Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 19. September 2013
Aktenzeichen: 21 W 6/13

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 19.09.2013, Az.: 21 W 6/13)

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20. November 2012 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren erwachsenen außergerichtlichen Kosten zu tragen.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Aktionärin der Antragsgegnerin, einer deutschen Großbank in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Diese hielt am 31. Mai 2012 ihre ordentliche Hauptversammlung und am 11. April 2013 eine außerordentliche Hauptversammlung ab.

An der Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 31. Mai 2012 nahm der hiesige Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin als deren Vertreter teil. Vor Beginn der Generaldebatte erhielt er das Wort, um einen zuvor von ihm angekündigten Geschäftsordnungsantrag zu stellen.

Die Antragstellerin hat am 14. Juni 2012 beim Landgericht Frankfurt am Main ein Auskunftserzwingungsverfahren gemäß § 132 AktG anhängig gemacht. Neben zwei anderen Fragen, die nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens sind, begehrt sie mit ihrem Antrag die Verpflichtung des Vorstands der Antragsgegnerin zur Auskunftserteilung auf folgende Frage, die von ihrem Verfahrensbevollmächtigten unstreitig weder im Rahmen des Geschäftsordnungsantrags noch im weiteren Verlauf der Hauptversammlung vom 31. Mai 2012, in der kein weiterer Wortbeitrag durch ihn erfolgte, gestellt wurde:

€Vor dem Hintergrund, dass das OLG München in dem B-Verfahren mit Hinweisbeschluss vom 24.03.2011 der A nahegelegt hat, sämtliche Streitigkeiten gegen eine Zahlung von EUR 775 Mio. beizulegen und der Presse zu entnehmen war, dass Sie dies abgelehnt haben, obwohl nach Einschätzung Ihrer Rechtsanwälte der Prozess vor dem OLG München verloren scheint: In welcher Höhe haben Sie wann Rückstellungen für die Forderungen der B GmbH gebildet, und falls Sie hierfür bislang keine Rückstellungen gebildet haben, aus welchen Gründen€€

Der Grund dafür, dass dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin im weiteren Verlauf der Hauptversammlung nicht erneut das Wort erteilt wurde, ist zwischen den Beteiligten strittig. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin macht insofern geltend, die Antragsgegnerin habe ihm einen weiteren Redebeitrag, in dessen Rahmen er die streitgegenständliche Frage hätte stellen wollen, grundlos verweigert. Die Antragsgegnerin macht demgegenüber geltend, der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin habe bei seiner Wortmeldung nicht deutlich gemacht, dass er sowohl zur Geschäftsordnung als auch im Rahmen der Generaldebatte sprechen wolle. Die Wortmeldung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ist auch Gegenstand eines Anfechtungsverfahrens bezüglich der Beschlüsse der Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 31. Mai 2012, das derzeit in der Berufungsinstanz beim 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main anhängig ist.

Mit Beschluss vom 20. November 2012 hat das Landgericht Frankfurt am Main den Antrag zurückgewiesen. Mit Blick auf die streitgegenständliche Frage hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antrag insoweit bereits unzulässig sei, da ein Auskunftserzwingungsverfahren nach §§ 131 f. AktG voraussetze, dass die Frage in der Hauptversammlung gestellt worden sei, was hier nicht der Fall sei. Ob der Bevollmächtigte der Antragstellerin die Frage nicht habe stellen können, weil ihm trotz der behaupteten Wortmeldung keine Frage- und Redezeit eingeräumt worden sei, sei hier unbeachtlich. Dies sei nur im Beschlussmängelrechtsstreit relevant.

Das Landgericht hat die Beschwerde zugelassen. Den Geschäftswert hat es auf 5.000 € festgesetzt. Der Beschluss, für den ergänzend auf Bl. 68 ff. d.A. Bezug genommen wird, ist der Antragstellerin am 23. November 2012 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2012, an demselben Tag bei Gericht eingegangen, hat sie Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 22. Januar 2013 hat das Landgericht entschieden, der Beschwerde nicht abzuhelfen.

Auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 11. April 2013 vertrat der hiesige Verfahrensbevollmächtigte wiederum die Antragstellerin. Auf dieser Hauptversammlung stellte er folgende Frage:

€Das Oberlandesgericht München hat im B-Verfahren mit Hinweisbeschluss vom 24. März 2011 der A nahegelegt, sämtliche Streitigkeiten gegen eine Zahlung von 775 Millionen Euro beizulegen. Wie der Presse zu entnehmen war, haben Sie dies abgelehnt, obwohl nach Einschätzung Ihrer Rechtsanwälte der Prozess vor dem Oberlandesgericht München verloren schien und sich dies zwischenzeitlich bewahrheitet hat. Vor diesem Hintergrund habe ich nachfolgende Fragen:

In welcher Höhe haben Sie wann Rückstellungen für die Forderungen der B GmbH gebildet€ Falls Sie bislang hierfür keine Rückstellungen gebildet haben, erläutern Sie bitte die Gründe dafür.€

Der Vorstand der Antragsgegnerin beantwortete diese Frage in der außerordentlichen Hauptversammlung vom 11. April 2013 wie folgt:

€Antwort: Grundsätzlich geben wir im Interesse der Gesellschaft zur Bildung von Rückstellungen für einzelne Rechtsstreitigkeiten keine Auskunft.

