Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 13. Oktober 2006
Aktenzeichen: 1 A 4365/05.PVB

(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 13.10.2006, Az.: 1 A 4365/05.PVB)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Antragsteller auf der einen, die Beteiligten zu 1. und 2. auf der anderen Seite streiten darum, ob die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BPersVG vorliegen, unter denen die Verwaltungsgerichte im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren (§ 83 Abs. 1 i.V.m. § 47 Abs. 1 i.V.m. § 83 Abs. 2 BPersVG) berufen sind, die Zustimmung zu der vom Antragsteller gegenüber dem Beteiligten zu 1. beabsichtigten außerordentlichen Kündigung zu ersetzen, nachdem der Beteiligte zu 2. dieser Absicht nicht zugestimmt hat.

Dem Streit liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:

Der Beteiligte zu 1. ist am 00.00.0000 geboren, jetzt also Jahre alt. Er ist ledig, schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50. Als Behinderungen sind eine Polyneuropathie und ein Diabetes melitus anerkannt. Ihm ist außerdem das Merkzeichen „G" zuerkannt.

Seit dem 1. Januar 2000 ist der Beteiligte zu 1. in der Außenstelle Q. des Bildungszentrums der Bundesfinanzverwaltung als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Er wurde als Mitarbeiter „Systemverwaltung/ Netze" im Sachgebiet Informationstechnik als Systemtechniker im IT-Bereich verwendet. Dort oblag ihm u.a. die Wartung und der Austausch von Druckern. Er ist ordentliches gewähltes Mitglied des bei dem Bildungszentrum gebildeten Personalrats. Bei der Außenstelle Q. handelt es sich nicht um eine selbständige Dienststelle im Sinne des § 6 Abs. 3 BPersVG.

Unter dem Datum des 2. Mai 2005 unterrichtete der Antragsteller den Beteiligten zu 2. von seiner Absicht, das mit dem Beteiligten zu 1. bestehende Arbeitsverhältnis durch außerordentliche Kündigung zu beenden und bat den Beteiligten zu 2. um Zustimmung. Der Entschluss zur Kündigung beruhte auf folgenden Ereignissen: Am 22. April 2005 fand ein Personalgespräch mit dem Beteiligten zu 1. in der Dienststelle Q. statt, das der dortige Dienststellenleiter (Dr. T. ) und der Sachbearbeiter Personal (U. ) führten. Anlass zu diesem Gespräch war ausweislich eines Aktenvermerks des Dienststellenleiters vom 22. April 2005 der Umstand, dass der Beteiligte zu 1. im damaligen Geschäftsjahr bereits viermal mit insgesamt 27 Arbeitstagen erkrankt war und geklärt werden sollte, ob hierfür zumindest auch dienstliche Umstände ursächlich sein könnten. Das Personalgespräch enthielt auch einen Gedankenaustausch zu anderen Verwendungen des Beteiligten zu 1.. Eine mit dem Dienst zusammenhängende Ursache der Erkrankungen wurde nicht festgestellt.

Dieses Gespräch betreffend wollte der Sachbearbeiter Personal seinerseits einen Vermerk weiter bearbeiten, den er unter „Eigene Dateien" bereits am Freitag, dem 22. April 2005, begonnen und in seinem APC abgespeichert hatte. Da das Dokument am 26. April 2005 wegen anderweitiger Verwendung durch einen anderen Nutzer von dem Personalsachbearbeiter nicht geöffnet werden konnte, erfolgten Nachforschungen, die auf den Beteiligten zu 1. führten. Dieser räumte am 27. April 2005 ein, am Vortag zweimal auf den APC des Sachbearbeiters Personal zugegriffen zu haben, um zu sehen, was in Aktenvermerken über ihn geschrieben worden sei.

Die über die entsprechenden Ermittlungen gefertigten Vermerke vom 27. April 2005 und 2. Mai 2005 enthalten darüber hinaus ausführliche Darstellungen über Umstände, aus denen der Verdacht abgeleitet werden konnte, der Beteiligte zu 1. habe nicht nur zweimal, sondern fünfmal auf Dokumente im APC des Sachbearbeiters Personal sowie auch auf weitere Rechner - unter anderem den des Dienststellenleiters - der Außenstellen zugegriffen. In wieviel Fällen dies dienstlich notwendig gewesen sein könnte, war ausweislich der Aktenvermerke nicht mehr nachvollziehbar. Einem weiteren Aktenvermerk vom 28. April 2005 ist zu entnehmen, dass dem Beteiligten zu 1. unverzüglich nach Aufdeckung seines Verhaltens die Administratorenrechte entzogen wurden.

