Schutzanspruchs 7 und der Schutzansprüche 8 und 9 sowie 11 bis 15 (letzterer, soweit auf Schutzansprüche 7 bis 9 und 11 bis 14 rückbezogen) gemäß Eingabe vom 26. Juni 2001 beantragt. Hilfsweise hat er beantragt, den Löschungsantrag im Umfang der Schutzansprüche 7 bis 9 und 13 bis 15 gemäß Hauptantrag sowie der in der mündlichen Verhandlung überreichten neuen Schutzansprüche 11 und 12 zurückzuweisen.

Durch Beschluss vom 19. Juli 2001 hat die Gebrauchsmusterabteilung II das Streitgebrauchsmuster im Umfang der Schutzansprüche 7 bis 12 gelöscht. Zur Begründung ist ausgeführt, das Streitgebrauchsmuster habe sich in seinem verteidigten Umfang mangels Schutzfähigkeit als nicht rechtsbeständig erwiesen. Daneben könne die Frage, ob das Gebrauchsmuster auch aufgrund einer unzulässigen Erweiterung im Sinne von § 15 Abs 1 Nr 3 GebrMG zu löschen sei, dahingestellt bleiben.

Der Antragsgegner hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt. Er verteidigt das Streitgebrauchsmuster im Umfang des in der mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2001 gestellten Hilfsantrags, hilfsweise mit einem oder mehreren dieser Ansprüche gemäß diesem Hauptantrag sowie den beiden neuen, am 22. Februar 2002 eingereichten Ansprüchen 16 und 17.

Die Schutzansprüche gemäß Hauptantrag lauten:

7. Fahrtrichtungsanzeiger, insbesondere für motorisierte Zweiräder, mit einem Gehäuse, welches sich in zumindest eine Längserstreckungsrichtung erstreckt, und einer Haltevorrichtung, die an dem Gehäuse im Wesentlichen parallel zur Längserstreckungsrichtung angeordnet ist, wobei das Gehäuse (1) einen zentralen Durchbruch aufweist, der durch zwei Fenster (5) abgeschlossen wird und wobei das Gehäuse (1) in die Längserstreckungsrichtung länger als senkrecht zur Längserstreckungsrichtung ausgebildet ist und der Durchbruch in Längserstreckungsrichtung länger als senkrecht zu der Längserstreckungsrichtung und senkrecht zu der Durchbruchsrichtung ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Fenster parallel zur Längserstreckungsrichtung länger als senkrecht zu der Längserstreckungsrichtung ausgebildet sind.

8. Fahrtrichtungsanzeiger nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, dass das Gehäuse (1) rotationssymmetrisch ausgebildet ist.

9. Fahrtrichtungsanzeiger nach Anspruch 7 oder 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Fenster (5) das Gehäuse (1) bündig verschließen.

11. Fahrtrichtungsanzeiger, insbesondere für motorisierte Zweiräder, wobei der Fahrtrichtungsanzeiger (13,22) mit dem Lenkerende (19,21) über eine elastische Verbindung schwingungsmechanisch gelenkig verbunden ist und wobei die elastische Verbindung einen bei axialer Stauchung sich in radialer Richtung ausdehnenden Körper (9,16) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass an dem Gehäuse (1) in axialer Richtung ein drehfest mit dem Gehäuse (1) verbundenes Gewinderohr (7) vorgesehen ist, auf welchem der Körper (9,16) angeordnet und durch eine Mutter (10) fixiert ist.

12. Fahrtrichtungsanzeiger, insbesondere für motorisierte Zweiräder, wobei der Fahrtrichtungsanzeiger (13,22) mit dem Lenkerende (19,21) über eine elastische Verbindung schwingungsmechanisch gelenkig verbunden ist und wobei die elastische Verbindung einen bei axialer Stauchung sich in radialer Richtung ausdehnenden Körper (9,16) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass an dem Gehäuse (1) in axialer Richtung ein mit dem Gehäuse (1) verbundenes Gewinderohr (7) vorgesehen ist, auf welchem der Körper (9,16) angeordnet und durch eine Mutter (10) fixiert ist, wobei die Mutter (10) den Körper (9,16) staucht, wenn sie in eine Montagerichtung relative zu dem Gewinderohr (7) gedreht wird, und wobei das Gewinderohr (7) drehfest in Montagerichtung mit dem Gehäuse (1) verbunden ist.