Auf früheren Hauptversammlungen haben wir jedoch auf entsprechende Fragen geantwortet, dass die Bank keine Rückstellungen in Sachen C gebildet hat.

Aus diesem Grund teilen wir Ihnen auf Ihre Frage mit, dass die Bank nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 14. Dezember 2012 in Übereinstimmung mit den Rechnungslegungsvorschriften für das Geschäftsjahr 2012 eine Rückstellung im Zusammenhang mit den Rechtsstreitigkeiten in Sachen C gebildet hat.

Damit ist weder das Anerkenntnis eines Fehlverhaltens noch die Aussage, dass es tatsächlich zu einer Auszahlung kommen wird, verbunden. Zu Details, insbesondere zur Höhe der Rückstellung, geben wir keine Auskunft.€

Mit ihrer mit Schriftsatz vom 18. April 2013 begründeten Beschwerde beantragt die Antragstellerin, den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20. November 2012 dahin abzuändern, dass die Antragsgegnerin zur Beantwortung der streitgegenständlichen Frage verpflichtet wird. Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe den Auskunftserzwingungsantrag hinsichtlich dieser Frage zu Unrecht als unzulässig angesehen. § 132 AktG beziehe auch die Fälle ein, in denen eine Frage nicht habe gestellt werden können, weil dem Aktionär trotz einer Wortmeldung ohne Grund ein Redebeitrag verwehrt worden sei. Da dieser Frage grundsätzliche Bedeutung zukomme, solle der Senat gegebenenfalls die Rechtsbeschwerde gegen seine Entscheidung zulassen.

Die Antragsgegnerin macht geltend, die Beschwerde der Antragstellerin sei unzulässig geworden, da sich durch die am 11. April 2013 erteilte Auskunft die Hauptsache erledigt habe. Im Übrigen sei die Beschwerde auch unbegründet.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird ergänzend auf die erstinstanzlich und im Beschwerdeverfahren wechselseitig eingereichten Schriftsätze sowie die ihnen beigefügten Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20. November 2012 hat keinen Erfolg. Zum überwiegenden Teil ist sie bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet.

1. Zwar ist die vom Landgericht zugelassene Beschwerde gemäß §§ 99 Abs. 3 Satz 2, 132 Abs. 3 Satz 2 AktG statthaft und auch fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt worden.

2. Die Beschwerde ist jedoch zum überwiegenden Teil unzulässig geworden, da sich nach ihrer Einlegung die Hauptsache weitgehend erledigt hat und weder ein Fall des § 62 Abs. 1 FamFG vorliegt noch eine Beschränkung des Rechtsmittels auf den Kostenpunkt erfolgt ist (vgl. BGH NJW-RR 2012, 997; BGH WM 2012, 300; Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl., § 22 Rn. 34 mwN). Mit der Erledigung der Hauptsache entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde (BGH NJW-RR 2012, 997).

a) Das erledigende Ereignis liegt darin, dass die Antragsgegnerin in der außerordentlichen Hauptversammlung vom 11. April 2013 der Antragstellerin die begehrte Auskunft erteilt hat. Vor diesem Hintergrund hätte eine Weiterführung des Beschwerdeverfahrens keinen Sinn mehr (vgl. BGH NJW-RR 2012, 997; BGH NJW 1982, 2505, 2506).

Die vom Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 11. April 2013 gestellte Frage

€In welcher Höhe haben Sie wann Rückstellungen für die Forderungen der B GmbH gebildet€ Falls Sie bislang hierfür keine Rückstellungen gebildet haben, erläutern Sie bitte die Gründe dafür.€

ist mit der im vorliegenden Beschwerdeverfahren streitgegenständlichen Frage

€In welcher Höhe haben Sie wann Rückstellungen für die Forderungen der B GmbH gebildet, und falls Sie hierfür bislang keine Rückstellungen gebildet haben, aus welchen Gründen€€

inhaltlich identisch. Die mit dieser Frage begehrten Auskünfte wurden durch die Antragsgegnerin am 11. April 2013 weitgehend erteilt.

(aa) Aus der von der Antragsgegnerin erteilten Auskunft ergibt sich zunächst, dass sie im Zusammenhang mit den Rechtsstreitigkeiten in Sachen C - wozu, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, die vor dem OLG München geltend gemachten Forderungen der B GmbH gegen die Antragsgegnerin gehören - eine Rückstellung gebildet hat. Des Weiteren geht aus der in der außerordentlichen Hauptversammlung vom 11. April 2013 erteilten Auskunft auch hervor, wann die Antragsgegnerin diese Rückstellung gebildet hat. Hierzu hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, dass sie die Rückstellung nach der Entscheidung des OLG München vom 14. Dezember 2012 gebildet hat.