Der Beteiligte zu 1. wurde nicht vom Dienst suspendiert. Er war in der Zeit vom 26. Mai 2005 bis 30. November 2005 arbeitsunfähig. Seit dem 1. Dezember 2005 wird er in der Reisekostenstelle der Außenstelle Q. beschäftigt. Seit Anfang Juli 2006 ist ihm ein Teil der Küchenbuchhaltung übertragen worden.

Mit Schreiben vom 2. Mai 2005 bat der Antragsteller den Beteiligten zu 2. um Zustimmung zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 1.

Der Bitte waren unter anderem die Vermerke vom 27., 28. April und 2. Mai 2005 als Anlagen beigefügt. Sie enthielt zur Begründung des Kündigungsentschlusses folgende Ausführungen:

„Aus den o.a. Vermerken ist ersichtlich, dass er sich in mindestens zwei - von ihm unbestrittenen - Fällen am 26. April 2005 gegen 10.00 Uhr und 12.30 Uhr unberechtigterweise Zugang zu geschützten Daten (vgl. § 43 Abs. 3 Nr. 3 BDSG) verschafft hat. Sein Verhalten ist mit einer ordnungsgemäßen Systemverwaltung nicht zu vereinbaren, denn es gehört nicht zu seinen Aufgaben und Befugnissen als Mitarbeiter Systemverwaltung/Netze im Sachgebiet Informationstechnik, sich Zugang zu nach dem BDSG geschützten personenbezogenen Daten, die nicht offenkundig sind, zu verschaffen und diese einzusehen.

Herr Q1. wusste um die Pflicht- und Rechtswidrigkeit seines Handelns (vgl. auch anliegende Niederschrift und Merkblatt vom 17.12.1999) und verstieß bewusst gegen bestehende datenschutzrechtliche Bestimmungen, um an die von ihm begehrten Informationen zu gelangen. Dadurch hat er in äußerst schwerwiegender Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Kernpflichten verstoßen, indem er seine Vertrauensstellung als Mitarbeiter in der Systemverwaltung missbrauchte, was einen gravierenden Vertrauensbruch darstellt und nicht hingenommen werden kann. Die Vertrauensgrundlage zwischen den Vertragsparteien ist aufgrund seines Verhaltens derart erschüttert, dass sie durch eine bloße Abmahnung nicht geheilt werden kann. Aus der Mitgliedschaft des Herrn Q1. im Personalrat des Bildungszentrums der BFV folgt einerseits der besondere Schutz des § 47 Abs. 1 BPersVG. Andererseits ist ihm aufgrund seiner Personalratsarbeit aber auch die Bedeutung der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen zum Schutze der Beschäftigten besonders geläufig (§ 68 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG).

Am 29.04.2005 hat der Vorsitzende des Personalrates dem Unterzeichner mitgeteilt, Herr Q1. habe erklärt, dass er auch psychisch erkrankt wäre und sich deswegen seit längerer Zeit in ärztlicher Behandlung befände. Diese Behauptung steht jedoch im Widerspruch zu dem Ergebnis des Schwerbehindertengesprächs gemäß Anlage 3 Nr. 4 BRZV, das am 22.04.2005 von RD Dr. T. im Beisein von ZOAR U. mit dem Angestellten geführt wurde. Bei diesem Gespräch wurde unter anderem der Umfang der Schwerbehinderung und die Auswirkungen auf die Arbeits- und Verwendungsfähigkeit erörtert; eine bestehende nicht unbedeutende psychische Erkrankung hätte vom Angestellten in seinem eigenen Interesse unbedingt erwähnt werden müssen, was jedoch nicht der Fall war. Die nachträgliche Behauptung der psychischen Erkrankung ist daher als Schutzbehauptung zu werten, zumal VA Q1. in diesem Gespräch nicht nur sein Interesse an verantwortungsvolleren Tätigkeiten bekundete, sondern sich auch dazu in der Lage sah (letzter Absatz des Vemerks von AV 2-20 vom 27.04.2005 und auf den letzten Abssatz auf Seite 2 seines Vermerks vom 02.05.2005).

Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe liegen nicht vor; daher beabsichtige ich nach Zustimmung des örtlich zuständigen Integrationsamtes N. wegen des rechtswidrigen und schuldhaften Pflichtenverstoßes, das bestehende Arbeitsverhältnis mit Herrn Q1. aus verhaltensbedingten Gründen gemäß § 54. 1 BAT-O i.V.m. § 626 Abs. 1 BGB außerordentlich zu kündigen. ... Ich bitte Sie, der vorgesehenen Maßnahme gemäß § 47 Abs. 1 BPersVG unter Verwendung des anliegenden Abdrucks dieses Schreibens zuzustimmen."

Der Beteiligte zu 2. äußerte sich auf dieses Zustimmungsersuchen nicht.

Das Integrationsamt beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe stimmte der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 17. Mai 2005 am 18. Mai 2005 zu.

Am 19. Mai 2005 hat der Antragsteller bei der Fachkammer für Personalvertretungssachen (Bund) des Verwaltungsgerichts N. den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung unter Darlegung des Sachverhaltes und insoweit - wegen der Einzelheiten - unter erneuter Bezugnahme auf die beigefügten Vermerke gestellt.

Die Bewertungen des Verhaltens des Beteiligten zu 1. durch den Antragsteller sind wortgleich mit denjenigen im Zustimmungsersuchen an den Beteiligten zu 2. wiederholt. Dem Vorbringen des Beteiligten zu 1., er habe sich in einem rational nicht unbedingt nachvollziehbarem Druck hinsichtlich seiner weiteren Zukunft in der Dienststelle befunden, der durch zwei erfolglose Bewerbungen und durch das Personalgespräch hervorgerufen worden sei, ist der Antragsteller mit dem Hinweis entgegengetreten, dass der Beteiligte zu 1. derartiges von sich aus zuvor, d.h. vor Entdeckung seines Fehlverhaltens, nicht geäußert habe.

Der Antragsteller hat beantragt,

die Zustimmung des Beteiligten zu 2. zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 1. zu ersetzen.

Der Beteiligte zu 1. hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Beteiligte zu 2. hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Beteiligte zu 1. hat sich im Wesentlichen darauf berufen, eine Kurzschlusshandlung begangen zu haben, die seine anderweitige Verwendung in der Dienststelle nicht unzumutbare mache. Er hat das ärztliche Attest eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 6. September 2005 vorgelegt, wonach er seit Jahren an depressiven Stimmungen, Angstzuständen und Schlafstörungen leidet. Die Symptomatik habe sich in den letzten Monaten wegen Konflikten am Arbeitsplatz deutlich verstärkt. Er befinde sich in psychiatrischer Behandlung und erhalte Psychopharmaka.

Der Beteiligte zu 2. hat die Auffassung vertreten, dass das Verhalten des Beteiligten zu 1. an sich nicht zu rechtfertigen sei und ohne Zweifel einen Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten darstelle. Nach dem Personalgespräch zwischen dem Leiter der Außenstellen Q. , dem Personalleiter und dem Beteiligten zu 1. sei letzterer an dem folgenden Wochenende einer starken psychischen Belastung ausgesetzt gewesen. Deshalb habe er unter Verletzung seiner Pflichten Daten, die nur ihn selbst betrafen, auf dem PC des Personalleiters geöffnet und gelesen. Die Weiterbeschäftigung sei für den Beteiligten zu 1. von existenzieller lebenswichtiger Bedeutung, da er als schwerbehinderter Mensch im Alter von 41 Jahren voraussichtlich keine anderweitige Beschäftigung mehr finden werde. Er habe seine Arbeit in den mehr als fünf Jahren seiner Tätigkeit im Bildungszentrum in Q. immer ordentlich und beanstandungsfrei erledigt. Für den Antragsteller sei es zumutbar, den Beteiligten zu 1. außerhalb des IT-Bereiches weiter zu beschäftigen.

