Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. März 2001
Aktenzeichen: 7 W (pat) 44/00

(BPatG: Beschluss v. 21.03.2001, Az.: 7 W (pat) 44/00)

Tenor

Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Patentanmeldung 197 39 040.4-44 ist am 5. September 1997 unter der Bezeichnung "Möbel" beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen.

In einem Bescheid vom 27. März 1998 hat die Prüfungsstelle für Klasse A 47 B des Deutschen Patent- und Markenamts zum Stand der Technik ua die deutsche Offenlegungsschrift 1 955 922 genannt und darauf hingewiesen, dass in Anbetracht dieser Entgegenhaltung die Anmeldung keine Aussicht auf Patenterteilung habe. Im Anschluß an eine mündliche Anhörung am 7. Oktober 1999, in der der Anmelder einen neuen, einzigen Patentanspruch vorgelegt und die Erteilung eines Patents auf der Basis dieses Anspruchs beantragt hatte, hat die Prüfungsstelle die Anmeldung mit der Begründung zurückgewiesen, ihr Gegenstand beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde des Anmelders.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht vertritt der Anmelder die Auffassung, die aus der deutsche Offenlegungsschrift 1 955 922 bekannte Möbelkonstruktion könne den Anmeldungsgegenstand nach dem geltenden Anspruch schon deshalb nicht nahelegen, weil die Entgegenhaltung keine Anhaltspunkte für die Vermeidung von Scherkräften in der Verbindung benachbarter Möbelelemente offenbare. Er legt dem Senat einen neuen Patentanspruch gemäß einem Hilfsantrag 1 und einen neuen Patentanspruch gemäß einem Hilfsantrag 2 vor und stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu erteilen mit dem einzigen Patentanspruch vom 29. Juli 1999 mit den Änderungen vom 7. Oktober 1999 (Hauptantrag), hilfsweise jeweils mit dem einzigen Patentanspruch nach Hilfsantrag 1 bzw. nach Hilfsantrag 2, jeweils vom 21. März 2001, und jeweils ursprünglicher Beschreibung und Zeichnungen.

Der geltende Patentanspruch (Hauptantrag) lautet:

"1. Möbelkonstruktion aus quaderförmigen Möbelelementen, die jeweils an ihrer Ober-, ihrer Unterseite und mindestens zwei weiteren Seiten Wände mit Durchbrüchen aufweisen und als solche selbsttragend sowie mittels durch die Durchbrüche greifender Verbindungselemente lösbar miteinander verbunden sind, wobei

"- zumindestens ein Teil der Möbelelemente an drei Seitenflächen Wände aufweist;

- die Verbindungselemente aus einer mit einem Senkkopf versehenen Schraubhülse und einen ebenfalls mit einem Senkkopf versehenen Schraubbolzen bestehen, der in die Schraubhülse eingeschraubt ist;

- die aneinander grenzenden Wandflächen benachbarter Möbelelemente durch die unter Spannung stehenden Verbindungselemente so aufeinandergepresst sind, dass zwischen den Möbelelementen herrschende Scherkräfte durch Haftreibungskräfte zwischen den aufeinandergepressten Wandflächen aufgenommen werden."

Der Patentanspruch nach Hilfsantrag 1 enthält neben den Merkmalen des Patentanspruchs nach Hauptantrag am Ende noch das Merkmal :

"- so dass die Möbelkonstruktion wenigstens ein Möbelelement enthalten kann, welches nur einseitig an ein benachbartes Möbelelement gepresst ist."

Der Patentanspruch nach Hilfsantrag 2 enthält neben den Merkmalen des Patentanspruchs nach Hauptantrag noch die Einfügung " , bestehend nur aus gleichförmigen," hinter dem Wort "Möbelkonstruktion" und am Ende des Anspruchs das Merkmal:

"- so dass die Möbelkonstruktion wenigstens ein schwebendes Möbelelement enthalten kann, welches nur mit einer Seitenwand einseitig an ein benachbartes Möbelelement gepresst ist und keine Unterstützung von unten benötigt."

Laut Beschreibung (DE 197 39 040 A1, Sp 1, Z 15 bis 20) liegt die Aufgabe vor, ein Möbel zu schaffen, welches universeller anwendbar ist und sich möglichst noch flexibler zusammenstellen lässt als bekannte Systemregale.

II Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch nicht gerechtfertigt.

Der Gegenstand der Anmeldung stellt - wie die Prüfungsstelle zu Recht festgestellt hat - keine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

Der Gegenstand des Patentanspruchs nach Hauptantrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

In der deutschen Offenlegungsschrift 1 955 922 ist eine Möbelkonstruktion beschrieben, nach der ein Kastenmöbel aus mehreren quaderförmigen und daher selbsttragenden Kästen in vielfältiger Abwandlung gebaut werden kann (S 1 bis S 2 Abs 1). Der Aufbau erfolgt durch lösbares Verbinden benachbarter Kästen, indem Seitenwände dieser Kästen flächig aneinandergehalten und durch Zuganker, die sich durch Durchbrüche in diesen Seitenwänden erstrecken, miteinander verschraubt werden (S 8 Abs 2). Es können bis zu fünf Seitenwände der Kästen mit Durchbrüchen versehen sein (Fig 1). Als Zuganker sind Kopfbolzen mit Muttern beispielhaft erwähnt (S 10 Abs 2). Der Fachmann, als hier zuständig wird ein auf dem Gebiet der Möbelkonstruktion erfahrener Schreiner-/Tischlermeister angesehen, versteht die Möbelkästenverbindung so, dass infolge der in den Zugankern bzw Schraubenbolzen erzeugten Zugspannungen die benachbarten, hier ebenen Wandflächen gegeneinander angepresst gehalten werden, so dass eine reibschlüssige Verbindung geschaffen wird, die denkbaren Verschiebekräften zwischen den aneinandergefügten Kästen entgegenwirkt und die Zuganker - bestimmungsgemäß - von Scherkräften freihält. Insbesondere wenn Möbelteile - wie im bekannten Fall - planflächig, also ohne formschlussbildende zusätzliche Maßnahmen mittels Zugankern verbunden werden sollen, erfordert schon die Präzision der Montage, hier die Erzielung fluchtender Möbellinien (vgl Fig 7 der Entgegenhaltung), ein gegenseitiges Verschieben der Möbelteile quer zur Zugrichtung der Schrauben durch Erzeugung ausreichend hoher Haftreibungskräfte auszuschließen.

Von dieser bekannten Möbelkonstruktion unterscheidet sich die Konstruktion nach dem geltenden Anspruch nur noch dadurch, dassa) zumindest ein Teil der Möbelelemente an drei Seitenflächen Wände aufweist undb) die Verbindungselemente jeweils aus Schraubbolzen und Schraubhülsen mit Senkköpfen bestehen.

Die Zahl "drei" im Merkmal a) geht offensichtlich auf einen Schreibfehler im ursprünglichen Anspruch 3 zurück. Nach der ursprünglichen Beschreibung soll das mit 12a bezifferte Möbelelement nicht an drei sondern an "fünf" Seitenflächen Wände aufweisen (s Offenlegungsschrift Sp 3 Z 15 bis 21). Nur mit "fünf" Wänden macht auch der Rückbezug des ursprünglichen Anspruchs 3 auf den ursprünglichen Anspruch 1, in dem - wie auch im geltenden Patentanspruch - mindestens vier Seitenwände gefordert sind, einen Sinn. Wie schon ausgeführt, zeigt Fig 1 der Entgegenhaltung bereits ein Möbelelement mit fünf Wänden. Aber selbst wenn man drei Wandflächen unterstellen wollte, läge darin kein erfindungswesentliches Merkmal, weil die Zahl der Wände eines Elements nichts an dem Wesen der beanspruchten Möbelkonstruktion ändert, sondern lediglich deren Kombinationsvielfalt einschränkt.

