Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. März 2009
Aktenzeichen: 14 W (pat) 23/06

(BPatG: Beschluss v. 20.03.2009, Az.: 14 W (pat) 23/06)

Tenor

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der angefochtene Beschluss aufgehoben.

Das Patent 198 14 258 wird unter Änderung der Bezeichnung in "Verwendung gelförmiger Zubereitungen für zahnärztliche Zwekke" beschränkt aufrechterhalten auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 4, 7 Seiten Beschreibung, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung am 20. März 2009.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. Mai 2006 hat die Patentabteilung 42 des Deutschen Patentund Markenamts das Patent 198 14 258 mit der Bezeichnung

" Gelförmige Zubereitungen für zahnärztliche Zwecke "

beschränkt aufrechterhalten.

Die beschränkte Aufrechterhaltung des Patents wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sowohl die Zubereitungen gemäß dem seinerzeit geltenden Anspruch 1 mit ätzenden Wirksubstanzen oder mit desensibilisierenden Wirksubstanzen als auch die Zubereitungen mit diesen beiden Wirksubstanzen gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik neu seien und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden.

Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 4 eingereicht.

Der Patentanspruch 1 lautet wie folgt:

Verwendung gelförmiger Zubereitungen, bestehend aus Wasser, das Zahngewebe ätzende und/oder desensibilisierende Wirksubstanzen und Verdickungsmittel (Gelbildner), gekennzeichnet durch einen Gehalt an anorganischem kreideweißen Pigment, das im Bereich des sichtbaren Lichts ein hohes Streuvermögen zeigt und ein hohes Deckvermögen bewirkt und der Gruppe bestehend aus Aluminiumoxid, Titandioxid, Zirkoniumdioxid oder einem Gemisch aus mindestens zwei dieser Oxide angehört, zur Herstellung eines Mittels für zahnärztliche Zwecke zur Verbesserung der Haftung von Kunststoff an Zahnschmelz und Dentin, wenn Zahnrestaurationen mit Dentalmaterialien auf Kunststoffbasis vorzunehmen sind, oder eines Mittels für zahnärztliche Zwecke zur Behandlung bei Überempfindlichkeit des Dentins.

Die Einsprechende macht insbesondere geltend, dass der neu eingereichte Anspruch 1 gegenüber den erteilten und den ursprünglichen Unterlagen unzulässig erweitert sei. Auch fehle es dem Anspruch 1 an Klarheit, da er nicht definierte Merkmale in Bezug auf die ätzenden Wirksubstanzen, deren ätzende Wirkung von der Konzentration abhänge, die dem Fachmann nicht geläufigen desensibilisierenden Substanzen, die abhängig vom individuellen Schmerzempfinden unterschiedlich wirken könnten, sowie das nicht definierte hohe Streuvermögen aufweise. Da die Aufzählung der Inhaltsstoffe der Zusammensetzung durch die Formulierung "bestehend aus" unter Hinweis auf die weiterhin geltenden Beispiele 3 und 4 nicht abschließend sei, bestreitet sie die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gegenüber den Druckschriften:

(17) US 4 844 883,

(18) US 4 992 258 und

(19) US 5 087 444 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da er durch die Kombination von

(4)

US 4 802 950 mit

(5)

Römpp Chemie Lexikon, 9. Aufl, Thieme Verlag, Stuttgart, New York, Bd. 6, 1995, S. 4629 bis 4630, Stichwort: Titandioxidnahegelegt sei.

Die Einsprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 4 nebst angepasster Beschreibung, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung am 20. März 2009.

Sie trägt im Wesentlichen vor, dass die nunmehr vorgelegte Anspruchsfassung nicht unzulässig erweitert sei, sondern zweifelsfrei aus den ursprünglichen und erteilten Unterlagen hervorgehe. Auch sei dem angesprochenen Fachmann geläufig und durch die geltende Beschreibung erläutert, was unter ätzenden und/oder desensibilisierenden Wirksubstanzen zu verstehen sei. Die Aufzählung der Inhaltsstoffe der gelförmigen Zubereitungen sei durch die Formulierung "bestehend aus" abschließend. Die Neuheit der Verwendung gemäß Anspruch 1 gegenüber den Entgegenhaltungen 17, 18 und 19 sei gegeben, da daraus lediglich Zahnpflegemittel bekannt seien, die außerdem noch weitere nicht unter den Gegenstand des Anspruchs 1 fallende Stoffe enthielten. Auch könne das aus (4) bekannte Ätzmittel für zahnärztliche Zwecke in Zusammenschau mit dem Lexikonwissen gemäß (5) die Verwendung gemäß Anspruch 1 nicht nahelegen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe damit auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere den Wortlaut der geltenden Ansprüche 2 bis 4, wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde der Einsprechenden ist zulässig, sie konnte jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zum Erfolg führen.