Die Fachkammer des Verwaltungsgerichts hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 19. Oktober 2005 den Antrag abgelehnt. Auf die den Beteiligten bekannten Gründe der Entscheidung wird Bezug genommen.

Gegen die ihm am 27. Oktober 2005 zugestellte Entscheidung hat der Antragsteller anwaltlich vertreten am 16. November 2005 Beschwerde eingelegt und diese - nach entsprechend eingeräumter Verlängerung der Frist zur Begründung der Beschwerde - am 27. Januar 2006 begründet. Er tritt der Bewertung der Fachkammer des Verwaltungsgerichts u.a. mit der Behauptung entgegen, der Antragsteller sei Systemverwalter mit entsprechend weitgehenden Befugnissen und Möglichkeiten des Zugriffs auf die Daten der Nutzer gewesen, die auch im Personalbereich gesondert zu sichern nicht üblich sei.

Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Beschluss zu ändern und nach dem Antrag I. Instanz zu beschließen.

Die Beteiligten zu 1. und 2. beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 1. weist darauf hin, dass er nicht Systemverwalter gewesen sei. Er sei lediglich Systemtechniker gewesen. Als solcher habe er nicht die vom Antragsteller vorgetragenen umfassenden Zugriffsrechte gehabt. Der Zugriff auf die Datei des Herrn U. sei auch nur möglich gewesen, weil dieser die Datei auf dem Desktop seines Computers gehabt habe. Wäre sie in der persönlichen Ablage des Herrn U. abgelegt worden, hätte er keine Zugriffsmöglichkeit gehabt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Antrag, die fehlende Zustimmung des Beteiligten zu 2. zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 1. zu ersetzen, ist nicht begründet. Seine Grundlage ist der dem Beteiligten zu 2. vom Antragsteller im Zeitpunkt der Einholung der Zustimmung unterbereite Sachverhalt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Oktober 1996

- 1 A 511/95.PVL -.

Insoweit hat sich die Unterrichtung des Beteiligten zu 2. durch den Antragsteller auf den Inhalt des Schreibens vom 2. Mai 2005 nebst dessen Anlagen beschränkt; hier sind insbesondere die drei Aktenvermerke in Bezug genommen worden. Das so angebrachte Ersuchen um Zustimmung genügt schon nicht den - formellen - Anforderungen, denen ein derartiges Ersuchen genügen muss. Vor allem müssen die Kündigungsgründe, die aus der Sicht des Arbeitgebers - hier: des Dienststellenleiters - ausschlaggebend sind, vollständig mitgeteilt werden. Dies ist nicht nur quantitativ sondern vor allem qualitativ - inhaltlich - zu verstehen. So genügen pauschale Werturteile grundsätzlich nicht. Die aus der Sicht des Arbeitgebers maßgeblichen Tatsachen sind so detailliert mitzuteilen, dass der Personalrat ohne weitere eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen. Er muss sich nach dem Inhalt des Zustimmungsersuchens ohne weiteres in die Lage versetzt sehen, endgültig eine Entscheidung zu treffen. Deswegen sind auch entlastende Momente darzulegen, soweit sie in die Kündigungsüberlegungen eingeflossen sind. Eine danach unvollständige oder unrichtige, offene oder irreführende Information kann nicht Grundlage einer wirksamen Zustimmung und Kündigung sein.

Vgl. Fischermeier, Die Beteiligung des Betriebsrats bei außerordentlichen Kündigungen ... ZTR 1998, 433 (435); Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 10. Aufl., § 47 Rn. 19.

Das Zustimmungsersuchen vom 2. Mai 2005 genügt den genannten Anforderungen nicht. Es weist vielmehr - formelle - Mängel auf, die zu seiner Unwirksamkeit führen.