Der Senat konnte auch nicht feststellen, dass die Verwendung von mit Senkköpfen ausgebildeten Schraubenbolzen und Schraubenhülsen anstelle von Schraubenbolzen mit Muttern für die Erzeugung von Haftreibungskräften zwischen benachbarten Möbelelementen eine erfinderische Tätigkeit zu begründen vermag. Denn dem Fachmann sind Schraubenbolzen/Schraubenmuttern-Kombinationen mit unterschiedlichsten Kopfgestaltungen, ua in Senkkopfausführung, im Rahmen seines fachlichen Grundwissens geläufig. Zu welcher Ausführung der Fachmann greift, wird er daher vom jeweiligen Anwendungsfall und ggf von ästhetischen Anforderungen abhängig machen. Beispielsweise werden im Möbelbau - wie vom Anmelder nicht bezweifelt wurde - als Gegenmuttern häufig Schraubenhülsen verwendet, weil diese mit einem flachen Kopf und Schraubschlitz herstellbar sind und so nur geringe Materialüberstände bei einfacher Montage mit Schraubendrehern ermöglichen. Erfordern die individuellen Ansprüche aber darüber hinaus, dass Verbindungselemente nicht über die Wandoberfläche hervortreten, dann wird der Fachmann an die ihm geläufige Senkkopfvariante denken, weil - wie schon in der Schraubenbezeichnung selbst zum Ausdruck kommt - es Zweck von Senkköpfen ist, in die Oberfläche der Wände, bedarfsweise flächenbündig, versenkt zu werden. Auf die Ausnutzung dieses bekannten Vorteils ist es auch dem Anmelder angekommen (DE 198 21 287 A1, Sp 2 Z 42 bis 47).

Nach alledem gelangt der Fachmann ausgehend von der deutschen Offenlegungsschrift 1 955 922 allein unter Zuhilfenahme seines routinemäßigen Könnens zur Lehre des geltenden Patentanspruchs nach Hauptantrag.

Der geltende Patentanspruch ist somit nicht gewährbar.

Im Patentanspruch nach Hilfsantrag 1 ist zusätzlich angegeben, dass ein Möbelelement nur einseitig an ein benachbartes Möbelelement gepresst ist. Dieses Element soll demnach nicht auch noch mit einem weiteren Möbelelement verbunden sein. Dieses Merkmal stellt sich jedoch zwangsläufig bei zB einreihigen Möbelkonstruktionen ein, weil hier das erste und das letzte Element der Reihe nicht anders als nur einseitig befestigbar ist. Es kann daher nichts zur Stützung erfinderischer Tätigkeit beitragen.

Der Patentanspruch nach Hilfsantrag 1 ist ebenfalls nicht gewährbar.

Die Möbelkonstruktion gemäß dem Patentanspruch nach Hilfsantrag 2 ist gegenüber der nach Hilfsantrag 1 weiter dadurch eingeschränkt, dass nur gleichförmige Möbelelemente für die Konstruktion zum Einsatz kommen und dass das nur einseitig an ein benachbartes Möbelteil befestigte Möbelelement keine weitere Abstützung von unten erfährt, es gewissermaßen auskragend, mit den Worten des Anmelders "schwebend" gehalten ist. Auch hierin vermag der Senat keine Merkmale von erfinderischer Bedeutung zu erkennen. So ist bei der bekannten Möbelkonstruktion einerseits schon die Verwendung gleichgroßer Kästen als naheliegende Möglichkeit angesprochen (S 2 Abs 1) und andererseits schon eine "schwebende" Anordnung von Möbelelementen, dh eine Anordnung ohne weitere Unterstützung von unten, in einem Ausführungsbeispiel aufgezeigt (vgl Fig 7, Kästen über Durchgang 40). Wegen der Fortführung der Konstruktion über den Durchgang hinaus schließt sich dort jeweils an der zweiten Seite der "schwebenden" Kästen zwar ein weiterer Kasten an, so dass keine nur einseitige Befestigung an einem Nachbarmöbel vorliegt. Der Fachmann erkennt aber ohne weiteres, dass die Konstruktion im Bereich oberhalb des Durchbruchs die einseitige Befestigung mit umfasst, wenn er beispielsweise von einer kastenweisen Montagefolge ausgeht. Im übrigen sieht der Senat bei einem beliebig aus Kästen kombinierbarem Möbel gemäß deutscher Offenlegungsschrift 1 955 922 das Vorsehen von schwebend angeordneten Möbelelementen als im Griffbereich des Fachmannes liegend an. Daß die Verbindungselemente entsprechend der damit einhergehenden Belastung geeignet zu dimensionieren sind, versteht sich für den Fachmann von selbst.

Auch der Patentanspruch nach Hilfsantrag 2 ist nicht gewährbar.

Bei dieser Sachlage war die Beschwerde zurückzuweisen.

Dr. Schnegg Eberhard Hochmuth Frühauf Cl






BPatG:
Beschluss v. 21.03.2001
Az: 7 W (pat) 44/00


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