13. Fahrtrichtungsanzeiger mit einem Gehäuse (1), einem Führungsrohr (7) für wenigstens ein Zuleitungskabel (6) und einer auf diesem Führungsrohr (7) befindlichen Haltevorrichtung (8,9,10) sowie mit einer Lampe (2), die über eine Lampenfassung (4) in dem Gehäuse (1) angeordnet ist, insbesondere für motorisierte Zweiräder, dadurch gekennzeichnet, dass er eine Halogenlampe (2) aufweist.

14. Fahrtrichtungsanzeiger nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, dass das Führungsrohr (7), die Lampenfassung (4) und die Halogenlampe (2) koaxial zueinander angeordnet sind.

15. Fahrtrichtungsanzeiger nach einem der Ansprüche 7 bis 9 und 11 bis 14, dadurch gekennzeichnet, dass der Fahrtrichtungsanzeiger an einem Ende eines Zweiradlenkers (19,21) über eine Haltevorrichtung (8,9,10) in einem Lenkerrohr (11) angeordnet ist und dass die Haltevorrichtung (8,9,10) gehäuseseitig ein Distanzstück (8) umfasst, welches in dem Lenkerende (11) angeordnet ist.

Die zusätzlichen Ansprüche 16 und 17 gemäß Hilfsantrag lauten:

16. Fahrtrichtungsanzeiger nach einem der Ansprüche 1 bis 15, dadurch gekennzeichnet, dass der Fahrtrichtungsanzeiger (13,22) mit einem Lenkerrohr (11) über eine elastische Verbindung schwingungsmechanisch gelenkig verbunden ist und die elastische Verbindung einen bei axialer Stauchung sich in radialer Richtung ausdehnenden Körper (9,16) aufweist, wobei an dem Gehäuse (1) ein Gewinderohr (7) vorgesehen ist, auf welchem der Körper angeordnet und durch eine Mutter (10) fixiert ist, wobei der Abstand zwischen Gehäuse und Mutter durch Anziehen der Mutter oder durch Derhen des Gehäuses auf dem Gewinderohr derart verringerbar ist, dass bei Einsetzen des vorgestauchten Körpers in das Lenkerrohr der Körper durch Drehen des Gehäuses stauchbar ist.

17. Fahrtrichtungsanzeiger nach einem der Ansprüche 1 bis 16, dadurch gekennzeichnet, dass der Fahrtrichtungsanzeiger (13,22) mit dem Lenkerende (11) über eine elastische Verbindung schwingungsmechanisch gelenkig verbunden ist und die elastische Verbindung einen bei axialer Stauchung sich in radialer Richtung ausdehnenden Körper (9,16) aufweist, wobei an dem Gehäuse (1) ein Gewinderohr (7) vorgesehen ist, auf welchem der Körper angeordnet und durch eine Mutter (10) fixiert ist, wobei der Abstand zwischen Gehäuse und Mutter durch Anziehen der Mutter oder Drehen des Gehäuses auf dem Gewinderohr verringerbar ist, und wobei in dem Gehäuse ein Anschlag für das Gewinderohr vorgesehen ist.

Zur Begründung macht der Antragsgegner im Schriftsatz vom 20. Februar 2002 geltend, der Gegenstand des verteidigten Schutzanspruchs 7 sei entgegen der von der Gebrauchsmusterabteilung im angefochtenen Beschluss vertretenen Auffassung gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu und beruhe diesem gegenüber auch auf einem erfinderischen Schritt. Entsprechendes gelte sinngemäß für die übrigen anhängigen Schutzansprüche gemäß Haupt- und Hilfsantrag.

Der Antragsgegner, der zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, beantragt (gemäß dem am 22. Februar 2002 eingegangenen Schriftsatz), den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Streitgebrauchsmuster im Umfang des in der mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2001 gestellten Hilfsantrags, hilfsweise im Umfang eines oder mehrerer dieser in erster Linie verteidigten sowie der am 22. Februar 2002 eingereichten Schutzansprüche 16 und 17 aufrechtzuerhalten.

Die Antragsteller beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie machen auch hinsichtlich der neu vorgelegten Schutzansprüche unzulässige Erweiterung geltend und berufen sich im übrigen auf mangelnde Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters im angegriffenen Umfang.

II Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Soweit das Gebrauchsmuster vor der Gebrauchsmusterabteilung nicht mehr verteidigt worden ist, hat es mit der ausgesprochenen Löschung sein Bewenden. Soweit das Gebrauchsmuster nach dem Hauptantrag des Antragsgegners jetzt nicht mehr verteidigt wird, verbleibt es nach § 17 Abs 1 Satz 2 GebrMG bei der Löschung, weil der Widerspruch insoweit fallen gelassen worden ist. Aber auch soweit es noch verteidigt wird, ist der Löschungsantrag begründet. Denn der auf unzulässige Erweiterung (§ 15 Abs 1 Nr 3 GebrMG) gestützte Löschungsanspruch ist gegeben. Der Gegenstand der Schutzansprüche gemäß Haupt- und Hilfsantrag, soweit mit ihnen das Gebrauchsmuster im angegriffenen Umfang noch verteidigt wird, geht über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie als Gebrauchsmuster ursprünglich eingereicht worden ist; dies gilt nicht uneingeschränkt für den Gegenstand der Schutzansprüche 16 und 17, doch ist, soweit hier keine unzulässige Erweiterung vorliegt, eine Verteidigung aus anderen rechtlichen Gründen nicht zulässig.

1. Grundlage für die Beurteilung der geltend gemachten unzulässigen Erweiterung ist die Gebrauchsmusteranmeldung in ihrer ursprünglichen Fassung. Diese Fassung vom 17. März 1999 umfasst neben der Beschreibung und den Zeichnungen sechs Schutzansprüche (vgl die Spezifizierung der "Anlagen" auf dem Anmeldeformblatt). Der mit einer zusätzlichen "Eingabe" gleichfalls am 17. März 1999 eingereichte "neue Anspruchssatz" von zwölf Schutzansprüchen ist laut dieser Eingabe dazu bestimmt, ihn "der Eintragung des Gebrauchsmusters zugrunde zu legen". Die gleichzeitige Einreichung so spezifizierter divergierender Unterlagen ist rechtlich unbedenklich (vgl BPatGE 45, 202).

Diese ursprüngliche Fassung der Gebrauchsmusteranmeldung mit den Schutzansprüchen 1 bis 6 stimmt mit derjenigen der Patentanmeldung überein, aus der sie abgezweigt worden ist. Der Anmeldetag der Patentanmeldung ist also wirksam in Anspruch genommen. Die der Eintragung zugrunde liegenden Schutzansprüche 1 bis 12 in der Fassung vom 17. März 1999, soweit sie angegriffen sind, weichen in unzulässiger Weise von der ursprünglichen Anmeldung ab, auch soweit sie in der beschränkten Fassung der Schutzansprüche 7 bis 9 und 11 bis 15 jetzt noch verteidigt werden.

2. Bereits die eingetragenen Schutzansprüche 7 bis 12 des Streitgebrauchsmusters stellen eine unzulässige Erweiterung des erfindungswesentlichen Offenbarungsgehalts der ursprünglichen Unterlagen der Gebrauchsmusteranmeldung dar.

Der eingetragene Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters bringt - wie der Patentanspruch 1 der Stammanmeldung - klar zum Ausdruck, dass es im vorliegenden Fall um einen Fahrtrichtungsanzeiger, insbesondere für motorisierte Zweiräder geht, welcher an einem Ende eines Zweiradlenkers angeordnet ist und eine Masse von mindestens 150 Gramm besitzt. Durch die Festlegung der Mindestmasse soll die Aufgabe gelöst werden, einen Fahrtrichtungsanzeiger zur Montage am Lenkerende eines Motorrades dahingehend weiterzubilden, dass die störenden Vibrationen der Lenkerenden weitestgehend unterbunden werden (vgl Beschreibung Seite 2, 3. Absatz). Der Kerngedanke der anmeldungsgemäßen Lehre ist also darin zu sehen, den Blinkerkörper als sogenannte Tilgermasse auszulegen, durch deren Anbringung am Lenkerende dessen Schwingungen hinsichtlich Amplitude und Frequenz deutlich verringert würden (aaO, Seite 2, Zeile 12 bis 16).

Der hier in Rede stehende Durchschnittsfachmann ist ein mit der Entwicklung und Fertigung motorisierter Zweiräder befasster, berufserfahrener Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Kraftfahrzeugtechnik, der sich im Rahmen seiner Tätigkeit auch mit Fragen der Beleuchtung und der Fahrrichtungsanzeige beschäftigt.

Die Gesamtoffenbarung der für die Streitgebrauchsmusteranmeldung abgezweigten Unterlagen lässt, wie der solchermaßen definierte Durchschnittsfachmann erkennt, keinen anderen Schluss zu, als dass es einzig und allein durch die Einhaltung der Mindestmasse gelingt, das angesprochene technische Problem zu lösen. So kommt auch durch den mittelbaren oder unmittelbaren Rückbezug der abgezweigten Ansprüche 2 bis 6, die mit den eingetragenen Schutzansprüchen 2 bis 6 übereinstimmen, unzweideutig zum Ausdruck, dass der Antragsgegner ursprünglich Fahrtrichtungsanzeiger unter Schutz gestellt haben wollte, welche über diese Mindestmasse verfügen. Auch die in der Beschreibung anhand der Figuren 1 bis 4 erläuterten Ausführungsbeispiele lassen zweifelsfrei erkennen, dass ausschließlich Fahrtrichtungsanzeiger, bei denen diverse konstruktive Einzelheiten mit eben dieser Mindestmasse kombiniert sind, Gegenstand des Streitgebrauchsmusters sein sollen.