Dem Schreiben vom 2. Mai 2005 selbst ist schon der genaue Anlass, aus denen der Antragsteller den Entschluss zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 1. erwogen hat, nicht hinreichend sicher zu entnehmen. Dem Leser des Schreibens und der in ihm in Bezug genommenen Vermerke erschließt sich vor allem nicht, von welchem Verhalten des Beteiligten zu 1. genau der Antragsteller ausgegangen ist, soweit er als aus den Vermerken ersichtlich den Umstand bezeichnet, dass der Beteiligte zu 1. „sich in mindestens zwei - von ihm unbestrittenen - Fällen" unberechtigterweise Zugang zu geschützten Daten verschafft habe. Die zitierte Wendung lässt in Verbindung mit dem Inhalt der beigefügten und ausdrücklich in Bezug genommenen Vermerke offen, ob und gegebenenfalls mit welchem Gewicht etwa weitere Verfehlungen des Beteiligten zu 1. zum Kündigungsentschluss geführt hatten. Es fehlt insbesondere jeder Hinweis darauf, dass insoweit ausschlaggebend und unter Ausschluss etwaiger weiterer Verdachtsmomente allein das unbestrittene Fehlverhalten des Beteiligten zu 1. die außerordentliche Kündigung rechtfertigen sollte. Die nach entsprechender Erörterung der Problematik vor dem Fachsenat erfolgte Bekräftigung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers, dass letzeres so gemeint war, wird durch den Inhalt des Zustimmungsersuchens nicht gestützt. Bezeichnend ist insoweit, dass die Fachkammer des Verwaltungsgerichts - davon nicht unerheblich abweichend - als maßgeblichen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, dass der Beteiligte zu 1. auf fünf Dokumente zugegriffen hat, was dem Beteiligten zu 1. in dem Zustimmungsersuchen so nicht vorgeworfen worden ist, sich als mögliches Detail des Sachverhalts aber aus den beigefügten Vermerken ergibt. Dies beleuchtet mit Blick auf die vielfältigen weitergehenden Verdachtsmomente, die in den in Rede stehenden Vermerken enthalten sind, dass der Personalrat sich den Sachverhalt am Ende selbst hätte aussuchen müssen, da die Wendung über die „mindestens zwei Fälle" die Möglichkeit weiterer Verfehlungen unterstellt, ohne sie entweder - auch im Sinne eines ausreichenden Verdachts - festzumachen oder auszuschließen.

Die zur Rechtswidrigkeit des Zustimmungsersuchens - und damit zu seiner Unwirksamkeit - führende Offenheit des Sachverhalts betrifft ferner den dem Antragsteller bekannten Umstand, dass der Beteiligte zu 1. - nach Entdeckung seines Verhaltens - schon Ende April 2005 auf seine psychische Labilität hingewiesen hat. Diesen Umstand hat der Antragsteller in dem Zustimmungsersuchen selbst ersichtlich als einen seinen Kündigungsgründen gegebenenfalls durchgreifend widerstreitenden Umstand erkannt, was seine ausführliche Erwähnung in dem Zustimmungsersuchen (Seite 2, 2. Absatz) belegt. Diesen Umstand ohne nähere Untersuchung des sachlichen Hintergrundes und ohne nähere Hinterfragung - zum Beispiel durch Einholung einer amtsärztlichen Stellungnahme - als Schutzbehauptung abzutun, wie dies durch den Antragsteller geschehen ist, widerspricht den rechtlichen Anforderungen an das Zustimmungsersuchen dahin, dass dem Personalrat ein feststehender Sachverhalt sowohl hinsichtlich der den Betroffenen belastenden als auch der ihn entlassenden Umstände zu unterbreiten ist, soweit jene Umstände wie hier als nicht unerheblich erkannt worden sind. Die Anforderungen, die an die Sorgfalt der Sachverhaltsermittlungen insoweit an den Arbeitgeber zu stellen sind, bleiben nicht hinter denjenigen zurück, die zum Beispiel bei Entfernung eines Beamten aus dem Dienst oder im Falle vorzeitiger Zurruhesetzung aus Gründen der Dienstunfähigkeit gefordert sind. Genügt das Zustimmungsersuchen aber wie hier allen diesen Anforderungen nicht, versetzt es den Personalrat nicht in die Lage, verantwortlich darüber zu befinden, ob die Zustimmung erteilt werden kann oder gar erteilt werden muss. Eine derartige den rechtlichen Anforderungen nicht genügende Einleitung des Zustimmungsverfahrens gegenüber dem Beteiligten zu 2. führt nicht auf die Ersetzung der Zustimmung durch das Gericht. Die nach Erörterung auch dieser Fragestellung vor dem Fachsenat erfolgte Bekräftigung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers, die psychische Labilität des Beteiligten zu 1. sei für den Antragsteller ohne Bedeutung gewesen, findet in dem zu beurteilenden Sachverhalt keine hinreichende Stütze. Es liegt vielmehr auf der Hand, dass insoweit ein gegebenenfalls abwägungsrelevanter Umstand im Zusammenhang mit der erforderlichen Gewichtung der konkreten Umstände des Einzelfalles zu bedenken war und tatsächlich auch bedacht worden ist. Dass das Vorbringen zu der psychischen Labilität des Beteiligten zu 1. durch den Antragsteller als Schutzbehauptung abgetan wurde, sie deswegen am Ende für den Antragsteller keine Rolle spielen konnte, betrifft das Ergebnis der vorgenommenen Abwägung, nicht aber die zutreffend erkannte Abwägungsrelevanz jener Labilität.