1. Der geltende Anspruch 1 basiert auf den erteilten Ansprüchen 1 und 2 i. V. m. Sp. 1 Z. 3 bis 11 und Sp. 3 Z. 5 bis 10 der Patentschrift, und geht auf die ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 sowie S. 1 Abs. 1 und 2, S. 4 Abs. 3 und S. 5 Abs. 3 der Erstunterlagen zurück. Die geltenden Ansprüche 2 bis 4 basieren auf den erteilten Ansprüchen 3 bis 5, die sich aus Anspruch 3 und S. 5 Abs. 2 und 4 der Erstunterlagen herleiten lassen.

Die Anspruchsfassung ist auch sonst nicht zu beanstanden. Sie ist gegenüber den erteilten und ursprünglichen Unterlagen nicht unzulässig erweitert. Denn die nunmehr beanspruchte Verwendung der gelförmigen Zusammensetzung nennt den in diesen Unterlagen angegebenen Verwendungszweck vollständig, vgl. Sp. 1 Z. 3 bis 11 der Patentschrift und S. 1 Abs. 1 und 2 der Erstunterlagen.

In der Anspruchsfassung ist auch eindeutig angegeben, was unter Schutz gestellt ist. Der Anspruch 1 enthält nämlich keine nicht definierten Merkmale. Es ist im Gegensatz zur Auffassung der Einsprechenden für den Fachmann, einen Chemieingenieur oder Diplomchemiker, der über langjährige Erfahrung in der Bereitstellung von Dentalprodukten verfügt, eindeutig verständlich, was unter das Zahngewebe ätzenden und/oder desensibilisierenden Wirksubstanzen zu verstehen ist, die für zahnärztliche Zwecke zur Verbesserung der Haftung von Kunststoff an Zahnschmelz und Dentin oder für zahnärztliche Zwecke zur Behandlung bei Überempfindlichkeit des Dentins geeignet sind. Diese sind dem Fachmann an sich bekannt, wie der Beschreibungseinleitung zu entnehmen ist, und sind zusätzlich in der Beschreibung beispielhaft erläutert, vgl. S. 8 Abs. 2 bis S. 9 Abs. 1 und S. 11 Abs. 3 der geltenden Unterlagen. Auch das Merkmal, dass das anorganische Pigment im Bereich des sichtbaren Lichts ein "hohes" Streuvermögen zeigt, ist durch die Festlegung auf kreideweißes anorganisches Pigment klar definiert. Des weiteren bestehen die gelförmigen Zubereitungen eindeutig nur aus den im Anspruch 1 angegebenen Inhaltsstoffen. Die Formulierung "bestehend aus" lässt keinen Raum für weitere Stoffe in der Zubereitung und erfüllt das Erfordernis der Klarheit (vgl. Schulte PatG 8. Aufl. § 34 Rdn. 128, 129. 6). Die geltende Beschreibung liefert darüber hinaus keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Aufzählung der Inhaltsstoffe der gelförmigen Zubereitung gemäß geltendem Anspruch 1 nicht als abschließend aufgefasst werden könnte, da weitere im Anspruch 1 nicht genannte Stoffe in der geltenden Beschreibung nicht erwähnt werden.

2.

Die Verwendung gelförmiger Zubereitungen für zahnärztliche Zwecke nach dem geltenden Anspruch 1 ist neu. In keiner der dem Senat vorliegenden Entgegenhaltungen wird diese Verwendung in allen Einzelheiten beschrieben. Dies gilt auch für die von der Einsprechenden als neuheitsschädlich betrachteten Druckschriften (17), (18) und (19), die Zahnpflegemittel bzw. Mundspülungen -also keine Zubereitungen für zahnärztliche Zwecke -betreffen, und eine Vielzahl von Inhaltsstoffe umfassen, die in den gemäß Anspruch 1 verwendeten Zubereitungen nicht enthalten sind, vgl. dazu auch das von der Einsprechenden besonders herausgestellte Beispiel 1 der Druckschrift (19).

3.

Die Verwendung gelförmiger Zubereitungen für zahnärztliche Zwecke nach dem geltenden Anspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, Zubereitungen mit das Zahngewebe ätzenden und/oder desensibilisierenden Wirksubstanzen einer Verwendung für zahnärztliche Zwecke zur Verbesserung der Haftung von Kunststoff an Zahnschmelz und Dentin, wenn Zahnrestaurationen mit Dentalmaterialien auf Kunststoffbasis vorzunehmen sind, oder für zahnärztliche Zwecke zur Behandlung bei Überempfindlichkeit des Dentins zuzuführen. Für diese Verwendung sollen die Zubereitungen in Gelform vorliegen, sowohl auf den Zähnen als auch auf Zahnfleisch und Mundschleimhaut deutlich sichtbar sein, nach der Anwendung beim Abspülen der damit behandelten Bereiche mit einem Wasserstrahl vollständig zu entfernen sein, und die Sicherheit vor Schädigungen, zum Beispiel durch unbeabsichtigtes Belassen in einer Zahnfleischtasche, erhöhen ohne zusätzlicher Hilfsmittel, wie Masken oder Beschichtungsmaterialien zu bedürfen, vgl. S. 7 Abs. 1 und 2 i. V. m. S. 9 le. Abs der geltenden Unterlagen.