So wird in der Beschreibung im Hinblick auf die elastische Aufhängung des Fahrtrichtungsanzeigers am Lenkerende explizit ausgeführt, dass diese Art der Befestigung "zusammen mit der hohen Gehäusemasse zu der sehr guten schwingungsdämpfenden Wirkung" des Anmeldungsgegenstandes führt (Seite 5, Zeilen 23 bis 24). Damit wird unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass trotz zusätzlicher, die Problemlösung fördernder Maßnahmen auf die Mindestmasse des Fahrtrichtungsanzeigers keinesfalls verzichtet werden kann. Mitnichten hat der Erfinder, wie der Antragsgegner geltend macht, zwei "zentrale Schwerpunkte" ausmachen können, die einen Fahrtrichtungsanzeiger, der auch schwingungsdämpfende Eigenschaften aufweist, kennzeichnen. Vielmehr handelt es sich um genau einen "Schwerpunkt", also ein zentrales, für die angestrebte und erzielte Wirkung entscheidendes Kriterium, das wie dargelegt, in der Einhaltung der geforderten Mindestmasse - gegebenenfalls in Kombination mit weiteren technischen Details - zu sehen ist. Der Einwand des Antragsgegners, der für die Schwingungsdämpfung erforderliche Energieabbau könne einerseits durch eine verhältnismäßig große Masse oder andererseits durch bewegliche Dämpferelemente realisiert werden, geht an der zentralen Bedeutung gerade dieses Merkmals für die Lösung vorbei.

In den eingetragenen Schutzansprüchen 7 bis 12 des Streitgebrauchsmusters wird nun allerdings von dem obligaten Kombinationsmerkmal der Mindestmasse abgesehen. Denn die nebengeordneten Ansprüche 7 und 10 bis 12 sowie die auf den Anspruch 7 rückbezogenen Ansprüche 8 und 9 sind auf Fahrtrichtungsanzeiger gerichtet, die insofern über jede beliebige - also auch jede beliebig kleine - Masse verfügen können, als die gemäß den ursprünglichen Abzweigungsunterlagen geforderte Mindestmasse von 150 Gramm darin überhaupt nicht mehr erwähnt ist. Das Streitgebrauchsmuster ist insoweit nicht mehr nur auf den Gegenstand der ursprünglichen Unterlagen (Schutzansprüche 1 bis 6), sondern auf ein aliud gerichtet.

3. Die unzulässige Erweiterung des Streitgebrauchsmusters setzt sich in den verteidigten Schutzansprüchen 7 bis 9 und 11 bis 15 gemäß Haupt- und Hilfsantrag des Antragsgegners fort. Denn auch diese Ansprüche lassen offen, über welche Masse der jeweils beanspruchte Fahrtrichtungsanzeiger verfügen soll.

4. Durch die Formulierung "Fahrtrichtungsanzeiger nach einem der Ansprüche 1 bis 15" bzw "nach einem der Ansprüche 1 bis 16" beziehen sich die Schutzansprüche 16 und 17 gemäß Hilfsantrag auch auf die Ansprüche 1 bis 6 der europäischen Stammanmeldung zurück. Durch die damit verbundene Einbeziehung des Merkmals der Mindestmasse von 150 Gramm wird seitens des Antragsgegners der Versuch unternommen, das Anspruchsbegehren auf einen nicht erweiterten Kern zurückzuführen.

Diese Möglichkeit der Bereinigung einer unzulässigen Erweiterung ist im vorliegenden Fall allerdings nicht gegeben. Denn gegenüber dem gestellten Antrag auf Löschung des Gebrauchsmusters im Umfang der eingetragenen Schutzansprüche 7 bis 12 kann sich der Antragsgegner nicht mit einem Schutzanspruch verteidigen, durch welchen ein nicht angegriffener Teil des Gebrauchsmusters mitumfasst wird (vgl BPatGE 32, 18; BPatGE 28, 26).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs 3 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 PatG, § 97 Abs 1 ZPO. Dass die Billigkeit eine andere Kostenentscheidung erfordert, ist nicht ersichtlich.

Goebel Dr. Gottschalk Dr. Häußler Fa






BPatG:
Beschluss v. 15.01.2003
Az: 5 W (pat) 454/01


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