Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Juli 2001
Aktenzeichen: 15 W (pat) 47/00

(BPatG: Beschluss v. 26.07.2001, Az.: 15 W (pat) 47/00)

Tenor

1) Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

2) Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten mit folgenden Unterlagen:

Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung in Verbindung mit den Patentansprüchen 2 bis 14 gemäß Patentschrift und der Beschreibung und den Figuren 1 bis 10, jeweils gemäß Patentschrift.

Gründe

I Auf die am 28. Dezember 1994 eingereichte Patentanmeldung hat das Deutsche Patentamt das Patent mit der Bezeichnung

"Werkzeug zur Oberflächenbearbeitung von Werkstücken"

erteilt.

Nach Prüfung eines dagegen eingelegten Einspruchs hat die Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent mit Beschluß vom 28. August 2000 in vollem Umfang aufrechterhalten.

Dem Beschluß lagen die erteilten Patentansprüche 1 bis 14 zugrunde. Der Patentanspruch 1 lautet:

"Werkzeug zur Oberflächenbearbeitung von Werkstücken, insbesondere zum Schleifen und Honen, mit abbrasiven sehr harten Schleifpartikeln (26), welche durch ein Bindemittel (28) zusammengehalten sind, dadurch gekennzeichnet, daß Schleifkörper (22; 30; 32; 46, 48; 68) mit verglichen mit den Schleifpartikeln (26) großer Abmessung in eine Kunststoffmatrix (24) eingebettet sind oder durch Klebstoff verbunden sind."

Zum Wortlaut der Patentansprüche 2 bis 14 wird auf die DE 44 47 036 C1 verwiesen.

Die Aufrechterhaltung des Patents wurde im wesentlichen damit begründet, daß das beanspruchte Werkzeug gegenüber dem Stand der Technik, wie er in

(1) DE 94 11 326 U1

(2) DE 41 33 105 A1 auch unter Einbeziehung von

(3) DIN-Vorschrift 69100, Teil 1, Juli 1988 und

(4) FEPA-Safety Code, Europäische Sicherheitsregeln für den richtigen Gebrauch von Schleifkörpern, deutsche Ausgabe 12-D-1985 beschrieben ist, neu und erfinderisch sei.

Weitere Literatur im Verfahren:

(5) EP 552 782 A1

(6) Lexikon der Physik, Franckn'sche Verlagshandlung Stuttgart, Seiten 1122/1123, Stichwort "Sintern"

(7) Enzyklopädie Naturwissenschaft und Technik (1980), Seiten 3818 und 3819

(8) Römpp Chemie Lexikon, 9. Auflage (1989), Seite 139 Stichwort "Aluminiumoxide"

(9) Petzold/Ulbricht, Aluminiumoxid, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie Leipzig (1991), Seite 117

(10) Lueger, Lexikon der Technik, Band 3 (1961), Seite 641 Stichwort "Sinterkorund" und Seite 485 Stichwort "Oxydkeramik; 1. Aluminiumoxyd".

Gegen den Beschluß der Patentabteilung hat die Einsprechende Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie im wesentlichen vorgetragen, daß das beanspruchte Werkzeug gegenüber (1) nicht neu sei, zumindest aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, da auch dort feine Schleifpartikel und grobe Schleifkörper in einer Kunststoffmatrix eingebettet seien, wobei die groben Schleifkörper aus gebrochenen Schleifpartikeln bestünden, die ebenfalls mit einem Bindemittel gebunden seien.

Die Patentinhaberin überreichte in der mündlichen Verhandlung einen neuen Patentanspruch 1. Dieser hat folgenden Wortlaut:

"Werkzeug zur Oberflächenbearbeitung von Werkstücken, insbesondere zum Schleifen und Honen, mit abbrasiven sehr harten Schleifpartikeln (26), welche durch ein Bindemittel (28) zusammengehalten sind, dadurch gekennzeichnet, daß Schleifkörper (22; 30; 32; 46, 48; 68) mit verglichen mit den Schleifpartikeln (26) großer Abmessung in eine Kunststoffmatrix (24) eingebettet sind oder durch Klebstoff verbunden sind, wobei die Schleifkörper (22) eine Mikrostruktur haben, die durch Einbetten von sehr harten Schleifpartikeln (26) in eine Bindemittelmatrix (28) erhalten ist."