Diese Aufgabe wird durch den Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gelöst mit den Merkmalen:

1. Verwendung gelförmiger Zubereitungen zur Herstellung eines Mittels für zahnärztliche Zwecke 1.1 zur Verbesserung der Haftung von Kunststoff an Zahnschmelz und Dentin, wenn Zahnrestaurationen mit Dentalmaterialien auf Kunststoffbasis vorzunehmen sind, oder 1.2 zur Behandlung bei Überempfindlichkeit des Dentins, 2.

bestehend aus Wasser 3.1 das Zahngewebe ätzende und/oder 3.2.

desensibilisierende Wirksubstanzen 4.

Verdickungsmittel und 5.

einem Gehalt an anorganischem kreideweißen Pigment, das im Bereich des sichtbaren Lichts ein hohes Streuvermögen zeigt und ein hohes Deckvermögen bewirkt 5.1 und der Gruppe bestehend aus Aluminiumoxid, Titandioxid, Zirkoniumdioxid oder einem Gemisch aus mindestens zwei dieser Oxide angehört.

Die Lösung der Aufgabe wird durch den entgegengehaltenen Stand der Technik nicht nahegelegt. In keiner der dem Senat vorliegenden Druckschriften wird die Problematik der geringen visuellen Unterscheidungskraft bekannter Zubereitungen auf Zahn, Zahnfleisch und Mundschleimhaut angesprochen. Dies gilt auch für die Druckschrift (4), die sich mit gelförmigen Zubereitungen für zahnärztliche Zwecke zum Ätzen von Zahnemail vor Zahnrestaurationen mit Dentalmaterialien auf Kunststoffbasis befasst. Die Zubereitungen gemäß (4) umfassen Phosphorsäure als ätzende Wirksubstanz, pyrogene Kieselsäure als Verdickungsmittel und ein Abrasivum. Die Partikel des Abrasivums sollen eine dunkle Farbe, wie das bevorzugt eingesetzte Siliciumcarbid, aufweisen, um die Lage des Ätzmittels markieren zu können, (Ansprüche 1, 2 und 3 i. V. m. Sp. 1 Z. 6 bis 10 und Sp. 3 Z. 19 bis 27). Diese stark absorbierende dunkle Substanz liefert aber lediglich eine gute Kontrastierung auf den Zähnen, jedoch keine optimale Kontrastierung bezüglich Zahnfleisch und Mundschleimhaut. (4) kann daher nicht dazu anregen, anstelle eines dunklen Abrasivums ein kreideweißes anorganisches Pigment mit hohem Streuund Deckvermögen gemäß Merkmal 5 des Anspruchs 1 einzusetzen. Auch im weiteren Stand der Technik, der dem Senat vorliegt und in der Beschreibungseinleitung erläutert wird, werden nur gattungsgemäße Verwendungen von gelförmigen Zubereitungen beschrieben, deren Färbung mit rot, grün oder blau lediglich eine gute Kontrastierung zum Zahn liefern, nicht aber zum Zahnfleisch bzw. zur Mundschleimhaut, die gegebenenfalls aufwändig abgedeckt werden müssen (vgl. geltende Unterlagen S. 8 Abs. 3 und 5 sowie S. 9 Abs. 2 bis 4). Aus (5) ist zwar bekannt, dass Titandioxid als ausgezeichnetes Weißpigment auf zahlreichen Gebieten der Technik, unter anderem in Zahnpasten, eingesetzt werden kann, jedoch nicht in Zubereitungen für zahnärztliche Zwecke. Eine Anregung die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe durch Zusatz eines Pigments gemäß Merkmal 5 des Anspruchs 1 zu lösen, kann (4) daher auch in Zusammenschau mit (5) nicht liefern.

Nach alledem wird der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 vom Stand der Technik nicht nahegelegt. Die Berücksichtigung der weiteren dem Senat vorliegenden, in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffenen Druckschriften, führt zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhalts.

4. Die Verwendung nach dem geltenden Anspruch 1 erfüllt somit alle Kriterien der Patentfähigkeit. Der geltende Anspruch 1 hat somit Bestand. Die geltenden Ansprüche 2 bis 4 betreffen besondere Ausführungsformen der Verwendung nach Anspruch 1 und sind mit diesem rechtsbeständig.

Dr. Schröder Harrer Dr. Gerster Dr. Münzberg Me






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Az: 14 W (pat) 23/06


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