Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. September 2009
Aktenzeichen: 24 W (pat) 10/08

(BPatG: Beschluss v. 15.09.2009, Az.: 24 W (pat) 10/08)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patentund Markenamts vom 27. Februar 2007 und vom 16. November 2007 aufgehoben, soweit der angemeldeten Marke die Eintragung versagt worden ist.

Gründe

I.

Die nachfolgende Darstellungwurde am 3. November 2005 zur Eintragung als Marke für Waren in Klasse 16 sowie Dienstleistungen in den Klassen 35, 38 und 42 angemeldet.

Seitens der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patentund Markenamts ist die Anmeldung nach vorangegangener Beanstandung in einem ersten Beschluss vom 27. Februar 2007 teilweise, nämlich für

"Aufkleber; Bilder; Bücher; Druckereierzeugnisse; Farbdrucke; Fotografien; grafische Darstellungen; grafische Reproduktionen; Kalender; Kataloge; Magazine (Zeitschriften); Plakate; Postkarten; Prospekte"

als beschreibende und deshalb freihaltebedürftige sowie nicht unterscheidungskräftige Angabe (gem. § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG) zurückgewiesen worden.

"Halcyon" sei ein Ort in Kalifornien und werde mit der theosophischen Organisation "Tempel der Menschheit", die dort ihr Hauptquartier habe, gleichgesetzt. Die beanspruchten Waren könnten sich inhaltlich mit dieser Vereinigung bzw. dem Ort beschäftigen, selbst wenn diese bisher wenig bekannt sein sollten. Dem Beschluss waren Internet-Ausdrucke (3 Bl.) beigefügt.

Die Erinnerung des Anmelders ist durch Beschluss der Markenstelle vom 26. November 2007 zurückgewiesen worden.

Der Erinnerungsprüfer -ein Beamter des höheren Dienstes -wiederholt und vertieft die Argumente des Erstbeschlusses. Im Hinblick auf das Interesse von Konkurrenten des Anmelders, deren Angebote gleichfalls verfahrensgegenständliche Waren zum Thema "Halcyon" beinhalteten, hierauf unbehindert von Monopolrechten werbemäßig hinweisen zu können, stehe einer Eintragung des angemeldeten Zeichens ein "extrem hohes Freihaltebedürfnis" entgegen. Dieses werde durch die konkrete Gestaltung des Zeichens, die sich im Rahmen des Werbeüblichen halte, nicht beseitigt. Zudem fehle jegliche Unterscheidungskraft, da es bestimmte, auf dem Gebiet der Theosophie bewanderte Verkehrskreise gebe, welchen die Bedeutung des Ortsnamens "Halcyon" vertraut sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er beantragt (sinngemäß), die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 vom 27. Februar 2007 und vom 26. November 2007 im Umfang der Versagung aufzuheben.

Der Anmelder beschränkt das Warenverzeichnis in Klasse 16 wie folgt:

"Aufkleber; Bilder; Bücher, Druckereierzeugnisse; Drucktypen (Zahlen und Buchstaben); Farbdrucke; Fotografien; grafische Darstellungen; grafische Reproduktionen; Kalender; Kataloge; Magazine (Zeitschriften); Plakate; Postkarten; Prospekte; sämtliche vorgenannte Waren ausschließlich in Bezug auf Entwicklung und Umsetzung von Marketingstrategien, Entwicklung und Umsetzung von Markenentwicklung und -gestaltung, Entwurf, Gestaltung und Umsetzung von Unternehmensidentitäten (corporate identity), Entwurf, Gestaltung und Umsetzung von Internetauftritten und Online-Shops, Entwurf und Gestaltung von Produktaufmachungen, Werbematerialien und Produktbroschüren"

Er ist der Ansicht, durch die thematische Beschränkung der Waren auf spezielle Themen im Bereich Werbung und Marketing sei die freie Verfügbarkeit (der Bezeichnung "Halcyon") für Waren, die den betreffenden Ort in Kalifornien oder die theosophische Organisation zum Gegenstand hätten, gewährleistet. Ungeachtet dessen sei die angemeldete Marke bereits aufgrund der graphischen Ausgestaltung, nämlich der ungewöhnlichen, in dieser Form eher unbekannten Schriftart unterscheidungskräftig.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Inhalt der Amtsund Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Anmelders ist zulässig und begründet. Die als Marke angemeldete Darstellung unterliegt für die jetzt noch verfahrensgegenständlichen Waren in Klasse 16 -unter Mitberücksichtigung der in der Beschwerdeinstanz vorgenommenen Einschränkung -keinen Schutzhindernissen nach § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG.

1. Das als Marke angemeldete -und wie eine Marke wirkende "Schriftgebilde", welches das Wort "Halcyon" verkörpert, ist für die betreffenden Waren unterscheidungskräftig (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren (oder Dienstleistungen) als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR Int. 2005, 135, Nr. 29 -Maglite; BGH GRUR 2009, 411, Nr. 8 -STREETBALL). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren (oder Dienstleistungen) zu gewährleisten. Die Unterscheidungskraft einer Marke ist im Hinblick auf jede der beanspruchten Waren zu beurteilen, wobei es auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise ankommt. Dabei ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren abzustellen (vgl. Ströbele in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 53, 81, 83 m. w. Nachw.).

Ob die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke bereits aus der besonderen Schriftgestalt folgt, kann dahingestellt bleiben. Zwar mag ein durchschnittlicher deutscher Verbraucher von Waren der vorliegend betroffenen Art unter Umständen einige Mühe haben, in der Marke das Wort "Halcyon" zu erkennen -vor allem im Hinblick auf den Anfangsbuchstaben, der auch ein "K" oder die (verschlungene) Buchstabenfolge "Jl" verkörpern könnte -, jedoch ist andererseits zu bedenken, dass die gewählte Schriftart international, vor allem im angloamerikanischen Sprachbereich, nicht untypisch ist.