Die Einsprechende hält auch diesen Patentanspruch aus den angegebenen Gründen nicht für patentfähig und beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin ist dem Vorbringen der Einsprechenden entgegengetreten und beantragt, das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten auf der Grundlage des Patentanspruchs 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, in Verbindung mit den Patentansprüchen 2 bis 14 gemäß Patentschrift und der Beschreibung und den Figuren 1 bis 10 jeweils gemäß Patentschrift.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Patentschrift verwiesen.

II Die Beschwerde der Einsprechenden ist frist- und formgerecht eingelegt worden und zulässig (PatG § 73). Sie hat insoweit auch Erfolg, als das Patent beschränkt wurde.

1. Die Erfindung betrifft ein Werkzeug zur Oberflächenbearbeitung von Werkstücken, insbesondere zum Schleifen, Feinen und Honen, mit abbrasiven, sehr harten Schleifpartikeln, die durch ein Bindemittel zusammengehalten sind. Haben derartige Bearbeitungswerkzeuge komplizierte Form oder wird von ihnen höchste Härte verlangt, so sind diese Werkzeuge nur mit hohen Kosten herstellbar. Mit der Erfindung soll daher die Aufgabe gelöst werden, solche Bearbeitungswerkzeuge zur Verfügung zu stellen, die leicht herstellbar sind.

Die patentgemäße Aufgabe wird durch ein Bearbeitungswerkzeug gemäß Anspruch 1 gelöst, der folgende Merkmale aufweist:

1. Das Werkzeug enthält Schleifkörper, 2. die eine Mikrostruktur haben, die durch Einbetten von sehr harten Schleifpartikeln in eine Bindemittelmatrix erhalten ist.

3a Diese Schleifkörper sind in eine Kunststoffmatrix eingebettet oder 3b durch Klebstoff miteinander verbunden und 4. haben verglichen mit den Schleifpartikeln eine große Abmessung.

2. Bezüglich einer ausreichenden Offenbarung der Gegenstände der Patentansprüche 1 bis 14 bestehen keine Bedenken, da deren Merkmale sowohl aus den ursprünglichen als auch erteilten Unterlagen herleitbar sind. Die Merkmale des Patentanspruchs 1 finden sich im ursprünglichen Anspruch 1 in Verbindung mit Seite 7 Zeilen 18 bis 20, bzw in der Patentschrift Anspruch 1 in Verbindung mit Spalte 3 Zeilen 55 bis 58. Die Patentansprüche 2 und 4 bis 14 entsprechen den ursprünglichen und erteilten Ansprüchen 2 und 4 bis 14. Der geltende Patentanspruch 3 ist identisch mit dem erteilten Anspruch 3 und aus dem ursprünglichen Anspruch 3 in Verbindung mit der ursprünglichen Beschreibung Seite 2/3, Brückenabsatz und Seite 11 Zeilen 14 bis 21 herleitbar.

3. Das beanspruchte Werkzeug zur Oberflächenbearbeitung gemäß Patentanspruch 1 ist neu.

Der dem Patentgegenstand nächstliegende Stand der Technik ist in (1) DE 94 11 326 U1 beschrieben. Auch das dort beschriebene Honschleifwerkzeug enthält nach dem dortigen Schutzanspruch 1 Schleifkörper, dort keramische Grobkörner genannt (Merkmal 1). Diese Grobkörner sind beim Stand der Technik (zusammen mit Schleifpartikeln, dort Feinkörner genannt) in eine Kunststoffmatrix, dort Kunstharz genannt, eingebettet (Merkmal 3a) und haben verglichen mit den Schutzpartikeln/Feinkörnern eine größere Abmessung (Merkmal 4).

Zu den Grobkörnern ist in dieser Gebrauchmusterschrift ausgeführt, daß sie vorteilhafterweise aus gebranntem Keramikmaterial, zB aus Korund, bestehen, wobei Sinterkorund wegen seines Aufbaus aus unzähligen Kristalliten bevorzugt wird (vgl (1) S 2 vorle Abs). Diese Grobkörner erhält man dadurch, daß sie aus speziell vorgefertigten porösen Sinterkorundplatten gebrochen werden (vgl (1) S 3 Abs 1).