Abgesehen davon wäre die außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 1. hier nicht im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 2 BPersVG gerechtfertigt. Diese würde einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB voraussetzen, d.h. es müssten Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der (wegen § 15 Abs. 2 KSchG) hier fiktiven Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Vgl. BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 - 2 AZR 581/04 -, NJW 2006, 540 (541); Urteil vom 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 -, PersR 2006, 289 (290 f.); Beschluss vom 16. Dezember 2004 - 2 ABR 7/04 -, AP Nr. 191 zu § 626 BGB.

In Beachtung der insoweit vorgreiflichen Rechtsprechung des BAG,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2002

- 6 PB 7.02 -, PersV 2003, 152,

haben die Interessen des Beteiligten zu 1. Vorrang. Dabei mag der dienstlich nicht veranlasste, aus persönlichen Gründen erfolgte Zugriff auf Dateien anderer, der Personalabteilung einer Dienststelle angehörenden Nutzer an sich geeignet sein, ohne Beachtung der besonderen Umstände des Einzelfalles einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben, wenn der Zugriff - wie hier - durch einen Techniker der Systemverwaltung erfolgt.

Vgl. zum Erfordernis der zweistufigen Prüfung des wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB: BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 - 2 AZR 581/04 -, NJW 2006, 540 (541).

Die Beachtung aller hier wesentlichen, vernünftigerweise in Betracht kommenden (besonderen) Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, führt hier aber auf die schon zutreffend von der Fachkammer des Verwaltungsgerichts vorgenommene, von dem Beteiligten zu 2. ebenfalls vertretene Bewertung, dass die Verfehlungen des Beteiligten zu 1. nicht von einem derartigen Gewicht waren, dass es dem Antragsteller nicht zumutbar gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der hier fiktiv anzunehmenden Frist für eine ordentliche Kündigung fortzuführen.

Zwar bedurfte es hier keiner vorhergehenden Abmahnung, weil der Beteiligte zu 1. die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens ohne weiteres hat erkennen können und auch erkannt hatte.

Vgl. zur Abmahnung allg. BAG, Urteil vom 7. Juli 2005, a.a.O., Seite 542 sowie Urteil vom 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 -, PersV 2006, 355 (359)

