Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 7. November 2007
Aktenzeichen: 6 W 151/07

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 07.11.2007, Az.: 6 W 151/07)

Ist eine Werbeaussendung nach den Gesamtumständen auf Täuschung angelegt, kann eine wettbewerbswidrige Irreführung selbst dann vorliegen, wenn nur ein erheblicher Teil der angesprochenen Durchschnittsadressaten tatsächlich getäuscht wird.

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Den Antragsgegnern wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1) zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für bezahlte Ein-träge in einem Adressen-Sammelwerk mit einem Formular zu werben oder werben zu lassen, wenn dies geschieht wie nachfolgend wiedergegeben:

[Die im Originaltext hier stehende Grafik kann aus technischen Gründen nicht dargestellt werden.]

Die Antragsgegner haben die Kosten des Eilverfahrens zu tragen.

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 5, 8 III Nr. 1 UWG zu.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin erweckt das beanstandete Formular zwar nicht den Eindruck eines Korrekturabzuges; insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung sowie im Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts vom 21.9.2007 Bezug genommen werden. Die beanstandete Aussendung vermittelt nach ihrem Gesamtinhalt beim angesprochenen Verkehr jedoch die irreführende Vorstellung, das beworbene Adressen-Sammelwerk habe amtlichen oder jedenfalls quasi-amtlichen Charakter.

Die Werbung richtet sich an Gewerbetreibende bzw. deren Mitarbeiter, die mit der Bearbeitung von Eintragungsangeboten der in Rede stehenden Art betraut sind. Dieser Personenkreis erkennt auch bei oberflächlicher Lektüre des beanstandeten Formulars, dass er mit der geforderten €rechtsgültigen Unterschrift€ nebst Stempel einen entgeltlichen Insertionsauftrag erteilt.

Das Insertionsangebot ist jedoch in besonderer Weise dadurch gekennzeichnet, dass es keinerlei nähere Angaben zur Art des Sammelwerks enthält, in dem der in Auftrag gegebene Eintrag des Kunden veröffentlicht werden soll. Dem Formular gemäß Anlage K 1 lässt sich nicht entnehmen, in welchem Medium der Eintrag erfolgt, wie der Eintrag präsentiert wird und wie viele Einträge das Sammelwerk insgesamt enthalten wird. Ohne diese Informationen, die für den Wert einer solchen Eintragung von entscheidender Bedeutung sind, wird gerade der angesprochene Kreis von Gewerbetreibenden in der Regel nicht bereit sein, einen Eintrag in Auftrag zu geben, der immerhin monatliche Kosten in Höhe von 29,50 € zuzüglich Umsatzsteuer verursacht.

Wenn die angesprochenen Verkehrsteilnehmer daher unter diesen Umständen gleichwohl die Erteilung des so beworbenen Insertionsauftrags in Erwägung ziehen, geschieht allenfalls deshalb, weil sie aus der Bezeichnung €Gewerbezentrale.info€ des Sammelwerks den € unzutreffenden € Schluss ziehen, es handele sich um eine amtliche oder jedenfalls quasi-amtliche, d.h. €offizielle€ Veröffentlichung, der seitens derjenigen Verkehrskreise, an die sich der Inserierende wendet, eine erhöhte Beachtung und Wertschätzung entgegengebracht wird. Jedenfalls in dem dargestellten Gesamtzusammenhang legt der Begriff der €Gewerbezentrale€ ein solches Verständnis durchaus nahe, weil er Assoziationen zu €zentralen€ Registern weckt, wie sie in Form des Handelsregisters oder des Gewerberegisters von öffentlichen Stellen tatsächlich geführt werden.

Für die rechtliche Beurteilung kommt es letztlich nicht darauf an, wie hoch der Anteil der angesprochenen Verkehrsteilnehmer ist, die das Formular tatsächlich in der dargestellten Weise verstehen. Für eine relevante Irreführung im Sinne von § 5 UWG kann es ausreichen, dass jedenfalls ein erheblicher Teil der angesprochenen Durchschnittsadressaten zu einer Fehlvorstellung verleitet werden (vgl. BGH WRP 04, 225, 225 - Mindestverzinsung). Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Werbung € wie hier € ersichtlich allein darauf angelegt ist, zumindest einen Teil der Adressaten durch Täuschung zu einem Vertragsschluss zu bewegen; es besteht kein Grund, ein solches Wettbewerbsverhalten allein deswegen zuzulassen, weil ein großer Teil des angesprochenen Verkehrs die Zusammenhänge rechtzeitig zu durchschauen vermag und sich nicht täuschen lässt.

Unerheblich ist schließlich, ob ein Gewerbetreibender, der durch Unterzeichnung des streitgegenständlichen Formulars einen Insertionsauftrag erteilt hat, sich nach zivilrechtlichen Vorschriften (§§ 119, 123 BGB) einem Zahlungsverlangen mit Erfolg widersetzen könnte. Denn das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot (§ 5 UWG) bezweckt einen weitergehenden und von der allgemeinen zivilrechtlichen Beurteilung unabhängigen Schutz der Mitbewerber und des Verkehrs vor unlauterem Verhalten.

Da somit einer der von der Antragstellerin erhobenen Irreführungsvorwürfe gerechtfertigt ist, hat das gegen die konkrete Verletzungsform gerichtete Unterlassungsbegehren in vollem Umfang Erfolg (vgl. BGH GRUR 01, 453 € TCM-Zentrum).Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 07.11.2007
Az: 6 W 151/07


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