Die Einsprechende ist der Auffassung, daß es sich bei diesen bekannten Sinterkorundplatten auch um zB Schleifscheiben handeln kann, die gemäß (8) Römpp Chemie Lexikon 9. Auflage, 1989, Seite 139, rechte Spalte, Absatz 2 durch Sintern einer Mischung aus gemahlenem Korund mit einem Bindemittel wie zB Ton oder Quarz erhalten werden. Daher könnten auch die Grobkörner gemäß (1) die gleiche Mikrostruktur (Merkmal 2) wie die streitpatentgemäßen Schleifkörper haben.

Dies entspricht jedoch nicht der Offenbarung von (1). Neben den unspezifizierten Hinweisen auf gebranntes Keramikmaterial werden beispielhaft in (1) nur Grobkörner genannt, die aus speziell vorgefertigten Sinterkorundplatten gebrochen werden. Der Fachmann, ein Keramiker mit Hochschulbildung und besonderen Kenntnissen auf den Gebieten von Hartstoffen und ihrer Verwendung für Schleifmittel weiß und wird durch (10) Lueger, Lexikon der Technik, Band 3 (1961) Stichwort "Sinterkorund" und den Querverweis auf das Stichwort "Oxydkeramik 1." oder auch durch (9) Petzold/Ulbricht, Aluminiumoxid, Deutscher Verlag für Kunststoffindustrie Leipzig (1981), Seite 117 - Tabelle 5.1. "kommerzielle Sinterkorundwerkstoffe" darin bestärkt, daß Sinterkorund einen sehr hohen Al2O3-Gehalt von teilweise > 99,7 % aufweist. Für eine Bindemittelphase in die die Korundkristalle eingebettet sein sollen, ist bei diesen hohen Reinheiten kein Raum.

Das patentgemäße Merkmal 2, das die Mikrostruktur der Schleifkörper (Grobkörner) betrifft, ist daher in (1) nicht vorbeschrieben.

Die weiteren Literaturstellen liegen weiter entfernt und betreffen eine Honmaschine (2) DE 41 33 105 A1, Schleifkörper aus gebundenen Schleifmittel (3) DIN 69100, Juli 1988, Sicherheitsregeln für den Gebrauch von Schleifkörpern (4) FEPA-Safety Code deutsche Ausgabe 12-D-1985, ein Verfahren, bei dem abbrasives Material in einen noch nicht verfestigten Kunststoff eingestreut wird und anschließend ausgehärtet wird (5) EP 552 782 A1 und Nachschlagwerke (6) bis (10) aaO. In keiner dieser Literaturstellen werden Schleifkörper beschrieben, die in einer Kunststoffmatrix eingebettet sind und eine patentgemäße Mikrostruktur haben.

4. Die Entwicklung des beanspruchten Werkzeugs zur Oberflächenbearbeitung beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Da - wie aufgezeigt - im gesamten entgegengehaltenen Stand der Technik kein Hinweis auf Werkzeuge zur Oberflächenbearbeitung zu finden ist, bei denen Schleifkörper mit der anspruchsgemäßen Mikrostruktur (Merkmal 2) in eine Kunststoffmatrix eingebettet sind, gab es für den Fachmann auch in der Zusammenschau aller Literaturstellen keinen Anlaß, die in (1) aus den Sinterkorundplatten gebrochenen Grobkörner durch die anspruchsgemäßen Schleifkörper zu ersetzen. Erst durch diesen patentgemäßen Lösungsvorschlag ist es auch möglich (Anspruch 2) preiswertes Regenerat-Granulat, das durch Mahlen von Rohlingen oder gebranntem abbrasiven Bearbeitungswerkzeugen erhalten ist, zur Herstellung von Oberflächenbearbeitungswerkzeugen zu verwenden.

Der ohne Zweifel gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist daher patentfähig. Die Unteransprüche 2 bis 14 stellen vorteilhafte Weiterbildungen des Gegenstandes nach Patentanspruch 1 dar.

Kahr Niklas Jordan Kahr

(Richterin Schroeter ist wegen Erkrankung an der Unterschriftsleistung verhindert)

Ko






BPatG:
Beschluss v. 26.07.2001
Az: 15 W (pat) 47/00


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