Das Vorliegen des erforderlichen (Mindest-) Maßes an Unterscheidungskraft ergibt sich aber daraus, dass der Begriff "Halcyon" nicht zu dem deutschen Durchschnittsverbrauchern vertrauten Grundwortschatz der englischen Sprache zählt, und zwar weder in seiner Hauptbedeutung (= Eisvogel; vgl. Langenscheidts Handwörterbuch Englisch, Teil I, S. 296), noch im Hinblick auf die geographische bzw. weltanschauliche Bedeutung, auf welche die Markenstelle abgestellt hat.

2. Einer Registrierung der angemeldeten Marke für die beschwerdegegenständlichen Waren steht auch nicht die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen; denn die um Schutz nachsuchende Darstellung -selbst wenn nur auf das Wort "Halcyon" abgestellt wird -besteht nicht ausschließlich aus Zeichen oder Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft oder sonstiger Merkmale der Waren dienen können.

Völlig fern liegend wäre die Annahme -von der auch die Markenstelle in den angefochtenen Beschlüssen nicht ausgegangen ist -, die beanspruchten Bilder, Druckereierzeugnisse, Fotografien usw. könnten Abbildungen von oder Berichte über Eisvögel enthalten. Denn da in breiten deutschen Verbraucherkreisen dieser englischsprachige Begriff unbekannt ist, liegt es nicht nahe, ihn beim inländischen Absatz betreffender Waren zu verwenden.

Als geographische Herkunftsangabe im engeren Sinn kommt "Halcyon" ebenfalls nicht ernsthaft in Betracht. Zum Einen ist der so genannte Ort in Kalifornien deutschen Durchschnittsverbrauchern im Allgemeinen nicht bekannt, zum Anderen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Ort mit den beanspruchten Waren -unter Mitberücksichtigung des sog. Disclaimers, der in dieser Form grundsätzlich zulässig ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, Nr. 115 -Postkantoor) gegenwärtig oder in Zukunft in Verbindung gebracht werden könnte (EuGH GRUR 1999, 723, 726, Nr. 31, 32 -Chiemsee; BGH GRUR 2003, 882, 883 -Lichtenstein; BGH, Beschluss vom 20.05.2009 -I ZB 107/08 -Vierlinden, S. 7 des Umdrucks). Ein generelles Verbot der Registrierung von Ortsnamen als Marken lässt sich der Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, der Art. 3 Abs. 1 c) der Markenrichtlinie in deutsches Recht umsetzt, nicht entnehmen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 726, Nr. 33 -Chiemsee).

Im Ansatz zutreffend ist allerdings die Auffassung der Markenstelle, die Bezeichnung eines als solchen unbekannten (oder völlig unbedeutenden) Ortes könne auch dann unter das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG fallen, wenn dieser aus anderen Gründen, z. B. weil dort eine religiöse oder weltanschauliche Gemeinschaft ihren Sitz hat, im inländischen Verkehr Bekanntheit genießt (wie z. B. "Taize"). In einem derartigen Fall steht nicht so sehr die geographische Herkunftsangabe im Vordergrund, sondern die Vorstellung, die betreffenden Waren könnten von ihrem Gegenstand her -etwa dem Inhalt einer Druckschrift -einen Bezug zu der betreffenden, mit diesem Ort gleichgesetzten Gemeinschaft aufweisen.

Allerdings ist auch hier Voraussetzung für die Schutzversagung, dass die betreffende religiöse/weltanschauliche Gruppierung bei den Abnehmern der beanspruchten Waren -also nicht speziell in Kreisen, die ein besonderes Interesse an religiösen oder esoterischen Fragestellungen haben -hinreichende Bekanntheit genießt. Dies lässt sich aber im vorliegenden Fall -entgegen der Ansicht der Markenstelle -nicht feststellen. In gedruckten deutschsprachigen Wörterbüchern/Lexika/Enzyklopädien, soweit sie dem Senat zugänglich sind, finden sich keine Hinweise auf den Ort "Halcyon" und die dort ansässige (theosophische) Gemeinschaft. Lediglich die Internet-Enzyklopädie Wikipedia vermittelt die Information, dass die theosophische Organisation "Tempel der Menschheit" (= Temple of the People) ihr Hauptquartier in Halcyon/Kalifornien hat und dieser Ort häufig mit der betreffenden "Community" gleichgesetzt werde. Weiter heißt es dort, der "Tempel der Menschheit" in Halcyon bestehe aus etwa 120 Personen, weltweit gebe es etwa 200 eingetragene Mitglieder. Selbst bei angemessener Berücksichtigung des Umstands, dass es auch eine deutsche Sektion dieser Gemeinschaft gibt, handelt es sich doch um eine vergleichsweise sehr kleine Organisation, die in allgemeinen deutschen Publikumskreisen keine Bekanntheit genießt. Unter diesen Umständen liegt es fern, von einem Freihaltungsinteresse (erst recht nicht von einem "extrem hohen Freihaltebedürfnis", wie der Erinnerungsprüfer angenommen hat) an dem Wort "Halcyon" in der als Marke angemeldeten Schriftgestaltung auszugehen.

Die Beschlüsse der Markenstelle können daher keinen Bestand haben und sind auf die Beschwerde des Anmelders hin aufzuheben.

Vorsitzender Richter Eisenrauch Viereck Prof. Dr. Hacker ist wegen einer Dienstreise an der Unterschrift verhindert.

Viereckbr/Me






BPatG:
Beschluss v. 15.09.2009
Az: 24 W (pat) 10/08


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