Die insoweit aber die Besonderheiten des Falles einschließende umfassende Abwägung der Interessen des Antragstellers an einer umgehenden Lösung des Arbeitsverhältnisses mit den gegenläufigen Interessen des Beteiligten zu 1. führt auf eine dem Beteiligten zu 1. günstige Gewichtung. Insoweit ist zwar einzustellen, dass das Verhalten des Beteiligten zu 1. auch dann einen nicht leicht wiegenden Vertrauensmissbrauch darstellt, wenn man von nur zwei - den zugestandenen - Fällen des Zugriffs auf den APC des Personalsachbearbeiters ausgeht. Auf der anderen Seite fällt aber zu Gunsten des Beteiligten zu 1. ins Gewicht, dass er in einer höchstpersönlichen Angelegenheit nicht etwa die Daten anderer Personen, sondern ausschließlich die seine Person betreffenden Daten abfragen wollte. Dass er sich dabei in einer von ihm zum Ausdruck gebrachten Situation jedenfalls der Verunsicherung befand, ist vor dem Hintergrund seiner Bestrebungen, sich zu seinem Vorteil in der Behörde beruflich zu verändern und der zweimaligen vergeblichen Bewerbungen einerseits, seiner häufigen Erkrankungen andererseits durchaus nachvollziehbar. Jene Erkrankungen gaben immerhin selbst der Dienststellenleitung Anlass nachzufassen und eine etwaige dienstliche/behinderungsbedingte Veranlassung der Erkrankungen zu hinterfragen. Dies setzt voraus, dass auch die Dienststellenleitung zugrunde gelegt hat, dass hier nicht zuletzt vor der der Schwerbehinderung des Beteiligten zu 1. zugrundeliegenden Symptomatik eine gewisse psychische Labilität nicht ausgeschlossen werden konnte. Die Gründe dafür, dass der Beteiligte zu 1. diese im Personalgespräch am 22. April 2005 nicht von sich aus offenbart hat, liegen wegen des damaligen Interesses des Beteiligten zu 1. an weiterem beruflichen Fortkommen auf der Hand. Zudem ist der Beteiligte zu 1. in einem Alter, vor dem der Verlust seines Arbeitsplatzes als Beginn eines sozialen Abstiegs in die andauernde Arbeitslosigkeit vorgezeichnet sein dürfte, zumal die Gründe für die „Entlassung" sich am Ende nicht verbergen lassen werden.

Das demgegenüber zu beachtende Interesse des Antragstellers, Nachahmungen vorzubeugen, namentlich Wiederholungen des Fehlverhaltens des Beteiligten zu 1. nicht als beachtliches Risiko tragen zu müssen, ist im Verhältnis dazu nicht vergleichbar gewichtig. Insoweit ist zu bedenken, dass der Beteiligte zu 1. sein Fehlverhalten umgehend eingeräumt hat, und die Umstände, die zu dem Fehlverhalten führten, eher einzigartig sind, sodass weder eine generalpräventive noch eine spezialpräventive Zielrichtung der beabsichtigten Kündigung als durchschlagend erachtet werden kann. Unter den gegebenen Umständen liegt es vielmehr auf der Hand, dass der Beteiligte zu 1. die Androhung der Kündigung als ausreichenden Anstoß für ein zukünftig vertragstreues Verhalten verstanden und die Fähigkeit hat, sein Verhalten wie die Jahre zuvor daran auszurichten. Der Antragsteller hat immerhin dem Vortrag des Beteiligten zu 2. nicht widersprochen, nach welchem die Arbeitsleistungen des Beteiligten zu 1. in den mehr als fünf Jahren seiner Tätigkeit im Bildungszentrum Q. immer ordentlich und beanstandungsfrei gewesen seien. Schließlich ist in die abwägende Betrachtung der Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1. einzustellen, dass die Dienststellenleitung der Dienststelle Q. es verabsäumt hat, die ohne weiteres mögliche besondere Absicherung von Daten in der Personalabteilung vorzunehmen. Dass dies nicht „üblich" sei, wie die Beschwerde meint, ist demgegenüber unerheblich, da die Installierung einer entsprechenden Software ohne weiteres möglich und aus der Sache heraus geboten ist.

Der in dem Zustimmungsersuchen des Antragstellers enthaltene Vorhalt, dem Beteiligten zu 1. seien als Personalratsmitglied die Bedeutung der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen zum Schutze der Beschäftigten „besonders geläufig", ist nicht zum Nachteil des Beteiligten zu 1. in die Abwägung einzustellen. Denn die damit verbundene Gewichtung zum Nachteil des Beteiligten zu 1. knüpft an dessen Eigenschaft als Mandatsträger an, die bei anderen Beschäftigten nicht vorliegen würde und die ihnen deswegen auch nicht vorgehalten werden könnte. Der entsprechende Vorhalt benachteiligt mithin den Beteiligten zu 1. unzulässig wegen seiner Eigenschaft als Personalratsmitglied. Hierin liegt im Übrigen ein selbständiger Grund, die Zustimmungsersetzung nicht vorzunehmen.

Eine Kostenentscheidung entfällt im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür mit Blick auf die Besonderheiten des entschiedenen Einzelfalles nicht gegeben sind.






OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 13.10.2006
Az: 1 A 4365/05.PVB


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