(bb) Der Einwand der Antragstellerin in der Replik vom 26. Juli 2013, ihre - in der Hauptversammlung vom 31. Mai 2012 nicht gestellte - Frage nach Rückstellungen hätte sich auf den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2011 bezogen und diese Frage sei unbeantwortet geblieben, da sich die von der Antragsgegnerin in der außerordentlichen Hauptversammlung vom 11. April 2013 erteilte Auskunft auf den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2012 bezogen habe, verfängt nicht. Denn aus der Auskunft der Antragsgegnerin ergibt sich hinreichend deutlich, dass sie in ihrem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2011 noch keine Rückstellung für die Forderungen der B GmbH gebildet hatte. Bereits aus dem Wortsinn der Mitteilung, dass nach der Entscheidung vom 14. Dezember 2012 eine Rückstellung im Zusammenhang mit den Rechtsstreitigkeiten in Sachen C gebildet wurde, ergibt sich für einen verständigen durchschnittlichen Aktionär hinreichend deutlich, dass es sich hierbei um die erstmalige Bildung einer Rückstellung für die Forderungen der B GmbH gegen die Antragsgegnerin handelte. Vorliegend kommt aber noch hinzu, dass die Antragsgegnerin in der außerordentlichen Hauptversammlung vom 11. April 2013 zusätzlich darauf hinwies, dass sie in der Vergangenheit die Frage nach Rückstellungen in Sachen C stets verneint habe, und €aus diesem Grund€ nunmehr mitteile, dass sie nach der Entscheidung des OLG München vom 14. Dezember 2012 eine Rückstellung gebildet habe. Mit dieser Bezugnahme auf ihre früheren Auskünfte zur (Nicht-) Bildung von Rückstellungen hat die Antragsgegnerin den Gegensatz zwischen der früheren Situation und derjenigen nach dem 14. Dezember 2012 nochmals verdeutlicht und die Besonderheit der jetzigen Situation, die darin besteht, dass sie sich nunmehr erstmals veranlasst sah, eine Rückstellung für die C-Verfahren zu bilden, hervorgehoben.

(cc) Eine Antwort auf die Frage der Antragstellerin nach den Gründen für eine etwaige Nichtbildung von Rückstellungen erübrigte sich, nachdem die Antragsgegnerin mitgeteilt hatte, eine Rückstellung gebildet zu haben.

b) Ein Fall des § 62 Abs. 1 FamFG liegt nicht vor. Hierfür fehlt es bereits an einem entsprechenden Antrag der Antragstellerin. Zudem ist ein berechtigtes Interesse der Antragstellerin an einer Feststellungsentscheidung gemäß § 62 FamFG nicht ersichtlich.

c) Schließlich ist hier auch nicht der Fall gegeben, dass der Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel in zulässiger Weise auf den Kostenpunkt beschränkt hätte.

3. Mit Blick auf die Frage der Antragstellerin nach der Höhe der Rückstellungen ist die Beschwerde unbegründet. Diese Frage wurde von der Antragsgegnerin durch die Auskunft, sie habe die Rückstellung in Übereinstimmung mit den Rechnungslegungsvorschriften gebildet, ausreichend beantwortet. Zu einer weitergehenden Auskunft, insbesondere zu einer Mitteilung der genauen Höhe der von ihr nach der Entscheidung des OLG München vom 14. Dezember 2012 in dem von der B GmbH gegen sie geführten Rechtsstreit war die Antragsgegnerin nicht verpflichtet. Insofern steht der Antragsgegnerin ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG zu. Die Mitteilung der genauen Höhe der aufgrund dieses Rechtsstreits mit der B GmbH gebildeten Rückstellung wäre nach vernünftiger kaufmännischer Betrachtung geeignet gewesen, der Gesellschaft einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen, da dies Rückschlüsse auf die Beurteilung der Erfolgsaussichten des noch nicht rechtskräftig entschiedenen Verfahrens durch die Antragsgegnerin als dortige Beklagte zuließe und damit - insbesondere bei etwaigen Vergleichsverhandlungen - vom dortigen Prozessgegner zu Ungunsten der Antragsgegnerin verwendet werden könnte.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 99, 132 Abs. 5 Satz 7 AktG, §§ 81, 84 FamFG.

5. Die Festsetzung des Geschäftswerts des Beschwerdeverfahrens beruht auf §132 Abs. 5 Satz 5 AktG.

6. Die Entscheidung ist rechtskräftig. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde war mangels Zulassungsgrund im Sinne von § 70 Abs. 2 FamFG nicht veranlasst.

Insbesondere war die Frage, ob sich ein Auskunftserzwingungsverfahren nach § 132 AktG auf eine Frage beziehen kann, die in der Hauptversammlung gar nicht gestellt wurde bzw. gestellt werden konnte, oder ob ausschließlich in einem Beschlussmängelrechtsstreit gerügt werden kann, dass die Frage in der Hauptversammlung nicht gestellt werden konnte, im vorliegenden Beschwerdeverfahren infolge der durch die Antragsgegnerin erteilten Auskunft nicht mehr entscheidungserheblich.






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 19.09.2013
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